Schon im antiken Griechenland waren die der camera obscura zu Grunde liegenden optischen Prinzipien bekannt: Die Ausbreitung von Licht in geraden Linien.
Seit dieser Zeit ist immer wieder der Frage nachgegangen worden, in welcher Beziehung dieses umgedrehte (Ab-)Bild und die Welt jenseits der Lochöffnung stehen. Diese Frage nach der Repräsentationsweise von Wirklichkeit ist nichts anderes als die Frage nach Realismus, nach Glaubwürdigkeit.
Michel Foucault beschreibt in Die Ordnung der Dinge den Übergang vom 16. zum 17. Jahrhundert als die Ablösung der Lehre der Ähnlichkeiten durch die klassische Zeichenlehre: Wissen und Denken war vor diesem Umbruch über die Funktion der Ähnlichkeit zwischen den von Gott gesetzten Dingen organisiert. Zeichen wurden innerhalb dieses Systems als selbstreferentiell verstanden, Signifikant und Signifikat fielen zusammen. Erst mit Beginn der Frühen Neuzeit, so Foucault, wird das Zeichen als Verweis auf ein Ding verstanden. Zeichen und Bezeichnetes fallen fortan nicht mehr ineinander, sondern durch ein Repräsentationsverhältnis getrennt. An die Stelle des Seins tritt der Schein als Repräsentation ins Bewusstsein und machte damit eine neue Organisation der Wissens- und Denkstrukturen nötig.
Jonathan Crary sieht in diesem Übergang einen Bruch des Sehens, den er in der Umdeutung des Models der camera obscura repräsentiert sieht. Crary weist in diesem Zusammengang auf das durch den Apparat konfigurierte Verhältnis zwischen Individuum und Welt hin: Der Akt des Sehens wird vom Körpers des Betrachters gelöst. Es findet also eine Entkörperlichung des Sehens statt. Der Apparat legitimiert dabei den Blick des Betrachters als einen authentischen, da er ihn von einer sinnliche Erfassung der Welt abkoppelt und ihm diese stattdessen als eine (scheinbar) objektivierte Wirklichkeit repräsentiert4.
Dies ist der Hintergrund vor dem Philippe Dubois im ersten Kapitel seiner Arbeit Der fotografische Akt eine diskursgeschichtliche Analyse des Repräsentationsverhältnises der (analogen) Photographie aufspannt. Diese Analyse soll im folgenden zusammengefasst wiedergegeben werden. Der Frage nach dem RealitätsGehalt digitaler Bildwelten folgt abschließend die Frage nach dem RealitätsEffekt, wenn es um eine Ästhetik des Dokumentarischen gehen wird.
Inhaltsverzeichnis
- Ursprünge
- Semiotische Diskurse
- Mimesis
- Transformation und Dekonstruktion
- Das Paradigma der Spur
- Über die Indexikalität des digitalen Bildes
- Partialisierung
- Das digitale Bild als Collage
- Paradoxien
- Ästhetik des Dokumentarischen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Diskurs des Dokumentarischen im Kontext digitaler Bildwelten. Sie untersucht die Frage nach dem Verhältnis von Realem und Irrealem in digitalen Bildwelten und analysiert die Herausforderungen und Paradoxien, die sich daraus ergeben.
- Entwicklung des Begriffs von Realismus und Repräsentation
- Semiotische Diskurse und die Konzeptionen des fotografischen Akts
- Indexikalität und Partialisierung des digitalen Bildes
- Das digitale Bild als Collage und seine ästhetischen Implikationen
- Ästhetik des Dokumentarischen in digitalen Bildwelten
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die historischen Ursprünge der camera obscura und deren Rolle bei der Entwicklung des Konzepts von Realismus und Repräsentation. Der Autor analysiert den Übergang von der Lehre der Ähnlichkeiten zur klassischen Zeichenlehre im 16. und 17. Jahrhundert und beschreibt, wie die camera obscura einen Bruch des Sehens hervorgerufen hat. Im zweiten Kapitel wird die Entwicklung der semiotischen Diskurse hinsichtlich des Realitätsbezuges der Photographie nachgezeichnet. Der Autor stellt die drei großen Konzeptionen vor: Mimesis, Transformation des Wirklichen und das Paradigma der Spur. Im dritten Kapitel befasst sich der Autor mit der Indexikalität des digitalen Bildes und analysiert die Konzepte der Partialisierung und Collage. Er zeigt auf, wie digitale Bilder durch ihre Konstruktion als Ausschnitte und Fragmente die Wahrnehmung von Realität beeinflussen.
Schlüsselwörter
Digitale Bildwelten, Dokumentarfilm, Realismus, Repräsentation, Mimesis, Indexikalität, Partialisierung, Collage, Ästhetik, Semiotik, Diskursanalyse, Fotografie.
- Arbeit zitieren
- Florian Norbert Bischoff (Autor:in), 2011, Digitale Bilder im Dokumentarfilm. Eine semiotische Analyse des »Digital Cinema«, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192916