Die Debatte über die Vor- und Nachteile von Präsidentialismus und Parlamentarismus hat eine lange Geschichte und ist mit einigen der angesehensten und bekanntesten Intellektuellen und politischen
Akteuren der Zeit verknüpft (ELGIE 2005 : 3f). Ab Mitte der 1980er Jahre hatte insbesondere JUAN LINZ die Diskussion u. a. mit seinen Artikeln zu den Gefahren des Präsidentialismus („Perils of Presidentialism“)und den Vorteilen des Parlamentarismus wiederbelebt. Die besagten Artikel wurden im „Journal of Democracy“ veröffentlicht und lösten eine sofortige Reaktion aus, und eine Debatte, die bis heute noch nicht erlöscht ist (vgl. ELGIE 2005, NOLTE 2004).
In Lateinamerika findet sich die größte Zahl an präsidentiellen Systemen, dabei gibt es kein „typisches“ lateinamerikanisches präsidentielles System und die Systeme haben auch nicht (mehr) viel mit dem USAmerikanischen politischen System gemein. Auch in Bezug auf die institutionellen Eigenschaften und auf das „Funktionieren“ gibt es große Variationen und Unterschiede in Lateinamerika. Es haben im Laufe der Zeit verschiedenste grundlegende Reformen und Veränderungen stattgefunden, neue Strategien und Taktiken haben sich entwickelt und es bildete sich eine große Variationsbreite (semi-) präsidentieller Regierungssystemtypen heraus.
In der vorliegenden Arbeit soll erstens auf das „präsidentielle Regierungssystem“ im allgemeinen eingegangen werden, dabei findet vorerst eine Abgrenzung zum Parlamentarismus statt, bevor auf die
Debatte um die „Perils of Presidentialism“ eingegangen wird. Anschließend soll die Variationsbreite lateinamerikanischer Präsidialdemokratien angerissen und drei Typen präsidentieller Systeme vorgestellt werden. Zu jenen Typen zählt auch der „Koalitionspräsidentialismus“, welcher sich mittlerweile in
Brasilien etabliert hat und sich als relativ funktionsfähig herausstellte.
Unter Punkt 3. „Koalitionspräsidentialismus in Brasilien“ soll dieser daher im Zentrum des Interesses stehen. Vorerst wird ein Überblick über die grundlegenden Fakten des politischen Systems Brasiliens,und über die existierenden Schwierigkeiten des brasilianischen Präsidialsystems geschaffen. Auch auf die politische Entwicklung und die parallel laufenden wissenschaftlichen Standpunkte soll eingegangen werden. Dies dient als Basis, um die Funktionsweise des brasilianischen Systems; beziehungsweise um die „Toolbox“ der Exekutive zu verstehen...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das präsidentielle Regierungssystem
- Allgemeine Merkmale und Abgrenzung zum Parlamentarismus
- Gefahren („Perils“) präsidentieller Regierungssysteme
- Variationen lateinamerikanischer Präsidialdemokratien
- Koalitionspräsidentialismus
- Koalitionspräsidentialismus in Brasilien
- Entwicklung des wissenschaftlichen Standpunktes zu Koalitionspräsidentialismus
- Fakten zum politischen System Brasiliens und grundlegende Schwierigkeiten
- Die „Toolbox“ der Exekutive
- Bilanz: Leistungsfähigkeit und Erfolgschancen von Koalitionspräsidentialismus
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Funktionsweise des Koalitionspräsidentialismus in Brasilien. Dabei werden zunächst die generellen Merkmale des präsidentiellen Regierungssystems und seine Abgrenzung zum parlamentarischen System beleuchtet. Die Arbeit analysiert die spezifischen Herausforderungen und Variationen präsidentieller Systeme in Lateinamerika, insbesondere im Hinblick auf den Aufstieg des Koalitionspräsidentialismus. Im Fokus steht die Analyse des brasilianischen Regierungssystems, wobei die „Toolbox“ der Exekutive und die Möglichkeiten der Koalitionsbildung im Detail beleuchtet werden.
- Merkmale und Abgrenzung des präsidentiellen Regierungssystems
- Gefahren und Herausforderungen des Präsidentialismus
- Variationen und Entwicklungen präsidentieller Systeme in Lateinamerika
- Die Entstehung und Funktionsweise des Koalitionspräsidentialismus in Brasilien
- Die „Toolbox“ der Exekutive und die strategische Koalitionsbildung in Brasilien
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema des präsidentiellen Regierungssystems ein und beleuchtet die historische Debatte über seine Vor- und Nachteile. Sie hebt die Besonderheiten des präsidentiellen Systems in Lateinamerika hervor und führt den Begriff des Koalitionspräsidentialismus ein.
Kapitel 2 analysiert das präsidentielle Regierungssystem im Vergleich zum parlamentarischen System, wobei die wesentlichen Unterschiede in der Machtverteilung und der Funktionsweise hervorgehoben werden. Es werden die spezifischen Gefahren und „Perils“ präsidentieller Systeme beleuchtet, wie sie von Juan Linz und anderen Wissenschaftlern beschrieben wurden. Anschließend werden verschiedene Variationen lateinamerikanischer Präsidialdemokratien vorgestellt, um die Bandbreite und die Entwicklungen im Bereich des präsidentiellen Regierungssystems in der Region aufzuzeigen. Schließlich wird der Koalitionspräsidentialismus als eine spezielle Form des präsidentiellen Systems definiert und seine Relevanz für die Analyse des brasilianischen Regierungssystems herausgestellt.
Kapitel 3 widmet sich dem Koalitionspräsidentialismus in Brasilien. Zunächst werden grundlegende Fakten über das politische System Brasiliens vorgestellt, um die Herausforderungen und Schwierigkeiten des brasilianischen Präsidialsystems zu verstehen. Die Arbeit geht auch auf die Entwicklung des wissenschaftlichen Standpunktes zum Koalitionspräsidentialismus ein und analysiert die „Toolbox“ der Exekutive, die es dem Präsidenten ermöglicht, Koalitionen zu bilden und legislative Unterstützung zu gewinnen. Diese Analyse beleuchtet die konkreten Strategien und Taktiken, die der Präsident anwendet, um seine Politik im brasilianischen politischen System durchzusetzen.
Schlüsselwörter
Präsidentielles Regierungssystem, Parlamentarismus, Koalitionspräsidentialismus, Brasilien, Lateinamerika, „Perils of Presidentialism“, politische Systemanalyse, „Toolbox“ der Exekutive, Koalitionsbildung, legislative Unterstützung, Politikstrategie.
- Arbeit zitieren
- B. Sc, Ana Julia Kuschmierz (Autor:in), 2012, Koalitionspräsidentialismus I in Brasilien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193097