Hugo Chávez: Der Putsch und andere Mythen

Zwischen Missverständnissen und Tatsachen


Essay, 2012

6 Seiten


Leseprobe


In Abhandlungen über Hugo Chávez werden die Ereignisse um den Putsch im Jahre 2002 immer sehr fehlerhaft dargestellt. Hier bestimmt meist die regimefreundliche Version:

Nach der Demonstration gegen die Personalpolitik Hugo Chávez beim staatlichen Ölkonzern PDVSA, am 11. April 2002, marschierten die Menschen – überwiegend aus der weißen Min­der­heit – zum Präsidentenpalast. Es war der Auftakt des von der Rechten und dem General-stab geplanten, von den USA beeinflussten und den privaten Medien angestachelten Umsturzes. Beihilfe erhielten die Putschisten von der Hauptstadtpolizei, die mit Scharf-schützen auf Chávez-Anhänger schoss. Am 12. April wurde der Vorsitzende des Industrie-verbandes, Pedro Carmona, zum Präsidenten ernannt. Gleichzeitig gab es blutige Übergriffe auf Aktivisten. Der Staatsstreich löste Massenproteste mit Million von Chávez-Getreuen aus, die den Putschversuch beendeten. Am 14. April kehrte Hugo Chávez triumphal zurück.

Die Geschehnisse waren wie folgt:

Die Redner der Kundgebung forderten die Teilnehmer auf, die Demonstration bis zum etwa acht Kilometer entfernten Präsidentenpalast Miraflores fortzusetzen. Diese Aufforderung war verantwortungslos und sträflich, denn die Wortführer - darunter Carlos Ortega, der Vorstand des Gewerkschaftsbundes CTV - mussten sich darüber klar gewesen sein, dass Hugo Chávez dies als Kampfansage auslegen und dementsprechend reagieren würde. An der Fortsetzung des Protestzugs beteiligten sich wiederum Hunderttausende. Die soziographische Struktur der Gruppe war gemischt: Frauen und Männer aus ungleichen sozialen Schichten, verschiedene Ethnien und Rassen, Alt und Jung. Die Menschen waren unbewaffnet, friedvoll und heiter.

Zeitgleich ließ Hugo Chávez einen Verteidigungsring um Miraflores aufbauen. Dabei konnte er alle militärische und nicht militärische Mittel einsetzen. Die Guardia de Honor - die für die Sicherheit des Präsidenten verantwortliche Truppe -, die Guardia Nacional, die Geheim-polizei (DISIP), ferner Hubschrauber mit Überwachungskameras sowie die indoktrinierten Kombattanten der Círculos Bolivarianos, die mit Steinen, Eisenstangen, Baseballschlägern und/oder Pistolen bewaffnet waren. Und wenn das alles noch nicht genug war gegen eine aus Zivilisten bestehende Demonstration, rief Chávez noch den Plan Avila aus, was bedeutete, dass reguläre Militäreinheiten Polizeiaufgaben in Caracas übernehmen sollten, mit vielleicht unabsehbaren Konsequenzen. Die Militärführung weigerte sich, diesen Befehl auszuführen. Nur der General García Carneiro schickte gepanzerte Fahrzeuge zum Regierungspalast. Bis heute werden in Dokumentationen diese Fahrzeuge als eine Panzerkolonne der Auf­stän­di­schen präsentiert. In Wirklichkeit waren sie aber zum Schutz der Regierung aufgefahren.

Caracas ist in fünf Distrikte aufgeteilt, jeder hat seine eigene Polizei. Die Hauptstadtpolizei - Policia Metropolitana (PM) - ist die älteste Polizei und zuständig für den Distrikt, in dem sich der Miraflores-Palast befindet. Viele Mitglieder der PM rekrutieren sich aus den unteren Sozialschichten, deren Wohnungen sich größtenteils in den ärmeren Stadteilen befinden, also genau da, wo Chávez seine meisten Anhänger hat. Wahrscheinlich waren viele Ordnungshüter Wähler von Chávez, darum keine Sympathisanten der Opposition. Sie sicherten den Marsch nicht aus ideologischer Überzeugung, sondern sie erfüllten polizeiliche Aufgaben, indem sie sich zwischen die militanten Chávez-Gefolgsleute und die Chávez-Gegner auf der Avenida Baralt stellten und beide Seiten voneinander trennten. Dabei fielen die ersten Schüsse aus dem Pro-Chávez-Lager gegen die unbewaffneten Demonstranten, mit Toten und Verwun­deten, was zur Folge hatte, dass es zu einem Feuergefecht mit der Polizei kam, worauf die Chávez-Anhänger annahmen, die Polizei ist mit der Gegenseite. Die aufgezeich­neten TV-Bilder belegen eindeutig, dass auch die Polizisten Ziel der Angriffe waren. Sie mussten sich schützen und erwiderten das Feuer der Heckenschützen und der Círculos Bolivarianos von der Brücke Llaguno, wodurch es auch unter denen Tote und Verletzte zu beklagen gab. Die böswillige Unter­stellung, dass die Polizei mit Scharfschützen von Dächern auf friedliche Anhänger von Chávez geschossen hätte, ist allerdings unhaltbar, da die Guardia de Honor den Zugang zu allen Hochetagen der Gebäude in der Nähe des Präsidenten-Palastes über-wachte. Ferner wurde das Gebiet mit Hubschraubern überflogen, die die Scharfschützen mit Sicherheit entdeckt hätten.

Ende der Leseprobe aus 6 Seiten

Details

Titel
Hugo Chávez: Der Putsch und andere Mythen
Untertitel
Zwischen Missverständnissen und Tatsachen
Autor
Jahr
2012
Seiten
6
Katalognummer
V195707
ISBN (eBook)
9783656221302
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hugo, chávez, missverständnis, wirklichkeit, putsch, mythen
Arbeit zitieren
Jaime Moeller (Autor:in), 2012, Hugo Chávez: Der Putsch und andere Mythen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195707

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