Einleitung
Der Einfluss organisierter Interessen ist aus den politischen und wirtschaftlichen Prozessen nicht mehr wegzudenken. Nichtsdestotrotz wird deren Stellung kontrovers diskutiert. „Lobbyismus changiert zwischen dem Anspruch legitimer demokratischer Interessenvertretung und illegaler Einflussnahme, die bis hin zu Patronage und Korruption reichen kann“ (Leif/Speth 2003, S.9). Die Debatte über Lobbyismus bewegt sich genau zwischen diesen zwei divergierenden Polen.
In der vorliegenden Hausarbeit werde ich nach einer kurzen Begriffsdefinition anhand von Argumenten dieser beiden kontrastierenden Standpunkte kritisch überprüfen, ob Lobbyismus ein konstitutives Element für eine pluralistische Demokratie darstellt oder ob es als unethisch betrachtet werden muss und somit als eine Gefahr für unsere Demokratie anzusehen ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Allgemeines
2.1 Definition
2.2 Akteure
2.3 Adressaten
3. Lobbyismus gefährdet die Demokratie
3.1 Aushöhlung des Parlaments
3.2 Gemeinwohl
3.3 Ungleichheit von Interessengruppen
3.4 „Seitenwechsel”
3.5 Intransparenz
4. Demokratie braucht Lobbyismus
4.1 Politikberatung
4.2 Politische Partizipation
4.3 Vermittlungsfunktion
4.4 Entlastung für den Staat
4.5 Pluralismus
5. Transparenz: Der Schlüssel zur Moral
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
Einleitung
Der Einfluss organisierter Interessen ist aus den politischen und wirtschaftlichen Prozessen nicht mehr wegzudenken. Nichtsdestotrotz wird deren Stellung kontrovers diskutiert. „Lobbyismus changiert zwischen dem Anspruch legitimer demokratischer Interessenvertretung und illegaler Einflussnahme, die bis hin zu Patronage und Korruption reichen kann“ (Leif/Speth 2003, S.9). Die Debatte über Lobbyismus bewegt sich genau zwischen diesen zwei divergierenden Polen.
In der vorliegenden Hausarbeit werde ich nach einer kurzen Begriffsdefinition anhand von Argumenten dieser beiden kontrastierenden Standpunkte kritisch überprüfen, ob Lobbyismus ein konstitutives Element für eine pluralistische Demokratie darstellt oder ob es als unethisch betrachtet werden muss und somit als eine Gefahr für unsere Demokratie anzusehen ist.
2. Allgemeines
Der Begriff Lobbyismus geht ursprünglich auf die vor dem Plenarsaal eines Parlaments gelegene Wandelhalle zurück, eben die Lobby, in der Interessenvertreter Parlamentarier anzusprechen vermochten (vgl. Teuber 2001, S. 117).
2.1 Definition
Die Brockhaus Enzyklopädie definiert Lobbyismus als „die nicht über die Verfassung geregelte Mitwirkung an der politischen Gestaltung eines Staates - und zwar durch die Beeinflussung jener, die laut Verfassung mit der politischen Willensbildung und der Durchführung der getroffenen Entscheidungen betraut sind.“ (Brockhaus Enzyklopädie 2005, zit. n. König 2007, S.12)
2.2 Akteure
Lobbyismus betreiben nicht mehr nur Interessenvertreter von Verbänden, sondern auch große Konzerne suchen den direkten Zugang zur Politik und errichten Repräsentanzen in Berlin und Brüssel. Viele Unternehmen suchen zusätzlich Rat bei externen Public-Affairs-Agenturen. Diese agieren als Mittler und entwickeln Strategien der Interessenvertretung (vgl. Müller/Griegold 2004, S.91). Zu den neueren Akteuren gehören Unternehmensberatungen und Anwaltskanzleien.
2.3 Adressaten
In erster Linie sind es Parlamente und Ministerialbürokratien, die Lobbyisten interessieren. Denn dort werden Entscheidungen getroffen, auf die Lobbyisten Einfluss nehmen wollen. Hinzu kommen aber auch die Parteien, Fraktionen, supranationale Organe und die politische Öffentlichkeit. In Deutschland sind sie daher hauptsächlich in der Bundeshauptstadt Berlin zu finden. Bedingt durch die Europäisierung, stammen heutzutage 70 Prozent der Gesetze und Verordnungen, die in nationales Recht umgesetzt werden, aus Brüssel (vgl. Adamek 2009, S.15). Was den Haupteinsatzort für Lobbyisten betrifft, ist deshalb eine Verlagerung nach Brüssel festzustellen. Zurzeit kümmern sich dort zwischen 15.000 und 30.000 Menschen um entsprechend die Einzel- und Gruppeninteressen (vgl. Dagger/Kambeck 2007, S.34).
3. Lobbyismus gefährdet die Demokratie
Laut Artikel 9 des Grundgesetzes ist Interessenvertretung zwar ein legales und legitimes demokratisches Mittel, was aber nicht bedeutet, dass alle Formen der Einflussnahme legitim sind. Es gibt eine große Grauzone von Einflussstrategien, die nicht unbedingt illegal sind, aber zutiefst fragwürdig und problematisch für eine Demokratie.
3.1 Aushöhlung des Parlaments
Nach Johann-Günther König „gibt [es] heutzutage wohl keinen Referentenentwurf, an dem Lobbyisten nicht mitgewirkt haben. In einigen Fällen werden die Wirtschaftsvertreter sogar aufgefordert, sich selbst einen Gesetzesentwurf zu schreiben.“ (König 2007, S. 37) Eine Gefährdung der Demokratie liegt dann vor, wenn es eine Aushöhlung der Parlamente als Legislative durch „einen Kurzschluss von Lobbyisten und Ministerialbürokratie im Gesetzgebungsverfahren gib“. (Leif/Speth 2003, S.56) Wenn Entscheidungen nicht mehr von dem Parlament selbst getroffen werden, degradiert es zum „Abnickinstrument“ (Leif/Speth 2003, S.25) und trägt zur Entpolitisierung der Bürger bei. Dieser Funktionsverlust des Parlaments führt zu einer „schleichenden Entparlamentarisierung“ (ebd.) und somit zu einer großen Gefahr für die Demokratie.
3.2 Gemeinwohl
Während Abgeordnete von Parteien demokratisch gewählte und legitime Vertreter des Volkes sind, sind Lobbyisten die Vertreter von Interessengruppen. Heutige Kritiker bemängeln ähnlich wie der bekannte Philosoph Rousseau, dass die Aufgabe des Staates in der Durchsetzung des allgemeinen Willens besteht und nicht Partikularinteressen einzelner Gruppierungen in den Vordergrund gestellt werden dürfen. Nach Rousseau ist eine demokratische Staatsform nur bei einer ausreichenden Homogenität der Bevölkerung möglich, da nur so der „volonté générale“ gebildet werden kann, den er stark von den „volontés particulières“ abgrenzt (vgl. Oberndörfer in Dettling 1976). Im Sinne dieses Politikverständnisses sieht man im Lobbyismus daher eine Gefahr für die Gesellschaft.
3.3 Ungleichheiten von Interessengruppen
Die Ungleichheit von Interessengruppen ist ein kritischer Aspekt des Lobbying, denn nicht alle Gruppierungen verfügen über den gleichen Grad an finanziellen Ressourcen, an professionellem Personal und an Kontakten in das politische Establishment. Interessenvertreter mit großen finanziellen Mitteln können in der Regel mehr Einfluss auf den Politikbetrieb nehmen als wirtschaftlich schwache Gruppen. Einer finanzkräftigen und gut organisierten Pharmaindustrie steht z. B. keine schlagkräftige Patientenorganisation gegenüber. „Der Staat muss ein Interesse haben, eine möglichst große Bandbreite und Vielfalt an Informationen in den politischen Prozess eingespeist zu bekommen. Das steigert zwar nicht die Effizienz, trägt aber dazu bei, die Ergebnisse zu optimieren.“ (Sell/Krylov 2009, S.47)
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- Jessica Witzel (Author), 2012, Lobbyismus und Ethik, ein Widerspruch?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195250