Wesentliche Merkmale und Unterschiede der traditionellen Gemeindeverfassungen so, wie sie nach dem Krieg in Deutschland eingeführt wurden


Seminararbeit, 2002

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

A. Hergang der Analyse

B. Grundlagen
I. Garantie kommunaler Selbstverwaltung
II. Kommunale Selbstverwaltung unter den Besatzungsmächten

C. Merkmale und Unterschiede der Kommunalverfassungen
I. Magistrats- und Bürgermeisterverfassung am Beispiel Hessen
1. Die Bürgervertretung
2. Die Gemeindeverwaltung / Der Magistrat
3. Der hessische Bürgermeister
4. Die Aufteilung der Entscheidungsbefugnis
5. Vergleich zur Bürgermeisterverfassung
II. Die Süddeutsche Ratsverfassung am Beispiel Bayern
1. Die Bürgervertretung
2. Die Gemeindeverwaltung / Der bayerische (erste) Bürgermeister
3. Die Aufteilung der Entscheidungsbefugnis
III. Die Norddeutsche Ratsverfassung am Beispiel Nordrhein-Westfalen
1. Die Bürgervertretung
2. Die Gemeindeverwaltung / Der Gemeindedirektor
3. Der Nordrhein-Westfälische Bürgermeister
4. Die Aufteilung der Entscheidungsbefugnis

D. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Quellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Hergang der Analyse

Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, die wesentlichen Merkmale und Unterschiede der Organisationstypen deutscher Gemeindeordnungen an ausgewählten Beispielen herauszustellen. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf den Zeitraum von 1945 bis circa 1980 gelegt. Die Entwicklungen in der sowjetischen Besatzungszone sollen nicht betrachtet werden.

Bei der folgenden Darstellung wird von vier Grundtypen der Gemeindeverfassungen ausgegangen (Magistratsverfassung, Süddeutsche Ratsverfassung, Norddeutsche Ratsverfassung, Bürgermeisterverfassung), wobei die drei erstgenannten den Schwerpunkt der Betrachtungen bilden.1

Bei der Analyse der Kommunalverfassungen werden die Hauptorgane der Gemeinde genannt und deren Aufgabenbereich kurz umrissen. Im Zuge dieser Betrachtung soll die Frage geklärt werden, wie die Entscheidungsbefugnisse zwischen den Organen verteilt sind. Dabei wird zwischen monistischen (Erstzuständigkeit eines Organs) und dualistischen (zwei Organe erstzuständig) Verfassungen unterschieden.2 In einem weiteren Punkt dieser Arbeit geht es um die Organisation der Verwaltungsspitze. Hierbei ist die Frage zu klären, ob die Verwaltungsleitung kollegial (Verwaltung durch ein Kollegium) oder monokratisch (Verwaltung durch eine Person) organisiert ist.3 Zusätzliches Erkenntnisinteresse besteht hinsichtlich der Vereinigung bzw. Trennung von Ratsvorsitz und Verwaltungsleitung (Einköpfigkeit bzw. Zweiköpfigkeit) in einem Organ und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Kommunalpolitik.

Bei der Analyse der Gemeindeordnungen ist zu beachten, dass sich hinter Bezeichnungen wie beispielsweise der des Bürgermeisters oft völlig verschiedene Ämter und Aufgaben verbergen. Während der Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen Vorsitzender der Gemeindevertretung ist, steht er in Hessen an der Verwaltungsspitze. Auf die vielfältigen Reformen ab 1990 soll in der Schlussbemerkung verwiesen werden.

B. Grundlagen

I. Garantie kommunaler Selbstverwaltung

Das Recht zur Selbstverwaltung wird den Kommunen bereits in Art. 28 Abs. 2 GG garantiert. Demnach sind die Gemeinden befugt, die sie betreffenden Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln. Der hier aufgestellte Grundsatz der Allzuständigkeit umfasst neben der Eigenverantwortlichkeit auch ein Satzungsrecht der kommunalen Ebene. Das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen ist ebenso in alle Verfassungen der Länder integriert, und darf gemäß Art. 31 GG nicht eingeschränkt werden. 4

Die Gemeinden stellen zwar faktisch eine eigene Ebene im föderativen System dar, staatsrechtlich werden sie jedoch der Ebene der Länder zugeordnet.5 Gemäß Art. 70 GG werden lediglich dem Bund und den Ländern Gesetzgebungsbefugnisse zugebilligt. Dies hat zur Folge, dass Bund und Länder Gesetze erlassen können, an deren Ausführung die Kommunen gebunden sind.

Um die praktische Umsetzung der Selbstverwaltung sowie der Bundes- und Landesgesetze zu gewährleisten, müssen die Kommunen auch eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen.6 Folglich sind die Gemeinden juristische Personenöffentlichen Rechts, die durch ihre Organe handlungsfähig werden. Gemäß der Interpretation der Artt. 30 und 70 i.V.m. Artt. 72 und 74 GG obliegt die Gesetzgebung für die Kommunen den jeweiligen Bundesländern.

In Folge dieser Regelung hat jedes Land seine eigene Gemeindeordnung erlassen, was zu einer differenzierten Ausgestaltung des kommunalen Machtgefüges geführt hat. Die Gemeindeordnung als Kommunalverfassung legt unter anderem die innere Ordnung, also das Zusammenspiel der Organe, die Organisation sowie die Aufgabenverteilung in einer Gemeinde fest und hat Gesetzescharakter. Selbst die Gemeindeordnung eines Bundesland ist nicht immer einheitlich gestaltet. So haben beispielsweise Hessen und Schleswig-Holstein eine unterschiedliche Gesetzeslage in Städten und Gemeinden geschaffen.7

II. Kommunale Selbstverwaltung unter den Besatzungsmächten

Wesentlich beeinflusst wurde die Umsetzung der kommunalen Selbstverwaltung nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Besatzungsmächte. Die Alliierten erkannten schnell, dass die ungünstige Versorgungslage der Bevölkerung nur durch einen schnellen Wiederaufbau eines staatlichen Machtgefüges, beginnend bei den Kommunen, behoben werden konnte. Einigkeit bestand im Bezug auf die Abkehr vom Führerprinzip der bis 1945 geltenden Deutschen Gemeindeordnung. Trotz des grundlegenden Konsensüber die Reorganisation des politischen Systems gingen die Meinungenüber die Neugestaltung im Detail mitunter drastisch auseinander. Ursache hierfür war, dass die Alliierten sich aus Überzeugung an ihren eigenen politischen Systemen und Vorstellungen orientierten.

Die Amerikaner trieben den Wideraufbau in ihrem Sektor (Bayern, Hessen, Baden - Württemberg) besonders zügig voran. Bereits im Juli 1945 erging eine Weisung an die deutschen Länderregierungen ein Gemeindeordnungsgesetz vorzubereiten. Dieses Mitgestaltungsrecht für deutsche Politiker führte unter Einbeziehung deutscher Traditionen zu keiner einheitlichen Gemeindeordnung in der Besatzungszone.8 Die Amerikaner unterstützten diese individuelle Ausgestaltung, indem sie nur wenige Vorgaben machten. So kehrten Bayern und Baden-Württemberg zur Süddeutschen Ratsverfassung zurück. In Hessen folgte die Gemeindeordnung hingegen dem Prinzip der Magistratsverfassung.

Dem entgegen stand das Vorgehen der Briten. Ihre stark zentralistischen Anschauungen spiegelten sich in dem Bestreben wider, eine für ihr Besatzungsgebiet (Schleswig- Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen) einheitliche Gemeindeordnung zu verkünden. Dies führte auch zu einer strikten Trennung von Legislativ- und Exekutivbefugnissen, die im Folgenden noch untersucht werden soll. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfahlen wurden Gemeindeordnungen erlassen, die sich an den Prinzipien der Norddeutschen Ratsverfassung orientierten, wogegen man in Schleswig-Holstein eine Hinwendung zur Magistratsverfassung feststellen konnte. Die Franzosen erließen ebenfalls konkrete Bestimmungen zur Regelung der kommunalen Ordnung. Somit ähnelten die Gemeindeordnungen von Rheinland-Pfalz und dem Saarland stark dem französischen System. Die Kommunalverfassungen dieser Bundesländer werden der Rheinischen Bürgermeisterverfassung zugeordnet, welche hier weniger relevant sein soll.9

C. Merkmale und Unterschiede der Kommunalverfassungen

I. Magistrats- und Bürgermeisterverfassung am Beispiel Hessen

Vorherrschendes Verfassungssystem in Hessen ist die Magistratsverfassung. Nur für Gemeinden, welche die in § 9 Abs.2 S.2 HGO angeführten Voraussetzungen erfüllen, sieht die hessische Gemeindeordnung die Bürgermeisterverfassung vor. Die für hessische Gemeinden handelnden Organe sind die Gemeindevertretung und der Gemeindevorstand.

1. Die Bürgervertretung

Die Bürgervertretung ist das Legislativorgan der Gemeinde. Gemäß § 49 HGO trägt sie die Bezeichnung Stadtverordnetenversammlung (in Städten) , beziehungsweise Gemeindevertretung (in Gemeinden). Die Gemeindevertretung setzt sich aus den Gemeindevertretern zusammen, deren Anzahl von der Einwohnerzahl der Kommune abhängt.10 Die Gemeindevertreter werden für vier Jahre direkt von den Bürgern gewählt (§ 36 Abs.1 HGO). Das Prinzip der Direktwahl von Mitgliedern der Bürgervertretung ist in allen Verfassungstypen verankert.11 Da die Beschlüsse der Gemeindevertretung als oberstem Organ nicht der Zustimmung des Magistrats bedürfen, spricht man auch von einer “unechten“ Magistratsverfassung.12

Eine zweite wichtige Aufgabe ist die Überwachung des Magistrats in der Ausübung seiner Verwaltungstätigkeit. Zur Vorbereitung ihrer Beschlüsse kann die Bürgervertretung Ausschüsse bilden. Diesem Hilfsorgan kann für bestimmte Angelegenheiten widerruflich Beschlussfassungskompetenzübertragen werden (§ 62 HGO). Gemäß § 57 HGO wählen die Gemeindevertreter den Vorsitzenden der Gemeindevertretung aus ihren Reihen. Diese erlangt somit ihre Handlungsfähigkeit. Der Vorsitzende ist im Wesentlichen für die Vorbereitung und den ordnungsgemäßen Ablauf der Sitzungen der Gemeindevertretung verantwortlich (§ 59 HGO). Zusätzlich vertritt er die Gemeindevertretung nach außen.

2. Die Gemeindeverwaltung / Der Magistrat

Der Magistrat als Verwaltungsbehörde und Exekutivorgan besteht aus den Beigeordneten und dem Bürgermeister als Vorsitzenden (§§ 65, 66 HGO). Es handelt sich also gemäß § 9 HGO um ein kollegial organisiertes Verwaltungsorgan, welches für diesen Verfassungstyp namensgebend ist. Auf die Besetzung des Magistrats haben die Bürger keinen Einfluss, da die Mitglieder aus der Mitte der Gemeindevertretung durch Wahl bestimmt werden. In Folge dessenüberträgt sich oft das politische Kräfteverhältnis der Gemeindevertretung auch auf den Magistrat. 13

Bei der Amtsperiode trifft die hessische Gemeindeordnung eine Unterscheidung zwischen haupt- und ehrenamtlicher Tätigkeit. Während hauptamtlich tätige Magistratsmitglieder für sechs Jahre gewählt werden, wird ein Ehrenamt nur für die Wahldauer der Gemeindevertretung besetzt (§ 39 Abs.2 u. 3 HGO). Die Dauer der Amtsperiode ist länderspezifisch geregelt und somit nicht charakteristisch für einen bestimmten Verfassungstyp. Zu beachten ist auch, dass ein Mitglied des Gemeindevorstandes nicht gleichzeitig Gemeindevertreter sein darf (§ 65 Abs.2 HGO). Somit wird die Trennung von exekutiver und judikativer Gewalt bewahrt. In der Praxis verzichten die „stärksten“ Politiker meist auf einen Sitz im Magistrat.14

Zentrale Aufgaben des Magistrats sind die Umsetzung von Beschlüssen der Gemeindevertretung sowie die Erledigung der laufenden, regelmäßig wiederkehrenden Verwaltungsgeschäfte gemäß § 66 Abs.1 HGO. Hierfür steht auch dem Magistrat ein Hilfsorgan, die Kommissionen / Deputationen, zur Verfügung (§ 72 HGO). Diesem kann der Magistrat dauerhaft oder vorübergehend ein Aufgabengebietübertragen. Für alle Bundesländer gilt, dass Sitzungen der Gemeindevertretungöffentlich sind, während die Beschlussfassung im Magistrat in nichtöffentlichen Sitzungen erfolgt (§ 52 i.V.m. § 67 HGO). Gemäß § 71 HGO vertritt der Magistrat die Gemeinde durch den Bürgermeister nach außen. Wie bereits angeführt wird die Gemeindevertretung durch ihren Vorsitzenden repräsentiert.

[...]


1 Vgl. Schmidt-Jortzig, E., Kommunalrecht, 1982, S. 56ff .

2 Weitergehende Typisierung in: Schmidt-Jortzig, E., Kommunalrecht, 1982, S. 59.

3 Vgl. Turegg von, K.E., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1956, S. 181f.

4 Vgl. Vogelsang, K./ Lübking, U./ Jahn, H., Kommunale Selbstverwaltung, 1991, S. 19.

5 s. Artt. 20, 28 Abs.1 und 2, 29 Abs.1 GG.

6 s. Artt. 28 Abs.2, Art. 93 Abs.1 Nr. 4b GG.

7 Vgl. Schmidt-Jortzig, E., Kommunalrecht, 1982, S. 57.

8 Vgl. Rausch, H./ Stammen, T., Politik und Politische Bildung, 1974, S. 18ff; Koch, H.H./ Steinmetz H.P., Kommunale Selbstverwaltung in Theorie und Praxis, 1981, S. 4f.

9 Vgl. Laufer, H./ Münch, U., Das föderative System der Bundesrepublik Deutschland, 1997, S. 60.

10 Vgl. Pagenkopf, H., Kommunalrecht, 1971, S. 214.

11 s. Art. 17 BGO, § 29 GONW.

12 Vgl. Ramb, H./ Foerstemann F., Die Gemeindeorgane in Hessen, 1981, S. 1.

13 Vgl. Schönfelder, H., Rat und Verwaltung im Kommunalen Spannungsfeld, 1979, S. 85.

14 Vgl. Hoffmann, G., Die Zweigleisigkeit der niedersächsischen Kommunalverfassung,1987, S. 163.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Wesentliche Merkmale und Unterschiede der traditionellen Gemeindeverfassungen so, wie sie nach dem Krieg in Deutschland eingeführt wurden
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Institut für Verwaltungswissenschaft)
Veranstaltung
Verwaltungslehre
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
20
Katalognummer
V19291
ISBN (eBook)
9783638234450
ISBN (Buch)
9783640860395
Dateigröße
515 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wesentliche, Merkmale, Unterschiede, Gemeindeverfassungen, Krieg, Deutschland, Verwaltungslehre
Arbeit zitieren
Jens Huke (Autor:in), 2002, Wesentliche Merkmale und Unterschiede der traditionellen Gemeindeverfassungen so, wie sie nach dem Krieg in Deutschland eingeführt wurden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19291

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