Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Kritikpunkte am öffentlich-rechtlichen Rundfunk
2.1 Konvergenz zu den privaten Sendern
2.2 Kosten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
2.3 Einflussnahme der Politik
3. Fazit
1. Einleitung
Die verfasste Seminararbeit greift eine viel und kontrovers diskutierte Streitfrage im Bereich der Medienpolitik auf: Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Auslaufmodell?
In der folgenden Seminararbeit wird die oben angeführte Streitfrage aus privatwirtschaftlicher Sichtweise kritisch geprüft und analysiert. An einigen Stellen werden deshalb exemplarisch Kritikpunkte offengelegt, Alternativen erwähnt und auch Lösungsvorschläge präsentiert. Bei der Diskussion steht grundsätzlich außer Frage, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine exponierte Stellung in Deutschland inne hat. Deswegen geht es in der folgenden Arbeit nicht darum, die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Frage zu stellen. Denn ohne ihn wäre ein privater Rundfunk in Deutschland überhaupt nicht möglich. Es soll vielmehr Fokus dieser Arbeit sein, durch innovative Verbesserungs- und Lösungsvorschläge die Missstände zu Gunsten der Gebührenzahler zu verbessern.
Die Streitfrage wird in der Seminararbeit in drei Themenbereiche unterteilt. Ein wichtiger Bereich ist die Konvergenz, dass heißt die zunehmende Angleichung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an das Programm der privaten Sender. Diese Konvergenz wird besonders dadurch gefördert, dass der Grundversorgungsauftrag momentan von den Öffentlich-Rechtlichen nicht so erfüllt wird, wie es explizit im Urteil des Bundesgerichtshofes vorgeschrieben wird. Es herrscht zum einen keine angemessene Gewichtung der Programmsparten. Besonders Kultur und Bildung werden vernachlässigt. Zum anderen werden massenkompatible Sendungen ausschließlich zu „zuschauerstarken“ Zeiten gesendet und Minderheitenprogramme kaum berücksichtigt. Eine Orientierung hin zum Zielgruppenfernsehen darf nicht akzeptiert werden. Die primäre Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Anstalten muss darin bestehen, sich der Kultur wie auch gesellschaftlichen und politischen Themen anzunehmen und nicht etwa vorrangig den Unterhaltungssektor zu befriedigen. Dabei sollen alle vier aufgeführten Programmbestandteile des klassischen Rundfunkauftrages (Information, Bildung, Unterhaltung und Kultur) zeitlich ausgewogen im Vollprogramm ausgestrahlt werden.
Der zweite Analysepunkt betrifft den sinnvollen Einsatz der Rundfunkgebühren und die entstehenden Kosten des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems. Der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk ist der teuerste und reichste weltweit, in Deutschland herrscht das größte Gebührenaufkommen. Auch weisen die öffentlich- rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland im europaweiten Vergleich den mit Abstand höchsten Anteil an öffentlicher Finanzierung auf und haben die höchsten Produktionskosten pro Sendeminute. Ein sparsames Umgehen mit diesen großzügigen Mitteln ist bei den Rundfunkanstalten jedoch nicht zu beobachten, dies wird vor allem auch bei den monatlichen Personalaufwendungen deutlich.
Im letzten Punkt haben wir uns mit der starken Vernetzung zwischen Politik, ihren Institutionen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigt. Diese wird unter anderem durch die Besetzung von Aufsichtsgremien (Rundfunk- und Fernsehrat) nach Parteienproporz1 deutlich. Dadurch ist eine nicht zu akzeptierende Einflussnahme der Politik gegeben.
2. Kritikpunkte am öffentlich-rechtlichen Rundfunk
2.1 Konvergenz zu den privaten Sendern
Stefan Niggemeier stellt in seinem Aufsatz „Selbstbewusst anders sein“ fest, wie wenig Programm der Öffentlich-Rechtlichen wirklich unverkennbar öffentlich- rechtliches Programm ist. Betrachtet man wochentags die Zeit von 14 bis 20 Uhr, so zeigt die ARD in diesem Zeitraum 2 Daily-Soaps, 2 Telenovelas, 2 Quizsendungen, 1 „Zoo-Doku-Soap“ und ein Boulevardmagazin2. Er stellt daher die Frage: „Kann dies das Profil der öffentlich-rechtlichen Sender sein?“3 Natürlich stehen die Öffentlich- Rechtlichen auch für ihre Nachrichtenkompetenz, haben politische Magazine und Talkshows oder zeigen ambitionierte Fernsehfilme. Dennoch, so stellt er fest, werden sie im Vergleich zu den privaten Anbietern mehr und mehr verwechselbar.
Diese Konvergenz, von Christian Brenner „Boulevardisierung“ genannt, „[...] geschieht insbesondere am Nachmittag und am zuschauerstarken frühen Abend.“4 Zu diesen Zeiten größtenteils massenattraktive Formate auszustrahlen, entspricht keiner angemessenen Gewichtung der einzelnen Sparten wie zum Beispiel Kultur und Bildung. Ein Grund hierfür ist sicherlich, der Werbewirtschaft interessante Werbeplätze bieten zu können. Doch sollte ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der jährlich über 7 Milliarden Euro durch Rundfunkgebühren einnimmt, sich diesem Druck beugen? Ist es nicht vielmehr so, dass gerade ein Verzicht auf Werbung und der damit verbundenen Abhängigkeit, ein ungleich größerer Zugewinn an Unterscheidbarkeit und Unangreifbarkeit wären?
Ferner wäre der Verlust durch Werbeeinnahmen sehr überschaubar und man könnte auf diese Weise eine stärkere Abgrenzung von den privaten Anstalten erreichen.5 Ein völliger Verzicht auf Werbung wäre ein deutliches Signal und würde einen positiven Effekt auf das gesamte Fernsehsystem darstellen. Aufgrund eines geringeren Quotendrucks für die öffentlich-rechtlichen Anstalten könnte man unabhängigeres und innovativeres Fernsehen mit deutlicher Abgrenzung zu den privaten Sendern machen.
In der Diskussion um eine mögliche Konvergenz der Öffentlich-Rechtlichen verweisen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gerne auf 3sat, ARTE oder den Theaterkanal des ZDF. Doch dies ist hierfür kein stichhaltiges Gegenargument. Die Verbannung von Kultursendungen und Minderheitenprogrammen auf Spartenkanäle oder die Verlegung in die Nachtzeit kann nicht der richtige Weg sein. Gerade in der werbeträchtigen Zeit ist eine starke Konvergenz bezüglich der Formate zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und den Privaten zu erkennen. Die einzige wirkliche Ausnahme unter den zahlreichen Spartensendern bietet der ZDF- Theaterkanal, welcher durch seinen kulturellen Anspruch und seine Singularität ein bisheriges Vakuum im deutschen Rundfunk füllt. Doch Jens Jessen stellt fest: „Das Niveau eines Senders hängt überhaupt nicht von Kultursendungen ab, sondern vom allgemeinen Niveau des allgemeinen Programms.“6 Ein Lösungsansatz dafür könnten gesetzlichen Vorgaben sein, die eine Mindestmenge an Programmgenres und bestimmten Formaten vorschreiben.
Niggemeier fordert im Sinne des Funktionsauftrages, dass die Öffentlich- Rechtlichen eher eine „Kreativschmiede“ denn eine „Kopiermaschine“ sein sollen.7 Oder anders formuliert: Es sollte vielmehr der Anspruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein, die gesetzlich festgeschriebene Verpflichtung zu innovativen Programmformaten (Bestands- und Entwicklungsgarantie) einzuhalten. Nur so kann sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk bewusst zu den privaten Sendern abgrenzen.
[...]
1 Definition Parteienproporz: Proporz bezeichnet das Verhältnis der Angehörigen einer Gruppe und der Zahl ihrer Vertreter in einem Entscheidungsgremium (Kurzbezeichnung für Proportionalität, d. h Verhältnismäßigkeit)
2 Vgl. Programm der ARD (wochentags): 14.10 Uhr Rote Rosen, 15.00 Uhr Tagesschau, 15.10 Uhr Sturm der Liebe, 16.00 Uhr Tagesschau, 16.10 Uhr Panda, Gorilla & Co., 17.00 Uhr Tagesschau, 17.15 Brisant, 18.00 Uhr Verbotene Liebe, 18.25 Uhr Marienhof, 18.50 Uhr Das Duell im Ersten, 19.20 Uhr Das Quiz mit Jörg Pilawa, 19.45 Uhr Wissen vor 8, 19.50 Uhr Das Wetter im Ersten, 19.55 Uhr Börse im Ersten.
3 Niggemeier 2009, S. 3.
4 Brenner 2002, S. 348.
5 Vgl. Niggemeier 2009, S. 5.
6 Jessen, Jens 2010.
7 Vgl. Niggemeier 2009, S. 4.