Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Aufgabenfelder moderner Schulleitung
2 Der Teufelskreis alter Lösungsansätze
3 Fallbeispiel: Fragen eines Schulleiters
4 Fallbeispiel: Schwierigkeiten einer Schule
5 Lösungsansätze
6 Literaturverzeichnis
1 Aufgabenfelder moderner Schulleitung
Die moderne Schule bewegt sich in einem „Spannungsfeld zwischen Bewahren und Verändern“ (Schratz 2003, S. 1). Dabei fungiert sie zum einen als Ort der Reproduktion bestehender Bildungsinhalte und kultureller Normen- und Wertvor- stellungen sowie als Ort der Transformation, also der Veränderung und Anpas- sung an aktuelle gesellschaftliche Anforderungen (vgl. ebd., S. 1 und 49).
Dieses Spannungsfeld, in welchem sich Schule von einer bloß administrativ- exekutiven Institution zu einer vielseitig lernenden Organisation wandeln muss, führt auch zu einer Neuausrichtung des Aufgaben- und Anforderungsprofils des Leistungshandelns. Die relevanten Aufgaben- und Qualifizierungsbereiche der Schulleitung werden im Folgenden durch Praxisbeispiele genauer erklärt:
1. Management-Aufgaben
Eine Schule soll zwar ihre internen Verwaltungsabläufe selbstständig organisie- ren, dabei aber einen übergeordneten gesetzlichen Rahmen berücksichtigen. Diese Situation zwischen Freiraum und Kontrolle stellt hohe Ansprüche an das Schulmanagement und die damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben. Die- se erfordern eine „Leitung der Schule als Betriebseinheit“ (ebd., S. 61).
In der Schulpraxis stellt die Organisation der Stundentafel eine wichtige Ma- nagement-Aufgabe dar. Im Blickfeld steht dabei besonders die Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Ressourcen und der übergeordneten Vorgaben: Raumbelegung (zur Verfügung stehende Räume, bedürfnisgerechte Belegung der Medienräume, Vermeidung langer Wege und häufiger Wechsel, Klassen- raumprinzip vs. Fachraumprinzip), Fächerverteilung (Hauptfächer zur Kernzeit vormittags, Nebenfächer am Nachmittag, gerechte Verteilung der Lehrerarbeits- zeitstunden, Vermeidung unnötiger Springstunden, angemessenes Verhältnis von Einzel- und Doppelstunden), schülerbezogene Kriterien (Lehrplanvorgaben, Elternwünsche, Vermeidung von Springstunden, Raumbelegung nach Klassenin- sel-Prinzip, alle Klassen einer Jahrgangsstufe in einem Trakt oder Fachinsel- Prinzip, Konzentration bestimmter Fächer in einem Trakt).
2. Leadership-Aufgaben
Bei den Leadership-Aufgaben nehmen die Kommunikation und Kooperation nach innen und außen einen hohen Stellenwert ein, sie stellen somit das „Herzstück von Schulleitung“ dar (ebd., S. 61). In der Praxis könnten dies z.B. Mitarbeitergespräche mit geeigneten Personen aus dem Kollegium über Entwicklungspotenziale in der Öffentlichkeitsdarstellung der Schule sein oder über geeignete Kooperationsformen mit Unternehmen aus der regionalen Wirtschaft.
3. Pädagogische-Aufgaben
Die pädagogischen Aufgaben der Schulleitung zielen auf die Unterrichtsarbeit und die Abstimmung der Lehrer und Lehrerinnen untereinander hinsichtlich Inhalte, Methoden, und Unterrichtsertrag (ebd., S. 62). Ein Beispiel hierfür ist die Einrichtung und Begleitung von Jahrgangsstufenteams in den einzelnen Fächern zur Planung und Durchführung von Parallelarbeiten. Diese dienen zum einen der Vergleichbarkeit der Lernergebnisse und zum anderen der Entlastung bei der Erstellung von Klassenarbeiten und Klausuren.
4. Schulentwicklung
Im Rahmen der Schulentwicklung besteht eine wesentliche Kompetenz der Schulleitung darin, Entwicklungsprozesse zu initiieren und zu begleiten, die einen Paradigmenwechsel vom ‚Ich und meine Klasse’ zum ‚Wir und unsere Schule’ ermöglichen (vgl. ebd., S. 62).
Folgende Praxisbeispiele stellen sich als Aufgabe der Schulentwicklung dar: gemeinsame Planung und Durchführung eines Tages der offenen Tür (die Schule präsentiert ihr kooperatives Lernkonzept), Koordinierung wiederkehrender Schulveranstaltungen zur Stärkung der Identifikation mit der Schulkultur (z.B. Würdigung der Jahrgangsbesten, Auszeichnung für soziales Engagement, Jubiläumsfeiern), Darstellung der Schule im Netz oder Schule als mobile Applikation (Erweiterung des Wirkungskreises, Steigerung des Bekanntheitsgrades, Information und Öffentlichkeitsarbeit). Der Aufgabenbereich der Schulentwicklung ist in diesem Sinne ein Beitrag zur Organisationsentwicklung.
5. Personalentwicklung
Der Aufgabenbereich der Personalentwicklung in der Schule zielt auf die komple- xen Wechselbeziehungen zwischen Person und Organisation mit dem Ziel der Entwicklung einer professionellen Handlungsfähigkeit. Eine konzeptualisierte Personalentwicklung ist somit eine Voraussetzung für eine Schule als lernende Organisation (vgl. Lehmeier 2003, S. 4). In der Praxis passiert das z.B. durch die aktive Förderung und Unterstützung der Weiterbildung der Mitarbeiter. Hierfür ist ein Weiterbildungsmanagement sinnvoll, das auch delegiert werden kann, um das Budget für Weiterbildungsmaßnahmen bedarfsgerecht zu verwalten, die Be- teiligung der Fachgruppen an Weiterbildungen zu koordinieren und Anreize zu schaffen. Auch die Gestaltung des Pädagogischen Tages ist ein Bestandteil der Personalentwicklung, wenn er an die pädagogische Arbeit sinnvoll angebunden ist und anschlussfähige umsetzbare Handlungskonzepte ermöglicht.
6. Unterrichtsentwicklung
Im System Schule hängt die Personalentwicklung eng mit der Unterrichtsentwick- lung zusammen. Die Aufgaben der Schulleitung zielen hier auf die Gestaltung förderlicher Rahmenbedingungen ab (vgl. Schratz 2003, S. 63). Diese können Teil eines Change-Managements sein. In der Schulpraxis geht es hier konkret um die Öffnung des Kollegiums für neue Unterrichtsformen, um eine Verlagerung von einer durch Faktenwissen überladenen Inputorientierung hin zu einer kompe- tenzbezogenen Outputorientierung, um die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit im Lehr-Lern-Prozess und um Nachhaltigkeit im Lernprozess (das Lernen ler- nen), z.B. durch Fachvorträge, Weiterbildungen oder Schulbesuche benachbarter Schulen bzw. eine erfolgreiche und konsequente Personalentwicklung (Punkt 5).
7. Qualitätssicherung und -entwicklung
Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung erfolgten bislang traditionell nach dem Top-down-Prinzip. Die Lehrer kontrollieren die Schüler, die Schulleitung kontrolliert die Lehrer und die Aufsichtsbehörde kontrolliert die Schule. Die Auf- gabe der Schulleitung besteht darin, geeignete Instrumente zur Qualitätssiche- rung und -entwicklung zu finden. Ein Praxisbeispiel ist die regelmäßige Evaluati- on der schulischen Arbeit nach dem Bottom-up-Prinzip unter den Hauptakteuren.
Eine wiederkehrende Zufriedenheitsbefragung in Form eines standardisier- ten Fragebogens für Schüler und Eltern, aber auch für die Lehrer und eine ent- sprechende Auswertung und Präsentation der Ergebnisse kann einen erhebli- chen Beitrag zur Qualitätssicherung und -entwicklung der jeweiligen Schule leis- ten, indem vorhandene Schwachpunkte aufgedeckt und Stärken verdeutlicht werden und somit auch zukünftige Handlungsfelder offensichtlich werden.
2 Der Teufelskreis alter Lösungsansätze
Der Wandel von der lehrenden Schule zur lernenden Schule stellt durch die sich verändernden Denk- und Handlungsmuster, in denen Schule als System organisiert werden muss, eine große Herausforderung für die Schulleitung dar (vgl. Schratz 2003, S. 73).
Orientiert sich das Leitungshandeln jedoch nicht an diesen veränderten Rahmenbedingungen, kann dies bei Problemlösungen zu einem Teufelskreis führen, der nach Krüger und Ebeling (1991, zitiert nach Schratz 2003, S. 73) über einen sich selbst verstärkenden Mechanismus zur Verschärfung der Probleme führt. Dieser „Teufelskreis alter Lösungsansätze“ beginnt damit, dass auf Prob- leme der Gegenwart mit Lösungsansätzen der Vergangenheit reagiert wird. Dies führt zwangsläufig zu einem Misserfolg, welcher entweder das Problem der Ge- genwart weiter verschärft oder eine Intensivierung der vorangegangenen An- strengungen verursacht, die dann wiederum den Misserfolg zunehmend ver- schärfen (vgl. ebd., S. 74).
Die Annahmen des Modells nehmen jedoch nur die Zwangsläufigkeit des Scheiterns in den Blick und lassen eine mögliche erfolgreiche Lösung durch die Anwendung alter Lösungsansätze bei Problemen der Gegenwart außer Acht. In Anbetracht des Wandels, den die Institution Schule gegenwärtig durchläuft, ist das Modell zwar konsequent gedacht, es reduziert aber die Handlungsoptionen in der komplexen Wirklichkeit der Schulleitungspraxis, in der situationsspezifisch auch „alte“ bewährte Lösungsstrategien bei gegenwärtigen Problemen zum Er- folg führen können.
Im Folgenden soll anhand eines Beispiels aus der Führungspraxis die Wir- kungsweise des Teufelskreises alter Lösungsansätze verdeutlicht werden. In der Schule gibt es seit geraumer Zeit ein Datennetz, das im Rahmen sei-ner Bandbreite eine Nutzung des Internets und des schuleigenen Intranets für Unterrichtszwecke ermöglichte. Allerdings war die Nutzung der Internetverbin-dung auf stationäre Computer-Arbeitsplätze in einzelnen Räumen (besondere Medienräume und ausgewählte Klassenräume) beschränkt. Die Nutzung des Internets / Intranets im Unterricht war damit zwar für einige Kollegen möglich, jedoch liefen einige Computer bezogen auf die technische Ausrüstung recht langsam, so dass es immer wieder zu Verzögerungen im Unterrichtsablauf kam, wenn Internetseiten geladen oder digitale Medien abgespielt wurden.
Der in der Regel an die stationären Computer angeschlossene Beamer konnte aus diesen Gründen oft nicht effektiv eingesetzt werden, so dass die Mediennutzung des Unterrichts insgesamt nicht optimal war. Deshalb begannen einige Kollegen zunehmend ihre privaten Netbooks oder Laptops im Unterricht einzusetzen. Da die Beamer jedoch immer an die langsamen stationären Schulcomputer gekoppelt waren, musste vorher das entsprechende Datenkabel abmontiert und am eigenen Computer angeschlossen werden. Mit etwas Übung gelang das recht schnell. Allerdings kam es dabei auch zu Beschädigungen an den Kabeln und häufigen Frustrationen, weil die Datenkabel oft gar nicht oder nicht wieder richtig an die stationären Computer angeschlossen wurden.
Auf dieses Problem der Gegenwart reagierte die Schulleitung zunächst mit einem sehr typischen „alten“ Lösungsansatz: Die eigenmächtige Montage der Datenkabel wurde aus Sicherheitsgründen einfach untersagt und damit auch die sinnvolle Nutzung privater Geräte für eine bessere mediale Nutzung der vorhandenen technischen Infrastruktur im Unterricht.
Da das Verbot keine wesentliche Änderung der skizzierten Problemlage zur Folge hatte, wurden die Anstrengungen zur Problemlösung intensiviert: sämtliche Datenkabel wurden nun behelfsmäßig versiegelt, um nicht mehr an Fremdgeräte montiert werden zu können. Diese Maßnahme führte jedoch ebenfalls nicht zu einer Lösung des Problems, sondern zu einer Verschärfung. Die mediale Nutzung wurde weiterhin eingeschränkt und das Frustrationspotenzial unter den Kollegen war weiterhin entsprechend hoch.
Eine Lösung brachte erst die Bereitstellung von finanziellen Mitteln zur Instal- lation von Splitboxen, mit denen der eigene Computer nun problemlos mit der technischen Infrastruktur der Schule verbunden werden konnte. Über die Splitbo- xen kann schnell und unkompliziert zwischen den jeweiligen Quellen zur media- len Nutzung gewechselt werden. Das wirkte sich nicht nur sehr positiv auf den Einsatz neuer Medien im Unterricht aus: In der Folge gingen die Beschädigungen an den Datenkabeln zurück und die Zufriedenheit der Mitarbeiter stieg wieder.
Der hier beispielhaft vorgestellte Teufelskreis beschreibt sehr deutlich die destruktive Wirkungsweise alter Problemlösungsansätze für die Schule. Diese wird durch unangepasstes Führungshandeln verursacht und verstärkt. Eine Ü- berwindung des Teufelskreises alter Lösungsansätze sollte deshalb ein Kriterium für die moderne Schulleitung sein. Nur so kann die Schule der Gegenwart eine Schule der Zukunft werden.
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