Benachteiligung von Einwandererkindern in deutschen Schulen


Studienarbeit, 2006

14 Seiten


Leseprobe


Benachteiligung von Einwandererkindern in deutschen Schulen

1. Einleitung

Die inzwischen hinlänglich bekannte PISA-Studie hat dazu geführt, dass man in Deutschland bei dem Wort „Pisa“ leider nicht mehr nur an die schöne Stadt in der Toskana und ihren Schiefen Turm denkt, sondern auch an das offensichtliche Versagen, die „Schieflage“ des bundesdeutschen Schulsystems insgesamt, und besonders auch bei der Förderung von Einwandererkindern. Wie anders ist es zu erklären, dass deutsche Lehrer und Abgeordnete nach Finnland und Schweden fliegen, um sich dort anzusehen, wie man in der Schule erfolgreich unterrichtet und die Integration bewerkstelligt? Die skandinavischen und etliche andere Länder Europas, die mit Deutschland auch aufgrund des Migrantenanteils in der Bevölkerung absolut vergleichbar sind, weisen bessere Resultate vor. Es müssen in Deutschland also Jahrzehnte hindurch Fehler gemacht worden sein.

Die spezielle Thematik der Migrantenkinder in deutschen Schulen soll nun hier beleuchtet werden, wobei man von der These ausgehen muss, dass soziale Herkunft in Deutschland wesentlich über den Bildungserfolg der Kinder mitentscheidet. Die Schulen in Deutschland sind offensichtlich nicht in der Lage, soziale Benachteiligung auszugleichen. Das betrifft natürlich auch die deutschen Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen - hier allerdings soll es vornehmlich um die Migrantenkinder gehen, die aufgrund sprachlicher und kultureller Unterschiede eine besondere Gruppe darstellen. Es erscheint sinnvoll, die besonders große Gruppe türkischstämmiger Einwandererkinder besonders hervorzuheben. Grundlage der aufgeführten Zahlen ist die PISA-Studie des Jahres 2000. Wie ist die Situation dieser Kinder? Woran liegt es, wenn sie besondere Schwierigkeiten in der Schule haben? Dabei soll dann auch deutlich werden, wo anzusetzen ist, wenn man Verbesserungen erzielen möchte.

2. Ist-Zustand

Die PISA-Studie hat Tatsachen zu Tage gefördert, von denen man vorher hatte wissen können, die nun aber schwarz auf weiß vorliegen. In der „Lesekompetenz“, also beim Umgang mit deutschsprachigen Texten allgemein, und bei mathematischen und naturwissenschaftlichen Grundkenntnissen wurden erhebliche Mängel festgestellt. Das deutsche Schulsystem hat offenbar strukturelle Schwächen. Das dreistufige System der Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien mit der zusätzlichen Existenz der Sonderschule (als deren Absolvent ein Schüler als gesellschaftlich diskriminiert und auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt als nahezu chancenlos gelten muss) scheint ebenso veraltet, weil erfolglos, wie das System des „Sitzenbleibens“, denn in Deutschland herrscht unter den Schülern eher eine Atmosphäre des Gegeneinander anstatt des Miteinander wie z.B. in Schweden und Finnland, wo Schüler nicht sitzen bleiben und wo jüngere Schüler systematisch Hilfe von älteren Schülern bekommen – eine Erziehung also zum sozialen Engagement anstatt zum „Ellenbogendenken“. Auf die zusätzlich zur bloßen Vermittlung von Wissen notwendige soziale und ethische Kompetenz, die alle Schüler erwerben sollen, kann nicht genug hingewiesen werden.[1] Aber gibt es denn überhaupt die Flächen deckende Chancengleichheit?

Die PISA-Studie hat sich auch mit „herkunftsspezifischer Benachteiligung“ befasst. Es liegt auf der Hand, dass Schüler ohne hinreichende Deutschkenntnisse (die Sprachkompetenz ist doch die Basis schulischen Verstehens) keine Chance haben, diesen Nachteil auszugleichen, so intelligent sie auch sein mögen. Mangelnde „Lesekompetenz“ wirkt sich natürlich negativ auf die Leistungen der Kinder in allen Schulfächern aus, nicht nur im Fach Deutsch. Besondere Förderungen von sprachschwachen Schülern finden nicht oder nicht ausreichend statt, man spart also am falschen Ende. Die Folge ist ein Weiterbestehen der Benachteiligung von Kindern mit Migrantenhintergrund. Sie sind in den Haupt- und Sonderschulen eindeutig überrepräsentiert, machen viel seltener das Abitur.

Der Begriff „Ausländer“ ist wieder einmal nicht präzise genug und so lobt auch Ingrid Gogolin die seit PISA differenziertere Sicht der Dinge: Viele Eingewanderte haben inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit, sind also de facto keine Ausländer mehr, aber ihre Sprachkompetenz oder auch die Diskriminierung sind deshalb noch lange nicht verändert.¹ Das Kriterium des „Migrationshintergrundes“ ist deshalb das richtige.

Die „PISA-O“, die internationale, Länder vergleichende PISA-Studie, stellte für Deutschland überdurchschnittliche Differenzen fest zwischen den schulischen Leistungen der Kinder mit und derer ohne Migrationshintergrund. Die „PISA-E“ als innerdeutsche Studie mit Vergleichen zwischen den einzelnen Bundesländern ergab, dass die Fehlerquote der Schüler im Test mehr als doppelt so hoch war, wenn beide Elternteile nicht aus Deutschland stammten.² Die insgesamt besseren Werte aus Bayern und Baden-Württemberg sind nur relativ gut, aber auch nicht ermutigend. Bayern hat dafür z.B. einen höheren Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund auf Sonderschulen und ohne jeglichen Schulabschluss. Beim Schulbesuch der Migrantenkinder des jeweiligen Schultyps gibt es zwar erhebliche Schwankungen zwischen den einzelnen Bundesländern. „PISA-E“ nahm als Maßstab das Herkunftsland des Vaters und stellte jedoch fest:

Kinder eines in Deutschland geborenen Vaters besuchen zu 32,5 % ein Gymnasium, bei den Kindern eines türkischen Vaters sind dies nur 10,2 %. Die anderen Herkunftsländer des Vaters liegen irgendwo dazwischen. Warum die Kinder türkischer Väter seltener eine höhere Schule besuchen als diejenigen der griechischen usw., wäre gesondert zu betrachten. Entsprechend ist das Verhältnis jedenfalls bei den Hauptschülern: 56,6 % der Kinder von in der Türkei geborenen Vätern besuchen die Hauptschule, bei den Kindern der in Deutschland geborenen Väter sind dies nur 23,6 %.³ Eine solche Deutlichkeit in den Zahlen ist weltweit nur in Deutschland aufgetreten, so dass es zweifellos große Versäumnisse gegeben haben muss, damit Kinder mit Migrationshintergrund dermaßen weit hinter dem durchschnittlichen Bildungsniveau zurückbleiben konnten bzw. mussten. Aussiedlerkinder erzielen jedenfalls vergleichsweise gute Noten.

[...]


[1] Gogolin, Ingrid: „Chancen und Risiken nach PISA – über die Bildungsbeteiligung von Migrantenkindern und Reformvorschläge“ in: Georg Auernheimer (Hrsg.): Schieflagen im Bildungssystem – Die Benachteiligung der Migranten- kinder. Opladen 2003, S. 35.

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Details

Titel
Benachteiligung von Einwandererkindern in deutschen Schulen
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Soziologie)
Autor
Jahr
2006
Seiten
14
Katalognummer
V193941
ISBN (eBook)
9783656192343
ISBN (Buch)
9783656193050
Dateigröße
419 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
benachteiligung, einwandererkindern, schulen
Arbeit zitieren
Christian Winkelmann (Autor:in), 2006, Benachteiligung von Einwandererkindern in deutschen Schulen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193941

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