Der Einfluss der modernen Pornographie auf das Sexual- und Selbstempfinden im 21. Jahrhundert


Seminararbeit, 2012

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Geschichte der Pornographie: Von der Höhlenmalerei zum Full HD-Erlebnis

3. Von der Existenzgrundlage der Pornoindustrie: Die Geschichte der Masturbation

4. Die Einflüsse der modernen Pornographie auf das Selbstempfinden

5. Die Einflüsse der modernen Pornographie auf das Sexualempfinden

6. Schlusswort

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Pornographie - Kaum ein anderes Konsumgut hat derart massiv von der Erfindung des Internets profitiert. Als Besitzer eines handelsüblichen Computers mit Anbindung an das World Wide Web ist man heute quasi nur noch den einen obligatorischen Mausklick von der größten Ansammlung digitaler Lust entfernt. Von Analverkehr, Cumshots, über Sodomie bis hin zu Massenorgien und gestellten Vergewaltigungen wird der findige oder zahlungsbereite Endverbraucher mit so ziemlich jeder nur denkbaren Fantasie versorgt - ohne sich dabei in der Öffentlichkeit für seine Vorlieben schämen oder gar rechtfertigen zu müssen. Was noch vor dreißig Jahren in ominösen Hinterhofgeschäften in braune Plastiktüten gepackt und in der Manteltasche versteckt in die heimischen Wände getragen wurde, ist heute für jeden völlig anonym und in trauter Privatsphäre zugänglich. Beinahe scheint es so, als hätte die massive Präsenz der Internetpornographie einen Befreiungsschlag der modernen Sexualität ausgelöst. Doch in Zeiten des Schönheitswahns, dem Streben nach körperlicher Perfektion und dem Nacheifern von Leinwand- und Musikgrößen in Aussehen, Stil und Auftreten, birgt besonders das ästhetische Erfassen eines solchen Mediums große Gefahren für das Selbstwertgefühl der Konsumenten.

Im Folgenden soll auf den Einfluss der modernen Pornographie auf das Sexual- und Selbstempfinden eingegangen werden. Zentrale Fragestellung hierbei ist, ob und inwiefern der Konsum von pornographischen Inhalten nachhaltigen Einfluss auf Selbstempfinden, Sexualpraktik und die sexuelle und körperliche Wahrnehmung im Allgemeinen hat. Zunächst soll ganz im Sinne einer kulturgeschichtlichen Auseinandersetzung die historische Entwicklung der Pornographie als informierter Einstieg dienen. Als die wohl wichtigste Existenzgrundlage für die moderne Pornoindustrie ist selbstverständlich die Masturbation zu nennen, demzufolge gebührt der Autosexualität im Kontext des Konsums pornographischer Inhalte eine ebenso so große Beachtung für die Beantwortung der zentralen Fragestellung. Anschließend soll im Hauptteil dieser Seminararbeit gezielt der Einfluss des Pornographiekonsums auf die zentralen Aspekte von Selbstempfinden und Sexualverhalten analysiert und aufgezeigt werden. Dabei stehen vor allem der Vergleich der eigenen körperlichen Merkmale sowie die Adaption des in pornographischen Inhalten gezeigten Verhaltens für das eigene Sexualleben im Fokus. Erbracht werden die Erkenntnisse dieser Arbeit durch eine eigens von mir für diese Seminararbeit durchgeführt Kleinstudie mit über 100 Teilnehmern. Zwar beansprucht diese Umfrage keine repräsentative Charakteristik, jedoch lässt sich ein deutlicher Trend erkennen, der einen interessanten Beitrag zur Beantwortung der Frage nach dem Einfluss der Pornographie auf das Sexual- und Selbstempfinden leistet.

2. Die Geschichte der Pornographie: Von der Höhlenmalerei zum Full HD-Erlebnis

Betrachtet man die derzeitige gesellschaftliche Einstellung zur Pornographie, aber vor allem die vielen Kontroversen, die sich mit Jugendschutz, Ethik und moralischer Herangehensweise im Sinne der Produktion pornographischer Inhalte befassen, könnte man durchaus zu dem Schluss kommen, dass pornographische Darstellungen ein neuzeitliches Kulturphänomen sind. Doch bereits primitive Höhlenmalereien zeigen den Menschen beim Koitus und zeugen davon, dass die Darstellung des sexuellen Akts keineswegs ein Produkt des 20. Jahrhunderts ist.1

Den ersten Nachweis für pornographische Kunst auf detailliertem Niveau erbrachte der Archäologe Karl Müller 1839 bei Ausgrabungen in Pompeji und in vielen antiken Kulturstätten Griechenlands. Fundstücke wie Wandbilder, Fresken, Vasen und Gemälde zeigten mitunter eindeutige Darstellungen des Geschlechtsverkehrs beziehungsweise sexueller Handlungen, was Müller zu der Bezeichnung „Pornographie“ bewegte, deren Etymologie einer Kombination aus dem altgriechischen „porne“ (dt. „Dirne“) und „graphein“ (dt. „schreiben“) entspricht.2 Die öffentliche, ungehemmte Darstellung der eigenen Sexualität mag aus heutiger, christlich geprägter Sicht mitunter anstößig oder gar pervers erscheinen, jedoch ist hierbei zu bemerken, dass dieser offene Umgang mit den sexuellen Aspekten der Geschlechter von Kulturen zeugt, die ihre Grenzen strickt im Sozialen zogen.3 Der Verlust dieser natürlichen sexuellen Offenheit ist selbstverständlich eine Folge der christlichen Glaubensverbreitung und der damit verbundenen Einbringung von sexueller Moral und Ethik.

Die Anfänge der modernen Pornographie finden sich ebenfalls in Italien. Der Künstler Giulio Romano erstellte im frühen 16. Jahrhundert sechzehn detaillierte Gravuren, die römische Gottheiten beim Geschlechtsakt zeigten.4 Natürlich waren diese im römisch-katholischen Italien schnell verpönt und sorgten besonders beim amtierenden Papst Clement VIII. für Aufruhr. Ein daraus resultierender Meilenstein der modernen Pornographie waren schließlich die Werke des Literaten Pietro Aretino, der die Gravuren Romanos mit seinen erotischen, teils aber auch sehr expliziten literarischen Ergüssen kombinierte und so den ersten, durch eine Handlung unterstützten pornographischen Bildband kreierte.5

Im 18. Jahrhundert folgte schließlich ein kontroverser Einschnitt in die bis dato vergleichsweise fromme pornographische Literatur. Donatien-Aphonse-Francois, Comte de Sade, der breiten Öffentlichkeit besser bekannt als der „Marquis de Sade“, veröffentlichte eine Reihe von pornographischen Geschichten, die als Ursprung der gewalttätigen Sexualdarstellung gelten. Extreme Praktiken, wie Vergewaltigungen, Folter und körperliche Gewaltanwendung vermischten sich mit sexuellem Lustempfinden. Obschon der Marquis de Sade seinerzeit als verstörender Literat galt, fanden seine Werke großen Anklang im französischen Untergrund und prägten das philosophische Bild des 18. Jahrhunderts.6

Ein extrem großer Evolutionssprung gelang der modernen Pornographie dank der Erfindung der Fotografie in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Schon wenige Jahre nach der Verbreitung dieser revolutionären, weltverändernden Technik erschienen erste pornographische Ablichtungen; zunächst in Paris, später auch weltweit.7 Durch die stetige Weiterentwicklung der Printmethoden und den raschen Fortschritten in Farbe und Bildqualität entstand Ende des 19. Jahrhunderts ein heranwachsender Industriezweig zur Herstellung pornographischer Bilder. Mit der Erfindung der Kinematographie expandierte diese Industrie enorm und etablierte sich sowohl im Print- als auch Filmgeschäft.8 Selbstverständlich war diese freizügige Darstellung sexueller Handlungen einer Vielzahl von staatlichen Behörden ein Dorn im Auge. Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa wurde der Vertrieb pornographischer Filme strengstens verboten und unter Strafe gestellt - was jedoch, wie auch im Falle der große Alkohol-Prohibition, den findigen Hobbyisten nicht davon abhielt, pornographische Fotografien und Filme privat zu produzieren und zu vertreiben. Diese sogenannten „Junggesellenfilme“ waren zwar qualitativ minderwertig, zeigten jedoch explizite sexuelle Handlungen und ähnelten der Darstellungsweise heutiger Pornofilme sehr.9

Mit der Legalisierung von Pornographie in Dänemark im Jahr 1969 überrollte eine Welle von dort produzierten Inhalten Europa, was letztlich aufgrund des anwachsenden illegalen Konsums zu weiteren Legalisierungsmaßnahmen in einer Vielzahl europäischer Staaten führte. Besonders die 70er Jahre brachten einen explosionsartigen Aufschwung und gleichbedeutend die Entstehung der modernen Pornoindustrie.10 Zunächst war der Konsument auf spezielle Etablissements oder Kinos beschränkt, jedoch brachte die Entwicklung des VHS-Systems eine signifikante Wende für den privaten Gebrauch von Pornographie. Die 80er und 90er Jahre wurden durch dieses Medium geprägt und bescherten der „Erwachsenenindustrie“ horrende Einnahmen im dreistelligen Millionenbereich. Mit der Etablierung des World Wide Webs Mitte der 90er Jahre zeigte sich der wohl größte und für den Konsumenten bedeutendste Entwicklungssprung: Fortan konnte Pornographie nicht nur in den eigenen vier Wänden konsumiert werden, auch die Beschaffung wurde zunehmend kostenfrei.11 Während die Auflagen von pornographischen Magazinen stetig verkleinert werden, wachsen die Verkaufszahlen von Internet-basierter Pornographie jährlich und erreichten im Jahr 2006 einen Gesamtumsatz von annähernd 3 Milliarden US-Dollar12, mit einem deutschen Anteil von mehr als einer Milliarde US-Dollar - was Deutschland zum zweitgrößten Markt für Pornographie weltweit macht.13

Besonders das stetige Wachstum und die Wirtschaftlichkeit der modernen Pornographie zeugen von der imminenten Präsenz dieses Mediums. Besonders hervorzuheben ist die Tatsache, dass pornographische Inhalte auch immer ein Wegbegleiter der technologischen Evolution waren und noch heute massiv zur Etablierung und Verbreitung neuer Medien beitragen, so beispielsweise die Verbreitung des hochauflösenden TV-Formats. „Full HD“-Pornographie ist der momentan bedeutendste Wachstumsfaktor der Industrie und bewirkt gleichzeitig einen Fortschritt in sowohl Bildqualität als auch Ästhetik und Handlungsanspruch.

3. Von der Existenzgrundlage der Pornoindustrie: Die Geschichte der Masturbation

Moderne pornographische Inhalte dienen in beinahe achtzig Prozent der Fälle dem Zwecke der Selbstbefriedigung - was darüber hinausgeht, ist Teil des Liebesaktes.14 Daher nimmt die Autoerotik einen ausschlaggebenden Stellenwert bei der Produktion von Pornographie in Anspruch und kann gleichbedeutend als die häufigste Begründung für den käuflichen Erwerb von pornographischen Inhalten betrachtet werden. Aus diesem Grund soll im Folgenden ein kurzer Abriss der Geschichte der Masturbation dazu beitragen, die Verbindung zwischen Pornographie-Nachfrage und gesellschaftlich-medizinischer Entwicklung der Selbstbefriedigung zu verdeutlichen.

Wie auch im Umgang mit der Sexualität im Allgemeinen waren die antiken Kulturen der Masturbation gegenüber recht ungehemmt eingestellt. Besonders die Griechen betrachteten Selbstbefriedigung als natürliches Antidepressivum und Abhilfe gegen sexuelle Frustration.15 Eine drastische Wende nahm diese Freizügigkeit im Umgang mit dem eigenen Körper abermals mit Beginn der Christianisierung und der Einbringung katholischer Moral.16 Insbesondere das Mittelalter bescherte seiner Jugend einen sündhaften und verklemmten Bezug zum eigenen Körper, „widernatürliche Unzucht“ stand unter Strafe. Im 18. Jahrhundert bediente man sich erstmals angeblich medizinischer Aspekte zur Abschreckung vor Masturbation.17 Darunter fiel vor allem das Riskieren tödlicher oder lebenseinschränkender Krankheiten wie beispielsweise Tuberkulose, Krebs, Lepra oder die allseits bekannte Erblindung. Dabei besonders interessant war die Meinung, dass Masturbation das Rückenmark verkleinere und eine Aufweichung des Gehirns begünstige, sprich zu Dummheit und körperlichen Gebrechen führe.18 Mit der Behauptung, dass Selbstbefriedigung die gesellschaftliche Isolation fördere und stellvertretend für einen egozentrischen Charakter stehen würde, erreichte die Scheinwissenschaft im Sinne der Masturbation ihren Höhepunkt.

Ein bedeutender Befürworter der Selbstbefriedigung war der österreichische Psychologe Sigmund Freud. In seinen Thesen zu den Phasen der psychosexuellen Entwicklung beschrieb er die „genitale Phase“, also das Erwachen der Sexualität und der Triebe im Rahmen der beginnenden Pubertät, als natürlichen Umgang mit dem eigenen Körper.19 Freuds Thesen und die seiner Nachfolger führten das sexuelle Empfinden ins 20. Jahrhundert, das zwar nicht gerade von einem durchweg unverklemmten Umgang mit der Sexualität im Allgemeinen geprägt war, jedoch in weiten Teilen der Welt die Autoerotik nicht gänzlich verteufelte.

[...]


1 Vgl. John Clarke: „Ars Erotica“, Primus Verlag, Darmstadt, 2009; S. 9ff

2 Vgl. John Clarke: „Ars Erotica“, Primus Verlag, Darmstadt, 2009; S. 12

3 Vgl. A. Smithee, J. Wilms, O. Jacobs: „Die Geschichte der Pornographie“, Hoferichter & Jacobs, TV-Dokumentation, 2008

4 Vgl. John Clarke: „Ars Erotica“, Primus Verlag, Darmstadt, 2009; S. 25f

5 Vgl. John Clarke: „Ars Erotica“, Primus Verlag, Darmstadt, 2009; S. 27

6 Vgl. Lynn Hunt: „The Invention of Pornograph“, Zone Verlag, New York, 1993; S. 389

7 Vgl. A. Smithee, J. Wilms, O. Jacobs: „Die Geschichte der Pornographie“, Hoferichter & Jacobs, TV-Dokumentation, 2008

8 Vgl. A. Smithee, J. Wilms, O. Jacobs: „Die Geschichte der Pornographie“, Hoferichter & Jacobs, TV-Dokumentation, 2008

9 Vgl. Peter Lehman: „Pornography: Film and Culture“, Rutgers University Press, New Jersey, 2006; S. 201f

10 Vgl. Peter Lehman: „Pornography: Film and Culture“, Rutgers University Press, New Jersey, 2006; S. 199

11 Vgl. Peter Lehman: „Pornography: Film and Culture“, Rutgers University Press, New Jersey, 2006; S. 269

12 Vgl. Peter Lehman: „Pornography: Film and Culture“, Rutgers University Press, New Jersey, 2006; S. 280

13 Vgl. Tobias Lill: „Das Ende des Pornofilm-Verleihs“, Spiegel Verlag (Spiegel Online), Hamburg, 13.02.2007

14 Vgl. Jean Stengers: „Masturbation: The History of a Great Terror“, Palgrave Verlag, New York, 2001; S. 5

15 Vgl. Jean Stengers: „Masturbation: The History of a Great Terror“, Palgrave Verlag, New York, 2001; S. 101

16 Vgl. Jean Stengers: „Masturbation: The History of a Great Terror“, Palgrave Verlag, New York, 2001; S. 101f

17 Vgl. Jean Stengers: „Masturbation: The History of a Great Terror“, Palgrave Verlag, New York, 2001; S. 115f

18 Vgl. WS 10/11 Seminar: „Sex. Verborgene Lüste in der Geschichte.“, (frei nach) apl. Prof. Dr. Florian Mildenberger

19 Vgl. Sigmund Freud: „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“, Nikol Verlag, Hamburg, 2010; S. 89ff

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss der modernen Pornographie auf das Sexual- und Selbstempfinden im 21. Jahrhundert
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)  (Professur für Sprachgebrauch und Therapeutische Kommunikation)
Veranstaltung
Sex. Verborgene Lüste in der Geschichte
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
20
Katalognummer
V194714
ISBN (eBook)
9783656200598
ISBN (Buch)
9783656205708
Dateigröße
1259 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
einfluss, pornographie, sexual-, selbstempfinden, jahrhundert
Arbeit zitieren
Martin Wutstrack (Autor:in), 2012, Der Einfluss der modernen Pornographie auf das Sexual- und Selbstempfinden im 21. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/194714

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