Das 19. Jahrhundert war nicht nur Schauplatz gewaltiger Veränderungen, etwa in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, sondern auch einer kulturgeschichtlichen Krise, die „zu den folgenreichsten der Moderne“ gehört. Diese Krise, so heißt es in der Einleitung zu dem Symposiums-Band Romantische Wissenspoetik, fußte auf der Einsicht, dass die erkenntnistheoretischen Mittel der Aufklärung, „ratio“ und systematische Ordnung von Wissen, der modernen Welt des 19. Jahrhundert nicht länger gerecht werden konnten.
Seine Schatten voraus warf dieser Paradigmenwechsel auf die Unternehmungen des Weimarer Herausgebers und Verlegers Friedrich Justin Bertuch. Unter anderem tätig als Dichter, Übersetzer, Kunstblumen-Produzent und Verwalter der fürstlichen Privatschatulle war Bertuch sowohl ein sehr beschäftigter als auch beschäftigender Mann und eine zentrale Figur im Weimar zur Zeit Goethes, Herders, Wielands und Schillers. Die bloße Anzahl von über 20.000 Briefen, die heute im Goethe- und Schiller-Archiv lagern, geben beredet Zeugnis von Bertuchs Arbeitsamkeit und seiner Rolle für das Weimar um 1800. m Zentrum seines Schaffens standen seine Aktivitäten als Verleger und Herausgeber, deren größter Erfolg mit 40.000 Seiten und 15.000 Kupfertafeln das „Journal des Luxus und der Mode“ war. Bertuchs überragender Erfolg gründet sich nicht zuletzt auf spezifischen Umbrüchen seiner Zeit. Die Französische Revolution und die Herrschaft Napoleons veränderten die Welt nachhaltig, ebenso die Entwicklung neuer Technologien, die zum Beginn des Industriezeitalters führten. Walter Steiner und Uta Kühn-Stillmark formulieren in ihrer Bertuch-Biographie die These, dass sich durch "alle diese Ereignisse ein neues Persönlichkeitsbild [ausformte], das Bertuch schließlich in geradezu exemplarischer Weise verkörperte. Aus dem aufgeklärten fortschrittlichen Bürger wurde der kenntnisreiche freie Unternehmer, der Erfolg zu haben hatte".
Im Folgenden sollen zwei wesentliche Punkte eben dieser von Brandstetter und Neumann beschriebenen „Krise“ – namentlich die Rekonfigurationen von Wissen und Erkenntnis – näher untersucht werden und inwiefern sie Eingang in die verlegerische Praxis Bertuchs gefunden haben. Neben dem bereits angeführten Journal des Luxus und der Moden soll dabei das Bilderbuch für Kinder als exemplarischer Untersuchungsgegenstand fungieren.
Inhaltsverzeichnis
- Bertuch als konservativer Visionär
- Paradigmenwechsel und die Pluralisierung von Wissen
- Unterricht durch's Auge
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Bedeutung des Bildes für die Begriffe Wissen und Erkenntnis bei Friedrich Justin Bertuch. Dabei werden insbesondere die Rekonfigurationen von Wissen und Erkenntnis im Kontext des 19. Jahrhunderts und deren Einfluss auf die verlegerische Praxis Bertuchs analysiert.
- Der Paradigmenwechsel im 19. Jahrhundert und die Krise der Aufklärungsideale
- Die Bedeutung des Bildes für die Wissensvermittlung und die Pluralisierung von Wissen
- Die Rolle der Einbildungskraft und Phantasie im Erkenntnisprozess
- Die Relevanz von Bertuchs verlegerischem Schaffen für die Entwicklung von Bildung und Kultur
- Die Bedeutung des „Journal des Luxus und der Mode“ und des Bilderbuchs für Kinder im Kontext von Bertuchs Verlegerprogramm
Zusammenfassung der Kapitel
Bertuch als konservativer Visionär
Dieses Kapitel stellt Friedrich Justin Bertuch als eine Schlüsselfigur des Weimar um 1800 vor. Es werden seine vielseitigen Tätigkeiten als Verleger, Herausgeber, Dichter und Unternehmer beleuchtet. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem „Journal des Luxus und der Mode“, einem Werk, das Bertuchs Erfolg und seinen visionären Charakter widerspiegelt. Das Kapitel thematisiert zudem die konservativen Züge Bertuchs, die durch seine reaktionären Ansichten und die Kritik an seiner merkantilistischen Tätigkeit geprägt waren.
Paradigmenwechsel und die Pluralisierung von Wissen
Dieses Kapitel untersucht den Paradigmenwechsel im 19. Jahrhundert, der die erkenntnistheoretischen Mittel der Aufklärung in Frage stellte. Der Fokus liegt auf der Kritik des romantischen Idealismus an der empiristischen Denkweise und der Bedeutung der Einbildungskraft und Phantasie für die Erkenntnis. Im Kontext dieses Paradigmenwechsels wird die Unterscheidung zwischen Phantasie und Vorstellungskraft nach Samuel Taylor Coleridge erläutert.
Schlüsselwörter
Friedrich Justin Bertuch, Wissenspoetik, Paradigmenwechsel, Bild, Einbildungskraft, Phantasie, Vorstellungskraft, „Journal des Luxus und der Mode“, Bilderbuch für Kinder, romantischer Idealismus, Empirismus, Aufklärung, Verleger, Herausgeber, Weimar Klassik
- Quote paper
- Florian Norbert Bischoff (Author), 2010, Das ästhetische Programm des Friedrich Justin Bertuch. Eine epistemische Analyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192910