»Memory can change the shape of a room; it can change the color of a car. And memories can be distorted. They're just an interpretation, they're not a record, and they're irrelevant if you have the facts« heißt es am Ende von Christopher Nolans Film Memento. Oder anders gesagt: am Anfang der Geschichte. Nolans Plot um den Versicherungsagenten Leonard Shelby (Guy Pierce), der neue Eindrücke nicht länger als fünfzehn Minuten in seinem Kopf speichern kann, kreist nicht nur inhaltlich um die Thematik des Erinnerns und Vergessens, sondern verhandelt Zusammenhänge zwischen Gedächtnis, Narration und medialer Vermittlung auf einer dem Film eingeschriebene bild- und medienflexiven Ebene. Memento verweigert sich dabei einer linearen Erzählweise. Spannung wird nicht unter der Perspektive des möglichen Ausganges der Geschichte aufgebaut, sondern indem die kausalen Zusammenhänge bereits finalisierter Taten peu a peu aufgedeckt werden: Überlegungen hinsichtlich des möglichen Ausganges des Geschehens treten also zu Gunsten der Frage „Wie konnte es dazu kommen?“ in den Hintergrund.
46 Jahre vor Memento erschien Alfred Hitchcocks Film Rear WIndow. Die Diskussion und Rezeption dieses modernen Klassikers ist manigfaltig, was allein das Unmaß an Sekundärliteratur unterstreicht, welche über Hitchcocks Werk publiziert wurde. Michael Diers spricht Rear Window die gleiche medienreflexive Ebene zu, die eingangs bereits Christopher Nolans Film unterstellt habe. Er charakterisiert Das Fenster zum Hof als einen „filmischen Versuch über das Filmemachen“, als einen „Essay über Fragen von Blick und Bild, Bild und Medium sowie Medium und Publikum“1. Dieses knappe halbe Jahrhundert, das beide Filme voneinander trennt, ist zugleich Teil einer Diskursgeschichte über die theoretische Positionierung des Bildes, über das Repräsentationsverhältnis zwischen Bild und Wirklichkeit. Philippe Dubois hat in seiner Arbeit Der fotografische Akt diesen Diskurs mit dem Titel »Von der Wirklichkeitstreue zum Index«2 versehen.
Die nachfolgende Arbeit untersucht, inwiefern dieser Diskurs in beiden genannten Filmen eingeschrieben ist. Dafür soll zunächst ausgehend von der Eröffnungssequenz die bild- und medienreflexive Ebene Mementos herausgearbeitet werden, um diese dann dem Anfang von Rear Window gegenüberzustellen.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Ouvertüren: Memento und Rear Windows
- Formales: Eröffnungssequenz in Memento
- Gestörte Erinnerung: Bildreflexion in Memento
- Verpasste Bilder: Rear Window
- Entwicklungen: Von der Mimesis zum Index
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die Arbeit untersucht die bild- und medienreflexive Ebene in den Filmen Memento und Rear Window und setzt diese in Bezug zu dem Diskurs „Von der Wirklichkeitstreue zum Index“. Ziel ist es, die Rolle der Bilder und der medialen Vermittlung in der Darstellung von Erinnerung und Wahrnehmung in beiden Filmen zu analysieren.
- Die Bedeutung von Erinnerung und Vergessen in der Konstruktion von Identität
- Die Rolle von Bildern und Medien in der Vermittlung von Wirklichkeit
- Die Fragilität von Erinnerung und die Auswirkungen von Medien auf unsere Wahrnehmung
- Die Beziehung zwischen Narrationsstruktur und medialer Vermittlung
- Die Analyse der Eröffnungssequenzen von Memento und Rear Window als Ausgangspunkt für die Untersuchung der Bild- und Medienreflexion.
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- Ouvertüren: Memento und Rear Windows: Die Einleitung stellt die beiden Filme Memento und Rear Window vor und beschreibt die jeweiligen Narrationstrukturen. Es wird betont, dass beide Filme auf einer bild- und medienreflexiven Ebene operieren und sich mit Fragen von Erinnerung, Wahrnehmung und medialer Vermittlung auseinandersetzen.
- Formales: Eröffnungssequenz in Memento: Dieses Kapitel analysiert die Eröffnungssequenz von Memento formal, insbesondere die zeitliche Umkehrung der dargestellten Abläufe und die Verwendung von Close-Ups.
- Gestörte Erinnerung: Bildreflexion in Memento: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Bildreflexion in Memento und analysiert, wie der Film die Funktion von Bildern in der Konstruktion von Erinnerung und Identität darstellt.
- Verpasste Bilder: Rear Window: Dieser Abschnitt beleuchtet die Rolle von Bildern in Rear Window und untersucht, wie Hitchcock die Grenzen zwischen Realität und Inszenierung im Film thematisiert.
- Entwicklungen: Von der Mimesis zum Index: Dieses Kapitel untersucht die Entwicklung des Diskurses „Von der Wirklichkeitstreue zum Index“ und setzt die Ergebnisse in Beziehung zu den in den beiden Filmen dargestellten Bild- und Medienreflexionen.
Schlüsselwörter (Keywords)
Memento, Rear Window, Bildreflexion, Medienreflexion, Erinnerung, Vergessen, Wahrnehmung, Wirklichkeit, Mimesis, Index, Narrationsstruktur, Filmgeschichte, Hitchcock, Nolan, Philippe Dubois, Michael Diers, Thomas Elsaesser.
- Arbeit zitieren
- Florian Norbert Bischoff (Autor:in), 2010, Bild- und Medienreflexion in »Memento« und »Rear Window«, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192895