Der Gender Pay Gap: Die Ursachen und Konsequenzen der Unterbezahlung weiblicher Führungskräfte im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen


Bachelorarbeit, 2010

63 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffserklärung
2.1 Gender Pay Gap
2.2 Führungspositionen

3. Gender Pay Gap in Führungspositionen
3.1 Gesetzliche Grundlagen des Gender Pay Gaps
3.2 Entwicklung des Gender Pay Gaps in den letzten 30 Jahren
3.3 Derzeitige Situation in Führungspositionen und Stand der Forschung
3.3.1 Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen und die „Glass Ceiling“
3.3.2 Der Zusammenhang zwischen der „Glass Ceiling“ und dem Gender Pay Gap

4. Einflussgrößen und Ursachen des Gender Pay Gaps in Führungspositionen
4.1 Der Zusammenhang von Frauen in Führungspositionen und dem wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens
4.1.1 Frauen als „Token Women“
4.1.2 Auswirkungen auf die Unternehmensleistung bei weiblichen Führungskräften
4.2 Geschlechtliche Produktivitätsunterschiede
4.2.1 Humankapitalmodell
4.2.2 Vorurteile
4.2.3 Fehlende Mentoren und Netzwerke
4.2.4 Altersstruktur
4.2.5 Risikobereitschaft von Frauen in Führungspositionen
4.3 Unterschiede in den Beschäftigungsfeldern
4.3.1 Geschlechtsspezifische Branchen
4.3.2 Firmengröße
4.3.3 Regionale Einflussgrößen
4.4 Einfluss des Gender Pay Gaps auf das Rentenniveau

5. Lösungsmaßnahmen

6. Fazit und Forschungsausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Der Gender Pay Gap im EU-Vergleich im Jahr 2009 (in %)

Abb. 2: Anteil der Fraueneinkommen an den Männereinkommen (Vollzeit) nach Altersgruppen in Deutschland 2002 (in %)

Abb. 3: Erwerbstätige Frauen und Männer nach Wirtschaftssektoren in Deutschland 2004 (in %)

Abb. 4: Anteil der Fraueneinkommen an den Männereinkommen (Vollzeit) nach Betriebsgrößenklassen (in %)

Der Gender Pay Gap in Führungspositionen

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit untersucht die Problematik des „Gender Pay Gap“ in Führungspositionen. Dies ist der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen in führenden Positionen von Unternehmen, ein Sachverhalt von hoher Präsenz und Aktualität. Zwar hat sich seit Beginn der Emanzipation der Frauen in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts viel in Bezug auf Chancengleichheit, Rechte und auch Ansehen der Frauen verändert, doch dieser Wandel ist bisher noch nicht bei der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen angekommen. Die Arbeit hat die Absicht den Status Quo der, verglichen zu Männern, ungerechten Unterbezahlung von Frauen auf Führungsebene vorzustellen und mögliche Ursachen zu präsentieren. Außerdem werden derzeitig in der Politik verfolgte Maßnahmen zur Schließung des Gender Pay Gaps aufgezeigt und diskutiert.

In der heutigen Zeit stehen Frauen den Männern bildungstechnisch in nichts mehr nach, haben diese sogar teilweise bereits überholt. Obwohl jedes Jahr mehr Frauen als Männer mit Hochschulreife ihre Schulbildung abschließen, ist sowohl der geringe Anteil an Frauen als auch die geschlechtsspezifische Lohnlücke auf dem Arbeitsmarkt noch immer vorherrschend. [1] Erst kürzlich widmete die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ einem Artikel mit der Überschrift „Die Methode der Frau“ ihre Titelseite, welcher die weiblicher werdende Arbeitswelt und die sich daraus ergebenden Vorteile und Hindernisse für Frauen umfangreich behandelt. [2] Schlagzeilen wie diese findet man beinahe täglich in der Presse. [3] Viele Autoren, vor allem aus dem angelsächsischen Raum, analysieren die Situation der Frau auf dem Arbeitsmarkt und die Probleme, die sie erwarten. Hierbei werden vor allem die weibliche Unterrepräsentanz oder eben ihre Verdienstunterschiede zu Männern genannt. Nur wenige Studien jedoch thematisieren den Gender Pay Gap in Führungspositionen, und sind, falls sie sich mit dieser Problematik auseinandersetzen, nicht älter als 20-30 Jahre. Dabei ist dieser Forschungsgegenstand auf Ebene dieser speziellen, homogenen Gruppe von Arbeitnehmern hochinteressant, da Frauen und Männer, die jene hohen Positionen besetzen, beinahe identische Humankapitalqualifikationen vorweisen können, und sich demnach der Gender Pay Gap schlecht erklären lässt.

Falls jedoch ein Gender Pay Gap auf Führungsebene vorherrscht, liefere dies einen eindeutigen Nachweis über die Diskriminierung der Frau in der Arbeitswelt ab. Gerade auf diesem Hierarchieniveau würde ein großer Gender Pay Gap äußerst negative Signale an alle weiblichen Marktteilnehmer senden und motivationshemmend wirken. Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Zunächst werden die Begriffe „Gender Pay Gap“ und „Führungskraft“ näher definiert. Hierauf werden gesetzliche Grundlagen der Gleichbehandlung der Frau untersucht und die derzeitige Situation der Diskriminierung der Frau auf dem Arbeitsmarkt im Allgemeinen und dem Gender Pay Gap in Führungspositionen im Speziellen anhand des aktuellen Forschungsstands aufgezeigt. Anschließend werden mögliche Einflussgrößen und Ursachen auf ihre Stichhaltigkeit überprüft und ihr Zusammenhang zum Gender Pay Gap untersucht. Der darauf folgende Abschnitt stellt aktuelle Maßnahmen zu Verringerung der Lohnungleichheit vor, um mit einem Fazit und Vorschlägen zu zukünftigen Forschungsanstrengungen abzuschließen. Aufgrund der unterschiedlichen Quellen beschränkt sich der Untersuchungsumfang der Arbeit nicht auf bestimmte Regionen, wobei der Großteil der Daten aus den USA oder Deutschland kommt. Durch besseres Verständnis der Hintergründe des Gender Pay Gaps, schafft die Arbeit beim Leser entscheidendes Mehrwissen über das Umfeld geschlechtsspezifischer Gehaltsunterschiede in Führungspositionen.

2. Begriffserklärung

Um aufgrund unterschiedlicher Interpretationsmöglichkeiten Unklarheiten über die Begrifflichkeiten „Gender Pay Gap“ und „Führungsposition“ beim Leser zu vermeiden, werden im Folgenden Definitionen formuliert.

2.1 Gender Pay Gap

Das statistische Bundesamt definiert den Gender Pay Gap als „de(n) prozentuale(n) Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Männern und Frauen“ und beziffert ihn in Deutschland für das Jahr 2009 auf 23,2%.[4] Das Bruttostundengehalt einer Frau machte demnach durchschnittlich nur 76,7% des Gehalts eines Mannes aus. Im Vergleich mit anderen EU Staaten steht Deutschland damit an viertletzter Stelle. [5] Nur in Österreich, der Tschechischen Republik und Estland erhalten Frauen im Jahr 2009 einen verhältnismäßig noch geringeren Lohn. Abbildung 1 zeigt den Gender Pay Gap im EU-Vergleich. Um die geschlechtsspezifischen Lohnungleichheiten zu beseitigen muss man jedoch in der Lage sein, gleiche oder gleichwertige Arbeit als solche vergleichbar und dadurch bewertbar zu machen.

Abbildung 1: Der Gender Pay Gap im EU-Vergleich im Jahr 2009 in %. Eigene Darstellung nach Europäische Kommission (2010a).

Wird Arbeit von zwei Personen als gleich oder gleichwertig angesehen, so muss diese auch mit einem gleich hohen Lohn honoriert werden. So jedenfalls die Theorie. Unter dem Begriff gleiche Arbeit versteht man Tätigkeiten, die „im Hinblick auf die Art der Arbeit, der Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen eine vergleichbare Situation“[6] schaffen. Gleichwertige Arbeit hingegen bezeichnet Tätigkeiten, „die

verschiedenartig, jedoch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände bezüglichder Art der Arbeit, der Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen vongleichem„Wert“sind.“[7] Gerade in Führungspositionen sind Tätigkeiten, vor allem auf zwischenbetrieblicher Ebene, differenzierter zu betrachten. Gleiche oder gleichwertige Arbeit sind hier nicht eindeutig zu definieren, da Führungskräfte unterschiedlich große Zuständigkeitsfelder innehaben und sich deswegen ihre beruflichen Tätigkeitsfelder schwer vergleichen lassen. Beschäftigt man sich mit dem Gender Pay Gap, ist es außerdem wichtig zu wissen, wann das Gesetz von Diskriminierung in Form von Entgeltungleichheit spricht, wobei unter Entgelt alle Entgeltbestandteile verstanden werden, die vom Arbeitgeber in bar oder in Sachleistung gezahlt werden.[8] Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) unterscheidet Diskriminierung in § 3 Absatz 1 und 2 in unmittelbar und mittelbar. Demnach liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn „eine Situation, in der eine Person aufgrund ihresGeschlechts eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einervergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.“ Im Vergleich dazu erfährt jemand mittelbare Diskriminierung, „wenn dem Anschein nach neutraleVorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts gegenüberPersonen des anderen Geschlechts in besonderer Weise benachteiligen können, es seidenn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch einrechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung diesesZiels angemessen und erforderlich.“ [9]

Da die vorliegende Arbeit sich mit dem Spezialfall des Gender Pay Gaps in Führungspositionen befasst, muss vorerst jedoch klargemacht werden, was unter dem Führungsbegriff überhaupt verstanden wird.

2.2 Führungspositionen

„There are almost as many different definitions of leadership as there are persons whohave attempted to define the concept.“[10] Dieses Zitat von Stogdill trifft auch heute noch zu, wobei generell der Begriff Führung in zwei Kategorien unterteilt wird, in die institutionelle und die funktionale Sichtweise.[11] Im institutionellen Sinn zielt der Führungsbegriff auf die Beschreibung von Personen(gruppen) mit Personal- und/oder Sachverantwortung, inklusive ihrer Tätigkeiten und Rollen. Damit ist im engeren Sinn die oberste bzw. erste Führungsebene gemeint.[12] In der funktionalen Sichtweise hingegen wird Führung als „Beschreibung der Prozesse und Funktionen, die inarbeitsteiligen Organisationen notwendig werden“[13] definiert. Rau unterteilt diese Prozesse in die Teilprozesse Zielbildung, Problemerkenntnis, Planung, Entscheidung, Durchsetzung, Realisation und Kontrolle.[14]

Die vorliegende Arbeit übernimmt nun den Führungsbegriff des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung, da dieser beiden Sichtweisen, sowohl der institutionellen als auch der funktionalen, zu einem ausreichenden Maße gerecht wird. Als Führungskräfte werden „Angestellte in der Privatwirtschaft verstanden, die,[…] entweder inTätigkeiten mit umfassenden Führungsaufgaben, […] in sonstigen Leitungsfunktionen,[…] oder auch (in) hochqualifizierte(n) Tätigkeiten“ beschäftigt sind.[15]

3. Gender Pay Gap in Führungspositionen

Um dem Leser sowohl die juristische als auch die historische Situation der Thematik des Gender Pay Gaps näher zu bringen, wird im Folgenden die gesetzliche Grundlage der Gleichbehandlung der Frau untersucht, die Entwicklung des Gender Pay Gaps der letzten 30 Jahre aufgezeigt und die derzeitige Situation der weiblichen Führungskräfte anhand des aktuellen Forschungsstands erläutert.

3.1 Gesetzliche Grundlagen des Gender Pay Gaps

In Deutschland ist das Prinzip der Entgeltgleichheit schon seit der Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 festgelegt. Artikel 3 Absatz 2 und 3 sagen aus, dass „Männer undFrauen […] gleichberechtigt (sind). Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzungder Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigungbestehender Nachteile hin“. Zusätzlich darf niemand „wegen seines Geschlechtes […] benachteiligt oder bevorzugt werden.“[16] Doch erst seit 33 Jahren ist es Frauen erlaubt, ohne Zustimmung des Ehepartners eine eigene Erwerbstätigkeit aufzunehmen.[17] Auch das AGG verfolgt in § 1 das Ziel „Benachteiligungen aus Gründen […] des Geschlechts […] zu verhindern oder zu beseitigen.“[18] Neben den beiden bereits genannten Gesetzestexten befasst sich zudem das Teilzeit- und Befristungsgesetz mit der Thematik der Entgeltungleichheit. [19] 1955 wurden die in den damaligen Tarifverträgen verankerten Lohnabschlagsklauseln vom Bundesarbeitsgericht verboten. Diese Klauseln besagten, dass Frauen bei gleicher Arbeit nur einen bestimmten Anteil des von Männern erzielten Lohns bekommen durften.[20]

Doch auch auf europäischer Ebene gibt es gesetzliche Regelungen, welche die ungleiche Behandlung von Mann und Frau adressieren. Generell gesehen ist das nationale Recht der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dem europäischen Recht untergeordnet. Im Falle eines Widerspruchs beider Gesetze hat demnach immer das europäische Recht Vorrang.[21] Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sieht in Artikel 8 vor, „Ungleichheiten zu beseitigen und dieGleichstellung von Männern und Frauen zu fördern“[22]. Artikel 157 Abs. 1. des AEUV richtet sich an die einzelnen Mitglieder der Europäischen Union, die „die Anwendungdes Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher odergleichwertiger Arbeit sicher(stellen).“[23]In der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen wurden verschiedene Richtlinien zur Gleichbehandlung, wie beispielsweise die Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG oder die Entgeltgleichheitsrichtlinie 75/117/EWG neugefasst.[24]

Anm.: Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV); bis zum Vertrag von Lissabon am 1. Dezember 2009 hieß der AEUV: „Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“ (EG-Vertrag).

Auch in den USA ist das Prinzip der Gleichbehandlung von Männern und Frauen schon lange in den Gesetzen verankert. Mit der Unterzeichnung des „Equal Pay Act“ im Jahre 1963 durch John F. Kennedy und des „Civil Rights Act“ ein Jahr später, wurden Frauen die gleichen Rechte wie ihren männlichen Kollegen zugesichert.[25] Doch der gewünschte Erfolg und die erhoffte Durchschlagskraft dieser gesetzlichen Rahmenbedingungen blieben bisher, ähnlich wie in der Bundesrepublik, aus.[26]

3.2 Entwicklung des Gender Pay Gaps in den letzten 30 Jahren

Ein Großteil der sich mit dem historischen Verlauf der geschlechtlichen Entgeltungleichheit befassenden Studien, nennt die späten 70er oder frühen 80er Jahre des letzten Jahrhunderts als ausschlaggebend für die relative Zunahme des Gehalts von Frauen.[27] Verdienten Frauen in den USA im Jahr 1940 noch knapp 60% von dem Gehalt ihrer männlichen Kollegen, stieg dieser Wert in den nächsten Jahren bis Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts auf ungefähr 70%.[28] Mehrere Gründe für diese Zunahme werden dokumentiert. So hatte beispielsweise die Zunahme an Qualifikationen von Frauen, relativ gesehen zu denen der Männer, einen sehr großen Einfluss auf die weibliche Partizipationsrate am Arbeitsmarkt und auf ihre Entlohnung. [29] Polachek konnte einen signifikanten Anstieg von Ausbildungsquoten und Arbeitserfahrung bei Frauen in Zusammenhang mit einem sinkenden Gender Pay Gap bringen. Des Weiteren erklärte der Lohnrückgang bei Arbeitskräften aus handwerklichen Berufsfeldern, bei gleichbleibender Entlohnung typischer Frauenberufe einen Großteil des geschrumpften Lohnunterschieds. [30] Da Männer häufiger im Handwerk angestellt waren, verringerte sich der Gender Pay Gap, obwohl unter diesen Gesichtspunkten von keiner wirklichen Verbesserung gesprochen werden kann.[31] Seit den 1990ern scheint der Gender Pay Gap jedoch zu stagnieren. So unterscheidet sich die Ratio von 1999 in den USA mit 76,5% nur geringfügig von der aus dem Jahr 2009, die bei 79,9% liegt. [32] Jacobs[33] kommt in seiner Studie über den Rückgang des Gender Pay Gaps im Zeitraum von 1970 bis 1988 zu einem bisher vernachlässigten Ergebnis. Obwohl mehr Frauen innerhalb dieses Zeitrahmens in Managementpositionen vorrückten und sich dadurch der Gender Pay Gap verringerte, wurde kein entsprechender Autoritätszuwachs für ebendiese Arbeitnehmer in den neu erlangten Positionen gefunden. Demnach gab es mehr Frauen auf höheren Hierarchieebenen mit höheren Verdiensten, die jedoch keine Zuwächse in ihren Einflussbereichen erfuhren. In den alten Bundesländern der BRD verdienten im Jahr 1960 vollzeitbeschäftigte deutsche Frauen 55% des Lohns ihrer männlichen Kollegen. Obwohl in der ehemaligen DDR geschlechtsspezifische Lohnunterschiede tabuisiert wurden, gab es auch hier Ende der 80er Jahre einen Lohnunterschied von 16%.[34] Im Vergleich dazu lag der Gender Pay Gap der BRD im Jahre der Wiedervereinigung 1989 bei knapp 30%. Bis ins Jahr 2000 schrumpfte dieser in Gesamtdeutschland auf ca. 23 Prozentpunkte, wo er seitdem, bis auf kleinere Abweichungen, verharrt.[35] Hier anzumerken ist der große Unterschied zwischen West-und Ostdeutschland auch noch in der heutigen Zeit. In Kapitel 4.3.3 wird näher auf diese regionalen Einflussgrößen eingegangen.

3.3 Derzeitige Situation in Führungspositionen und Stand der Forschung

In den folgenden Abschnitten wird unter Einbeziehung des aktuellen Forschungsstands die derzeitige Situation der Frau in Führungspositionen erläutert und der Zusammenhang zwischen einer weiblichen Unterrepräsentanz innerhalb dieser Hierarchien und dem Gender Pay Gap hergestellt.

3.3.1 Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen und die „Glass Ceiling“

In der Literatur wird zwischen zwei verschiedenen Ebenen von Diskriminierung differenziert: Die vertikale, also die hierarchisch geringere Positionierung der Frauen, und die horizontale Diskriminierung, die weibliche Überpräsenz in einzelnen, spezifischen Berufsfeldern und Firmen mit bestimmten Merkmalen.[36] Um ein Verständnis vom Gender Pay Gap in Führungspositionen zu bekommen, muss vor allem die akut vorherrschende weibliche Unterrepräsentanz auf höheren Hierarchieebenen oder innerhalb besser bezahlter Branchen hervorgehoben werden[37]. Diese wirkt sich besonders verstärkend auf die geschlechtsspezifische Lohnungleichheit aus, da dadurch weibliche Autoritätspersonen und Vorbilder für nachrückende Frauen fehlen, die genügend Einfluss hätten, sich für die geschlechtliche Entgeltgleichheit einzusetzen.[38] Demnach müsste es auf den mit Frauen spärlich besetzten Führungsebenen verstärkt zu Diskriminierung kommen. Vor dem Hintergrund dieser Thematik werden zwei verschiedene Kennzahlen in der Forschung diskutiert: Einmal der prozentuale Anteil von Frauen in Führungspositionen, und zweitens der prozentuale Anteil der Unternehmen, die mindestens eine Frau in den oberen Hierarchieebenen haben, wobei letztere Kennziffer unter den Fortune 500 größer ausfällt als erstere.[39] In 75 der 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt sitzt mindestens eine Frau im Aufsichtsrat, und nur fünfzehn Unternehmen, also 3%, haben eine weibliche Geschäftsführerin. [40] Die Nachfolge der Geschäftsführerin Anne Mulcahy von Xerox Corporation durch Ursula Burns im Jahr 2009 stellte zweierlei Besonderheiten dar. Nicht nur war es eine Premiere, dass eine Frau eine weibliche Geschäftsführerin in dieser Position ablöste, sondern auch, dass mit Burns die erste afro-amerikanische Frau an der Spitze eines Fortune 500 Unternehmens sitzt.[41]

Eine ähnliche Situation ist auch in Deutschland vorherrschend. Unter den 833 Vorständen der 200 umsatzstärksten deutschen Unternehmen[42] befinden sich nur 24 Frauen. Betrachtet man nur die 100 umsatzstärksten Betriebe[43], so kommt man gerade einmal auf 1,5% Frauenanteil in deutschen Vorständen. Knapp 92% dieser Unternehmen haben rein männliche Vorstandsebenen.[44] Unter allen Vorstands- vorsitzenden in Deutschland gibt es nur ein einzelnes Unternehmen, IKEA Deutschland, bei welchem mit Petra Hesser eine Frau diese Position innehat. In deutschen Aufsichtsräten der 200 umsatzstärksten Unternehmen[45] findet man einen Frauenanteil von 10%. Weibliche Aufsichtsratsvorsitzende gibt es nur zwei, Simone Bagel-Trah (Henkel KGaA) und Bettina Würth (Würth-Gruppe). Beide sind Mitglieder der jeweiligen Gründerfamilie. Anders als die drei skandinavischen Spitzenreiter Norwegen, Schweden und Finnland mit einem Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten von entsprechend 40%, 27% und 24%, liegt Deutschland mit 13% somit nur leicht über dem europäischen Mittel von 11% mit Frauen in diesen Positionen.[46]

Einige Autoren dokumentieren, welche Hindernisse und Schwierigkeiten Frauen auf dem Weg zu leitenden Positionen innerhalb eines Unternehmens überwinden müssen. [47] Ursachen dafür sind laut Oakley[48] unter anderem stereotypisches Denken über die Qualifikationen von Frauen, fehlende oder falsche Branchenerfahrung und mit Vorteilen behaftete Vorstellungen über den weiblichen Führungsstil, welcher als zu wenig selbstbewusst und inkompetent beschrieben wird. Für Frauen ist es ein schmaler Grat zwischen einem zu weiblichen, inkompetent wirkenden Auftreten und einem zu männlichen, aggressiven Gebaren, welches bei Frauen oft als negativ angesehen wird und vor einer Beförderung abschreckt. Ragins[49] präsentiert Lösungsvorschläge, um die Benachteiligung von Frauen zu verringern und somit ihre Aufstiegsmöglichkeiten zu verbessern. Als mögliche Ansätze zur Verbesserung geschlechtlicher Dynamik nennt sie unter anderem eine verbesserte Kommunikation mit Frauen. Zudem schlagen sie vor, weiblichen Mitarbeitern den Zugang zu Mentoren zu vereinfachen und den männlichen Führungskräften die Probleme der Frauen stärker ins Bewusstsein zu rufen. Diese Maßnahmen werden als wichtige Gründe angegeben, um die sogenannte „Glass Ceiling“ zu durchbrechen. Unter diesem Begriff, der auch als „gläserne Decke“ zu bezeichnen ist, werden in der Fachliteratur die eingeschränkten Möglichkeiten der Frauen verstanden, in höhere Managementebenen aufzusteigen.[50] Morrison et al. definieren „Glass Ceiling“ als:„a transparent barrier that (keeps) women from rising above a certain level in corporations“[51] Je mehr weibliche Arbeitskräfte es schaffen, diese Barriere zu durchbrechen und in die oberen Ränge von Unternehmen zu gelangen, desto mehr Frauen haben die Chance von „unten“ nachzurücken. [52]

3.3.2 Der Zusammenhang zwischen der „Glass Ceiling“ und dem Gender Pay Gap

Da die Wissenschaft von einem positiven Zusammenhang von Hierarchieebene und Gender Pay Gap spricht, müsste man in den Vorständen der Unternehmen aufgrund der Knappheit an weiblichem Personal auf ein erhebliches Lohngefälle zwischen Mann und Frau aufmerksam werden. [53] Die Auswirkungen einer „gläserne Decke“ und die damit verbundenen Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen und ihr Effekt auf den Verdienst der Belegschaft sind in der Forschung jedoch umstritten. Während manche Studien dem Verdienst und dem Anteil der weiblichen Mitarbeiter einen positiven Zusammenhang zusprechen[54] und einen Großteil des erforschten Gender Pay Gaps auf die erwähnte Unterrepräsentanz von Frauen zurückführen[55], finden andere Untersuchungen gegensätzlich dazu einen negativen Zusammenhang[56] . Diesem entsprechend, stellten Elvira und Graham[57] die Hypothese auf, dass der Verdienst für die weibliche als auch für die männliche Belegschaft in Unternehmen sinkt, je mehr Frauen angestellt sind. Eine Erklärung hierfür ist, dass männliche Führungspersonen die Arbeit von weiblichen Mitarbeitern unterschätzen und sie deswegen geringer entlohnen. Entsprechend der Auffassung, dass ein geringer Frauenanteil im Zusammenhang mit einem hohen Gender Pay Gap steht, stoßen mehrere Studien auf einen signifikant hohen geschlechtsspezifischen Gehaltsunterschied in den mit Frauen unterbesetzten Führungspositionen.[58] Bertrand und Hallock[59] stießen bei ihrer Untersuchung von Gehältern amerikanischer Führungskräfte aus dem Zeitraum 1992 bis 1997 zunächst auf einen erheblichen Gender Pay Gap von 45%. Zwei Drittel dieses Wertes ließ sich jedoch auf die Unterrepräsentanz von Frauen innerhalb der untersuchten oberen Hierarchieebenen zurückführen, was auf einen positiven Effekt eines erhöhten Frauenanteils auf den Verdienst hindeutet. Cohen und Huffman[60] fanden in einer aktuellen Studie heraus, dass ein steigender Frauenanteil sowohl für Männer als auch für Frauen von Vorteil ist. Dieser fällt umso größer aus, je höher die besetzten Positionen der angestellten Frauen sind.

[...]


[1] Vgl. Statistisches Bundesamt (2010a)

[2] Vgl. Scholter, Judith (2010), S. 1.

[3] Vgl. Frank, Charlotte (2010), S. 2; Auer/Szymanski (2010), S. 1.

[4] Statistisches Bundesamt (2010b)

[5] Vgl. Europäische Kommission, (2010a)

[6] Tondorf, Karin, (2009), S.11.

[7] Tondorf, Karin, (2009), S.11.

[8] Vgl. Art. 157 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

[9] Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), § 3 Absatz 1 und 2, Ausfertigungsdatum: 14.08.2006.

[10] Stogdill (1974), S. 7.

[11] Anm.: Die Begriffe „Führung“, „Management“, „obere Hierarchieebene“, „führende/leitende Position“ etc. werden im Folgenden als Synonyme angesehen.

[12] Vgl. Staehle (1999), S.71; Krell (2010), S. 428.

[13] Staehle (1999), S.71.

[14] Vgl. Rau (1995), S. 18.

[15] Holst/Busch (2010), S. 7.

[16] Artikel 3 Abs. 2 und 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Inkrafttreten am: 23. Mai 1949.

[17] Vgl. Kreienkamp et al. (2010), S. 10.

[18] § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), Inkrafttreten am: 18. August 2006.

[19] § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), Inkrafttreten am: 1. Januar 2001.

[20] Carl/Krehnke (2004), S. 8.

[21] Vgl. Art. 288 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)

[22] Art. 8 AEUV

[23] Artikel 157 Abs. 1 AEUV

[24] Vgl. Europäisches Parlament und der Rat der Europäischen Union (2006)

[25] Vgl. Greenlaw/Lee Jr. (1993), S. 43 ff..

[26] Vgl. The Council of Economic Advisers (1998); Zeigler (2006), S. 214.

[27] Vgl. Goldin (1989), S. 45 f.; Blau/Kahn (1997), S. 1 f.; Blau/Kahn (2000), S. 76 f.; Kandil/Woods (2002), S. 273 f.; Powell et al. (2002), S. 178.

[28] Vgl. Goldin (1989), S. 45 f.; Blau/Kahn (2000), S. 76 f..

[29] Vgl. Polachek (1993), S. 210 ff..

[30] Anm.: Für Beispiele typischer Frauenberufe siehe Kapitel 4.3.1

[31] Vgl. ebd., S. 207.

[32] Vgl. Blau/Kahn (2000), S. 76; Blau/Kahn (2004), S. 37 ff.; Solis/Hall (2009), S. 68.

[33] Vgl. Jacobs (1992), S. 298.

[34] Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005), S. 171.

[35] Vgl. Statistisches Bundesamt (2010c); Statistisches Bundesamt (2010d).

[36] Vgl. Holst/Busch (2009), S. 4.

[37] Vgl. Holst/Wiemer (2010), S. 4 ff..

[38] Vgl. Harrigan (1981), S. 619.

[39] Vgl. Catalyst Census (2009), S. 1.

[40] Vgl. Catalyst Census (2009), S. 1; N. N., (2010a).

[41] Vgl. ebd.; Lewis (2010).

[42] Anm.: ohne Finanzsektor.

[43] Anm.: ohne Finanzsektor .

[44] Anm.: Um Aktualität zu gewährleisten, sind in den Prozentzahlen drei weitere weibliche Vorstände (Siemens, SAP, Eon) einberechnet worden, die in den Berechnungen von Holst/Busch (2010) fehlen.

[45] Anm.: ohne Finanzsektor.

[46] Vgl. Holst/Busch (2010), S. 55 ff.

[47] Vgl. Lazear/Rose (1990), S.106 ff.; Elissa L/Davis-Blake (1994), S. 786 ff.; Oakley (2000), S. 321 ff..

[48] Vgl. Oakley (2000), S. 323 ff..

[49] Vgl. Ragins (1998), S. 29 ff..

[50] Vgl. Morrison et al. (1988), S. 13.

[51] Morrison et al. (1988), S. 13.

[52] Vgl. Cohen et al. (1998), S. 719; Goodman et al. (2003), S. 489; Joy (2008), S. 9; Bell (2010), S. 11 ff..

[53] Vgl. Arulampalam et al. (2007), S. 163.

[54] Vgl. Hultin/Szulkin (1999), S. 462 ff.; Adams/Ferreira (2009), S. 301 ff..

[55] Vgl. Bertrand/Hallock (2001), S. 8 ff..

[56] Vgl. Pfeffer/ Davis-Blake (1987), S. 11 ff.; England et al. (1988), S.p.554 ff..

[57] Vgl. Elvira/ Graham (2002), S. 611 ff..

[58] Vgl. Hultin/Szulkin (1999), S. 462 ff.; Bertrand/Hallock (2001), S. 17 f.; Yurtoglu/Zulehner (2007), S. 13 f.; Holst/Busch (2009), S. 18 ff.; Adams/Ferreira (2009), S. 301 ff.; Holst/Busch (2010), S. 12 f..

[59] Vgl. Bertrand/Hallock (2001), S. 3 ff..

[60] Vgl. Cohen/ Huffman (2007), S. 696 ff..

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Details

Titel
Der Gender Pay Gap: Die Ursachen und Konsequenzen der Unterbezahlung weiblicher Führungskräfte im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen
Hochschule
Universität Passau
Autor
Jahr
2010
Seiten
63
Katalognummer
V195376
ISBN (eBook)
9783656211143
ISBN (Buch)
9783656212171
Dateigröße
6794 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gender Pay Gap, Frauenquote, Führungsposition, Glass Ceiling, Unterbezahlung, Verdienstunterschied, Bezahlung, Lohnlücke, Gender Wage Gap, Token Women, Einkommensunterschied, Einkommensgefälle
Arbeit zitieren
Constantin Beyer von Morgenstern (Autor:in), 2010, Der Gender Pay Gap: Die Ursachen und Konsequenzen der Unterbezahlung weiblicher Führungskräfte im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195376

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