“Die kämpfende, auch tötende Frau tritt uns als ‚widernatürliches‘ Wesen in der gesamten […]
Geschichtsschreibung entgegen.” 1
Derart äußert sich Hilde Schmölzer in ihrem populärwissenschaftlichen Werk Revolte der Frauen zur Wahrnehmung und Bewertung von kämpfenden Frauen von der Antike bis Mitte des 19. Jahrhunderts und macht deutlich, dass Friedfertigkeit seit dem Altertum als charakteristisches Merkmal von Weiblichkeit angesehen wird und die kriegerische Frau innerhalb dieser Zeitspanne keineswegs den gängigen Geschlechtervorstellungen entspricht.2
Nichtsdestotrotz werden Amazonen – als matriarchalischer Volksstamm, dessen kämpfende Frauen sich zur Steigerung ihrer Wehrhaftigkeit die rechte Brust ausbrennen – seit ihrem ersten Auftauchen in der antiken griechischen Literatur, die diese sowohl in mythologisch geprägten Texten wie Homers Ilias als auch in späthellenistischen, quasi-ethnographischen Beschreibungen wie Strabons Geografica erwähnt, immer wieder thematisiert.3 Mit dem – durch Winckelmann ausgelösten – ästhetisch-humanistischen Philhellenismus, methodischen und inhaltlichen Veränderungen innerhalb der ‚Klassischen Altertumswissenschaft‘ und der damit verbundenen Re-Lektüre antiker griechischer Quellen rücken die Amazonen insbesondere seit Ende des 18. Jahrhunderts verstärkt in den Fokus deutscher Gelehrten.4
[...]
1 Schmölzer, Hilde: Revolte der Frauen. Porträts aus 200 Jahren Emanzipation. Wien 1999, S.185.
2 Vgl. Hagemann, Karen: Venus und Mars. Reflexionen zu einer Geschlechtergeschichte von Militär und Krieg.
In: Hagemann, Karen; Pröve, Ralf (Hg.): Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel. Frankfurt; New York 1998, S.13 f.
3 Vgl. Kullmann, Wolfgang: Homerische Motive. Beiträge zur Entstehung, Eigenart und Wirkung von Ilias und Odyssee. Herausgegeben von Roland Müller. Stuttgart 1992, S.115. Vgl. Fuhrmann, Manfred: Christa Wolf über Penthesilea. In: Kleist-Jahrbuch 1986, S.81-92.
4 Borgo, Carmela Lorella: „Das furchtbar-schöne Gorgonenhaupt des Klassischen“. Deutsche Antikebilder (1755-1875). Dissertation 2001. Zitiert nach: http://www.diss.fuberlin.
de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000000475/0_Bosco.pdf (7.4.2010.), S.92-95. Blok, Josine H.: The Early Amazons. Modern and Ancient Perspectives on a Persistent Myth. Leiden; New York; Köln 1995, S.21.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung: Die kämpfende Frau als widernatürliches Wesen?
- Aufgabenstellung, Leitfragen und Methodik
- 2. „[R]epublikanische[n] Amazoninnen“ und die „Polarisierung der ,Geschlechtscharaktere’” um 1800.
- 3. Starke Weiber im heroischen Zeitalter - Amazonen der Antike in historiografischen Texten der Jahrhundertwende
- 4. Von Menschenfressern und Furien. Kleists Penthesilea (1808) und der geschichtswissenschaftliche Diskurs
- 5. Resümee. Foucault und die Amazonen – eine Frage der Macht ...
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Darstellung von kämpfenden Frauen in historiografischen Texten um 1800 und untersucht, inwiefern Kleists Tragödie Penthesilea (1808) in diesen Diskurs eingebunden ist. Die Untersuchung widmet sich insbesondere den Geschlechterstereotypen und Machtstrukturen, die die Darstellung der Amazonen prägten.
- Die Rolle von Amazonen in der antiken Literatur und die Entwicklung des Amazonenbildes im 18. Jahrhundert
- Die „Polarisierung der Geschlechtscharaktere“ um 1800 und die Konstruktion von Geschlechterrollen im bürgerlichen Kontext
- Die Anwendung der Historischen Diskursanalyse nach Foucault auf den literarischen und historiografischen Diskurs über Amazonen
- Die Analyse von Kleists Penthesilea im Hinblick auf den zeitgenössischen historischen Diskurs über Amazonen
- Die Frage nach der Einzigartigkeit und dem Skandalpotenzial von Kleists Werk im Vergleich zur zeitgenössischen Amazonendarstellung
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die Aufgabenstellung, Leitfragen und Methodik der Arbeit vor und setzt den historischen Kontext der Untersuchung in Bezug auf die Wahrnehmung kämpfender Frauen im 19. Jahrhundert.
- Kapitel 2 analysiert die „Polarisierung der Geschlechtscharaktere“ um 1800, das heißt die Etablierung von klar definierten Geschlechterrollen in der bürgerlichen Gesellschaft.
- Kapitel 3 befasst sich mit der Darstellung von Amazonen in historiografischen Texten der Jahrhundertwende, die den Mythos der Amazonen im Rahmen einer ästhetisch-humanistischen Philhellenismus interpretieren.
- Kapitel 4 analysiert Kleists Penthesilea (1808) im Lichte des geschichtswissenschaftlichen Diskurses und stellt die Frage nach der Einzigartigkeit und dem Skandalpotenzial von Kleists Werk.
Schlüsselwörter
Amazonen, Historische Diskursanalyse, Foucault, Geschlechterstereotype, Polarisierung der Geschlechtscharaktere, Kleist, Penthesilea, Antike, Historiografie, 18. Jahrhundert, Literatur, Diskurs
- Arbeit zitieren
- Carola Katharina Bauer (Autor:in), 2010, „Einbruch des ‚amazonischen Dritten‘“ – Amazonen im historiografischen Diskurs um 1800 und in Kleists Penthesilea (1808), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193479