Plyometrics vs. Complex Training – Ein Vergleich zweier Trainingssysteme aus dem Bereich des Schnellkrafttrainings


Examensarbeit, 2010

135 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1. Einleitung
1.1 Grundsatzliche Ziele und Fragestellungen dieser Arbeit ...
1.2 Struktur der Arbeit
1.3 Hypothesenbildung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Muskulare Aktionsformen
2.1.1 Isometrische Muskelaktion
2.1.2 Konzentrische Muskelaktion
2.1.3 Exzentrische Muskelaktion
2.1.4 Kombinierte Muskelaktion im
Dehnungs-Verkurzungszyklus (DVZ)
2.2 Motorische Grundeigenschaft Kraft
2.2.1 Der Begriff “Kraft“
2.2.2 Struktur der motorischen Kraft
2.2.3 Maximalkraft
2.2.4 Kraftausdauer
2.2.5 Schnellkraft
2.2.5.1 Startkraft
2.2.5.2 Explosivkraft
2.2.5.3 Die Erscheinungsformen der
Schnellkraft
2.2.5.4 Reaktivkraft - Schnellkraftleistung im DVZ
2.2.5.5 Zusammenhang von Maximalkraft
und Schnellkraft
2.3 Physiologische Aspekte der Kraftentfaltung und Kraftsteige-
rung
2.3.1 Muskel- und neurophysiologische Grundlagen
2.3.2 Aufbau des Skelettmuskels
2.3.3 Kontraktion quergestreifter Muskulatur
2.3.4 Die Morphologie der motorischen Einheiten und Muskel-
fasertypen
2.4 Steuerungsfunktionen im neuromuskularen System
2.4.1 Frequenzierung
2.4.2 Rekrutierung
2.4.3 Synchronisierung
2.5 Adaptative Mechanismen im Kraft- und
Schnellkrafttraining
2.5.1 Neuronale Adaptation
2.5.1.1 Intramuskulare Koordination
2.5.1.2 Intermuskulare Koordination
2.5.2 Morphologische Adaptation
2.5.2.1 Hypertrophie
2.5.2.2 Hyperplasie
2.5.2.3 Muskelfasertypentransfer
2.6 Trainingsmethoden
2.6.1 T rainingsmethoden zur Verbesserung der
Maximalkraft
2.6.1.1 Maximalkrafttrainingsmethoden zur
Vergro&erung des Muskelquerschnitts
2.6.1.2 Maximalkrafttrainingsmethoden zur
Verbesserung der willkurlichen Aktivierungsfahigkeit
2.6.2 Methoden zur Verbesserung der Schnellkraft und des
reaktiven Kraftverhaltens
2.6.2.1 Schnellkraftmethode I & II
2.6.2.2 Methode nach dem Prinzip der
Muskelleistungsschwelle
2.6.2.3 Reaktives Training zur Verkurzung des
DVZ
2.6.2.4 Reaktives Training zur Verbesserung der
reaktiven Spannungsfahigkeit
2.6.2.5 Exzentrisch-konzentrische
Maximalkontraktionen
2.6.2.6 Desmodromisches Krafttraining
2.6.2.7 Vibrationstraining

3. Literaturvorstellung zu den Trainingssystemen
3.1 Plyometrics
3.1.1 Ausgewahlte Trainingstudien zu Plyometrics
3.2 Das physiologische Prinzip Postactivation-Potentiation
3.3 Complex Training
3.3.1 Ausgewahlte Trainingsstudien zum Complex Training

4. Untersuchungsmethodik
4.1 Vorstellung der Probandengruppe
4.2 Trainingskonzeption
4.2.1 Trainingsprogramm Plyometrics
4.2.1.1 Trainingsdetails und Trainingsplane
4.2.1.2 Trainingsablauf
4.2.2 Trainingsprogramm Complex Training
4.2.2.1 Trainingsdetails und Trainingsplane
4.2.2.2 Trainingsablauf
4.3 Erhebungsmethode
4.3.1 Lokomotorische Schnellkraft
4.3.2 Vertikale und horizontale Sprungkraft
4.4 Auswertungsmethoden
4.4.1 Mathematisch statistisches Verfahren
4.4.2 Graphische Darstellung
4.4.3 Gutekriterien

5. Untersuchungsergebnisse
5.1 Trainingsverlauf
5.2 Untersuchungsergebnisse lokomotorische Schnellkraft
5.2.1 Fliegende 20m Sprints Plyometrics
5.2.2 Fliegende 20m Sprints Complex Training
5.2.3 Schlieftende Statistik
5.3 Untersuchungsergebnisse vertikale Sprungkraft
5.3.1 Abalakov-Test Plyometrics
5.3.2 Abalakov-Test Complex Training
5.3.3 Schlieftende Statistik
5.4 Untersuchungsergebnisse horizontale Sprungkraft
5.4.1 Standweitsprung Plyometrics
5.4.2 Standweitsprung Complex Training
5.4.3 Schlieftende Statistik

6. Diskussion
6.1 Methodenkritik
6.1.1 Bewertung des Abalakov-Tests
6.1.2 Bewertung des Standweitsprungs
6.1.3 Bewertung des fliegenden 20m Sprints

7. Zusammenfassung und Ausblick

8. Folgerung fur die Trainingspraxis

9. Literaturverzeichnis

10. Anhang

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: Kraft - Zeitkurve (PAMPUS, 2001)

Abbildung 2: Kraft-Zeit-Kurve mit den Schnellkraftparametern Start- und Explosivkraft (PAMPUS, 2001)

Abbildung 3: Aufbau des Skelettmuskels (WANG, 1999)

Abbildung 4: Fitness-Fatigue Model (COMYNS, 2006)

Abbildung 5: Fliegende 20m Sprints

Abbildung 6: Standweitsprung (CHU, 1998)

Abbildung 7: Mittelwerte der Sprintleistung und prozentualen Verbesse- rung der Pra - u. Posttests / Untersuchungsgruppe Plyometrics

Abbildung 8: Abweichung der Sprintzeiten vom Mittelwert / Untersu­chungsgruppe Plyometrics Pratest

Abbildung 9: Abweichung der Sprintzeiten vom Mittelwert / Untersu­chungsgruppe Plyometrics Posttest

Abbildung 10: Mittelwerte der Sprintleistung und prozentuale Verbesse- rung der Pra- u. Posttest / Untersuchungsgruppe Complex Training

Abbildung 11: Abweichung der Sprintzeiten vom Mittelwert / Untersu­chungsgruppe Complex Training Pratest

Abbildung 12: Abweichung der Sprintzeiten vom Mittelwert / Untersu­chungsgruppe Complex Training Posttest

Abbildung 13: Vergleich der Mittelwerte der Sprintzeiten der Pra- u. Post­tests / Untersuchungsgruppen Plyometrics und Complex Training

Abbildung 14: Mittelwert der Sprunghohe und prozentualen Steigerung der Pra- und Posttests / Untersuchungsgruppe Plyometrics

Abbildung 15: Abweichung der Sprunghohe vom Mittelwert / Untersu­chungsgruppe Plyometrics Pratests

Abbildung 16: Abweichung der Sprunghohe vom Mittelwert / Untersu­chungsgruppe Plyometrics Posttests

Abbildung 17: Mittelwerte der Sprunghohe und prozentualen Verbesse- rung der Pra- u. Posttests / Untersuchungsgruppe Complex Training

Abbildung 18: Abweichung der Sprunghohe vom Mittelwert der Untersu­chungsgruppe Complex Training / Pratests

Abbildung 19: Abweichung der Sprunghohe vom Mittelwert der Untersu­chungsgruppe Complex Training / Posttests

Abbildung 20: Vertikale Sprungkraft: Vergleich der Mittelwerte der Unter­suchungsgruppen Plyometrics und Complex Training

Abbildung 21: Mittelwerte der Sprungweite der Pra- u. Posttests / Untersu­chungsgruppe Plyometrics

Abbildung 22: Abweichung der Sprungweite vom Mittelwert der Untersu­chungsgruppe Plyometrics / Pratests

Abbildung 23: Abweichung der Sprungweite vom Mittelwert der Untersu­chungsgruppe Plyometrics / Posttests

Abbildung 24: Mittelwerte des Standweitsprungs der Pra- u. Posttests /

Untersuchungsgruppe Complex Training

Abbildung 25: Abweichung der Sprungweite vom Mittelwert / Untersu­chungsgruppe Complex Training Pratests

Abbildung 26: Abweichung der Sprungweite vom Mittelwert / Untersu­chungsgruppe Complex Training Posttests

Abbildung 27: Horizontale Sprungkraft: Vergleich der Mittelwerte der Un- tersuchungsgruppen Plyometrics und Complex Training

Tabellenverzeichnis:

Tabelle 1: Vertikale Reaktionskrafte bei maximalen Belastungen verschie- dener sportlicher Bewegungen (PAMPUS, 2001)

Tabelle 2: Methoden zur VergroGerung des Muskelquerschnitts (PAMPUS, 2001)

Tabelle 3: Methoden zur Verbesserung der willkurlichen Aktivierungsfahig- keit (PAMPUS, 2001)

Tabelle 4: Schnellkrafttrainingsmethode TYP I & II (PAMPUS, 2001)

Tabelle 5: Methode nach dem Prinzip der Muskelleistungsschwelle TYP I & II (PAMPUS, 2001)

Tabelle 6: Reaktives Training zur Verkurzung des DVZ (PAMPUS, 2001)

Tabelle 7: Reaktives Training zur Verbesserung der reaktiven Spannungs- fahigkeit, (PAMPUS, 2001)

Tabelle 8: Exzentrisch-konzentrische Maximalkontraktionen (PAMPUS, 2001)

Tabelle 9: Mittelwerte ± Standardabweichung bezuglich Alter, Korpergro- Ge, Korpergewicht, Korperfettanteil differenziert nach Geschlecht

Tabelle 10: Mittelwerte ± Standardabweichung bezuglich Alter, Korpergro- Ge, Korpergewicht, Korperfettanteil der Untersuchungsgruppen

Tabelle 11: Grundlegende Trainingsparameter Plyometrics

Tabelle 12: Trainingsplan Woche 1-4 Plyometrics

Tabelle 13: Trainingsplan Woche 5-8 Plyometrics

Tabelle 14: Grundlegende Trainingsparameter Complex Training

Tabelle 15: Trainingsplan Woche 1-4 Complex Training

Tabelle 16: Trainingsplan Woche 5-8 Complex Training

1. Einleitung

Auf dem Gebiet der Trainingslehre hat sich die Einteilung der komponen- tenhaften Zusammensetzung der Kraftfahigkeit des menschlichen Korpers im Laufe der Zeit gewandelt. Dies ist besonders interessant in Hinblick auf die grundlegende Bedeutung der Kraft fur das alltagliche Leben als auch im besonderen MaGe fur die sportliche Leistung.

KOMI et al. (1994) beschreibt diese grundlegende motorische Eigenschaft wie folgt: „Korperliche Aktivitat und sportliche Leistung entstehen als Er- gebnis der Auswirkungen muskularer Kontraktionen auf das Hebelsystem des Knochengerusts.“

Gerade im Hinblick auf die sportliche Leistungsfahigkeit von Athleten ist ein sich immer weiterentwickelndes Verstandnis der menschlichen Kraftfa­higkeit deutlich erkennbar, als auch eine forcierte Entwicklung von spezifischen Trainingssystemen im Zuge des Spitzensports. Gerade im Bereich des Schnellkrafttrainings herrschte lang Verwirrung uber mogliche effektive Trainingsprogramme. VERHOSHANSKY und TATJAN begannen damit die Schnellkraft mittels Kraft-Zeit-Kurven naher zu analysieren und konnten dieses Kraftverhalten mit den zugrunde liegenden Teilkomponen- ten neu aufteilen. Gerade diese Neustrukturierung der bis Anfang der 80er Jahre herrschenden gleich gewichteten Aufteilung der einzelnen Kraftfa- higkeiten sorgte fur neue Betrachtungsweisen des Schnellkraftverhaltens. Die Maximalkraft wurde nun mehr als Basisfahigkeit verstanden und somit eine hierarchische Strukturierung eingefuhrt. Diese Neueinteilung beein- flusste in besonderem MaGe die methodischen Konzepte, welche innerhalb der Trainingspraxis Anwendung fanden.

So gibt BUHRLE (1985) an: „Die traditionelle Komponenten Maximalkraft und Schnellkraft sind haufig unzulanglich interpretiert und vor allem in ih- rem Zusammenhang nicht richtig erkannt.“ PAMPUS (2001) folgert bezuglich dieser Gegebenheit: „Das impliziert, dass in der Praxis nicht effizient trainiert wurde, so dass dadurch moglicherweise in einigen Sport- arten eine optimale Leistung gehemmt wurde.“

1.1 Grundsatzliche Ziele und Fragestellungen dieser Arbeit

Es haben sich im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Trainingssystemen ent- wickelt, welche spezifische Kraftfahigkeiten, wie z.B. die Maximalkraft oder auch die Schnellkraft, trainieren sollen.

Innerhalb der Trainingsgemeinschaft herrschte oft kein Konsens uber die Effektivitat einzelner Trainingssysteme. Gerade im Bereich des Schnell- krafttrainings gibt es unterschiedliche Auffassungen uber die Gestaltung eines moglichst zweckgerichteten, sowie effektiven Trainingsprogramms. Des Weiteren spielen neben physiologischen Erkenntnissen hinsichtlich des Schnellkraftverhaltens auch Erneuerungen im technischen Bereich eine groGe Rolle. Sowohl im Bezug auf Trainingsmittel als auch Erneue­rungen im Bereich der Leistungsdiagnostik haben sich neue Perspektiven der Gestaltung zukunftiger Trainingsprogramme ergeben .

Gegenstand dieser Arbeit ist es, zwei Trainingssysteme aus dem Bereich des Schnellkrafttrainings miteinander auf ihre Effektivitat hin zu verglei- chen. Diese sind Plyometrics und Complex Training.

Plyometrics gilt seit Anfang der 80er Jahre als ein legitimes Mittel zur Stei- gerung der Schnellkraft. Eine der bekanntesten Ubungen auf diesem Gebiet ist wohl der Tiefsprung. Gerade in Osteuropa konnte man wahrend dieser Zeit mittels plyometrischen Krafttrainings hohe Leistungssteigerun- gen erzielen, was sich in den Erfolgen der Athleten der Sowjetunion im Bereich Schnellkraftdisziplinen widerspiegelte. So gewann Valeri Borsov 1973 uber die 100m Sprintdistanz olympisches Gold und die Popularitat dieses Trainingssystems stieg stetig (vgl. CHU, 1998).

Complex Training als das zweite Trainingssystem, dass im Fokus dieser Untersuchung steht, setzt sich aus einer Kombination von Ubungen mit Gewichten und plyometrischen Ubungen zusammen. Diesem System liegt zugrunde, dass man durch ein sogenanntes "Preloading" (Vorbelastung durch Ubungen mit Gewichten) die sich anschlieGenden plyometrischen Ubungen in ihrer Effektivitat steigern kann und somit einen hoheren Schnellkraftzuwachs erlangt. Das physiologische Prinzip hinter Complex Training ist die sog. prahabtische Hemmung. Diese wird in der englischen Literatur auch als Postactivation Potentiation bezeichnet (vgl. DOCHERTY et al., 2004).

Der "Vater" beider Trainingssysteme ist der osteuropaische Sportwissen- schaftler Verhoshansky, welcher sowohl mit Plyometrics als auch Complex Training in der Trainingspraxis experimentierte und somit zwei viel ver- sprechende Trainingsysteme im Bereich des Schnellkrafttrainings entwickelte.

Mittels einer Trainingsstudie wurde nach einem 8-wochigen Trainingszeit- raum durch Pra- und Posttests die Veranderung des Schnellkraftverhaltens der Teilnehmer gemessen. 23 Teilnehmer beste- hend aus weiblichen und mannlichen Probanden wurden den zwei Trainingssystemen Plyometrics und Complex Training zugeteilt. Es wurde die lokomotorische Schnellkraft als auch die horizontale und vertikale Sprungkraft der teilnehmenden Probanden getestet.

Anhand der dokumentierten Ergebnisse soll ein Ruckschluss auf eine mogliche Souveranitat eines der getesteten Trainingssysteme gezogen werden. Dem liegt die grundlegende Frage zu Grunde, ob ein Trainingsys- tem ein anderes beeinflussen kann, wie dies im Complex-Training geschieht. Des Weiteren ist die Annahme einer Leistungssteigerung mit­tels Postactivation-Potentiation nicht unumstritten, da eine Steigerung des Schnellkraftverhaltens nach kontraktiler Aktivitat nicht immer bestatigt wer­den konnte (vgl. GARRANDES, COLSON, PENSINI, SEYNNES, LEGROS, 2007; ROBBINS, 2005).

Es stellt sich auf Grund dieser Gegebenheit die Frage, ob mittels Complex Training ein hoherer Schnellkraftzuwachs induziert werden kann als durch ein traditionelles plyometrisches Krafttraining?

1.2 Struktur der Arbeit

Diese Arbeit teilt sich grob in zwei Hauptteile ein.

Der erste Teil widmet sich dem theoretischen Hintergrund, welcher fur das Verstandnis muskularer Aktivitat benotigt wird.

Dies beinhaltet physiologische Aspekte, die im Hinblick auf die Arbeitswei- se Einfluss nehmen und demnach fur Schnellkraftverhalten von Bedeutung sind. Des Weiteren soll ein grober Uberblick uber verschiedene Trainings- methoden hinsichtlich eines effektiven Schnellkrafttraining gegeben werden. Dies beinhaltet auf Grund der bereits angesprochenen Neustruk- turierung der Kraftfahigkeit ebenfalls ein Training der Maximalkraft. In diesem Zusammenhang werden folglich Neuerungen im technischen Be- reich dargestellt, die innerhalb verschiedener Trainingsmethoden angewendet wurden.

Der zweite Teil besteht aus einer empirischen Untersuchung der Trai- ningssysteme Plyometrics und Complex Training. Mittels Auswertung der erlangten Daten und dem Vergleich mit Ergebnissen in der Fachliteratur, sollen die Ergebnisse dieser Trainingsstudie eingeordnet werden.

1.3 Hypothesenbildung

Es ergeben sich aus den aufgezeigten Fragestellungen folgende HI Hypo- thesen:

HI I: Ein plyometrisches Krafttraining fuhrt zu einer Steigerung der lokomo- torischen Schnellkraft

HI II: Ein plyometrisches Krafttraining fuhrt zu einer Steigerung der vertika- len und horizontalen Sprungkraft

HI III: Complex Training fuhrt zu einer Steigerung der lokomotorischen Schnellkraft

HI IV: Complex Training fuhrt zu einer Steigerung der vertikalen und hori zontalen Sprungkraft

HI V: Ober einen 8-wochiger Trainingszeitraum stellt sich mittels ComplexTraining eine signifikant hohere Leistungssteigerung im Bereich der lokomotorischen Schnellkraft, sowie der horizontalen und vertikalen Sprungkraft ein als durch ein plyometrisches Krafttraining uber den selben Zeitraum.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Muskulare Aktionsformen

In den sportlichen Bewegungsformen kann das Muskelsystem verschiede- ne Kontraktionsformen ausfuhren. ’Krafteinsatze’ werden in den folgenden Formen realisiert (vgl. WANG, 1999).

2.1.1 Isometrische Muskelaktion

Die Muskulatur arbeitet in dieser Kontraktionsform bei maximalen Einsat- zen gegen einen unuberwindbaren Gegenstand. In der isometrischen (statischen) Arbeitsweise kommt es zu keiner Langenanderung der Musku­latur, sprich die muskulare Spannungsentwicklung erfolgt ohne Veranderung des Abstandes zwischen Muskelursprung und -ansatz (vgl. WANG, 1999).

2.1.2 Konzentrische Muskelaktion

Bei maximaler konzentrischer Arbeitsweise der Muskulatur ist der Wider- stand, welcher der Kontraktion entgegenwirkt, geringer als die wirkende Kraft der Muskelkette. Wahrend der konzentrischen Arbeitsweise (uber- windend) kommt es zu einer Langenanderung der beteiligten Muskulatur und demnach zu einer Annaherung von Muskelursprung und -ansatz. Dies resultiert in einer Muskelaktion, welche durch eine uberwindende Bewe- gung gekennzeichnet ist durch welche ein Gegenstand bewegt und beschleunigt werden kann (vgl. WANG, 1999).

2.1.3 Exzentrische Muskelaktion

Wahrend maximal exzentrischen Muskelaktionen ist der Widerstand, wel­cher entgegengesetzt zur Kontraktionsrichtung wirkt, grower als die aufgebrachte Kraft der Muskelkette. Es resultiert hieraus eine Langenan­derung der Muskulatur in umgekehrten Richtung zu einer konzentrischen Arbeitsweise; Muskelursprung und -ansatz entfernen sich hierbei. Eine exzentrische Muskelaktion ist durch eine nachgebende Bewegung der in- volvierten Muskelkette gekennzeichnet (vgl. WANG, 1999).

2.1.4 Kombinierte Muskelaktion im Dehnungs-Verkurzungs-Zyklus (DVZ)

Muskelaktionen im DVZ sind Mischformen aus einer exzentrischen (nach- gebenden) und einer konzentrischen (uberwindenden) Phase. Bewegungen, welche sich in einem DVZ abspielen sind sowohl Sprints als auch Absprunge aus dem Anlauf und stellen unter solchen Bedingungen die naturliche muskulare Arbeitsweise dar (vgl. WANG, 1999).

2.2 Motorische Grundeigenschaft Kraft

Auf Grund der bereits genannten unterschiedlichen Arbeitsweisen der Muskulatur als auch der vielzahligen Anforderungsprofilen in verschiede- nen Sportarten sind mehrere Definitionen der Kraftfahigkeit sowie Klassifikationsansatze und Anordnung der jeweiligen Subkategorien der Kraft in der einschlagigen Fachliteratur zu finden.

2.2.1 Der Begriff “Kraft“

„Korperliche Aktivitat und sportliche Leistung entsteht als Ergebnis der Auswirkungen muskularer Kontraktionen auf das Hebelsystem des Kno- chengerusts.“ (KOMI, 1994).

Wahrend solcher Muskelaktionen wirken Krafte, die vom Muskel entwickelt werden (innere Krafte) als auch solche, die von auGen auf den menschli- chen Korper einwirken (auGere Krafte). Beide Erscheinungsformen der Kraft sind demnach von Bedeutung, wenn die Arbeitsweise der jeweiligen Muskelkette beschrieben und erklart werden soll.

Die folgende Definition kann fur die muskulare Kraft herangezogen wer­den: „Als muskulare Kraft wird global die physikalische Kraft bezeichnet, die der Muskel auf bestimmte Korperabschnitte ausuben kann“ (KOMI, 1994).

AuGere Krafte, die auf den Korper einwirken sind z.B. Schwerkraft oder Reibung. Das Nerv-Muskel-System reagiert durch Muskelaktivitat auf au- Gere Krafte, um diese zu uberwinden, zu halten oder diesen entgegenzuwirken (vgl. KOMI, 1994).

2.2.2 Struktur der motorischen Kraft

Motorische Kraft kann in verschiedene Subkategorien aufgeteilt werden. Von der Kraft schlechthin kann man nicht sprechen, da sich entsprechend der sportarttypischen motorischen Anforderungen und deren Einsatzberei- chen unterschiedliche Kraftfahigkeiten ergeben. Man kann generell zwischen den vier Kraftfahigkeiten Maximalkraft, Kraftausdauer, Reaktiv- kraft und Schnellkraft differenzieren. Seit Beginn der 80er Jahre konnte durch Untersuchungen von SCHMIDTBLEICHER und BUHRLE mittels der Analyse von Kraft-Zeit-Verlaufen festgestellt werden, dass die einzelnen Kraftfahigkeiten keine voneinander unabhangigen Erscheinungsformen darstellen, sondern sich gegenseitig beeinflussen. (vgl. PAMPUS, 2001).

2.2.3 Maximalkraft

„Unter der Maximalkraft versteht man allgemein die hochste Kraft, die das Nervmuskelsystem bei maximaler willkurlicher Kontraktion auszuuben ver- mag.“ (PAMPUS, 2001).

Die Maximalkraft ist in exzentrischer, konzentrischer als auch statischer (isometrischer) Arbeitsweise fur die jeweilige involvierten Muskulatur von Bedeutung. Die Maximalkraft kann somit als hochster Kraftwert in einer Kraft-Zeit-Kurve (Abb.1) beschrieben werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Kraft-Zeit-Kurve RDK: Jeweiliger Krafthöchstwert. Schraffierte Fläche: Den zur Beschleunigung der Last von 3,5 kg eingesetzten Kraftstoß zwischen den Punkten t1 und t2 (Aus PAMPUS, 2001 nach BÜHRLE, 1985).

Bei dynamisch konzentrischen Kraftwerten ergeben sich die Krafthochst- werte aus den bewegten Lasten und variieren hinsichtlich dieser, wie in Abb1. fur die unterschiedlichen Lasten zu sehen ist. Hieraus ergibt sich die Definition der konzentrischen Maximalkraft, welche als Gewichtslast repra- sentiert wird, die nur einmal bewegt werden kann (Einser- Wiederholungsmaximum oder Repetition-Maximum[1] ). In der Kraft-Zeit- Kurve ist dieser Punkt der hochste Punkt in der jeweiligen Darstellung und somit der dynamische Krafthochstwert bei entsprechendem auGeren Wi- derstand. Aus Abb.1 geht hervor, dass die konzentrische Maximalkraft immer geringer ist (ca.5-20%) als die isometrische. Bei exzentrischen Kon- traktionen konnen jedoch noch hohere Krafte erzeugt werden. Diese liegen etwa 5-45 % uber dem isometrischen Maximalwert. Diese hohen Muskelspannungen treten gerade bei Bewegungen auf, in denen ein ho- hes Gewicht wie z.B. das eigene Korpergewicht bei einem Sprung in die Tiefe abgebremst werden muss (vgl. PAMPUS, 2001. S. 14-15).

Anhand Abb.1 ist aber auch evident, dass die Kraftmaxima mit niedrigen Lasten schneller erreicht werden konnen, jedoch nicht so hoch ausfallen.

2.2.4 Kraftausdauer

Kraftausdauer wird als Fahigkeit bezeichnet, einen zur Beschleunigung eines Korpers mit bestimmter Masse notwendigen KraftstoG moglichst oft und in unverminderter Hohe zu realisieren (vgl. PAMPUS, 2001 aus MAR­TIN, CARL, LEHNERTZ, 1993, S. 108f.). Wenn die KraftstoGe mit maximalem Krafteinsatz erzeugt werden, konnen diese auch als Schnell- kraftausdauer definiert werden.

2.2.5 Schnellkraft

„Unter Schnellkraft wird allgemein die Fahigkeit verstanden, in kurzer Zeit moglichst viel Kraft entwickeln zu konnen.“ (PAMPUS, 2001. S.15).

Diese Fahigkeit kann nach BUHRLE (1985) durch die Formel Kmax/Tmax berechnet werden. Kmax steht fur den Krafthochstwert und Tmax fur die be- notigte Zeit. Graphisch lasst sich dieser Zusammenhang in einer Kraft- Zeit-Kurve darstellen (siehe Abb.1).

Eine weitere Moglichkeit das Schnellkraftvermogen zu beschreiben ist uber den KraftstoG. Dies folgt aus Untersuchungen von BUHRLE (1985), PAMPUS (1992) als auch von MARTIN, CARL, LEHNERTZ (1993). Die Formel fur die Berechnung des KraftstoG (F x dt) ergibt sich aus den Vari- ablen F (einwirkende Kraft) und der jeweiligen Einwirkzeit (dt). Der KraftstoG kann ebenfalls als Integral (schraffierte Flache) unter der Kraft- Zeit-Kurve dargestellt werden (siehe Abb.1). Auf Grund dieser Gegeben- heit kann die Schnellkraft als das Vermogen bezeichnet werden einen moglichst groGen KraftstoG in der zur Verfugung stehenden Zeit zu reali­sieren. In Abb.1 wird dies deutlich, da die Endgeschwindigkeit einer Bewegung zum Zeitpunkt t2 von der GroGe der schraffierten Flache ab- hangt (vgl. PAMPUS, 2001, S.17).

Weitere wichtige Schnellkraftparameter sind die Start- als auch Explosiv- kraft, welche unter 2.2.5.1 und 2.2.5.2 naher erlautert werden und graphisch anhand einer Kraft-Zeit-Kurve wie folgt dargestellt werden kon­nen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Kraft-Zeit-Kurve mit den Schnellkraftpara-

metern Start- und Explosivkraft (Aus PAMPUS, 2001 nach BUHRLE, 1985).

2.2.5.1 Startkraft

Die Anfangsbeschleunigung in einer sportlichen Bewegung wird maGgeb- lich durch die Startkraft operationalisiert. Die Startkraft wird als Fahigkeit beschrieben, unmittelbar nach Kontraktionsbeginn einen hohen Kraftan- stieg entwickeln zu konnen (vgl. PAMPUS, 2001).

In welcher Zeit dieser Kraftanstieg zu realisieren ist, wird in der in der Lite- ratur abweichend beantwortet. Die Werte liegen zwischen 30 Millisekunden bei PAMPUS (2001) aus BUHRLE (1984) und 50 Millise- kunden bei WANG (1999), welcher sich auf den Freiburger Arbeitskreis um SCHMIDTBLEICHER (1981), MULLER (1985), SCHNABEL(1997) bezieht.

2.2.5.2 Explosivkraft

An die Startkraft schlieGt sich unmittelbar die Explosivkraft an, welche durch die folgende beschleunigende Muskelkraft realisiert wird (vgl. PAM­PUS, 2001 aus SCHISHANSKIJ/TATJAN, 1975). Unter der Explosivkraft versteht man einen bereits begonnen Spannungsanstieg maximal schnell weiterzuentwickeln (vgl. PAMPUS, 2001 aus SCHMIDTBLEICHER, 1980.111). Im Englischen wird daher der maximale Anstieg in der Kraft-Zeit- Kurve (Explosivkraft) oft auch als „maximal rate of force development1' bezeichnet (vgl. SCHMIDTBLEICHER, 1994).

Graphisch kann die Explosivkraft als Anstieg in der Kraft-Zeit-Kurve darge- stellt werden (siehe Abb. 2), welcher sich nach der Startkraft einstellt und weitergefuhrt wird. Je steiler der Kraftanstieg ist, desto hoher ist die reali- sierte Explosivkraft in der jeweiligen Bewegung. Dieser Kraftanstieg kann durch den Quotienten aus Kraft- (dK) und Zeitveranderung (dt) wahrend des geradlinigen Teils der Kraftanstiegskurve errechnet werden (vgl. PAMPUS, 2001. 18).

2.2.5.3 Die Erscheinungsformen der Schnellkraft

Schnellkraft ist in vielen Sportarten ausschlaggebend fur den sportlichen Erfolg. In allen Sportarten, in denen es darum geht, den eigenen Korper oder ein Sportgerat maximal zu beschleunigen, ist die Schnellkraft dem- nach ein entscheidendes Leistungskriterium. Kein Turner oder Leichtathlet ist in der Lage eine Technik korrekt umzusetzen, wenn er nicht uber ein gewisses MaG dieser elementaren Kraftfahigkeit verfugt. In den meisten Sportarten zeigt sich die Schnellkraft in einer explosiv zyklischen bzw. azyklischen Bewegungsausfuhrung. Gerade bei Sprung-, Sprint-, StoG-, und Schlagbewegungen ist dies der Fall (vgl. PAMPUS, 2001).

Beim Gewichtheben (ReiGen) kann man von einer azyklischen Schnell- kraftleistung sprechen. Hier pendelt diese zwischen der Schnelligkeit (Bewegungsschnelligkeit) und der Maximalkraft in Abhangigkeit von den auGeren Widerstanden (vgl. PAMPUS, 2001).

In Disziplinen, wie z.B. dem 400 m Lauf tritt die Schnellkraft in einer zykli­schen Bewegungsausfuhrung auf. Hieraus folgt, dass die Komponente Ausdauer in Verbindung mit der Schnellkraft in zyklischen Schnellkraftleis- tungen auftritt und an Bedeutung gewinnt. Nach PAMPUS (2001) aus SCHMIDTBLEICHER (1984), MARTIN, CARL, LEHERTZ (1993) kann die zyklische Schnellkraft unter gewissen Gegebenheiten mit der Kraft- oder Schnellkraftausdauer gleichgesetzt werden. Je geringer die Krafteinsatze, desto mehr Bedeutung hat demnach die aerobe Ausdauerleistung in der jeweiligen Bewegung und man kann von Kraftausdauer sprechen. Nimmt jedoch die aufgebrachte Kraft zu, so dass maximale Krafteinsatze folgen, spricht man von Schnellkraftausdauer. Generell kann an dieser Stelle fest- gehalten werden, dass es jede Maximal- und jede Schnellkraftfahigkeit auch in einer Kombination mit der Ausdauer gibt. (vgl. PAMPUS, 2001).

2.2.5.4 Reaktivkraft - Schnellkraftleistung im Dehnungsverkur- zungszyklus (DVZ)

Die Reaktivkraft gilt als Fahigkeit eines Muskels, durch eine schnelle Kom­bination einer exzentrischen und einer konzentrischen Muskelaktion einen moglichst groGen KraftstoG in der zur Verfugung stehenden Zeit zu reali- sieren. (vgl. PAMPUS, 2001 aus SCHMMIDTBLEICHER, 1987, S.359).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es handelt sich hier um eine Kontraktionsform der jeweiligen Muskulatur, welche im DVZ stattfindet, sprich einer schnellen Dehnung und anschlie- Gender Verkurzung der aktiven Muskulatur. Als praktisches Beispiel kann an dieser Stelle der Tiefsprung herangezogen werden. Wahrend dieses Sprunges gilt es fur den Ausfuhrenden nach dem Bodenkontakt moglichst viel Schnellkraft zu entwickeln, um wieder hoch abspringen zu konnen. Folgende graphische Darstellung (Abb.3) zeigt vertikale Reaktionskrafte bei maximalen Belastungen in verschiedenen sportlichen Bewegungen (vgl. PAMPUS, 2001).

Tab.1: Vertikale Reaktionskrafte bei maximalen Be­lastungen verschiedener sportlicher Bewegungen, welche im DVZ verarbeitet werden mussen (WANG, 2001 nach BUHRLE u.a., 1985).

In den Funfziger- und Sechzigerjahren wurde angenommen, dass die Schnellkraft unabhangig von der Maximalkraft besteht und diese beiden Kraftfahigkeiten sich gegenseitig nicht beeinflussen wurden (relativierter Schnellkraftbegriff). Durch die Moglichkeit, die Kraftentwicklung anhand einer Kraft-Zeit-Kurve darzustellen und zu analysieren, wurde jedoch rela- tiv schnell klar, dass der Maximalkraft in Schnellkraftleistungen eine bedeutende Rolle zukommt. Als Erkennungsmerkmal schnellkraftiger Ath- leten ist der steile Anstieg der Kraft-Zeit-Kurve ausschlaggebend. Fur diesen Anstieg wurden die Termini Explosivkraft als auch Startkraft einge- fuhrt, welche den Kurvenverlauf in verschiedene Teilabschnitte einteilen (vgl. WANG, 1999).

Anhand des Kurvenverlaufs ergibt sich deutlich, dass das Explosivkraft- Parameter als Teil der Schnellkraft vom Maximalkraftniveau abhangt. Der korrelative Zusammenhang zwischen Explosiv- und Maximalkraft wurde durch verschiedene Untersuchungen von unterschiedlichen Probanden- gruppen ermittelt und somit evident nachgewiesen. Nach WANG (1999) muss dem relativierten Schnellkraftbegriff deshalb ein absolutes Schnell- kraftverstandnis gegenubergestellt werden, welches diesen Zusammenhang klar widerspiegelt.

Fur die Trainingspraxis heiGt dies, dass eine trainingsinduzierte Verbesse- rung der Explosiv- und Maximalkraft durch ein Krafttrainingsprogramm somit zur Verbesserung der Schnellkraftfahigkeit herangezogen werden kann. Dies gilt fur azyklische (z.B. KugelstoGen) als auch zyklische Schnellkraftleistungen - z.B. Beschleunigungsphase beim Sprint (vgl. SCHLUMBERGER, 2000 aus YOUNG et al., 1995).

2.3 Physiologische Aspekte der Kraftentfaltung und Kraftsteigerung

2.3.1 Muskel- und neurophysiologische Grundlagen

Die muskulare Arbeit, welche ein Athlet wahrend einer sportmotorischen Handlung leistet, kann nur dann richtig betrachtet und analysiert werden, wenn die einzelnen Prozesse, welche ausschlaggebend fur die erbrachte Leistung sind, in ihrer Struktur bekannt sind. Hierfur mussen die strukturel- len und funktionellen Hintergrunde einer Bewegung beleuchtet werden, um eine schnellkraftige Arbeitsweise der jeweiligen aktiven Muskulatur be- schreiben zu konnen.

In dem folgenden Kapiteln sollen die wichtigsten physiologischen Aspekte der Kraftentfaltung als auch der Kraftsteigerung betrachtet werden, welche neben der normalen Arbeitsweise der Muskulatur auch fur die Schnellkraft- fahigkeit von grundlegender Bedeutung sind.

2.3.2 Aufbau des Skelettmuskels

Die Skelettmuskulatur ist die Muskulatur, welche fur die Bewegung des menschlichen Korpers zustandig ist. Diese besteht aus vielen kleinen kon- traktilen Strukturen, den Muskelfasern als auch den elastischen Strukturen - Bindegewebe.

Die Muskelfasern sind fur das menschliche Auge kaum sichtbar, da sie nur eine GroGe von etwas 10 bis 120 Mikrometern haben. Wenn der Muskel von auGen betrachtet wird, konnen mehrere Bindegewebsschichten identi- fiziert werden, welche den Muskel ummanteln. Die auGerste Schicht ist das Epimysium; diese umgibt den gesamten Muskel und halt ihn zusam- men. Die einzelnen Muskelfasern sind zu sog. Faszien gebundelt und werden ihrerseits wieder von einer Bindegewebsschicht dem Perimysium umgeben. Jede Muskelfaser besteht aus vielen kleinen fadenformigen Strukturen den Myofibrillen - zylindrische kontraktile Elemente, welche et- wa 80% der Muskelfaser ausmachen (vgl. KOMI, 1994). Jede Myofibrille wiederum aus Sarkomeren, welche die grundlegende funktionelle Einheit dieser Struktur darstellt. Das Sarkomer erstreckt sich zwischen zwei Z-Scheiben und besteht aus sog. dicken und dunnen Filamenten. In einer 12 cm langen Muskelfaser befinden sich ungefahr 500.000 Sarkomere. Die jeweilige Anzahl von Muskelfasern in verschiedenen Muskeln kann unter- schiedlich hoch ausfallen. So geht man im medialen Muskulus gastrocnemius von mehr als einer Million Muskelfasern aus, wohingegen der Muskulus tensor tympani nur etwa einige hundert Fasern aufweist (vgl. WILMORE, COSTILL, KENNEDY, 2008)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nur die kontraktilen Strukturen, z.B. Muskelfasern konnen muskulare Kraft erzeugen. Die elastischen Strukturen - Bindegewebsanteile sind dazu nicht befahigt, sind aber fur die Kraftubertragung als auch die Verbindung des Muskels uber Sehnen mit den Knochen von hoher Bedeutung. Die elasti- schen Strukturen des Muskels konnen ebenfalls Energie speichern und abgeben.

2.3.3 Kontraktion quergestreifter Muskulatur

Die Fasern des Skelettmuskels werden durch ein motorisches Neuron ein sog. Motoneuron erregt. Jeweils ein einzelnes Motoneuron bildet mit dem von ihm innervierten Muskelfasern eine motorische Einheit (vgl. SILBER- NAGEL, DESPOPOULUS, 2003. S.58).

Durch die Weiterleitung des elektrischen Impulses - dem Aktionspotentials - vom Gehirn uber das Motoneuron kommt es zu einer Kontraktion der Muskulatur, die auf dem Zusammenwirken der kraftbildenden Strukturen den dunnen und dicken Filamenten basiert; diese bestehen wiederum aus Aktin- und Myosinmolekulen. Ausschlaggebend hierfur ist die Weiterleitung des elektrischen Impulses, bedingt durch eine ausreichende Ausschuttung des Neurotransmitters Acetylcholin, welches an die Rezeptoren auf dem Plasmalemma trifft. Es folgt eine Ausschuttung von Kalcium-Ionen in das Sarkoplasma, die durch die Bindung mit dem Troponin der Actinmolekuhle reagieren und die Myosin-Aktin-Bindepunkte freilegen. Der Muskel kont- rahiert, indem Milliarden von Myosinkopfchen mit dem Aktin im sog. Querbruckenzyklus in Wechselwirkung treten, eine Reaktionskette, in de- ren Ablauf das Myosin Verbindung mit dem Aktin aufnimmt. Das Myosin schiebt sich an dem Aktin entlang, lost die Verbindung anschlieGend wie- der und geht zum nachsten Aktin uber. Durch diesen Prozess kommt es zu einer Spannungsentwicklung bzw. Kraftzunahme innerhalb der Myofibrille. Die einzelnen Myofibrillen ziehen sich zusammen und es folgt eine Lan- genverkleinerung. Die hohe Anzahl an Myofibrillen innerhalb einer Muskelfaser fuhrt dazu, dass sich die Krafte summieren und die Verkur- zung fur das menschliche Auge sichtbar wird. Dies geschieht jedoch nur wenn die Gesamtkraft des Muskels groGer ist als die ihr entgegenwirkende Gewichts- und Tragheitskrafte, die in der jeweiligen Bewegung herrschen (vgl. WILMORE et al., 2008).

Fur den in dieser Arbeit thematisierten Aspekt der Kraft bzw. Maximalkraft heiGt dies, dass das physikalische Gesetz F = m x a - Kraft gleich Masse mal Beschleunigung auf die Beschleunigung hin umgestellt a = F/m fol- gende Schlussfolgerung zulasst: „Das Verhaltnis der Maximalkraft des Muskels zur Gegenkraft bestimmt im Wesentlichen die Geschwindigkeit der Muskelverkurzung und damit die Beschleunigung des Korpers.“ (PAMPUS, 2001. 23). Neben dieser GesetzmaGigkeit und der Zahl der kraftbildenden Strukturen, spielen die Steuerungsfunktionen im neuro- muskularen System eine entscheidende Rolle.

2.3.4 Die Morphologie der motorischen Einheiten und Muskelfasertypen

Zwischen den Muskelfasern kann eine generelle Unterscheidung vorge- nommen werden, welche sich auf die verschiedene Grundeigenschaften des jeweiligen Fasertyps bezieht. Generell kann zwischen langsam- und schnell zuckenden Muskelfasern unterschieden werden. Langsamzucken- de Muskelfasern brauchen etwa 110 ms, um ihre maximale Spannung zu entwickeln; schnellzuckende Muskelfasern hingegen benotigen nur etwa 50 ms.

Die beiden Fasertypen werden oft in einer abweichenden Terminologie als Typ I (slow oxidative fibers) fur langsamzuckende Muskelfasern und Typ II (fast oxidative bzw. oxidative/glycolitic fibers / Typ Ila bzw. Typ IIx Fasern) fur schnellzuckende Muskelfasern bezeichnet. Diese Klassifikation hat sich in der Wissenschaft durchgesetzt, da es moglich ist, die Typ II Fasern noch weiter in Typ IIa, Typ IIx und Typ IIc Fasern zu unterteilen. Die Typ IIa Fasern gelten als die am haufigsten rekrutierten Fasertypen direkt nach den Typ I Fasern. Typ IIc Fasern hingegen werden nur sehr selten rekru- tiert (vgl. WILMORE et al., 2008).

Bei den meisten Muskeln kann man von einer Zusammensetzung von ca. 50 % Typ I Fasern und 25% Typ IIa Fasern ausgehen. Die verbleibenden 25% setzen sich aus einem sehr hohen Anteil von Typ IIx Fasern zusam- men und etwa 1% bis 3% Typ IIc Fasern. Diese Zusammensetzung von langsamzuckenden und schnellzuckenden Muskelfasern ist einerseits stark abhangig von der zu betrachtenden Muskelgruppe und fallt anderer- seits individuell unterschiedlich aus (vgl. WILMORE et al., 2008).

Die jeweiligen Muskelfasertypen haben verschiedene Funktionen. Typ I Fasern haben ein hohes Level an aerober Leistungsfahigkeit durch die Oxidation von Kohlehydraten und Fetten. So lange diese Oxidation mog- lich ist, kommt es zu einer ausreichenden Bildung von ATP in der jeweiligen Typ I Faser und diese kann dadurch aktiv bleiben. Gerade im Hinblick auf die muskulare Ausdauer ist die Typ I Faser demnach aus- schlaggebend und kommt zum einen gerade bei Ausdauersportarten, wie z.B. Langstreckenlaufen als auch zum anderen bei Bewegungen im tagli- chen Leben, in denen keine volle Muskelkraft benotigt wird, zum Einsatz. Typ II Fasern haben im Vergleich zu Typ I Fasern eine relativ geringe ae­robe Ausdauerfahigkeit. Ihre Leistungsfahigkeit kommt gerade im anaeroben Bereich zum Tragen. Die Bildung von ATP lauft durch anaero­be Energiegewinnungsprozesse ab, sprich unter Ausschluss von Sauerstoff.

Man kann ungefahr davon ausgehen, dass die Kontraktionsgeschwindig- keit einer Typ II Faser funf bis sechs mal schneller ist als die einer Typ I Faser. Die Typ II Fasern ermuden jedoch aufgrund ihrer geringeren Aus­dauerfahigkeit auch wesentlich schneller als Typ I Fasern. Die entwickelte Kraft einer Typ II Faser hingegen ist etwa drei bis funf mal hoher vergli- chen mit einer Typ I Faser. Dies ergibt sich primar aus einer schnelleren Verkurzungsgeschwindigkeit (vgl. WILMORE et al., 2008).

Die unterschiedlichen Fasertypen der menschlichen Muskulatur besitzen die gegebenen Eigenschaften und erfullen damit auch spezielle Aufgaben. Gerade diese Grundeigenschaften der jeweiligen Fasertypen machen klar, welche Bedeutung einer gewissen genetischen Disposition in Hinblick auf den Anteil von schnellen oder langsamen Muskelfasern z. B. in der Bein- muskulatur zukommt. Diese genetische Disposition wird vererbt:

Studies with identical twins have shown that muscle fiber type, fort he most part, is genetically determined, changing little from childhood to middle age. These studies reveal that identical twins fiber types, whereas fraternal twins differ in their fiber type profiles. (WILMORE et al., 2008)

Ein hoher Anteil von schnellzuckenden Muskelfasern ist gerade in Diszipli- nen von Vorteil in denen es gilt schnellkraftig zu agieren. Typ Ila Fasern werden gerade primar bei kurzeren hochintensiven Ausdauerleistungen, wie z.B. dem 400m Distanzen im Schwimmsport rekrutiert; die Typ llx Fa­sern hingegen bei Distanzen in denen die Explosivitat der jeweiligen Bewegung eine entscheidende Rolle spielt, wie dies z.B. beim 50m Kraul als typische Sprintdistanz der Fall ist. Die sportliche Leistungsfahigkeit kann somit in einem direkten Zusammenhang mit der individuellen Faser- verteilung innerhalb der Muskulatur des Athleten gesehen werden. Weltklasse Marathonlaufer besitzen etwa 93% bis 99% Typ I Fasern im Gastrognemius, wohingegen ein Sprinter in der Weltspitze etwa nur noch 25% Typ I Fasern in diesem Muskel besitzt (vgl. WILMORE et al., 2008).

2.4 Steuerungsfunktionen im neuromuskularen System

2.4.1 Frequenzierung

Die zugrundeliegende Einheit des Nerv-Muskel-Systems ist die motorische Einheit, welche sich aus der motorischen Nervenzelle - dem Motoneuron, der Nervenfaser und allen von dieser Nervenfaser innervierten Muskelfa­sern zusammensetzt.

Motorische Einheiten konnen isoliert aktiviert und sukzessive der Muskel- kontraktion in ihrem Ablauf hinzugeschaltet werden. Die Summe der Kraftanteile der aktivierten motorischen Einheiten ergibt die endgultige rea- lisierte Kraft der aktiven Muskulatur. Durch die ablaufenden Aktionspotentiale, welche durch die Entladungsfrequenz des Motoneurons entstehen, wird somit die Kontraktionskraft einer motorischen Einheit be- stimmt. Die sog. tetanische Summation, Uberlagerung und Summation von Einzelzuckungen, wird zur Kraftdosierung eingesetzt. Dieser Mechanismus resultiert in seinem hochsten Auspragungsgrad in einer tetanischen Auf- summierung, was schlussendlich zu einer maximalen Kraftentwicklung durch Verschmelzung der Einzelzuckungen fuhrt. In der Kraft-Zeit-Kurve zeigen sich hierdurch keine Einzelzuckungen mehr (vgl. WANG, 1994 aus DUDEL 1979).

Diese summierte Kontraktionskraft fallt hoher aus als die Kraft einer Ein- zelzuckung, Nach WANG (1994) kommt es zu der folgenden Kraftsteigerung: „Eine durch hochfrequente Innervation ausgeloste teta- nische Kontraktion eines menschlichen Skelettmuskels kann das Zehn- fache der Kraft einer Einzelzuckung erreichen.“ (WANG, 1994 aus SALE, 1994)

Gerade die Innervationsfrequenz spielt bei der Kraftentwicklung demnach eine sehr groGe Rolle. Es kommt hier auf eine ausreichende Entladungs- frequenz des Motoneurons an, um den maximalen Kraftwert realisieren zu konnen. Jedoch gibt es Schwellenwerte ab denen sich einerseits eine ho- here Entladungsfrequenz in keiner wesentlichen Kraftsteigerung widerspiegelt, es kommt jedoch andererseits zu einem steileren Anstieg innerhalb der Kraft-Zeit-Kurve. Diese Entladungsfrequenzen liegen etwa bei 50 bis 100 Hz. Die Hochstwerte liegen bei dem hochsten realisierbaren Anstieg der Kraft-Zeit-Kurve zwischen 100 und 120 Hz (WANG, 1994).

2.4.2 Rekrutierung

Die einzelnen motorischen Einheiten werden nach einem festen Prinzip in den Kontraktionsablauf integriert. Dieses sog. Rekrutierungsprinzip wird als ’principle of orderly recruitment’ bezeichnet, welches auf dem sog. ’si­ze principle’ von HENNEMANN basiert (vgl. WILMORE et al., 2008, S.40; WANG, 1994 aus HENNEMANN, 1957, HENNEMANN et. al., 1965a, 1965b).

Es kommt nach diesem Prinzip zu einer immer gleichbleibenden Rekrutie- rung von motorischen Einheiten. Diese richten sich nach der Kraftanforderung, welche an den Organismus gestellt werden. Bei geringe- ren Kraftanforderungen werden zuerst kleinere, langsame motorische Einheiten deren Reizschwelle niedrig ist rekrutiert. Danach folgt bei zu- nehmender Muskelkraft die Rekrutierung weiterer motorischer Einheiten, die sich nach der jeweiligen GroGe ihrer Nervenzellen richtet. Wenn alle motorischen Einheiten rekrutiert sind, kommt es nur noch uber die Steige- rung der Innervationsfrequenz zu einer Kraftzunahme (vgl. WANG, 1994).

Um einen moglichst hohen Kraftwert innerhalb moglichst kurzer Zeit errei- chen zu konnen ist es elementar, dass alle motorische Einheiten schnell und moglichst gleichzeitig rekrutiert werden. Dem "size principle" wird auch in sehr explosiven Kontraktionen entsprochen, jedoch wird der Rekrutie- rungszeitraum in wesentlich geringere Zeitabschnitte verkurzt. Nach WANG (1999) aus FREUND / BUDINGEN, (1978) liegt dieser bei etwa 15-20 ms. (vgl. WANG, 1999).

Gerade die Synchronisierung der Rekrutierung der motorischen Einheiten spielt bei der Leistungsfahigkeit in Schnellkraftsportarten eine groGe Rolle. Diese kann durch Training verbessert werden, wie sich durch Untersu- chungen an Probanden gezeigt hat, welche nach einem hochintensiven Krafttrainingsprogramm bei explosiven Kontraktionen hohere Innervati- onsfrequenzen zu Beginn der jeweiligen Bewegung aufwiesen (vgl. WANG, 1999 aus SCHMIDTBLEICHER, 1980, 1994; KOMI, 1986; HA- KINNEN, 1986).

Der Auspragungsgrad der Synchronisierung wird gerade durch diese ho­here Innervationsfrequenz aller motorischen Einheiten zu Beginn der Bewegung bestimmt (vgl. WANG, 1999).

2.5 Adaptative Mechanismen im Kraft- und Schnellkrafttraining

Wahrend eines Kraft- bzw. Schnellkrafttrainings kommt es zu zwei wichti- gen adaptativen Mechanismen wahrend des Trainingsverlaufs. Dies ist erstens eine morphologische Adaptation, wie z.B. eine VergroGerung der Muskelmasse durch Hypertrophie der beanspruchten Arbeitsmuskulatur und zweitens eine neurale Adaptation, welche sich durch eine effiziente Nutzung des zur Verfugung stehenden Muskelpotentials mittels einer ver- besserter Koordination ergibt.

Neurale Adaptationen kommen durch eine Anpassung in der Steuerung von Bewegungsmustern durch das Nervensystem zustande und sind nach Komi (1994) elementar im Verlauf der Leistungssteigerung involviert.

In jeder Bewegung gilt es die Muskulatur in ihrer Arbeitsweise optimal auf- einander einzustellen. Dies gilt fur die aktive Muskulatur sowohl fur die Agonisten (alle Muskeln, die in eine Richtung wirken) als auch fur die Sy- nergisten (alle Muskel, die bei der Koordination der Bewegung involviert sind). Gerade diese Abstimmung ist bei Bewegungen wie z.B. wahrend der Kniebeuge sehr kompliziert. Gerade die zu Beginn eines Trainings erreich- ten Kraftzuwachse sind eher auf eine verbesserte nervale Steuerung der Muskulatur zuruckzufuhren als auf eine Muskelhypertrophie. (vgl. KOMI, 1994. S. 249)

2.5.1.1 Intramuskulare Koordination

Die intramuskulare Koordination beschreibt ein „zweckgerichtetes und synchrones Zusammenspiel moglichst vieler motorischer Einheiten unter- schiedlicher Kontraktionsgeschwindigkeit innerhalb eines Muskels im Sinne eines moglichst gleichzeitigen Erreichens ihrer maximalen Kraft“ (PAMPUS, 1995. 19 nach ALLMANN, 1985. S. 283).

2.5.1.2 Intermuskulare Koordination

„Die intermuskulare Koordination richtet sich auf den geordneten Einsatz der an einer bestimmten Bewegung beteiligten Muskeln, in der nervale Erregungs- und Hemmungsprozesse zweckgerichtet im Sinne der okono- mischen Losung einer zu losenden Bewegungsaufgabe miteinander verkettet sind“ (Pampus, 1995).

Neben Adaptation im neuronalen Bereich kommt es im Kraft- und Schnell- krafttraining ebenfalls zu morphologischen Adaptationen, welche durch einen ausreichenden Trainingsreiz induziert werden konnen. Neben einer Hypertrophie und Hyperplasie der beanspruchten Muskulatur kann es auch zu einem Muskelfasertypentransfer kommen.

Gerade im Schnellkrafttraining ist dies ein Bereich, welcher die Mobilisati­on bis dato inaktiver Leistungsreserven verspricht.

2.5.2.1 Hypertrophie

Unter Hypertrophie versteht man die Querschnittszunahme der Muskelfa- ser des Typs I und Typs II.

Physiologisch gesehen kommt es hier zu einer Zunahme an Myofibrillen, sowie Aktin- und Myosinfilamenten. Dies resultiert wiederum in einer hohe- ren Anzahl von Querbruckenverbindungen, welche fur die Kraftentfaltung wahrend maximaler Kontraktionen zustandig sind. Es kommt wahrend ei­ner durch ein Krafttraining induzierten Muskelhypertrophie zu einer Steigerung der Muskelproteinsynthese. Gerade nach dem Training ist die- ser Effekt sehr hoch und stellt sich durch eine verbesserte Nitrogen- Balance ein. Durch eine Supplementierung von Kohlehydraten und Protei- nen direkt nach dem Training kann die Nitrogen-Balance positiv beeinflusst werden und somit die Proteinsynthese unterstutzt wird (vgl. WILMORE et al., 2008).

Dies kann nicht nur durch EiweiGpraparate erreicht werden, sondern auch durch kohlehydrat- bzw. eiweiGreiche Lebensmittel, die ebenfalls ausrei- chend unterstutzend wirken.

Der Auspragungsgrad der Hypertrophie hangt des Weiteren von mehreren Faktoren ab, wie z.B. der Ausgangssituation vor Trainingsbeginn, Intensi- tat und Dauer des induzierten Trainingsreizes sowie der individuell unterschiedlichen Reaktion auf das Trainingsprogramm. In Studien wurde eine erhebliche Variation in der Faserflachenveranderung innerhalb von Probandengruppen mit dem selben Trainingspensum festgestellt, welche von einer fehlenden Zunahme bis hin zu einer Steigerung von 33% im Be- reich der Typ II- und 27% der Typ I Fasern reichten. (vgl. KOMI, 1994 aus SALE et al., 1900; MAC DOUGALL et al., 1979). Die individuellen Unter- schiede innerhalb einer Trainingsgruppe deuten deutlich darauf hin, dass ein gewisses genetisches Potential neben anderen Faktoren, wie z.B. der Motivation, eine bedeutende Rolle spielen kann (vgl. KOMI, 1994).

2.5.2.2 Hyperplasie

Eine Muskelfaservermehrung wird als Hyperplasie des Muskels bezeich- net. Dieser Prozess ist in seiner Gesamtheit noch nicht vollkommen erforscht. Jedoch konnte in Tierversuche mit Katzen nachgewiesen wer- den, dass eine Faserteilung durch den Einsatz von hohen Gewichten in einem Krafttrainingsprogramm stattfindet. Es konnte hierbei festgestellt werden, dass sich die Muskelfasern in zwei Teile aufteilten und die neu entstandene Faser bis auf die GroGe der benachbarten Zelle anwuchs. Es kommt also zu einer Neubildung von funktionellen Muskelfasern (vgl. WILMORE et al., 2008 aus GONYEA, W.J., 1980).

Der physiologische Prozess der Hyperplasie wird auch fur den menschli- chen Korper als moglich angenommen, der durch Studien an Mannern nachgewiesen werden konnte. Es wurde anhand der Ergebnisse dieser Studien geschlussfolgert, dass Hyperplasie jedoch nicht in jedem Indivi- duum vorkommt und nur unter bestimmten Trainingsbedingungen (vgl. WILMORE et al., 2008 aus MCCALL, G.E., BYRNES, W.C., DICKINSON, A., PATTANY, P.M.,&FLECK, S.J., 1983. SJORSTROM, M., LEXELL, J., ERIKSON, A., & TAYLOR, C.C., 1991).

2.5.2.3 Muskelfasertypentransfer

Durch einen ausreichenden Trainingsreiz ist es moglich, den Anteil der Muskelfaserzusammensetzung zu beeinflussen und einen Transfer von Typ I zu Typ II und entgegengesetzt zu ermoglichen. Uber die Hohe dieses moglichen Transfers gibt Willmore et al. (2008) folgenden Wert an: „Training may induce a small change, perhaps less than 10%, in the per­centage of type I and type II fibers." (WILMORE, COSTILL, KENNEDY, 2008. 40). Danach kommt der genetischen Disposition einerseits zwar eine groGe Rolle zu, jedoch besteht andererseits die Moglichkeit durch ein aus- gewahltes Trainingsprogramm die Faserverteilung zu beeinflussen. Gerade im Spitzensport wird in diesem Bereich konsequent gearbeitet und bestimmt somit die Gestaltung des Trainings.

Es wurde ebenfalls nachgewiesen, dass durch Ausdauer- und Krafttrai- ning ein Transfer von Typ IIx zu Typ IIa Fasern stattfindet. Auch das Alter spielt bei der Verteilung der Muskelfasertypen eine groGe Rolle, da es schrittweise zu einem Verlust an schnellen Muskelfasern kommt und da- durch die langsamen Muskelfasern in ihrer Anzahl zunehmen (vgl. KOMI,1994. 242. WILMORE et al., 2008. S.40).

Es bleibt an dieser Stelle jedoch festzuhalten, dass der Muskelfaservertei- lung eine hohe Bedeutung zukommt, noch andere Faktoren, wie z.B. kardiovaskulare Funktion, Motivation, MuskelgroGe und Training ebenfalls eine groGe Rolle spielen. (vgl. WILMORE et al., 2008, S.40).

2.6 Trainingsmethoden

Durch Trainingmethoden sollen festgelegte Ziele uber spezifische Wege erreicht werden. Es geht hier primar darum, effiziente, okonomische und zweckmaGige Trainingsreize zu setzen. Jede Trainingsmethodengruppe unterschiedet sich grundsatzlich nach der gewunschten physiologischen Wirkung (vgl. PAMPUS, 2001).

Nach PAMPUS (2001) gibt es drei verschiedene Anpassungsrichtungen in Hinblick auf die Entwicklung von Schnellkraft und Schnellkraftausdauer: Muskelzuwachs, Muskelerregung und Stoffwechselverbesserung.

Aufgrund dieser Einteilung ergeben sich drei Trainingsmethodengruppen: Hypertrophietraining, Innervationstraining und Stoffwechseltraining.

2.6.1 Trainingsmethoden zur Verbesserung der Maximalkraft

Da die Schnellkraft von der Maximalkraft abhangig ist, mussen auch die Trainingsmethoden zur Steigerung der Maximalkraft naher betrachtet wer- de. Die richtige Wahl der zu bewegenden Lasten ist hier essentiell. Uber die zu benutzende Last gibt es unterschiedliche Auffassungen in Hinblick auf einen moglichst hohen Schnellkraftzuwachs (vgl. PAMPUS, 2001).

2.6.1.1 Maximalkrafttrainingsmethoden zur Vergro&erung des Muskelquer- schnitts

Nach Pampus (2001) fuhrt ein Hypertrophietraining zu einer Veranderung des Korpermasse-Kraftverhaltnisses, der sog. Reaktivkraft. Diese setzt sich aus den Komponenten Maximalkraft und Korpergewicht zusammen. Es gilt vor Trainingsbeginn genau zu analysieren, welche individuellen Grundvoraussetzungen der jeweilige Athlet mitbringt. So ist es fur einen Athleten mit einem relativ geringem Korpergewicht von Vorteil seine Mus- kelmasse zu erhohen, da Kraft- und Gewichtszunahme fast linear ansteigen. Fur einen bereits sehr “schweren“ Athleten hingegen ist eine Zunahme an Muskelmasse durch ein Hypertrophietraining nicht mehr wunschenswert, da dies mit einer sehr hohen Gewichtszunahme verbun- den ware. Als Folge wurde die Reaktivkraft absinken und daraus eine verminderte Leistungsfahigkeit resultieren. Gerade bei Sprintern ist diese Gegebenheit zu beachten, da sich durch eine uberproportionale Erhohung des Korpergewichts eine verschlechterte Beschleunigung einstellt (vgl. PAMPUS, 2001 nach LETZELTER/LETZELTER, 1986).

Folgende Tabelle gibt einen Uberblick uber Methoden der wiederholten submaximalen Belastung, welche gezielt fur die VergroGerung des Mus- kelquerschnitts eingesetzt werden. Diese Aufzahlung konnte noch durch weitere Trainingsmethoden, wie z.B. das High-Intensity-Training (H.I.T.) nach Mike Mensner erganzt werden. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit jedoch auf dem Schnellkraftbereich liegt, sollen die benannten Trainings­methoden nur kurz umrissen werden.

[...]


[1] Wird in der Fachliteratur unter der Abkurzung RM aufgefuhrt

Ende der Leseprobe aus 135 Seiten

Details

Titel
Plyometrics vs. Complex Training – Ein Vergleich zweier Trainingssysteme aus dem Bereich des Schnellkrafttrainings
Hochschule
Universität Konstanz  (Sportwissenschaft)
Veranstaltung
Zulassungsarbeit, Lehramt für Gymnasien
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
135
Katalognummer
V195657
ISBN (eBook)
9783656214595
ISBN (Buch)
9783656217244
Dateigröße
7008 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
plyometrics, complex, training, vergleich, trainingssysteme, bereich, schnellkrafttrainings
Arbeit zitieren
Sebastian Bohl (Autor:in), 2010, Plyometrics vs. Complex Training – Ein Vergleich zweier Trainingssysteme aus dem Bereich des Schnellkrafttrainings, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195657

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