Wörterbücher als Propagandamittel im Nationalsozialismus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

31 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sprache im Nationalsozialismus
2.1 Abriss des sprachgeschichtlichen Hintergrunds
2.2 Zum Begriff „Sprache des Nationalsozialismus“
2.2.1 Bibliographischer Überblick
2.2.2 Gibt es eine „Sprache des Nationalsozialismus“?
2.3 Moralisierende Sprachkritik
2.4 Wirkung der Sprache im Nationalsozialismus

3. Wörterbücher in der NS-Zeit
3. 1 Methodische Konsequenzen
3.2 Frühe Entnazifizierung von Wörterbüchern

4. Zusammenfassung

Anhang

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Veränderungen im Sprachgebrauch zur Zeit des Nationalsozialismus sind Gegenstand vieler verschiedener Untersuchungen. Allerdings befassen sich eher wenige davon mit den Wörterbüchern der nationalsozialistischen Zeit, um zu klären ob und wie die Darstellung des allgemeinsprachlichen Wortschatzes in den Nachschlagewerken dieser Zeit den Bedingungen der totalitären Ideologie angepasst wurde. Dies soll in der vorliegenden Arbeit zusammenfassend geschehen.

Dafür wird zuerst ein Überblick darüber gegeben, wie sich der nationalsozialistische Sprachgebrauch im allgemeinen auszeichnete. Einführend wird ein kurzer Abriss des sprachgeschichtlichen Hintergrundes gegeben und die Terminologie dahingehend geklärt, ob man überhaupt von der Sprache des Nationalsozialismus reden kann. Auch ein kleiner Exkurs in die moralisierende Sprachkritik wird gegeben.

Im Hauptteil der Arbeit wird auf die Verwendung von Wörterbüchern als Propagandamittel der Nationalsozialisten im genaueren eingegangen. Es werden die verschiedenen methodischen Möglichkeiten genannt, mit Hilfe derer es den Nationalsozialisten möglich war, durch gezielte Eingriffe und Veränderungen den Adressaten zu manipulieren. Dabei wird sowohl auf die Wörterverzeichnisse an sich, als auch auf die Einleitungen bzw. Vorwörter eingegangen werden.

Nach einer Aufstellung aller methodischen Möglichkeiten wird sich der Frage gewidmet, wie diese Änderungen wieder rückgängig gemacht wurden, vor allem wie schnell und wie gründlich dies geschah. Dazu wird exemplarisch der Duden - das als das populärste deutsche Wörterbuch bezeichnete Nachschlagewerk - zurate gezogen und zwei aufeinanderfolgende Auflagen miteinander verglichen: die 12. Auflage von 1942 und die 13. Auflage von 1948.

Aufgrund des beschränkten Umfanges dieser Arbeit ist es nur möglich, einen groben Überblick über das Thema zu bieten. Zur weiterführenden Lektüre möge auf die Literaturliste verwiesen werden.

2. Sprache im Nationalsozialismus

2.1 Abriss des sprachgeschichtlichen Hintergrunds

Weder ist es aus Platzgründen möglich, noch sinnvoll an dieser Stelle eine Zusammenfassung sämtlicher geschichtlicher Ereignisse rund um die Herrschaft der Nationalsozialisten darzulegen. Da die geschichtlichen Hintergründe als bekannt vorausgesetzt werden können, soll sich daher an dieser Stelle darauf beschränkt werden, den sprachlichen Hintergrund dieser Zeit zu beleuchten.

Wolfgang Werner Sauer stellt in seiner Arbeit zum Sprachgebrauch der Nationalsozialisten vor 1933 fest, dass - sollte es so etwas gegeben haben wie eine typische Sprache des Nationalsozialismus - diese in der „Normalität der Weimarer Republik“ entstanden sein muss (vgl. Sauer 1978, 9). Er geht davon aus, dass die Ursprünge dieser Sprachform schon lange vor 1918 zu suchen sein müssten, dass die „NS-Sprache“ als geschlossenes Gebilde aber „erst mit der Konsolidierung der NSDAP sichtbar geworden“ ist (ebd). Bis heute besteht kein scharfes Bild der deutschen Sprache zur Zeit der Weimarer Republik, genauer: „von den Verhältnissen innerhalb des gemeinsprachlichen Wortschatzes und den soziokulturellen Faktoren der Verwendungsweisen der Wörter“ (Haß-Zumkehr, 203), zumal die mit den gesellschaftlichen Veränderungen einhergehenden Veränderungen im Sprachgebrauch an der deutschen Philologie spurlos vorbeigingen. Im Gegensatz dazu sind zu der politischen Sprache der Nationalsozialisten viele Arbeiten zu finden.

Einvernehmlich wird beschrieben, dass die NSDAP bereits lange vor dem Machtantritt eine immense Propaganda entfaltete (vgl. Sauer 1978, 4), die sich schon damals durch sprachliche Besonderheiten auszeichnete. So waren selbst scheinbar unpolitische Veranstaltungen national- sozialistischer Organisationen in hohem Maße sprachlich geprägt. In deren Mittelpunkt stand meist die Rede eines Repräsentanten der Partei. Diese inhaltlich oft allgemein gehaltenen Reden wurden landesweit im Radio übertragen, erreichten so fast jeden Haushalt und wurden zusätzlich oft noch abgedruckt. Somit war es die gesprochene Rede, „die den Stil der öffentlichen Sprache der damaligen Zeit prägte“ und dazu führte, dass gesprochene und geschriebene Sprache sich stark anglichen. Der Umstand, dass durch den Historismus die „einseitig diachronische Betrachtungsweise der traditionellen Sprachwissenschaft, Philologie und Sprachlehre […] in Deutschland […] länger und ausschließlicher gepflegt wurde“ (Polenz 1970, 162), in der zeitgenössischen Sprachwissenschaft also eine starke Affinität zu vergangenen Sprachstufen und nationalen Mythen herrschte, hat dazu geführt, dass die zeitgenössischen Wörterbuchmacher sich meist freiwillig in den Dienst der Nationalsozialisten stellten. Somit war vonseiten der Lexikographen kein Widerstand, sondern vielmehr Unterstützung zu erwarten.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass ein wichtiges Untersuchungsmerkmal sein muss, die Sprache zur Zeit der Nationalsozialisten nicht aus dem Kontext der übrigen deutschen Sprache und Gesellschaft zu trennen. Mit diesem Sachverhalt, der zu größeren Unstimmigkeiten bei einer Begriffsstimmung geführt hat, beschäftigt sich das folgende Unterkapitel.

2.2 Zum Begriff „Sprache des Nationalsozialismus“

2.2.1 Bibliographischer Überblick

Zu der sogenannten „Sprache des Nationalsozialismus“ (vgl. Kapitel 2.2.2 zur Diskussion des Begriffes) wurden viele verschiedene Untersuchungen veröffentlicht, die im Folgenden kurz geschichtlich eingeordnet werden sollen. Häufig kann der Entstehungszeitpunkt Aufschluss über die Perspektive dieser Sekundärtexte geben.

Die erste bekannt gewordene Studie zu dem Thema wurde 1934 von einem aktiven Nationalsozialisten verfasst (vgl. Sauer 1978, 13-14)1 und zeichnet sich weniger durch ihre wissenschaftliche als ihre dokumentarische Bedeutung aus. Besonders zwischen 1933 und 1945 finden sich viele Arbeiten, die aus nationalsozialistischer Sicht geschrieben wurden und unter dem selben Mangel leiden (vgl. Müller, 14). Zwar gibt es auch einige kritische Untersuchungen wie z. B. von Karl Kraus2 und Heinz Paechter3, doch sind solch kritische Arbeiten durchweg kürzer und wurden erst später oder nur im Ausland publiziert. Eine bekannte Arbeit, die ebenfalls er später veröffentlicht wurde, ist die „Lingua tertii imperii“ (1947/1949) von Victor Klemperer, einem jüdischen Autor, der eine Art philologisch angelegtes Tagebuch geschrieben hat und dabei Redewendungen und Wörter in Beziehung gesetzt hat zu den entsprechenden Situationen und Sprechern. Klemperer hat nicht nur Quelle, Kontext und Anwendungsfall vermerkt, sondern auch die Reaktion möglicher Gesprächspartner, sowie Angaben dazu, wann er das Wort zum ersten Mal registrierte (vgl. ebd., 16). Sein Buch gilt noch heute als wichtiges Zeitdokument.

Ebenfalls in ähnlichem zeitlichen Rahmen erschien eine Arbeit von Sternberger/Storz/Süskind (1945) in Form mehrerer Beiträge in der Zeitschrift „Die Wandlung“, die sich jedoch stark moralisierend gestaltete und daher erst im Kapitel 2.3 Erwähnung finden wird.

Kurz nach 1945 werden eher wenige Arbeiten zum Thema eines nationalsozialistischen Sprachgebrauches veröffentlicht, jedoch beginnt gegen Ende der fünfziger Jahre eine „Flut von Veröffentlichungen über die 'Sprache des Nationalsozialismus', die bis in die frühen siebziger Jahre anhält“ (Müller, 17). Zwar hätten die Arbeiten zu diesem Thema seit Mitte der siebziger Jahre deutlich abgenommen, jedoch sei das Themenspektrum nun umfassender und gleichzeitig differenzierter. Während weiterhin beklagt wird, dass die Analyse des NS-Sprachgebrauchs oft auf rein lexikalischem Material beruht und dass geschlossene Textanalysen wünschenswert wären, zeigt Müller am Beispiel der Arbeit von Utz Maas4, dass „die vielen Aspekte, die berücksichtigt werden müssen, niemals vollständig erfaßt werden können“ (Müller, 19), denn schließlich sei der Schwierigkeitsgrad allein schon durch den großen Umfang einer solchen Arbeit sehr hoch. Nichtsdestotrotz kann man Versuche solcher komplexen Textanalysen immer häufiger finden während von Einzelwortanalysen mehr und mehr abgesehen wird oder entsprechende Vokabeln zumindest in Bezug gesetzt werden zu den entsprechenden Texten (vgl. ebd).

2.2.2 Gibt es eine „Sprache des Nationalsozialismus“?

Während es normalerweise oft der Fall ist, dass in einem Forschungsprozess verschiedene Wissenschaftler aufeinander aufbauend ihren Forschungsgegenstand so genau bearbeitet haben, dass sich schließlich eine feststehende Bezeichnung notwendig ergibt und herausarbeitet, war dies bei der „NS-Sprache“ nicht der Fall. Stattdessen konstruierten verschiedene Autoren etwa zur gleichen Zeit diesen oder ähnliche Begriffe, die, einmal ins Leben gerufen, ein zähes Eigenleben bewiesen (vgl. Sauer 1978, 12). Tatsächlich gab es sowohl nationalsozialistische Autoren, als auch Gegner des nationalsozialistischen Systems, die, ohne Wissen von den Arbeiten der jeweils anderen, zu dem Ergebnis kamen, dass es eine eigenständige Sprache des Nationalsozialismus gebe.

Während bis in die Mitte der sechziger Jahre Begriffe wie „NS-Sprache“ keinerlei Anstoß erregen, da ja auch das NS-System als ein Phänomen galt, das außerhalb gesellschaftlicher Entwicklungen stand, ändert sich dieses Bild nach 1965 (vgl. Müller, 25).

Durch das faschismustheoretische Werk Noltes („Faschismus in seiner Epoche“), wird eine Diskussion ausgelöst, die den Nationalsozialismus nicht mehr als isoliertes Phänomen betrachtet und somit auch die passenden Begriffe zur Beschreibung des damaligen Sprachstils wie „NS-Sprache“ in Frage stellt. Auch in den Folgejahren werden Begriffe wie diese immer weiter kritisiert und zu widerlegen versucht.

Sauer bemängelt schon in den Siebziger Jahren, dass in der Literatur zu diesem Thema oftmals der Gegenstand isoliert betrachtet und nicht im Zusammenhang einer kontinuierlichen Entwicklung gesehen wurde, was „zur Entstehung einer begrifflichen Vorstellung von einer Sprache des Nationalsozialismus bei[trug]“ (Sauer 1978, 7). Er sieht den Grund für die Popularität dieses Begriffes in einem Publikum, das zwar versucht sich vom Faschismus moralisch zu distanzieren, dem aber gleichzeitig ein analytisches Verständnis fehlt. Somit sei die Literatur über die „Sprache des Nationalsozialismus“ oft nur Literatur über allgemeine Probleme des Faschismus ohne geschichtlichen Zusammenhang (vgl. ebd., 6). Ferner kritisiert Sauer, dass Einzelne, namentlich Hitler und Goebbels, als die großen Sprachschöpfer bezeichnet würden und somit die Sprachlenkung im Dritten Reich völlig überschätzt werde. Dahingegen seien weder das Reichs- propagandaministerium, noch überhaupt irgendwelche einzelnen Personen allmächtige Herrscher über den damaligen Sprachgebrauch in Presse und Rundfunk gewesen, sondern konnten lediglich inhaltliche Restriktionen anordnen (vgl. ebd., 8).

Polenz bemängelt in ähnlicher Weise die „nachträglicher Rechtfertigung dienende Vorstellung“, dass der nationalsozialistische Sprachgebrauch als etwas „Fremdes“ über Deutschland hereingebrochen sei und zu etwas neuem und unbekannten verführt habe. Stattdessen hätten sich die NSDAPler lediglich des bereits gewohnten und teils schon in der Schule gelernten politischen Sprachgebrauchs bedient und je nach Publikum oder Thema noch rhetorisch angepasst (vgl. Polenz 1999, 548).

Polenz weist weiter darauf hin, dass man sehr wohl zwischen der „Sprache des Nationalsozialismus“ und der „Sprache im Nationalsozialismus“ trennen müsse, also zwischen dem eigenständigen Sprachgebrauch der NSDAP seit 1920 und diesem Sprachgebrauch einschließlich der „verschiedene[n] Traditionen politischer Sprache, die 1933 bis 1945 im Deutschen Reich wirksam waren“ (ebd., 547). Für ihn gab es eine spezifische „Nazisprache“ nicht (vgl. Polenz 1970, 164). Bezüglich der Methodik kritisiert er, dass einzelne Wörter oft ohne entsprechende Textanalyse und ohne Kontext zusammengestellt wurden und dann zu Elementen eben jeder „Nazisprache“ erklärt wurden. Diese Einzelwortmethode eigne sich deshalb schlecht für eine Analyse, da Wortbedeutungen vom Kontext her determiniert würden (vgl. ebd., 164-165). Er stimmt mit dem weiter oben genannten Kritikpunkt überein, dass die speziellen sprachlichen Merkmale der damaligen Zeit vielmehr im Textzusammenhang untersucht werden müssten.

Müller fasst abschließend zusammen, dass die sogenannte „NS-Sprache“ keine von Hitler oder Goebbels geformte willkürliche Ansammlung von Wörtern sei, die nach 1933 in Umlauf gebracht wurde und 1945 wieder verschwand. Natürlich seien viele solcher Kennzeichen der NS-Sprache schon vorher bekannt gewesen. Trotzdem ist sie der Meinung, dass durch Begriffe wie zum Beispiel „NS-Sprache“, „Vokabularium des Dritten Reichs“ oder „Nazideutsch“ nicht unbedingt eine eigene Sprache, sondern vielmehr eine besondere Art der Sprachverwendung durch die nationalsozialistische Partei gemeint sein kann und sie nicht auf diese Begriffe verzichten möchte. Sie schließt ab mit der Vermutung, dass sich eine Vermeidung solcher Begriffe aufgrund ihres hohen Signalwertes auf Dauer ohnehin nicht durchsetzen könne (vgl. Müller, 27).

Ich gehe ebenfalls trotz aller genannten Kritikpunkte mit Müller konform und werde diese und ähnliche Begriffe in der vorliegenden Arbeit pro forma und von nun an ohne Anführungszeichen benutzen. Der Leser sollte sich jedoch der verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten dieser Begriffe bewusst bleiben und wissen, dass allein diese „besondere Art der Sprachverwendung durch die deutschen Faschisten während ihrer Herrschaftszeit“ (Kinne, 5) gemeint ist.

2.3 Moralisierende Sprachkritik

Das wohl bekannteste Werk aus dem Bereich der moralisierenden Sprachkritik ist das „Wörterbuch des Unmenschen“ (1945 ff./1968) von Sternberger/Storz/Süskind; ebenso im Zentrum steht jedoch auch Weisgerbers „Der Mensch im Akkusativ“ (1957 f./1962), sowie weitere Arbeiten von meist in den USA publizierten Autoren (vgl. Müller, 22).

Exemplarisch wird hier der Fokus auf dem erstgenannten Werk liegen.

Mit dem „Wörterbuch des Unmenschen“ wird das Ziel verfolgt, nach 1945 nationalsozialistisches Sprachgut aufzudecken. Es wird die Ansicht vertreten, dass das Vokabular einer Sprache durch die Nutzung durch einen Sprecher selbst zum Träger von Unmoral und Schuld wird (vgl. ebd., 16). Dabei liegt der Fokus in diesem Wörterbuch gerade nicht auf Wörtern, die vielleicht als typisch für die NS-Sprache gelten würden, sondern auf solchen, die die faschistische Konnotation eher versteckt in sich tragen. Vor allem auf Elementen der Verwaltungssprache liegt ihr Fokus, denn

„[d]as Vokabular der Rassenideologie oder des Antisemitismus sowie Bezeichnungen für parteiorganisatorische Einrichtungen verschwinden weitgehend mit dem Niedergang der nationalsozialistischen Herrschaft“ (Müller, 17).

Daher werden stattdessen Worte wie organisieren, Raum und Ausrichtung ausführlich im „Wörterbuch des Unmenschen“ behandelt.

Im Gegensatz zu diesen Annahmen und Vorgehensweisen verneinen Linguisten, dass Sprache oder einzelne Wörter selbst zum Träger moralischer Kategorien gemacht werden könnten. Es sei der Sprecher und nicht die Sprache, der zum Punkt der Bewertung gemacht werden müsse:

„Urteile über einen Wortgebrauch im Sinne von Sprachkritik sind nur möglich, wenn sie als Sprecherkritik den jeweiligen (inner- und außersprachlichen Kontext berücksichtigen, denn Wörter existieren niemals als solche, sondern nur als Elemente bestimmter Sätze bestimmter Sprecher in bestimmten Situationen“ (Polenz 1970, 161).

Müller stellt zudem fest, dass unklar bleibt, ob es den moralisierenden Sprachkritikern eigentlich um Sprachkritik oder Gesellschaftskritik geht, denn meist ginge es ihnen eher um politische Motive, denn um ein enges sprachwissenschaftliches Interesse.

Ferner werden den moralisierenden Sprachkritikern Mängel in der Methode vorgeworfen, sie werden den germanistischen Linguisten dadurch sogar teilweise gegenübergestellt, wie die folgende Aussage von Heringer deutlich macht:

„Die antifaschistischen Kritiker waren aber selbst eher elitär und ihre Sprachkritik methodisch eher unreflektiert. Ihren professionellen Kritikern, den germanistischen Linguisten, hingegen erschien methodische Sauberkeit als das Höchste. Sie wollten lieber den Gegenstand unberührt lassen, als methodisch unhygienisch werden“5.

Die Diskussion abschließend stellt Müller fest, dass „[d]ie Auffassung, daß Sprache eine mythische Kraft oder eine personifizierte Macht sei, […] heute im sprachwissenschaftlichen Diskurs kein ernstzunehmendes Thema“ mehr sei (Müller, 25). Von der moralisierenden Ansichtsweise wird sich auch in dieser Arbeit distanziert und Sprache stattdessen lediglich als Instrument betrachtet, dessen sich ein Sprecher bedienen kann und welches er, im Falle des nationalsozialistischen Regimes, auch missbrauchen kann.

[...]


1 Vgl. Pechau, Manfred (1935): Nationalsozialismus und deutsche Sprache. Greifswald (Diss).

2 Vgl. Kraus, Karl (1952/1965): Die Dritte Walpurgisnacht. 3., unveränderte Aufl. 6.-8. Tausend. (Wurde im Jahre 1933 geschrieben und war ursprünglich als Heft der Zeitschrift „Die Fackel“ gedacht)

3 Vgl. Paechter, Heinz (1944): Nazi-Deutsch. A Glossary Of Contemporary German Usage. New York.

4

5 Heringer, Hans-Jürgen (1986): Zur Einführung [zur Sektion A IV: Sprachkritik und Sprachbewertung, 219 ff.]. In: G. Stötzel (Hrsg.): Germanistik - Forschungsstand und Perspektiven. Vorträge des Deutschen Germanistentages 1984. 1. Teil: Germanistische Sprachwissenschaft. Didaktik der Deutschen Sprache und Literatur. Berlin/New York, 219-221. Zitiert in Senya Müller, S. 23

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Wörterbücher als Propagandamittel im Nationalsozialismus
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Institut für Sprach- und Kommunikationswissenschaft)
Veranstaltung
Lexikographie
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
31
Katalognummer
V195579
ISBN (eBook)
9783656213888
ISBN (Buch)
9783656214151
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
NS, Nationalsozialismus, Nazis, Wörterbücher, Wörterbuch, Duden, Trübner, Hitler, Weltkrieg, Propaganda, Goebbels, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, nationalsozialistisch
Arbeit zitieren
Katja Sontag (Autor:in), 2012, Wörterbücher als Propagandamittel im Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195579

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Wörterbücher als Propagandamittel im Nationalsozialismus



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden