Die Inszenierung von Holocaust und NS-Zeit bedient sich vielfältigster Methoden und Darstellungsweisen unter Aussageprämissen, die dem Unbegreifbaren in unterschiedlichster Form Rechnung zu tragen suchen. Fernab von umstrittenen Diskussionen um eine Darstellbarkeit des Holocausts, entwickelte Helmut Heißenbüttel eine eigene, den ,,erworbenen Interpretationsansatz"1 hinter sich lassende Methode literarischer Darstellung im allgemeinen und der Darstellung von historischen Begebenheiten im besonderen.
So fand Heißenbüttel mit der Form der (Gegen)utopie einen Weg Historisches literarisch zu inszenieren sowie - damit - Gegenwärtiges sichtbar zu machen. Für ihn wurde diese u.a. zur Möglichkeit, um auch das totalitäre NS-Regime und dessen nicht nur direkte Folgen darstellbar zu machen sowie für Reflexionen zu öffnen.
Die folgende Arbeit wird sich mehr mit der Erzähltheorie Heißenbüttels, die hinter diesem Ansatz steckt, beschäftigen - wobei lediglich auf die (anti)utopische Erzählweise Heißenbüttels eingegangen wird - als sein literarisches Werk im all-gemeinen zu beleuchten. Dabei soll trotzdem auf eine beispielhafte Analyse einer seiner Novellen, `Wenn Hitler den Krieg nicht gewonnen hätte (1979)′2, nicht verzichtet werden.
Um einerseits die Beinahegleichsetzung von Wissenschaft und wissenschaftlicher Vorgehensweise mit Literatur innerhalb der Heißenbüttelschen Erzähltheorie nachzuvollziehen zu machen, andererseits aber auch Parallelen Heißenbüttelscher Utopiedarstellung zu einer Form der `wissenschaftlichen Utopie′, genauer: der Kontrafaktischen Geschichtsschreibung zu verdeutlichen, widmet sich die vorliegende Arbeit einer Analyse beider Ansätze. So soll die Form der Inszenierung, wie Heißenbüttel sie mit seiner Novelle wählt, im Hinblick auf Teile seiner Erzähltheorie genauso untersucht werden wie der damit, möglicherweise vergleichbare, aber doch unbestritten verwandte Ansatz, den die Geschichtswissenschaft nutzt.
Es soll also Vergleichbares zwischen Aussagekraft der literarischen Utopie (nach Heißenbüttel) und (wissenschaftlichem) Nutzen von Uchronie verdeutlicht werden. Ein Blick auf die Plausibilität des literarischen wie des wissenschaftlichen Verfahrens in Bezug auf die Darstellbarkeit von NS-Zeit und Holocaust bildet den Abschluß der vorliegenden Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung - Darstellungen fernab herkömmlicher Wege
- 2. Definition einiger Begriffe: Konstruktion von Utopien in Literatur und Geschichtswissenschaft
- 2.1 Science Fiction und Literatur
- 2.2 Alternative Geschichte
- 3. Heißenbüttel: Erzähltheorie und Darstellbarkeit von Disutopien
- 3.1 Vergleich von Literatur und Wissenschaft und Erkenntnisgewinnung
- 3.2 Die Novelle 'Wenn Hitler den Krieg nicht gewonnen hätte'
- 4. Strukturen kontrafaktischer Geschichtsschreibung
- 4.1 Exkurs: Erzählweise von Geschichte
- 4.2 Utopiedarstellungen in der Geschichtswissenschaft - ‘Forschung und Intention'
- 4.3 Darstellung von NS-Zeit und Holocaust
- 5. Schlußbetrachtung - Theorie und Umsetzung, Utopische Inszenierung und Transport von Informationen
- 5.1 Heißenbüttels Utopie und Alternativgeschichte – Parallelen und Widersprüche
- 5.2 Aussagekraft und Erkenntnisfunktion
- 6. Schilderung von (Gegen)utopien als Inszenierung von NS-Zeit und Holocaust
- 7. Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Inszenierung von Holocaust und NS-Zeit in literarischen und wissenschaftlichen Darstellungen, insbesondere mit der (Gegen)utopie als Methode der Darstellung. Die Arbeit analysiert die Erzähltheorie Helmut Heißenbüttels und seine Novelle "Wenn Hitler den Krieg nicht gewonnen hätte" im Hinblick auf die kontrafaktische Geschichtsschreibung und die Frage der Darstellbarkeit von NS-Zeit und Holocaust. Die Untersuchung soll aufzeigen, wie die Utopie als literarisches und wissenschaftliches Werkzeug zur Erkenntnisgewinnung und Zeitkritik eingesetzt werden kann.
- Die Erzähltheorie Helmut Heißenbüttels und die Darstellung von Disutopien
- Der Vergleich von literarischen und wissenschaftlichen Utopien
- Die Kontrafaktische Geschichtsschreibung als Form der Utopie
- Die Plausibilität der Darstellung von NS-Zeit und Holocaust in literarischen und wissenschaftlichen Utopien
- Die Aussagekraft und Erkenntnisfunktion von Utopien
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Thematik der Arbeit vor und verdeutlicht die Besonderheit der (Gegen)utopie als Methode zur Inszenierung von Holocaust und NS-Zeit. Sie hebt die Relevanz von Heißenbüttels Erzähltheorie für die Analyse hervor.
Kapitel 2 definiert die verwendeten Begriffe und grenzt die verschiedenen Formen der Utopie ein. Es geht auf den Begriff der Utopie in Literatur und Geschichtswissenschaft sowie auf die spezifischen Formen der Science Fiction und der Alternativgeschichte ein.
Kapitel 3 analysiert die Erzähltheorie Helmut Heißenbüttels und zeigt die besondere Relevanz der (Gegen)utopie für die Darstellung von historischen Ereignissen auf. Es wird auf den Vergleich von Literatur und Wissenschaft sowie auf die Erkenntnisgewinnung durch Utopien eingegangen. Zudem wird die Novelle "Wenn Hitler den Krieg nicht gewonnen hätte" im Detail analysiert.
Kapitel 4 beleuchtet die Strukturen der kontrafaktischen Geschichtsschreibung und stellt die Verbindung zur Heißenbüttelschen Erzähltheorie her. Es behandelt die Erzählweise von Geschichte sowie die Verwendung von Utopien in der Geschichtswissenschaft. Die Frage nach der Darstellbarkeit von NS-Zeit und Holocaust im Kontext der kontrafaktischen Geschichtsschreibung wird angesprochen.
Kapitel 5 stellt eine Schlußbetrachtung dar und diskutiert die Parallelen und Widersprüche zwischen Heißenbüttels Utopie und der Alternativgeschichte. Es behandelt die Aussagekraft und Erkenntnisfunktion von Utopien im Hinblick auf die Inszenierung von NS-Zeit und Holocaust.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Utopie, Disutopie, (Gegen)utopie, kontrafaktische Geschichtsschreibung, Erzähltheorie, Helmut Heißenbüttel, NS-Zeit, Holocaust, Darstellbarkeit, Erkenntnisgewinnung, Zeitkritik.
- Quote paper
- T. Niemsch (Author), 2001, Die Inszenierung als Utopie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1958