„Der Tabak hat eine weltgeschichtliche Bedeutung. Jeder muss ihm das zuerkennen, ob er ihn für gesund oder schädlich hält, ihn liebt oder verabscheut.“
Hoffmann v. Fallersleben (nach Aschenbrenner/Stahl Vorwort)
Nahe am Zentrum der Metropolregion Rhein-Neckar, das von Mannheim und Ludwigshafen gebildet wird, an der Schnittstelle zwischen dem „Gemüsegarten Deutschlands“ und der „exklusiven“ Weinregion Mittelhaardt – wie das pfälzische Regionalmarketing die Region derzeit positioniert – liegt mit rund 3000 Einwohnern die Gemeinde Rödersheim-Gronau.
Die Ortsteile Rödersheim und Alsheim entstanden als typische Bauernsiedlungen, deren Strukturen fast 1500 Jahre durch die Landwirtschaft bestimmt wurden. Erst vor nicht einmal 150 Jahren änderte sich dies innerhalb weniger Jahre grundlegend und nachhaltig durch die Zigarrenfabriken, durch die Ausbreitung der Industrie von den Zentren in deren ländliche Umgebung und die Aufnahme von Landarbeitern in die Industrieproduktion.
Mit den Zigarrenfabriken im Ort entwickelte sich eine neue, industriell bestimmte Kultur in Rödersheim-Gronau. Sie prägte einige Jahrzehnte das Ortsbild mit eigenen Statussymbolen und Werthorizonten parallel zur traditionellen Bauernkultur, übernahm einige Elemente und verdrängte letztendlich die alten bäuerlichen Traditionen und Strukturen.
Damit bringt diese Epoche nach über 1150 Jahren den ersten grundlegenden gesellschaftlichen Wandel im Dorf – weder die Reformation, noch der Dreißigjährige Krieg oder die Säkularisation konnten einen auch nur ähnlichen grundlegenden Wandel erzeugen. Die aktuelle gesellschaftliche Struktur des Dorfes wird noch heute wesentlich von den damals stattgefundenen Prozessen und gesellschaftlichen Innovationen bestimmt. Erst in jüngster Zeit beginnen sich die Strukturen erneut grundsätzlich zu verändern.
Diese Arbeit will einen Beitrag leisten für die Begründung der heutigen gesellschaftlichen Situation.
Die Arbeit ist die Fachdokumentation der Dauerausstellung des Sozialhistorischen Zigarrenfabrikmuseums der Pfalz in Rödersheim-Gronau, in der die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der ländlichen Industrialisierung beispielhaft dargestellt wird. Die Dauerausstellung wird ergänzt durch eine Museumsmanufaktur, mit der die mit der damaligen Produktionstechnik verbundenen gesundheitlichen Gefahren veranschaulicht werden. Adresse des Museums: Marienplatz, 67127 Rödersheim-Gronau. Kontakt und aktuelle Öffnungszeiten www.zigarrenmuseum-roedersheim-gronau.de
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Vorwort, Fragestellung und geographische Situation
- Zeittafel: Übersicht der Zigarrenmacher-Epoche in Rödersheim und Alsheim-Gronau
- Voraussetzungen und Rahmenbedingungen
- Der Rhein als Lebensader und Mannheim als Motor der pfälzischen Wirtschaft im 19. Jahrhundert – und ihrer Zigarrenindustrie
- Bevölkerungsexplosion: Deutliche Zunahme der Einwohnerzahl ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis ca. 1925
- Kleinflächige Parzellierung der Landwirtschaft als ein Effekt der ländlichen Industrialisierung
- Von Mannheim in die Vorderpfalz - nach Rödersheim und Alsheim
- Industrierelevante Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur im Ort
- Sozialer Wandel durch langsame Veränderung der Werthorizonte und Statussymbole
- Die Entwicklung im Überblick
- Wandel der sozialen Systeme
- Vertiefende Betrachtung einzelner Ausprägungen des gesellschaftlichen Lebens
- Werkmeister steuern die Veränderung
- Freizeit und Vereinsleben
- Die Zigarrenarbeiterin
- Heimarbeit und Kleinfabrikanten
- Gewerkschaften
- Arbeit und Leben im Alltag
- Arbeitszeit
- Wohnsituation
- Entlohnung
- Zunftkleidung
- Ernährung
- Berufskrankheiten der Zigarrenmacher
- Arbeitsschutz und Fabrikaufsicht
- Eine Zigarre entsteht - Produktionsschritte in den Zigarrenfabriken von Rödersheim und Alsheim
- Tabak vom Feld in die Fabrik
- Schritt 1: Tabakvorbereitung mit Reißen und Entrippen
- Schritt 2: Wickeln
- Schritt 3: Rollen
- Schritt 4: Konfektionieren
- Fabrikstandorte der Zigarrenfabriken in Rödersheim und Alsheim
- Jüdische Firmen mit Betrieben in Rödersheim und Alsheim
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Dokumentation soll die Geschichte der Zigarrenfabrikation in Rödersheim-Gronau und Alsheim im 19. und 20. Jahrhundert beleuchten. Sie beleuchtet dabei die Ursachen für die Ansiedlung der Industrie in diesen ländlichen Gebieten und ihre sozialen Auswirkungen auf die Ortsgemeinschaft.
- Die Rolle des Rheins als Lebensader und Mannheim als Motor der pfälzischen Wirtschaft
- Die Bedeutung der Bevölkerungsexplosion und der Kleinflächigkeit der landwirtschaftlichen Strukturen
- Die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur als Schlüsselfaktor für die Industrialisierung
- Der soziale Wandel im Dorf durch die Zigarrenindustrie, insbesondere die Veränderung der Werthorizonte und Statussymbole
- Die Ausprägungen des gesellschaftlichen Lebens, von den Werkmeistern über Vereine bis hin zum Alltag der Zigarrenarbeiter
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Das erste Kapitel führt in die geographische Situation von Rödersheim-Gronau ein, die die Entwicklung des Dorfes prägte. In den folgenden Kapiteln werden die Voraussetzungen für die Ansiedlung der Zigarrenindustrie in Rödersheim-Gronau und Alsheim beleuchtet, insbesondere der Rhein als Lebensader und Mannheim als Motor der pfälzischen Wirtschaft. Außerdem wird die Bedeutung der Bevölkerungsexplosion im 19. Jahrhundert und die Kleinflächigkeit der landwirtschaftlichen Strukturen erläutert. Die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur, wie zum Beispiel die Lokalbahn und der Postbusverkehr, wird ebenfalls beschrieben. Das Kapitel „Sozialer Wandel“ beleuchtet die Veränderungen, die die Zigarrenindustrie in der Lebensweise der Dorfbewohner bewirkt hat. Die Kapitel über die Werkmeister, das Vereinsleben und den Alltag der Zigarrenarbeiterinnen und Arbeiter beschreiben die unterschiedlichen Aspekte des Lebens in der Epoche der ländlichen Industrialisierung.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die zentralen Themen der Arbeit sind ländliche Industrialisierung, Zigarrenfabrikation, soziale Auswirkungen, Rödersheim-Gronau, Alsheim, Pfalz, Rhein, Mannheim, Verkehrsinfrastruktur, Werkmeister, Vereinsleben, Zigarrenarbeiter, Heimarbeit, Gewerkschaften, Arbeitsschutz.
- Quote paper
- Sebastian Arnold (Author), 2012, Zigarren verändern die kleine Welt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193420