Der Goldstandard als Schutz vor Hyperinflation und Staatsüberschuldung

Eine Studie über Ursprung, Wirkung und die Potenziale von Sachgeld


Masterarbeit, 2012

78 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entstehung, Bedeutung und Formen des Geldes
2.1. Entstehung und Tauschfunktion
2.2. Kaufkraft des Geldes und das Regressionstheorem
2.3. Formen des Geldes

3. Geldproduktion und wirtschaftliche Effekte im Fiat-Geldsystem
3.1. Übergang vom Markt- bzw. Sachgeld zum staatlichen Angebotsmonopol
3.2. Das heutige Fiat-Geldsystem
3.3. Auswirkungen der Fiat-Geldschöpfung durch Kreditvergabe
3.3.1. Zeitpräferenz, Sparen, Konsum und (Fehl-)Investitionen
3.3.2. Steigende (Staats-)Verschuldung
3.3.3. (Hyper)-Inflation

4. Analyse der Stabilisierungs- und allgemeinen Funktionsfähigkeit des Goldstandards
4.1. Die ökonomischen und ethischen Grundlagen von „gutem Geld"
4.2. Wesen, Phasen und Spielregeln des Goldstandards
4.3. Automatische Zahlungsbilanzausgleichsfunktion
4.4. Funktion der Wechselkursstabilisierung
4.5. Funktion der Preisstabilisierung
4.6. Makroökonomische Stabilisierungsfunktion
4.7. Widerlegung der Argumente gegen eine goldgedeckte Währung

5. Alternativen zum Goldstandard
5.1. Währungswettbewerb (à la Hayek)
5.2. Weltwährung / Sonderziehungsrechte des IWF
5.3. Schwundgeld, Regionalwährungen und Tauschringe

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Eigene Darstellung zur Geldschöpfung durch Geschäftsbanken und deren Ausweitungsmöglichkeiten durch das Teilreservesystem anhand unterschiedlicher Mindestreservesätze

Abbildung 2: USA, Entwicklung der umlaufenden Banknoten und Münzen, M1 und M2 von 1984 bis 2012; eigene Berechnung, Quelle: http://research.stlouisfed.org

Abbildung 3: Wechselwirkungen zwischen Zeitpräferenz, Zeitpräferenzrate und Zivilisation; eigene Darstellung nach Prof. Thorsten Polleit, Vorlesung „The global credit market crisis and the mystery of banking“, Frankfurt School of Finance & Management, 14.10.2010

Abbildung 4: Gleichgewicht der Zeitpräferenzen; eigene Darstellung nach Prof. Thorsten Polleit, Vorlesung „The global credit market crisis and the mystery of banking“, Frankfurt School of Finance & Management, 14.10.2010

Abbildung 5: Einsatz- und Ausstoßkurve in einer einfachen Wirtschaft, eigene Darstellung nach Friedrich August von Hayek, Die reine Theorie des Kapitals, 2006, S. 96

Abbildung 6: Zusammenhang Sparen, Kapitalbestand, Konsum, Investieren, Zinsen; eigene Darstellung

Abbildung 7: Freier Geldmarkt versus Fiat-Geld-System - Wechselwirkung zwischen Marktzins, Geld- und Kreditnachangebot; eigene Darstellung nach Prof. Thorsten Polleit, Vorlesung „The global credit market crisis and the mystery of banking“, Frankfurt School of Finance & Management, 14.10.2010

Abbildung 8: USA, Entwicklung der Gesamtschulden in Mrd. USD 1947 bis 2010 (Gesamtschulden: Bundesstaaten, Kommunen, Regierung, Haushalte und Non-Profit-Organisationen, Finanzsektor, Non-Financial- Businesses), eigene Darstellung, Quelle https://www.federalreserve.gov/

Abbildung 9: Zinsentwicklung der FED von 1981 bis 2011, eigene Darstellung, Datenquelle: http://research.stlouisfed.org

Abbildung 10: Entwicklung der Staatsschulden in % vom BIP 2006 bis 2011, eigene Darstellung, Datenquelle http://www.oecd-ilibrary.org

Abbildung 11: Schuldenspirale durch Zinsen und Neuverschuldung, eigene Darstellung

Abbildung 12: USA, Entwicklung der öffentlichen Schulden gegenüber der Entwicklung der privaten Sparquote von 1966 bis 2011; eigene Darstellung, Datenquelle http://research.stlouisfed.org

Abbildung 13: USA, Prozentuale Entwicklung der Geldmenge M2 und des Consumer Price Index von 1982 bis heute; eigene Berechnung, Quelle: http://research.stlouisfed.org

Abbildung 14: USA, fallende Entwicklung der US-Dollar-Kaufkraft 1971 bis 2011, dargestellt durch 1/CPI (indexiert: 1970 = 100) sowie Goldpreisentwicklung in US-Dollar 1971 bis 2011; Datenquelle Thomson Reuters, eigene Darstellung

Abbildung 15: Wechselkursmechanismus; eigene Darstellung, Quelle: Rubel, 2005, S. 162

Abbildung 16: Großhandelspreise England (1821-1914), eigene Darstellung, Datenquelle: Kemmerer, 1944, S. 189 (Datenreihe / indexiert: 1913=100)

Tabelle 1: Prozentuale Neuverschuldung der OECD-Staaten am BIP, Datenquelle: http://stats.oecd.org/

Tabelle 2: Inflationsentwicklung in Simbabwe, 2000 bis 2007, eigene Darstellung, Datenquelle Reserve Bank of Zimbabwe, http://www.rbz.co.zw/

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Haben Zentralbanken ein Marketing-Problem? Der Markt flüchtet offenbar vor ih­rem Produkt; der Lebenszyklus des aus dem Nichts erschaffenen Papier-Geldes scheint zu Ende zu gehen. Seit der Schaffung staatlicher Geldmonopole waren sie lange erfolgreich: Es gelang, das Gold- und Silber-Geld in seiner historischen Funktion zu verdrängen. Bisweilen schien es, dass Zentralbanken alle Bemühun­gen der Alchemisten, Gold zu gewinnen, überflüssig machten.

Heute, knapp 200 Jahre später, sind die Volkswirtschaften mit Wirtschaftskrisen in kürzer werdenden Abständen und zunehmend stärkeren, globalen Ausmaßen kon­frontiert. Die westliche Welt verzeichnet Staatsschulden-Exzesse, Inflationsgefah­ren und politische Unruhen. Angesichts des zunehmenden Drucks diskutiert die Wirtschaftswissenschaft kontrovers die Tragfähigkeit aller bisherigen Modelle, währenddessen sich politisch gegensätzliche Lager aller Parteien offenbar einig gegen freiheitliche Marktgrundsätze aussprechen. Kritiker wähnen die Rechtsstaat­lichkeit und Demokratie in Gefahr und verweisen auf historische Parallelen. Zwar zweifelt die Mehrheit nicht, dass das Sozialismus-Experiment aufgrund zentralisti­scher Plan- und Mangelwirtschaft weltweit gescheitert ist. Doch spätestens seit dem Beginn der Finanz- und Bankenkrise 2007 steht der Kapitalismus mit seiner anscheinend mangelnden Funktionsfähigkeit für eine nachhaltige Wirtschaft am Pranger. Der Vergleich aller in die Krise geratenen Gesellschaftsformen weist of­fenbar eine Gemeinsamkeit auf: Der chronische Geldmangel ihrer Regierungen, welcher durch die ungedeckte Finanzierung ihrer systematischen Ziele entsteht. Keynesianischen Prinzipien folgend werden für die konjunkturelle Ankurbelung des zunehmend von Fehlinvestitionen und anschließenden Krisen belasteten Wirt­schaftskreislaufs immer höhere Staatsschulden in Kauf genommen, wobei wach­sende Finanzierungskosten eine Eigendynamik zur Neuverschuldungen erzeugen. Zentralbanken bemühen sich anscheinend vergeblich um Konjunkturglättung; Volkswirtschaften sind in der Zwickmühle: Nach rasanten Aufschwüngen können sie sich keine rezessiven Abschwünge leisten, um das Beschäftigtenniveau und die Steuereinnahmen im für die steigenden Finanzierungsausgaben notwendigen Korridor zu belassen. Die von Rettungs- und Ankurbelungsmaßnahmen augen­scheinlich übersättigten Märkte offenbaren zusehends Unsicherheiten, die unter der Last der Staatsschulden und Geldmengeninflation bei Investoren und Verbrau­chern zutage treten. Der Zeitpunkt, den überbordenden Schulden durch Sparmaß­nahmen entgegenzuwirken, scheint überschritten zu sein. Immer noch raten key- nesianisch orientierte Ökonomen, das Abgleiten in eine Depression durch Geld­vermehrung und Schuldenpolitik aufzuhalten.

Ergo scheint das gegenwärtig angewandte ökonomische Modell einer nachfragein­duzierenden Wirtschaftspolitik in einer ausweglosen Situation zu sein. Die Frage nach Alternativen führt zu den gegensätzlichen Denkmodellen der Österreichi­schen Schule der Nationalökonomie. Diese betrachten staatliche Interventionen als schädigende Eingriffe in den Markt und machen das bestehende System der Geld­schöpfung aus dem Nichts für das folgenschwere Auf und Ab von Konjunkturzyklen verantwortlich. Die Arbeit fokussiert daher auf die Ansichten dieser Denkschule. Sie befasst sich zunächst mit der Frage, was Geld eigentlich ist und wohin es in­zwischen entwickelt wurde. Danach werden die (notwendigen) Zusammenhänge zwischen Zins, Sparen, Konsum und Investitionen beleuchtet, und es wird unter­sucht, warum das System der heutigen Geldschöpfung Wirtschaftskrisen und Infla­tion hervorruft. Darauf aufbauend können schließlich die Zusammenhänge betrach­tet werden, warum der Goldstandard mit seinen einzelnen Funktionen in der Ver­gangenheit das Geldsystem und die Volkswirtschaften stabilisiert hat. Gleichfalls werden die kritischen Punkte zum Goldstandard beleuchtet und auf ihren Gehalt untersucht. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen erfolgt eine Betrachtung und Einschätzung zu den Alternativen des Goldstandards und zum bestehenden Geldsystem.

2. Entstehung, Bedeutung und Formen des Geldes

2.1. Entstehung und Tauschfunktion

Der Begriff Geld leitet sich von gelten = zahlen ab. Die lateinische Bezeichnung pecunia (Geld) wurde von pecus (Vieh) gebildet. Daraus geht hervor, dass auch bei den Römern - wie bei den meisten damaligen Naturvölkern - zunächst Tiere als Tauschmittel galten (Obst, 1910, S. 2). Bereits der griechische Philosoph Aris­toteles befasste sich vor rund 2.400 Jahren mit dem Gebrauchs- und Tauschwert des Geldes, wobei er befand, dass sich Ersterer aus Letzterem herleitet (Schum­peter, 1965, S. 100).

Der deutsche Ökonom der Österreichischen Schule Jörg Guido Hülsmann schreibt zur Entstehung des Geldes in Die Ethik der Geldproduktion (2007, S. 35): „Um den Ursprung und das Wesen des Geldes zu verstehen, muss man sich zunächst vor Augen führen, wie Menschen in einer Welt ohne Geld kooperieren würden - in ei­ner Welt des Naturaltausches“. Ohne Geld würde der Tausch eines Sackes Kartof­feln von Herrn Meier gegen 12 Hühnereier von Herrn Schulze den Idealzustand darstellen. Nur ein kleiner Kreis von direkten Tauschpartnern kann sich damit ge­genseitig seine Bedürfnisse befriedigen. Hülsmann (ebd., S. 36) nennt es das Problem der doppelten Übereinstimmung der Tauschwünsche, wonach beide Par­teien ein Interesse an der Sache der jeweils anderen Partei haben müssen, damit eine Transaktion erfolgreich durch Tausch zustande kommt. Ludwig von Mises (1881-1973), einer der bedeutendsten Nationalökonomen der Österreichischen Schule, unterschied in Theorie des Geldes und der Umlaufmittel (1912, S. 4) zwi­schen einem direkten (zwischen den tauschwilligen Personen A und B) und einem indirekten Tausch (zwischen Personen A, B und C): Mit dem Beginn einer arbeits­teiligen Gesellschaft fingen die Menschen aufgrund ihrer unterschiedlichen Fertig­keiten und Bedürfnisse an, ihre Arbeit zu spezialisieren und ihre Produkte unterei­nander auszutauschen. Mises resümierte, dass mit der Zunahme der Arbeitsteilung in der Produktion und der Differenzierung der Bedürfnisse auch die Häufigkeit von indirekten Tauschgeschäften steigt (ebd., S. 5). Dabei findet neben der Nachfrage nach Gütern für den unmittelbaren Konsum auch eine Nachfrage nach Tauschgü­tern statt, damit man dem Erwerbsziel für Güter des eigenen Gebrauchs näher kommt (ebd., S. 6-7). Obwohl Individuen zunächst keine Motivation zum indirekten Tausch haben, ist es offenbar eine Notwendigkeit des Marktes, um überhaupt ei­nen Gütertausch vonstattengehen zu lassen: „Das Individuum schreitet nur des­halb zum indirekten Tausch, weil ihm daraus Vorteil erwächst“ (ebd., S. 6). Bei in­direkten Tauschgeschäften wird zwischen minder marktgängigen und marktgängi­gen Gütern unterschieden, weswegen die absatzfähigsten Güter zu allgemein ge­bräuchlichen Tauschmitteln wurden. Die so entstandene Struktur des Warenver­kehrs führte dazu, dass die weniger marktfähigen Güter als Tauschmittel allmählich ausschieden, bis zuletzt das Geld als das gängigste Tauschmittel übrig blieb (ebd., S. 12).

Der deutsche Soziologe Georg Simmel (1858-1918) beschrieb in Philosophie des Geldes (2009, S. 59) den sozialen Aspekt des Tausches, bei dem die Tauschpart­ner erst um den Preis eines Opfers zum Ziel gelangen, wodurch der Tauschakt eine Gegenseitigkeit des sich Aufwiegens von objektiven und subjektiven Werten darstellt. Nach Simmel bekommt ein Tauschgegenstand erst dann einen Wert, wenn nicht nur sein Besitzer, sondern auch ein Anderer diesen nachfragt, ihm also Wert beimisst.

In der Literatur wird zwischen gutem und schlechtem Geld unterschieden, wobei gutes Geld einen hohen Edelmetallgehalt und schlechtes Geld einen niedrigen Edelmetallgehalt aufweist. Diese Unterscheidung geht auf den Bischof und Wis­senschaftler des 13. Jahrhunderts Nicolas von Oresme zurück und wird nach dem Begründer der Londoner Börse, Sir Thomas Gresham, im Greshamschen Gesetz ausgedrückt: Schlechtes Geld wird von gutem Geld verdrängt, weil beide Arten nicht nebeneinander zirkulieren können (Macleod, 1894, S. 19). Gutes Geld, das im Einklang mit dem freien Markt produziert wurde, befördert den Handel zwischen den Menschen und kann daher als Frieden stiftendes Element gesehen werden (Polleit und von Prollius, 2010, S. 11). Schlechtem Geld wird unterstellt, dass es gegen diese Prinzipien verstößt, infolge dessen das arbeitsteilige Gemeinwesen zerstört und damit Wohlstand und Frieden gefährdet (ebd.).

Neben seiner Hauptfunktion als Tauschmittel werden dem Geld verschiedene Un­terfunktionen zuerkannt, die sich aus der Hauptfunktion ableiten. So wurde die Funktion des gesetzlichen Zahlungsmittels durch Vorschriften gebildet, nach denen zur Begleichung von Geldschulden schuldbefreiende Zahlungen nur in der festge­legten Währung möglich sind. Das Bundesbankgesetz schreibt z.B. die Verwen­dung des Euro als das einzige uneingeschränkte Zahlungsmittel vor (§ 14, Ab­satz 1, Satz 2). Auch wenn der Geldgläubiger ein anderes Zahlungsmittel verlangt, muss er schließlich das gesetzlich vorgegebene akzeptieren (ebd.). Hingegen kön­nen bei Tauschgeschäften vom Geld abweichende Güter vereinbart werden.

Der US-amerikanische Ökonom der Österreichischen Schule der Nationalökono­mie Murray Rothbard (1926-1995) formulierte in What Has Governments Done to Our Money? (1963, S. 17) sogenannte „Benefits of Moneý‘. Er stellte dar, dass seit dem ersten Moment, als Transaktionen mit Geld als Zahlungsmittel erfolgten, das Tausch-Verhältnis von Gütern zum Geld als Preis ausgedrückt werden konnte. Somit waren die Tauschpartner in der Lage, den Marktwert aller Güter untereinan­der zu vergleichen. Erst durch etablierte Preise konnte sich eine zivilisierte Bevöl­kerung entwickeln, der es möglich wurde, wirtschaftlich zu kalkulieren (ebd.).

Zwei weitere Unterfunktionen, die man dem Geld heute zugeschreibt, lauten „Geld als Wertmaßstab“ (Hardes und Uhly, 2007, S. 435) und „Geld als Wertaufbewah­rungsmittel“ (Wildmann, 2010, S.118). Dem Begriff Wertmessung im Sinne von Geld als Wertmaßstab hielt Mises (1912, S. 16) entgegen, dass es sich vielmehr um ein subjektives Werturteil der Tauschwilligen handelt, das man nicht messen kann. Subjektive Werturteile müssten eher skaliert werden (ebd, S. 29). Rothbard (1963, S. 17) gab darauf folgende Einschätzung: „Money does not ,measure‘ pri­ces or values; it is the common denomination for their expression. In short, prices are expressed in money; they are not measured by it“. Schon der Begründer der Nationalkökonomie der Austrian School, Carl Menger (1840-1921), schlussfolgerte in Principles of Economics (1871, S. 279-280), dass die Funktionen „Wertmaßstab“ und „Wertaufbewahrungsmittel“ dem Rohstoff Geld - im Sinne von Gold - nicht zu­zuschreiben sind: „(...) it appears to me to be just as certain that the functions of being a ,measure of value‘ and a ,store of value‘ must not be attributed to money as such, since these functions are of a merely accidental nature and are not an essential part of the concept of money“ (ebd., S. 280). Zur fraglichen Funktion „Geld als Wertaufbewahrungsmittel“ verwies Menger auch auf das Gesetz des ab­nehmenden Grenznutzens (ebd., S. 141-143), welches in diesem Kontext besagt, dass je mehr Geldeinheiten jemand hinzuverdient, umso geringer der Anwen­dungsnutzen des Geldes für ihn ist. Damit argumentierte er, dass es kein wert­stabiles Geld gibt. Aus Mengers, Mieses’ und Rothbards Überlegungen kann man ableiten, dass die Begriffe Wertmaßstab und Wertaufbewahrungsmittel als Geld­funktionen nicht angemessen sind. Es hat sich offenbar eher eingebürgert, dass Geld einen Wert ausdrückt und von ihm grundsätzlich die Erwartung ausgeht, es würde zumindest einen Teil seines Wertes behalten. In den folgenden Kapiteln wird dies zu untersuchen sein.

2.2. Kaufkraft des Geldes und das Regressionstheorem

Die Bedeutung des Geldes geht vor allem auch von seiner Kaufkraft aus. Ursprung dieser Kaufkraft ist sein objektiver Tauschwert, also der Wert, den der Geldnutzen erzeugt (Mises, 1912, S. 93). Wie bei jedem Tauschgut entsteht auch die Kaufkraft des Geldes aus dessen Angebot an und der Nachfrage nach Geld (Polleit und von Prollius, 2010, S. 21). Da sich die Nachfrage nach Geld aus einem subjektiven Werturteil bildet, tritt dieses neben den objektiven Tauschwert - beide fallen quasi im Geld zusammen (Mises, 1912, S. 93). Die individuellen Verhältnisse des Nach­fragenden und des Anbietenden sind im Laufe der Zeit Veränderungen unterwor- fen. So kann z. B. der Geld Nachfragende eine mehr oder weniger ausgeprägte Produktivität aufweisen, die seiner angebotenen Ware zugrunde liegt, während der Geld Anbietende durch Einkommensveränderungen einem entweder höheren oder geringeren Kostenbewusstsein unterliegt. Beide Seiten sind also individuellen Ein­flüssen ausgesetzt, die sich auf die Kaufkraft auswirken (Polleit und von Prollius, 2010, S. 21).

Im Folgenden ist zu klären, was es bedeutet, wenn Geld mehr oder weniger Kauf­kraft besitzt und wie sich äußere Veränderungen auf diese auswirken. Kaufkraft drückt sich in der Anzahl von Gütern aus, die man für eine bestimmte Geldeinheit tauschen bzw. kaufen kann. Die Kaufkraft gibt daher die relative Stärke des Tauschguts Geld wieder, entweder mehr oder weniger Gegenleistung für dessen Einsatz erhalten zu können. Die entscheidende Betrachtungsgröße der Kaufkraft des Geldes ist der Preis einer Ware oder einer Leistung, der sich umgekehrt pro­portional zur Kaufkraft verhält. Steigende Preise verringern die Kaufkraft des Gel­des und umgekehrt. Ausgehend vom Einfluss durch Angebot und Nachfrage gilt: Je mehr Waren angeboten werden, umso weniger relative Nachfrage der Geld­Angebotsseite steht diesen gegenüber - die Warenpreise fallen. Andererseits wirkt es sich preiserhöhend auf eine gegebene Menge an Waren aus, je mehr Geld­menge um die Warenmenge konkurriert. So haben zunächst Waren- und Geld­Mengenangebot einen Einfluss auf den Preis und somit auf die Kaufkraft.

Auch die individuelle Konsumneigung hat einen Einfluss auf die Preisentwicklung: Angenommen, innerhalb einer Volkswirtschaft entscheiden sich mehrere Geldhal­ter bei einer gleichbleibend umlaufenden Geldmenge, weniger Geld zu sparen, sondern mehr zu konsumieren - also einen (temporär) höheren Anteil ihres Geldes gegen Waren einzutauschen. Sofern die angebotene Warenmenge gleich bleibt, erhöht das die relative Nachfrage durch die Geldhalter nach Waren - der Waren­angebotspreis steigt (Polleit und von Prollius, 2010, S. 26). Wenn die Einkom­menshöhe aller Geldhalter nicht in gleicher Relation Schritt hält, hat sich damit die Kaufkraft verringert. Da eine erhöhte Konsumneigung unter Annahme gleichblei- bender Einkommen auf einem begrenzten Geldvermögen der Halter basiert und auch die Kreditbereitschaft zur Finanzierung des steigenden Konsums unter Marktverhältnissen eines gedeckten Geldes limitiert bleibt, wird ein Mehrkonsum nur temporär auftreten können (ebd.). Daraus folgt, dass trotz unveränderter Geldmenge und gleichbleibenden Einkommens Kaufkraftschwankungen auftreten können.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es von Interesse, die Kaufkraft des Geldes so­wohl mit zeitlichem als auch mit Währungs- oder Länder-regionalem Bezug zu ver­gleichen. Der Vergleich der Kaufkraft- bzw. Preisentwicklung zeigt, wie sich der objektive Tauschwert des Geldes im Zeitverlauf ändert und welche Unterschiede je Geldwährung dabei auftreten. Alle Preise einer Volkswirtschaft werden zusammen als Preisniveau gemessen und durch Indizes, wie dem Konsumentenpreisindex, zur Gewinnung von Datentransparenz ausgedrückt (Polleit und von Prollius, 2010, S. 22). Anhand der Indizes ist es möglich, Kaufkraftunterschiede und relative Preisveränderungen darzustellen, um darauf basierend Ursachenanalyse zu be­treiben. Preisindizes werden durch die Zusammenfassung von Konsumgüterprei­sen in einem Warenkorb abgebildet. Steigt oder fällt im Zeitverlauf der Gesamt­preis des Warenkorbs, so liefert dies Informationen über die Veränderung des Preisniveaus (ebd.).

An späterer Stelle wird auf Anlässe staatlicher Bestrebungen eingegangen, die Geldmenge in einer Volkswirtschaft zugunsten von Preisstabilität als wirtschaftspo­litische Zielstellung individuell zu steuern. Mit Blick auf die Kaufkraft des Geldes ist jedoch schon jetzt festzuhalten, dass jene durch Geldmengenänderung im Wirt­schaftskreislauf maßgeblich beeinflusst wird. Erhöht sich die Geldmenge in einer Volkswirtschaft, reduziert sich die Kaufkraft des Geldes. Verringert sich die Kauf­kraft, reduziert dies den objektiven Nutzen für den Geldhalter. Rechtlich betrachtet wird dadurch das Eigentum am Vermögen des Geldhalters beeinträchtigt. Da die­ser den Schaden gegen den Verursacher weder geltend machen, noch einen Schadenersatz durchsetzen kann, stellt die Ausweitung der Geldmenge eine Ver­mögensumverteilung durch Kaufkraftreduzierung zu Lasten der Geldhalter und zu­gunsten anderer Empfänger dar.

Weshalb Menschen Geld nachfragen und für künftige Zwecke halten, beschreibt das Regressionstheorem nach Ludwig von Mises. Hierzu untersuchte er in Theorie des Geldes und der Umlaufmittel (1912, S. 107-110) die Herkunft der Kaufkraft des Geldes. Zunächst stellte er fest, dass Preise aus subjektiven Wertschätzungen zwischen den Tauschpartnern einer Ware resultieren. Dabei bilden sie sich in einer Zone, wo sich Angebot und Nachfrage quantitativ ausgleichen. Durch die subjekti­ve Wertschätzung der Tauschpartner entstehen Geldpreise, wobei sich der (sub­jektive) Gebrauchswert von Geld aus dem anzunehmenden Gebrauchswert der für das Geld anzuschaffenden Güter ergibt. Anschließend führte Mises aus, dass sich der Gebrauchswert der Ware Geld an dem Grenznutzen der für das Geld einzutau­schenden Waren bemisst. Eine Schätzung des subjektiven Geldwertes könne nur unter der Annahme eines objektiven Tauschwertes erfolgen - das stellt schließlich die Verbindung zwischen nutzlosem Geld und einer möglichen Bedürfnisbefriedi­gung her. Der Geldnutzen ergibt sich demnach aus der Annahme, dass Geld eine objektive Kaufkraft besitzt. Sie leitet sich von dem marktgängigen Austauschver­hältnis von Gütern zum Geld ab und erlaubt es, nicht nur für Vergangenheit und Gegenwart, sondern auch einen Nutzen für die Zukunft zu erwarten. Das bewegt den Empfänger von Geld dazu, dieses für künftige Anlässe zu behalten.

Der Geldwert als Kaufkraft erklärt sich, indem man auf seinen erstmaligen Ver­wendungszweck zurückgeht, wonach Gold als Ware bzw. Rohstoff einer Bedürf­nisbefriedigung diente. Als die Ware Gold vom Empfänger nicht für den unmittelba­ren Gebrauch, sondern als künftiges Tauschmittel erworben wurde, erfolgte zum ersten Mal auch die Schätzung des objektiven Tauschwerts durch den Erwerber. Somit trat neben den Handel des Goldes zu produktiven Zwecken auch ein Han­delsziel zu Tauschzwecken, was nun zusätzlich den Goldwert für den Geldge­brauch beeinflusst hat (ebd., S. 110). Mieses hat damit nachgewiesen, dass ur­sprüngliches Geld einen inneren Tauschwert besitzt und somit über intrinsische Kaufkraft verfügt.

Beim Übergang der Natural- in die Geldwirtschaft (Polleit und von Prollius, 2010, S. 31) waren Tauschpartner erstmals bereit, Geld anzunehmen, es zu halten und für künftige Tauschzwecke wieder einzusetzen. Eben aufgrund dieses Erfahrungs­wertes sind sie auch heute und künftig bereit, Geld anzunehmen und zu halten (ebd.). Mises widerspricht damit der gegenwärtig etablierten Geldtheorie, die einen Bedeutungsunterschied für die Kaufkraft zwischen gedecktem und ungedecktem Geld nicht anerkennt.

2.3. Formen des Geldes

Natural- bzw. Sachgeld ist sowohl selbst eine Ware als auch Tauschmittel. Hüls­mann (2007, S. 38) nennt jede Art von Geld, das durch freiwillige Kooperation zu­stande kommt, „natürliches Geld“. Wie ausgeführt, hat es seinen Ursprung in Roh­stoffen oder Waren, die als Tauschmedium Verwendung fanden, bis sich daraus schließlich Sachgeld als indirektes Tauschmittel etablierte. Der schottische Natio­nalökonom Adam Smith (1723-1790) schrieb hierüber 1776 in An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (deutsche Übersetzung 1999, S. 106): „In allen Ländern (...) dürften die Menschen schließlich durch unwiderlegliche Gründe bewogen worden sein, zu diesem Zweck Metallen den Vorzug vor jedem anderen Gut zu geben. Metalle lassen sich nicht nur mit ebenso geringem Verlust wie jede beliebige andere Ware aufbewahren, da es kaum etwas weniger leicht Verderbliches gibt als sie, sondern sie lassen sich überdies ohne Verlust beliebig teilen (...)“. Geld, in Form von Gold und Silber, wurde das absatzfähigste indirekte Tauschmittel, wobei die Wahl zwischen beiden Edelmetallen aufgrund ihrer physi­kalischen und chemischen Eigenschaften und ihrer auffälligen Erscheinung schwankte (Mises, 1912, S. 8). Warum gerade Gold und Silber gesellschaftliche Akzeptanz als Geld fanden, liegt offenbar an einem allmählichen Prozess, in dem immer mehr Marktteilnehmer individuell entschieden, diese beiden Edelmetalle - und nicht irgendwelche anderen Naturalien - zu verwenden (Hülsmann, 2007, S. 37). Zu den mutmaßlichen Entscheidungsgründen für Gold und Silber schrieb Simmel (2009, S. 82): „Alle Brauchbarkeit ist (..) nicht imstande, zu wirtschaftlichen Operationen mit dem Gegenstande zu veranlassen, wenn sie nicht Begehrtheit desselben zur Folge hat.“ Damit bringt er zum Ausdruck, dass neben dem Nutzge­winn die Entscheidung von der besonderen Anmutung beider Metalle geleitet wur­de - was neben ihrer Seltenheit der wohl entscheidende Grund sein dürfte, warum sie seit Jahrtausenden auch zu Schmuck und Ziergegenständen verarbeitet wer­den.

Die ersten Goldmünzen gleicher Größe, mit einheitlichem Wert und einheitlicher Prägung sollen Mitte des siebenten Jahrhunderts vor Christi auf der Insel Mykene geprägt worden sein (Walker, 2009, S. 10-11). Über die alten Griechen haben vermutlich die Römer schließlich das Metallgeld kennen gelernt (ebd., S. 16). Aus einem Pfund Feinsilber wurden im alten Rom 84 Denare geprägt, wobei das römi­sche Pfund etwa 370 g entsprach. Aus diesem System geht die noch heute gelten­de Maßeinheit Unze hervor, was einem Zwölftel des damaligen römischen Pfunds gleichstand (ebd.).

Das Papiergeld haben vermutlich die Chinesen erfunden (Weimer, 1994, S. 74). Hülsmann definiert Papiergeld als ein beidseitig bedrucktes Papier, wobei die Ma­terial- und Druckkosten erheblich unter denen der Münzherstellung lägen (2010, S. 45). Ein weiterer „vermeintlicher Vortei" bestehe darin, dass die Mengen des Papiergelds leicht verändert werden können, um dem Bedarf des Handelsaufkom­mens gerecht zu werden oder den Wert der Geldeinheit zu stabilisieren (ebd., S. 45). Gerade die Möglichkeit der variablen Mengengestaltung wird aufgrund der Entwicklungsdynamik des Geldwesens in den letzten Jahren nicht nur von den Vertretern der Österreichischen Schule kritisch betrachtet. Mises (1912, S. 44-45) bezeichnet Papiergeld als „ein Stück Papier, das durch einen von einem gesell­schaftlichen Organ vorgenommenen Aufdruck besonders qualifiziert wurde“ und bei dem der aufgedruckte Stempel den Ausschlag gibt (ebd., S. 48). Er nennt es daher auch „Zeichengeld‘ (ebd., S. 45). Das Entstehungsprinzip von Banknoten beschrieb Hübner (1858, S. 7) zeitgenössisch so, dass ein Käufer von einem Ver­käufer eine Warenauslieferung nur erhielt, wenn er von seinem Banker eine wün­schenswerte Bescheinigung ausgehändigt bekam, dass er Geld bei seiner Bank zur Verfügung hat. Da aber diese Bescheinigung nicht belegen konnte, dass der Geldhinterleger über seine Einlage nicht bereits verfügt hatte, musste eine sichere­re Form gefunden werden, auf die dem Einreicher der vom Banker vermerkte Be­trag verbindlich ausgezahlt werden konnte (ebd.). Nachdem für diese Bescheini­gungen eine gewisse Fälschungssicherheit erreicht war, etablierte sich der Ge­brauch erster Banknoten. In der Folgezeit wurde die Rechtsnatur von Banknoten mit der von Sichtwechseln verglichen, weil beide bei Vorlage eine unmittelbare Fäl­ligkeit „zur Lieferung von barem Gelde“ (ebd., S. 9) aufweisen. Hübner unterschied dabei zwischen dem Sichtwechsel einerseits als einen „Auftrag zur Lieferung und der Banknote andererseits als einen „stets künd- und zahlbaren Lieferschein auf bares Geld“ (ebd.) und bezeichnete in dem Zusammenhang die ungedeckte Aus­gabe von Banknoten als „Spekulation“, „Spiel“oder „Wette“.

Als eine vom Sach- und Papiergeld abgeleitete Form ist das Kreditgeld einzuord­nen (Hülsmann, 2010, S. 43). Es stellt eine Forderung gegen private oder juristi­sche Personen dar. Der Unterschied zum Papiergeld besteht laut Mises (1912, S. 45) darin, dass die Forderung nicht jederzeit fällig ist und ebenso wenig gesi­chert sein muss. Anders als beim Sachgeld, das aus sich heraus einen intrinsi­schen Wert verkörpert, wird beim Kreditgeld eine künftig fällig werdende Forderung als Tauschmittel verwendet (ebd., S. 48). So kommt bei einem indirekten Tausch ein bestehender Forderungstitel als Tauschgut zum Einsatz. Kreditgeld könnte ent­standen sein, indem ein Warenerwerber dem Lieferanten statt Geld einen ihm be­reits vorliegenden Schuldschein eines Dritten mit zeitlich versetzter Einlösbarkeit übergab. Weil dem Dritten die spätere Zahlungsfähigkeit geglaubt wurde, nahm der Lieferant den Schuldschein als Kreditgeld an. Wenn nun dieser bei Fälligkeit nicht eingelöst wurde, hatte der Lieferant das Kreditrisiko des Dritten zu seinen Lasten zu realisieren - der Schuldschein war wertlos. Kreditgeld spielt naturgemäß bei Geschäftsbanken eine ausgeprägte Rolle. Ausgehend von dem Ansatz der Cur­rency School1, der nur für umlaufende Banknoten eine Deckungspflicht unterstellt, ist es Geschäftsbanken im Sinne des Teilreservesystems2 erlaubt, auf Basis ihrer Depositen3 Kreditgeschäfte zu betreiben. Weil Depositen als täglich fällige Einla­gen jederzeit vom Deponenten verfügt werden können, ist das heutige Kreditgeld als ungedecktes Geld anzusehen. Die Bank als Emittent des Kreditgelds erzeugt mit der Kreditvergabe ein eigenes Liquiditätsrisiko, weil die Rückzahlung der Kre­ditforderung zeitlich versetzt ist, hingegen der Deponent über seine Depositen täg­lich verfügen darf. Dieses Risiko kann bei fehlender Liquiditätsdeckung zur Zah­lungsunfähigkeit der Bank führen, wonach die Depositen nicht mehr vollständig zur Auszahlung bereitstehen. Analog zu der Emission von ungedeckten Banknoten stellt die ungedeckte Kreditgeldschöpfung im Sinne der Österreichischen Schule eine der wesentlichen Wurzeln von Finanzkrisen und wirtschaftlichen Rezessionen dar (de Soto, 2011, S. 499).

Schließlich ist das Buchgeld im Geldbegriff einzuordnen, wobei die Ausführungen zum Kreditgeld ebenso für Buchgeld gelten. Alternativ wird Buchgeld auch als Gi- ralgeld bezeichnet. Buchgeld beinhaltet alle Gelddepositen bei Banken, über die der Deponent täglich verfügen kann. Damit stellt es einen unmittelbaren Zahlungs­anspruch des Deponenten gegenüber der Depositenbank auf die Auszahlung von Banknoten und Münzen dar. Obwohl Buchgeld kein gesetzliches Zahlungsmittel im Sinne des Bundesbankgesetzes ist und damit keine gesetzliche Annahmepflicht existiert, ist es aufgrund der allgemeinen Akzeptanz die Grundlage zur Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Der ursprüngliche Begriff Buchgeld stammt von den Kontenbüchern ab, die zur jeweiligen Verbuchung der Auszahlungsan­sprüche dienten. Zum Beispiel zeugen Archivaufzeichnungen der Medicibank von 1442 davon, dass Depositen von Bankkunden schriftlich in Kontenbüchern notiert wurden (de Soto, 2011, S. 50). Seit dem 20. Jahrhundert erfolgt die Verbuchung von Depositen im Rahmen der Elektronischen Datenverarbeitung. Somit findet Geldschöpfung durch Kreditgeld faktisch ohne produktiven Aufwand in Form von Bits und Bytes statt - ein großer Anteil des umlaufenden Geldes ist seitdem zu ei­ner „stofflosen“ Information expandiert (Bundesbank 2011, Begriff und Aufgaben des Geldes, S. 17).

3. Geldproduktion und wirtschaftliche Effekte im Fiat-Geldsystem

3.1. Übergang vom Markt- bzw. Sachgeld zum staatlichen Angebots­monopol

In Europa wurden Banknoten vermutlich erstmals 1483 in Spanien zum vorüberge­henden Ersatz für fehlendes Münzgeld eingeführt, und 1661 wurde mit der Grün­dung der Bank von Schweden eine sogenannte „Zettelbank1 (Hübner, 1858, S. 3) - die somit erste Staatsbank der modernen Welt (de Soto, 2011, S. 74) - etabliert. Nach dem Vorbild der Bank von Amsterdam nahm diese zunächst 1656 als „Stockholms Banco“ ihren Betrieb als Depositen- und Darlehensbank auf. Die Re­gierung musste das als Privatbank gegründete Haus jedoch bald verstaatlichen, weil es das Einlagengeschäft nicht, wie seinerzeit rechtlich vorgesehen, als System der vollen Reservedeckung, getrennt vom Darlehensgeschäft, betrieb. Mit der staatlichen Übernahme etablierte sich eine ausgeprägte Gepflogenheit zur Ausga­be von „Depositenbelegen“, die in höherem Umfang als entsprechende Einlagen entgegengenommen wurden (ebd., S. 74). Somit entstand die Praxis der Bankno­tenausgabe und insbesondere jene, mehr Banknoten durch Kreditvergabe in den Umlauf zu bringen, als Einlagen bei der Bank bestanden. 1694 erfolgte die Gründung der Bank of England als Regierungsbank zur Finanzie­rung der öffentlichen Ausgaben. Sie wurde zur exklusiven Emission von Banknoten privilegiert und diente neben der Aufgabe als Depositenbank als systematischer Vorschussgewährer an die Staatskasse (ebd., S. 75). Die Praxis dieser ungedeck­ten Finanzierungsaktivität führte dazu, dass sie ihre Zahlungen mehrmals einstel­len musste. Folglich wurde 1797 in Großbritannien verfügt, Depositen nicht mehr in bar auszahlen zu dürfen und Steuern wie Schulden mit den von der Bank heraus­gegebenen Noten zu zahlen, was den Beginn eines auf Teildeckung beruhenden Banksystems mit einem zentralen Kreditgeber letzter Instanz - der Notenbank - ausmachte (ebd. S. 76).

Besondere Bedeutung für die systematische Papiergeld-Einführung hatte die von John Law (1671-1729) mit Genehmigung des französischen Regenten gegründete Banque Générale. Law überzeugte den Regenten, mit dem als Notenbank konzi­pierten Bankhaus staatliche Maßnahmen durch die Depositen der Bank zu finan­zieren (ebd.). Auch hier spielte sich das Szenario einer ungedeckten Bevorschus­sung staatlicher Interventionen und sonstiger Ausgaben ab, was zu einem künstli­chen Wirtschaftsaufschwung durch massenhafte Ausgabe ungedeckter Banknoten führte. Die 1718 verstaatlichte Bank entfachte umfangreiche Börsenspekulationen auf die fortschreitende Kolonialisierung französischer Territorien in Amerika, was binnen kurzer Zeit zu einer Vervierfachung aller umlaufenden Banknoten und Ak­tien gegenüber der zuvor bestehenden Menge an Gold- und Silbermünzen führte (Polleit und von Prollius, 2010, S. 93). Nachdem diese Proportionen durch erhebli­che Teuerungen offensichtlich wurden, sind die Aktien zu gesetzlichen Zahlungs­mitteln erklärt und ein Ausfuhrverbot von Gold und Silber erlassen worden (ebd., S. 93). Infolge der massiven, schmerzhaften Verluste entwickelte sich das Wort „Bank“ zum Synonym für „Betrug“ (de Soto, 2011, S. 77).

Nachdem sich neben mehreren europäischen Ländern besonders in England infol­ge des staatlich etablierten Papiergelds starke Geldmengenausweitungen, künstli­che Wachstumsblasen, Teuerungen, Umverteilung von Volksvermögen einschließ­lich erheblicher Schäden durch Bankkonkurse abspielten, wurde unter dem briti­schen Premierminister Robert Peel (1788-1850) im Jahr 1844 für Großbritannien der Bank Charter Act ratifiziert (ebd.). Damit setzte sich die Currency School von David Ricardo (1772-1823) gegen die Banking School4 durch (ebd., S. 338). Es folgte ein Ausgabeverbot von nicht durch Gold gedeckten Banknoten; das staatli­che Notenbankwesen wurde gleichfalls als Geldmonopol legitimiert (ebd.). Aus Sicht der Österreichischen Schule wird dem Peelschen Bankgesetz entgegen sei­nen guten Absichten und fundierten theoretischen Grundlagen der Fehler unter­stellt, dass sich die Golddeckungserfordernisse nicht auf Depositen erstreckten (Huerto de Soto, 2011, S. 440). Infolge dessen konnten von nun an Banken die Geldmenge durch die Gewährung neuer Darlehen und damit Schaffung neuer De­positen „ex nihilo5 “ expandieren (ebd.).

3.2. Das heutige Fiat-Geldsystem

FIAT-Money6 ist Geld, das aus dem Nichts erschaffen und nicht mit realen Werten hinterlegt wird. Eine Einlöseverpflichtung auf Gold, Silber oder sonstiges Sachgeld existiert nicht mehr. Demzufolge werden per Gesetz Zahlungsmittel ohne intrinsi­schen Wert erzeugt. Die gesetzlichen Grundlagen beinhalten im jeweiligen Wäh­rungsterritorium zwei Dimensionen: Einerseits das alleinige Recht der Zentralban­ken für die Geldschöpfung und andererseits die alleinige Geltung der etablierten Währung als Zahlungsmittel. So ist zum Beispiel im Gesetz über die Bundesbank im Paragraph 14 (1) deren ausschließliches Recht geregelt, Banknoten in ihrem Geltungsbereich auszugeben: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige un­beschränkte gesetzliche Zahlungsmitteľ. Weil Staaten das Geldausgaberecht in der Regel auf Zentralbanken übertragen haben, erlaubt es diesen, die Geldmenge nach Belieben auszuweiten. Ihnen wird dabei zwar eine gesetzliche Unabhängig­keit für ihre geldpolitischen Entscheidungen eingeräumt (Wagner, 2004, S. 146­147). Bagus (2010, S. 67) stellt dazu hingegen fest, dass Zentralbanken zwar „un­abhängig“ gestaltet sind, dem jedoch deren Kauf von Staatsbonds und Gewinn­ausschüttungen - zurück an den Staat - entgegenstehen. Zwischen der EZB und der FED bestünden nur geringe Unterschiede: Während Erstere die Preisstabilität zuerst im Fokus hat und erst dann wirtschaftspolitische Ziele verfolgt, möchte die FED Preisstabilität und Wachstumsziele gleichermaßen absichern (ebd., S. 69). Inwieweit Zentralbanken hinsichtlich staatlicher Einflussnahme nachhaltig autark bleiben, dürfte demnach von makroökonomischen Parametern, wie z.B. Arbeitslo­sigkeit, Steuereinnahmen, BIP-Wachstum, und andererseits der Konsistenz demo­kratischer Strukturen abhängig sein. Cukierman hat hierzu einen Unabhängigkeits­index entwickelt und macht das Ranking der Zentralbanken durch Befragung transparent; dabei verwundert es nicht, dass erhebliche Abhängigkeitsunterschie­de offenkundig werden (1992, S. 371 ff.). Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Mengensteuerung von FIAT-Money nicht von den Marktmechanismen, sondern politischen Intentionen bestimmt wird (die durch die Zentralbanken umgesetzt wer­den). Nach Mises hat das direkte Auswirkungen auf die Kaufkraft, da sich jene aus dem Verhältnis zwischen der Nachfrage nach Geld und dem Angebot an Geld be­stimmt (1948, S. 221).

Mit dem Peelschen Bank Charter Act wurde 1844 in Großbritannien ein Zentral­bankmonopol mit Teilreservesystem geschaffen, welches in den kommenden Jahrzehnten weltweit Schule machte. Obwohl die Bank of England bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs die Banknotenausgabe mit den vorhandenen Goldreserven limitierte, konnten Privatbanken nun offiziell Geldschöpfung betreiben, indem neue Kredite zur Erhöhung von Depositen führten.

[...]


1 Currency School: Disziplinierung der Geldpolitik durch allgemeine Regeln und Prinzipien für Bankiers und Zentralbanken. Geldtheorie, nach der im Gegensatz zur Banking-Theorie nur Banknoten - und nicht Depositen - zu der zu deckenden Geldmenge zählen (weil man die Wirkung von Depositen verkannte) und die Ausgabe von Bargeld unter ein staatliches Monopol der Zentralbanken zu stellen ist (de Soto, 2011, S. 422-441)

2 Teilreservesystem: Depositen werden als Refinanzierungsquelle für Bankkredite herangezogen; vor dessen Etablierung waren Depositen und Darlehen rechtlich voneinander zu trennen, das heißt, Depositen fielen nicht in die Insolvenzmasse einer Bank (de Soto, 2011, S. 494)

3 Depositen: lateinisch „depositum“ = bewegliches Gut, zur Aufbewahrung deponiert

4 Banking School: Uneingeschränkte Handlungsfreiheit für Banken und Zentralbanken. Vertreter der Sichtwei­se, dass die ungedeckte Kreditausweitung keine negative Wirtschaftsauswirkung hat, weil sie nur abgerufen würde, wenn die Wirtschaft sie braucht. Dennoch hatte die Banking School die Auffassung, dass Bargeld, Papiergeld und Depositen die selbe Wirkung haben, aber präferierten im Gegensatz zur Currency School kein staatliches Emissions-Monopol von Banknoten (de Soto, 2011, S. 422-441).

5 Ex nihilo: lateinisch - aus dem Nichts

6 FIAT-Money bedeutet sinngemäß: Es werde Geld; abgeleitet von dem lateinischen Bibelausspruch „Fiat Lux“ - „Es werde Licht“ (Gen 1,3).

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Der Goldstandard als Schutz vor Hyperinflation und Staatsüberschuldung
Untertitel
Eine Studie über Ursprung, Wirkung und die Potenziale von Sachgeld
Hochschule
Frankfurt School of Finance & Management
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
78
Katalognummer
V193143
ISBN (eBook)
9783656182122
ISBN (Buch)
9783656182368
Dateigröße
1218 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Gold, Goldstandard, Geldsystem, Währungssystem, Eurosystem, Staatsverschuldung, Hyperinflation, Inflation, Tauschfunktion, Kaufkraft, Zeitpräferenz, Sparen, Konsum, Fehlinvestition, Fiat-Geld, Papiergeld, Schwundgeld, Regionalgeld, Zahlungsbilanzausgleich, Wechselkursstabilisierung, Preisstabilisierung, Notenbank, Zentralbank, Zinspolitik, EZB, FED, Österreichische Schule, Austrian School, Edelmetall, Silber, Bimetallismus, Regressionstheorem, Currency School, Banking School, Free Banking, Teilreservesystem
Arbeit zitieren
Thomas Grimmer (Autor:in), 2012, Der Goldstandard als Schutz vor Hyperinflation und Staatsüberschuldung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193143

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