Leseprobe
Inhaltverzeichnis
1. Einleitung
2. Vorbild Amerika: Darstellung in Film, Fernsehen und der BRAVO
3. Halbstarkenkrawalle: Darstellung in Presse und Zeitungen
4. Ergebnis
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
„…herumlungernde, in Scharen auftretende, radaulustige und nicht ganz ungefährliche Jugendliche aus sozialen Randschichten.“
(Zahn, Susanne, „Außer Rand und Band“. Die Halbstarken, in: Foitzik, Doris (Hrsg. ), Vom Trümmerkind zum Teenager. Kindheit und Jugend in der Nachkriegszeit, Bremen 1992, S.111)
Mit dieser Beschreibung charakterisierte man erstmals um 1900 die sogenannten „Halbstarken“, eine Gruppe von Heranwachsenden, die in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre mit ihrem Verhalten die Öffentlichkeit erschreckten.[1] Schon damals beschrieb man so die „verdorbenen" Jugendlichen aus den unteren sozialen Schichten.[2] Das Phänomen der „Halbstarken“ setzte eine schwierige Ausgangslage voraus. Mehr als die Hälfte der deutschen Männer war im Zweiten Weltkrieg gefallen oder noch in Kriegsgefangenschaft.[3] Dadurch, dass die Mütter nun als Ernährer der Familie häufig abwesend waren, beherrschte eine große Autonomie den Lebensalltag der Kinder und Jugendlichen. Als in den 50er Jahren nun vermehrt Väter in die Familien zurückkehrten, wurde den jungen Erwachsenen mit einem Mal die Entscheidungsgewalt entrissen. Die Jugendlichen waren nicht bereit sich in das wiedererlangte Konstrukt einer funktionierenden Familie einzufügen, was in zahlreichen Familien zwangsläufig zu Konfrontationen führen musste.[4] Im Zeitraum zwischen 1956 und 1958 zählten ca. 5% der männlichen Jugendlichen zwischen 15 und 20 Jahren zu den Halbstarken, wobei die Kerngruppen vorwiegend aus 16-17 Jährigen bestanden.[5] So handelte es sich quantitativ um eine Minderheit in der Jugendgeneration, die mit ihrem Habitus, Mode und Stil so gar nicht zur Wirtschaftswundermentalität der 50er Jahre passten.[6]
1912 widmete der Pastor Clemens Schultz den "Halbstarken" eine eigene Studie: "Der Halbstarke … steht am liebsten müßig am Markte, und er ist der geschworene Feind der Ordnung, er hasst die Regelmäßigkeit, ebenso alles Schöne und ganz besonders die Arbeit. Er hat keinen Sinn für das Lebenswerte: Heim, Familie, Freundschaft, Vorwärtsstreben, Begeisterung, und ist völlig apathisch gegen ideale Güter, Kunst, Wissenschaft, Religion. Alles Schöne und Geordnete ärgert ihn, es löst in ihm Freude am Zerstören aus …" (Schultz 1912, S. 8).[7]
Die Halbstarken verachteten Uniformen und alles Militärische. Es ging den aufsässigen Jugendlichen vornehmlich um die Blamage der Autorität.[8] Auffällig konnten sie entweder durch normwidriges Verhalten oder Auseinandersetzungen mit der Polizei werden. Aber auch der Kleidungsstil oder der Musikgeschmack wurden als abweichend von der Norm gewertet.[9] In dieser Generation verwechselte man Flegelhaftigkeit mit Männlichkeit und man verhielt sich auch entsprechend.[10] Mit der Zigarette im Mund, der modischen Lederjacke und dem laut knatternden Moped sorgten die Halbstarken ab Mitte der 50er Jahre für Aufsehen. Und so berichteten sensationshungrige Journalisten 1956 fast täglich über Halbstarkenkrawalle auf den Straßen.[11] Dass der Begriff „Halbstarke“ schließlich zum Synonym für auffälliges jugendliches Verhalten in den 50er Jahren wurde, ist in erster Linie auf die Medien zurückzuführen. Diese griffen in ihrer Berichterstattung die Ereignisse rund um jugendliche Randale auf und prägten und verbreiteten den Begriff in der Gesellschaft.[12]
Pädagogen und Soziologen machten sich ihre Gedanken, woraus dieses Verhalten resultieren könnte. Waren es die schädlichen Einflüsse der Massenmedien oder schlicht die Langeweile? Neben der Studie von Pastor Clemens Schultz erschien im Jahre 1957 auch eine Untersuchung von Curt Bondy zum Problem der Halbstarken und den Halbstarken-Krawallen.[13]
Die Massenmedien verleihen öffentlichen Problemen ein Ansehen. In der vorliegen Arbeit geht es darum, die Reaktion der Presseberichterstattung zum „Halbstarken-Phänomen“ zu ermitteln und das Bild des „Halbstarken“, das durch die Medien vermittelt wurde, zu beschreiben und zu überprüfen.
2. Vorbild Amerika: Darstellung in Film, Fernsehen und der BRAVO
In den 50er Jahren wurde Amerika zum Synonym für die Heranwachsenden und der "American way of life" zur Waffe der Jugendlichen gegen die restriktiven Forderungen.[14] Vor allem der Freizeitmarkt boomte. Die Mehrzahl der Produkte kam aus den USA und bot beste Voraussetzung für die Massenproduktion von Konsumgütern in Deutschland. Mit dieser Veränderung kam jedoch auch etwas „Vulgäres“ ins Land. Comics, neue Kleidungsstile und „Teenager"-Filme, die ein in Lederjacken daherkommendes Rowdytum verherrlichten- eine Erschütterung für die damalige deutsche Leitkultur als eine neue Form jugendlicher Aufsässigkeit drohte sich zu verbreiten.[15] Der Stil der Halbstarken und Rock’n’Roller beinhaltete überhaupt ein sehr erotisch aufgeladenes Auftreten.[16]
Für die Halbstarken waren Comics und Zeitschriften wie die „Bravo“ als Medium besonders wichtig.[17] Die Bedeutung dieser Jugendzeitschrift lag darin, die unterschwellige Unzufriedenheit aufzufangen und zu kanalisieren.[18] Zentraler Gegenstand waren Stars und die Prominenten von Film Fernsehen und Schallplate. Eine Rebellion gegen die Welt der Erwachsene findet hier jedoch nicht statt. Es bildete sich eine Abgrenzung, wodurch sich die Bravo ein kritisches Image aufbaute.
Eine Kluft zwischen Jungen und Erwachsene konnte entstehen, da die Jugendlichen unterstützend von der Zeitschrift als „unverstanden“ dargestellt wurden.[19] Dies stellte aber ein Problem dar, da sich die Redakteure in einer besonderen Position befanden, in der sie zu frühester Zeit die jungen Menschen als Erwachsene erreichen konnten. Diese Sonderstellung hätte genutzt werden sollen um auf Konflikte aufmerksam zu machen und nicht von ihnen abzulenken. So stellte sich die BRAVO eindeutig auf die Seite der Jugendlichen.
Plätze, wie etwa Kinos, Parks oder Milchbars wurden von den Halbstarken für sich beansprucht.[20] Das Auftreten innerhalb von Gruppen ermöglichte es den Jugendlichen sich in ihrer Position sicher zu fühlen. Einmal pro Woche in das Kino zu gehen war für 60 Prozent der 1956 Befragten 1200 Kinder die Regel., wobei manche noch öfter gingen.[21] Das Kino war ein geeigneter Treffpunkt für Cliquen und nicht selten endete der Besuch eines angesagten Filmes mit einem Halbstarken-Krawall.[22] „Det is doch wie Kino“, antworteten Jugendliche auf die Frage, warum sie im Sommer 1956 an den ersten westdeutschen „Halbstarken“-Protesten in Berlin teilgenommen hatten, und entsprachen damit dem Bild, das sich die Presse von ihnen gemacht hatte („Kommunistische Hetzer in der Afrikanischen Straße“, in: Der Tagesspiegel, 21.7.1956).[23] Während die post-nationalsozialistische deutsche Filmindustrie Produktionen wie „Hunde, wollt ihr ewig leben", „Division Brandenburg" oder „So war der deutsche Landser" auf den Markt brachte, stürmten die Jugendlichen in Filme mit amerikanischen Rebellen wie Marlon Brando („Der Wilde", 1953, „Die Faust im Nacken", 1954) und James Dean („… denn sie wissen nicht, was sie tun", 1955, "Jenseits von Eden", 1955, "Giganten", 1956), die die Frage nach dem Sinn von Ordnung und Unterordnung stellten und somit die Männer der Kriegsgeneration im Kern ihrer Identität trafen und infrage stellten.[24] Allgemein übten diese Filme eine starke Anziehungskraft auf die gesamten Jugendlichen aus. Man musste kein „Halbstarker“ sein um im Kino die angesagten Idole bestaunen zu wollen. Ein großer Teil der restlichen minderjährigen Bevölkerung hatte auch ein großes Interesse daran den Trend der amerikanischen Teenager zu verfolgen.
[...]
[1] Zahn, Susanne, „Außer Rand und Band“. Die Halbstarken, in: Foitzik , Doris ( Hrsg .), Vom Trümmerkind zum Teenager . Kindheit und Jugend in der Nachkriegszeit, Bremen 1992, S.111.
[2] Farin, Klaus, Die Halbstarken, Bundeszentrale für politische Bildung, 2010 <http://www.bpb.de/themen/V9JYLC,0,0,Die_Halbstarken.html> (Zugriff 07.05.2011)
[3] Farin, Klaus, Vaterlose Jugend , Bundeszentrale für politische Bildung, 2010 <http://www.bpb.de/themen/W0ACBB,0,0,Vaterlose_Jugend.html> (Zugriff 07.05.2011)
[4] Farin, Klaus, Vaterlose Jugend , Bundeszentrale für politische Bildung, 2010 <http://www.bpb.de/themen/W0ACBB,0,0,Vaterlose_Jugend.html> (Zugriff 07.05.2011)
[5] Zahn, Susanne, „Außer Rand und Band“. Die Halbstarken, S.114.
[6] Wendler, Hanna, Die Halbstarken - Habitus, Mode und Stil. Eine jugendliche Subkultur der 50er Jahre, Deutsche Geschichte, 2009 <http://hanna-wendler.suite101.de/die-halbstarken-habitus-mode-und-stil-a58298> (Zugriff 27.09.2011)
[7] Farin, Klaus, Die Halbstarken, Bundeszentrale für politische Bildung, 2010 <http://www.bpb.de/themen/V9JYLC,0,0,Die_Halbstarken.html> (Zugriff 07.05.2011)
[8] Farin, Klaus, Vaterlose Jugend , Bundeszentrale für politische Bildung, 2010 <http://www.bpb.de/themen/W0ACBB,0,0,Vaterlose_Jugend.html> (Zugriff 07.05.2011)
[9] Wendler, Hanna, Die Halbstarken - Habitus, Mode und Stil. Eine jugendliche Subkultur der 50er Jahre, Deutsche Geschichte, 2009 <http://hanna-wendler.suite101.de/die-halbstarken-habitus-mode-und-stil-a58298> (Zugriff 27.09.2011)
[10] Zulliger, Hans, Jugendliche und Halbstarke. Ihre Psychologie und ihre Führung, Zürich 1958,S.22.
[11] Walther, Clara, Jugend in den 50er Jahren, Planet Wissen, 2009 <http://www.planet-wissen.de/politik_geschichte/nachkriegszeit/jugend_in_50er_jahren/index.jsp> (Zugriff 28.09.2011)
[12] Wendler, Hanna, Die Halbstarken - Habitus, Mode und Stil. Eine jugendliche Subkultur der 50er Jahre, Deutsche Geschichte, 2009 <http://hanna-wendler.suite101.de/die-halbstarken-habitus-mode-und-stil-a58298> (Zugriff 27.09.2011)
[13] Hospelt, Charlotte, Die Presseberichterstattung zum Thema Jugendprotest in der Bundesrepublik Deutschland. Eine inhaltsanalytische Untersuchung von Zeitungsartikeln aus den Jahren 1956 bis 1983, Diss. Uni. Köln 1994, S.19.
[14] Farin, Klaus, Vaterlose Jugend , Bundeszentrale für politische Bildung, 2010 <http://www.bpb.de/themen/W0ACBB,0,0,Vaterlose_Jugend.html> (Zugriff 07.05.2011)
[15] Farin, Klaus, Einführung, Bundeszentrale für politische Bildung, 2010 <http://www.bpb.de/themen/CS3AGS,0,Einf%FChrung.html> (Zugriff 07.05.2011)
[16] Farin, Klaus, Vaterlose Jugend , Bundeszentrale für politische Bildung, 2010 <http://www.bpb.de/themen/W0ACBB,0,0,Vaterlose_Jugend.html> (Zugriff 07.05.2011)
[17] Bartl, Rita, Jugend und Subkultur, München 2003
<http://books.google.de/books?id=zKZXNzpIVmkC&pg=PA5&lpg=PA5&dq=die+Halbstarken+Jugend+und+Subkultur+von+Rita+Bartl&source=bl&ots=0JQXXTR0Pm&sig=YF0OUR9MWBnXZxqlLUVTRB837I&hl=de&ei=oYiZTp7GHoKF4gSn1v3yAw&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=3&ved=0CC0Q6AEwAg#v=onepage&q&f=false> (Zugriff 27.09.2011)
[18] Zoll, Ralf/Hennig, Eike, Massenmedien und Meinungsbildung. Angebot, Reichweite, Nutzung und Inhalt der Medien in der BRD, München 1970, S.242.
[19] Zoll, Ralf/Hennig, Eike, Massenmedien und Meinungsbildung., S.245f.
[20] Wendler, Hanna, Die Halbstarken - Habitus, Mode und Stil. Eine jugendliche Subkultur der 50er Jahre, Deutsche Geschichte, 2009 <http://hanna-wendler.suite101.de/die-halbstarken-habitus-mode-und-stil-a58298> (Zugriff 27.09.2011)
[21] Scherl, Katja, „Det is doch wie Kino.“ Marlon Brandos „Der Wilde“ als Vor- und Abbild jugendlicher Subkultur, in: Thomas, Tanja (Hrsg.) Medienkultur und soziales Handeln, Wiesbaden 2008,S.136.
[22] Scherl, Katja, „Det is doch wie Kino.“, S.136.
[23] Scherl, Katja, „Det is doch wie Kino.“, S.119.
[24] Farin, Klaus, Vaterlose Jugend , Bundeszentrale für politische Bildung, 2010 <http://www.bpb.de/themen/W0ACBB,0,0,Vaterlose_Jugend.html> (Zugriff 07.05.2011)