Frauen in der Weimarer Republik

”Neue Frau” und “Tippmamsell”


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Veränderte Umstände nach dem Ersten Weltkrieg

3. Verschiedene “Frauentypen”?

4. “Neue Frauen” - Was macht sie aus?
4.1. Das Leben
4.1.1. Sport
4.1.2. Mode
4.1.3. Sexualität
4.2. Der Beruf
4.2.1. Beruf und Ehe
4.2.2. Die weibliche Angestellte

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Ende des Ersten Weltkriegs am 11. November 1918 bedeutete für Deutschland tiefgreifende politische, finanzielle und nicht zuletzt soziale Veränderungen.1 Der Kaiser ist in der Novemberrevolution gestürzt worden und Philipp Scheidemann rief die Deutsche Republik aus, deren erster Reichskanzler Friedrich Ebert wird. Der jungen demokratischen Republik wird mit dem Versailler Vertrag sodann direkt eine schwere Hypothek angelastet. Die vereinbarten Reparationszahlungen und die politischen Bestimmungen, die Kriegsschuldanerkennung und die internationale Gleichberechtigungsverweigerung im besonderen, führen zu einer politischen und wirtschaftlichen Krise, die Deutschland bis 1923 fest im Griff haben wird. Zwischen 1918 und 1923 kommt es zu zwei Putschversuchen der Rechten und des Militärs und einer massiven Geldentwertung, die 1923 in der Hyperinflation gipfelt. Mit Matthias Erzberger und Walter Rathenau wurden zwei Politiker Opfer rechtsradikaler Attentäter. 1919 wurde in Weimar bei der ersten Tagung der deutschen Nationalversammlung eine Verfassung verabschiedet, welche eine der fortschrittlichsten ihrer Zeit war und Wegbereiter einer liberalen Demokratie werden sollte.

Infolge der Inflation kommt es in den Anfangsjahren der Weimarer Republik in weiten Teilen der Gesellschaft zur Verarmung. Die sukzessive Entwertung des Geldes hatte bereits 1914 begonnen und erreichte 1923 ihren Höhepunkt. Besonders betroffen sind, durch die quasi Vernichtung des Sparkapitals, die Mittelschichten. Um dem entgegenzuwirken, kam es zur Gründung der Rentenbank mit einer Deckung von 3,2 Milliarden Rentenmark, finanziert durch die Grundschuld, wonach Industrie, Grundstückseigner und Landwirtschaft Teile des Grundeigentums übertragen musste. Die völlig entwertete Papiermark konnte zu einem Wechselkurs von 1 Rentenmark zu 1 Billion Papiermark getauscht werden. Ende 1924 wurde zusätzlich die Reichsmark eingeführt, welche sich nicht auf die Grundschuld, sondern auf eine Golddeckung stützte. Diese Maßnahmen und der Dawes-Plan von 1924, der die Reparationszahlungsprobleme Deutschlands regulieren sollte, trugen zur wirtschaftlichen Konsolidierung und auch einer weitgehenden politischen Stabilisierung bei. Die Gesellschaft der Weimarer Republik war zu Beginn, bedingt durch den Einzug der Männer zum Ersten Weltkrieg, eine Gesellschaft der Frauen. So ist es nicht verwunderlich, dass eine der bemerkenswertesten soziokulturellen Veränderungen dieser Zeit, die Entwicklung der gesellschaftlichen Stellung und des Selbstverständnisses der Frauen ist. Das Schlagwort der „Neuen Frau“ taucht vermehrt auf. Durch die Abwesenheit der Männer eroberten Frauen völlig neue Berufsfelder. Auch die Optik der Damen veränderte sich stark, von der neuen Mode bis zum neuen Schönheitsideal. Dieses Phänomen soll in der vorliegenden Arbeit behandelt werden.

Der Einstieg ins Thema erfolgt über die Art der Wahrnehmung der Frauen zum Beginn der Weimarer Zeit. Im Kern stehen hierbei die veränderten politischen Voraussetzungen sowie die öffentliche Rezeption des neuen Typus der Frau. Es soll beschrieben werden, wie die „Neue Frau“ ihrem Wesen nach begriffen wurde. Zu den offensichtlichen und wohl markantesten Veränderungen zählen jene, behandelt nach Stärke des auslösenden Veränderungsmotives, in den Bereichen Sport, Mode und Sexualität. Die Idee des Typus der „Neuen Frau“ wird jeweils der Wirklichkeit der Frauen gegenübergestellt. In gleicher Weise wird das Berufsleben, beginnend mit einem kurzen Exkurs über die tatsächliche Vereinbarkeit von Ehe und Beruf, beschrieben. Der Fokus liegt auf den Frauen in Angestelltenverhältnis, da in diesem Berufsstand der Typus der „Neuen Frau“ klassischerweise zu finden war.

Die Beschreibung der Eckpunkte der Lebensweise der „Neuen Frau“ liefert gleichzeitig die Erläuterung der demografischen Zusammensetzung des Typus.

Abschließend werden die Ergebnisse dieser Analyse mit den Vorstellungen, die die Gesellschaft von der „Neuen Frau“, bedient von Medien und der Kunst, hatte, verglichen. Es soll die Frage beantwortet werden, ob die Lebenswirklichkeit der Frauen mit ebenjenem Bild übereinstimmt.

2. Veränderte Umstände nach dem Ersten Weltkrieg

Eine der weitreichendsten Veränderungen war die Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen von 1918 und die garantierte Gleichberechtigung der Frau aus der Weimarer Verfassung von 1919. Damit war Deutschland ein absoluter Vorreiter in Europa, was auch als bedeutender Erfolg der bürgerlichen Frauenrechtsbewegung gesehen werden kann; außerhalb Deutschlands gab es das Frauenwahlrecht in Europa nur noch in Dänemark, Island, England, den Niederlanden und der Sowjetunion.2 Der Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) schaffte es sogar, mehr als 90% der wahlberechtigten Frauen zur Wahl zu mobilisieren - womit mehr Frauen als Männer von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten.3

Frauen waren bereits im Kaiserreich berufstätig. Die Erwerbsquote von Frauen stieg in der Zeit von 1907 bis 1925 von 31,7% auf 36% - was die Hälfte aller Frauen im erwerbsfähigen Alter ausmacht.4 Jedoch zeigte sich insbesondere in der Umschichtung der Arbeitsfelder vom primären in den tertiären Sektor eine signifikante Veränderung. Junge Frauen waren immer weniger beispielsweise als Erntehelferinnen beschäftigt, sondern besonders in der öffentlichen Verwaltung, in Schulen oder in der Privatwirtschaft als Verkäuferin, Sekretärin oder Stenotypistin. Schon bald waren sie anteilsmäßig in Angestellten- und Beamtenverhältnissen stärker vertreten als Männer.5 Gab es die Schreibmaschine, das Telefon und Stenographie schon im späten 19. Jahrhundert, kam es in den 1920er Jahren nun besonders im Zusammenhang mit Massenfertigung und Rationalisierung zu einer erhöhten Nachfrage nach Büroangestellten - das war die Zeit der „Tippmamsell“. Weshalb dieser Typus vornehmlich von jungen, unverheirateten Frauen bedient wurde, wird im späteren Verlauf erläutert.

Schon 1895/96 war es Frauen erlaubt, in Berlin und Göttingen an der Universität zu studieren, ab 1909 dann in gesamt Deutschland. Eingeschränkt war diese Erlaubnis allerdings dadurch, dass sie der Zustimmung des Dozenten und des Unterrichtsministers bedurfte. Das Hauptargument gegen ein Frauenstudium war, speziell an medizinischen Fakultäten, welche besonderen Protest einlegten, die Sorge „um Sitte und Anstand der Männer und das Schamgefühl der Frauen, wenn sie in Hör- und Seziersälen zusammenkämen“6. Das Habilitationsrecht erhielten Frauen erst 1920. 10595 Frauen promovierten in den Jahren von 1908 und 1933, woraus allerdings nur 54 Dozentinnen, 24 Professorinnen und 2 Lehrstuhlinhaberinnen hervorgingen - eine Botanikerin und eine Pädagogin.7

3. Verschiedene “Frauentypen”?

Bereits die Zeitgenossen waren sich in den 1920er Jahren bewusst, dass das Bild, das man bis dato von „der Frau“ hatte, nicht mehr beständig war. Am 4. Juni 1927 erschien in der Berliner Tageszeitung „8-Uhr-Abendblatt“ ein Artikel mit dem Titel: „Drei Frauen stehen heute vor uns. Die drei Typen: Gretchen, Girl, Garçonne“8, in dem, wie der Titel bereits vermuten lässt, dreierlei Frauen in der Gesellschaft ausgemacht werden.

Zum einen das Gretchen. In ihr vereint sich, was bis hierhin stereotyp dominierend im Bild der gebärfreudigen deutschen Frau war, konservativ und den alten Rollenmustern verhaftet. Ihr walkürenhaftes Äußeres - blonde Zöpfe, heldisch, militärisch - paart sich mit eher einfachem Gemüt. Sie ist nicht fordernd, weder menschlich noch sexuell, ihr Wesen ist dominiert von Passivität, sie ist eine reaktionäre Faschistin. Einzig bleibt ihr der Optimismus, welcher nicht in Produktivität mündet, sondern ihre Einfältigkeit unterstreicht.9

Desweiteren das Girl. Anders als die Gretchen versuchen Girls ihr Leben aus eigenem Antrieb zu verbessern und voranzutreiben. Das Girl war in den Vorstellungen der Zeit der Weimarer Republik stark verknüpft mit den Vorstellungen über die Stellung, die die Frauen in der amerikanischen Gesellschaft genossen.10 Diese erklärt sich aus der in Kolonieländern zahlenmäßigen Knappheit von Frauen, welche von den anwesenden Männern heftig umworben, ritterlich beschützt und hoch geachtet wurden. Dieses Bild schrieben die Zeitgenossen ebenso der amerikanischen Frau zu - ihr Ursprung ist also primitiver Natur, sie ist „Mangelware“. Demnach sei sie „sportlich kühn, sinnlich ohne Hitze, eher aus Berechnung“11, sie ist kameradschaftlich, kapitalistisch eingestellt und weiß um ihre Stellung. Allerdings ist sie nicht unterworfen, nicht fügsam - wie etwa das Gretchen - sondern viel selbstbestimmter, die eigentliche Führerin in Haushalt und Beziehung.

Als dritter Typ wird uns die Garçonne präsentiert. Sie ist sportlich und kameradschaftlich, geschäftstüchtig und mit kaufmännischem Geschick ausgestattet. Da für sie aber die Mutterrolle nicht ausgeschlossen ist, gelingt ihr die Symbiose alter Vorstellungen und der modernen, selbständigen und berufstätigen Frau, weshalb sie auch objektiv als einzig moderne Form der Frau wahrgenommen werden kann.12 Der Name dieses Typus leitet sich vom französischen „garçon“ für „Knabe“ ab, was ihrem androgynen Äußeren zuzuschreiben ist - sie ist sozusagen die „Knäbin“. Ihr Aussehen war geprägt durch diese Art „betonte Männlichkeit“ - Hosenanzug, Herrenhaarschnitt - die den Ausbruch aus alten Mustern auch nach außen klar zum Ausdruck brachte, vereint mit einer Extravaganz und Verruchtheit, die manchem Mann gefiel.13

Ist die Garçonne also die prototypische „neue Frau“?

4. “Neue Frauen” - Was macht sie aus?

Die „Neue Frau“ ist politisch nicht dem Frauenbild der radikalen Frauenbewegung entsprungen. Die „Neue Frau“ ist kein politisches Konstrukt. Sie wuchs aus dem neuen Selbstverständnis der Frau, in dem sie neben Familie und Ehe den Beruf und Gleichberechtigung stellte.14

Die „Neue Frau“ ist in alten Rollenbildern, die bestimmt waren durch das Verhältnis einer Frau zu einem Mann, nicht wiederzufinden. Waren diese Verhältnisse auch unterschiedlichster Natur, vom „Happy-End der Liebe“ mit Heirat und Zusammensein bis in den Tod bis zur geprügelten und betrogenen Ehefrau. Zu finden ist hier der Hauptunterschied zur „Neuen Frau“: die Selbstbestimmtheit. Diese Frau ist ein neuer, ein „ bisher unbekannter Typ der Heldinnen, […] die gegen die allseitige Versklavung der Frau im Staat, der Familien, der Gesellschaft protestieren, die um ihrer Rechte kämpfen als Vertreterinnen ihres Geschlechts.“15

In der Literatur, im Theater, der Musik und im Film war die „Neue Frau“ zunehmend von großer Bedeutung. Romane wie Vicky Baums „stud. chem. Helene Willfüer“ oder Marlene Dietrich mit Filmen wie „Der blaue Engel“ oder Schlagern wie „Wenn die beste Freundin mit der besten Freundin“, der das lesbische Chiffre „Freundin“ für homosexuelle Frau bediente16, waren in der Populärkultur der Zeit eine feste Größe. Besonders die Literatur bot vielen Frauen eine Art Lebenshilfe. Die Frauen in diesen Werken waren in der Regel selbständige Frauen, im Arbeitsleben, zumeist Verkäuferinnen, Sekretärinnen oder ähnliches, und sie waren allem Anschein nach sexuell befreit. Trotzdem war teilweise auch in ihren Leben zu einem Zeitpunkt Platz für Mütterlichkeit. Das Gros der Heldinnen allerdings ist eher dem Typus der Femme fatal zuzuschreiben.

[...]


1 Hier und im Folgenden: Conze, Werner: Die Weimarer Republik (1919-1933). In: Der große Ploetz. Freiburg i. Breisgau. Herder 2005. S. 872ff.

2 Schaser, Angelika: Frauenbewegung in Deutschland 1848 - 1933. Darmstadt. Wissenschaftliche Buchgesellschaft WBG 2006. S. 57.

3 Schaser, Angelika: Die Hauptstadt Berlin als Experimentierfeld für die Emanzipation von Frauen. In: Liberalismus und Emanzipation. Schaser, Angelika/Schüler-Springorum, Stefanie (Hrsg.). Stuttgart. Franz Steiner Verlag 2010. S. 126.

4 Die Kriegsjahre werden hierbei nicht berücksichtigt, da Frauen zu dieser Zeit die Arbeit der Männer, welche in den Krieg zogen, übernahmen und es so zu einer Frauenerwerbsquote von über 50% kam. Der starke Rückgang ist hauptsächlich auf die Demobilmachungsverordnung von 1919 zurückzuführen. Siehe hierzu 3.1.1.

5 Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte : Vierter Band. Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten. 1914 - 1949. München. C. H. Beck 2003. S. 237.

6 Neve-Herz, Rosemarie: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland. Hannover 1997. S. 23.

7 Ebd. S. 23.

8 Frame, Lynne: Gretchen, Girl, Garçonne. In: Frauen in der Großstadt : Herausforderung der Moderne?. Katharina von Ankum (Hrsg.). Dortmund. Edition ebersbach 1999. S. 49.

9 Ebd. S. 21.

10 Ebd. S. 21.

11 M. G.: Drei Frauen stehen heute vor uns͘ Die drei Typen: Gretchen, Girl, Garçonne“. In: 4. Beiblatt des 8-Uhr-Abendblatt der National-Zeitung zu Nr. 129. 4.6.1929. Ohne Seitenzahlen.

12 Frame, Lynne: Gretchen, Girl, Garçonne. In: Frauen in der Großstadt : Herausforderung der Moderne?. Katharina von Ankum (Hrsg.). Dortmund. Edition ebersbach 1999. S. 21.

13 Vollmer-Heitmann, Hanna: Wir sind von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Hamburg. Ernst Kabel Verlag 1993. S. 10.

14 Vgl. : http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/alltag/frau/

15 Kollontai, Alexandra: Die neue Frau. In: Neue Frauen : die zwanziger Jahre. von Soden, Kristine/Schmidt, Maruta (Hrsg.). Berlin (West). Elefanten Press 1988. S. 6.

16 Vollmer-Heitmann, Hanna: Wir sind von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Hamburg. Ernst Kabel Verlag 1993. S. 98.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Frauen in der Weimarer Republik
Untertitel
”Neue Frau” und “Tippmamsell”
Hochschule
Universität zu Köln
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
26
Katalognummer
V194943
ISBN (eBook)
9783656204787
ISBN (Buch)
9783656206668
Dateigröße
1167 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neue Frau, Otto Dix, Weimarer Republik, weibliche Angestellte, Gender, Gender Studies, Mode, Frauen, Sexualität
Arbeit zitieren
Richard Albers (Autor:in), 2011, Frauen in der Weimarer Republik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/194943

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