Literatur als historische Quelle


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil „Literatur als historische Quelle“
Belletristik, Sachbuch, Fabel

III. Gedichte
Beispiele:
1. Beispiel: Vaterlandslied 1812/13
2. Beispiel: Deutsches Spottlied 1914
3. Beispiel: Lied zum 9. November
4. Beispiel: Am Turme

IV. Vor- und Nachteile des Einsatzes von Literatur als historische Quelle

V. Bewertungskriterien für Literatur im Geschichtsunterricht
a) Georg Veit
b) Dietmar von der Reeken

VI. Fragekatalog Thematik: Nationalsozialismusliteratur
Beispiele Themenbereich: Nationalsozialismus
a) „Das Haus der Puppen“ von La Tzetnik
b) „Das Tagebuch der Anne Frank“
c) „Die Insel in der Vogelstraße“ von Uri Olev

VII. Problem der Multiperspektivität
Beispiel:
1. „Ganz normale Männer. Das Reservebataillon 101 und die Endlösung in Polen“
2. „Kindertransport in eine fremde Welt“

VIII. Verfahrensmöglichkeiten von Literatur
Beispiel & Erläuterung: Schreiben einer Alltaggeschichte

IX. Fazit

X. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Soll Literatur als historische Quelle im Geschichtsunterricht verwendet werden?

Die Aufgabe, die Schüler zum Lesen anzuregen und Gelegenheiten zum Lesen zu schaffen, ist in erster Linie die Aufgabe des Literaturunterrichtes. Doch auch im Fach Geschichte rücken Kinder- und Jugendliteratur, Belletristik und Sachbücher immer mehr in den Vordergrund, obwohl im Gegensatz zur Verwendung neuer Medien, die Beschäftigung mit Büchern oft weniger attraktiv erscheint. Zudem verlangt der Umgang eine intensive Arbeit mit dem neuen Material. Fehlende Bibliotheken, keine geeigneten Räumlichkeiten, ungenügendes Lesematerial, mangelnde Zeit und die Frage nach dem didaktischen Resultat sind weitere Punkte0[1], die sich gegen eine Verwendung von Literatur im Geschichtsunterricht anführen lassen.

Die Frage, ob der Lehrende Literatur als historische Quelle im Geschichtsunterricht heranziehen kann und muss, soll Gegenstand der weiteren Kapitel sein. Was bewirken sie für das Geschichtsbewusstsein der Schüler und wie kann sich der Geschichtsunterricht dies zunutze machen?

II. Hauptteil Literatur als historische Quelle

Bücher mit geschichtlichen Inhalten begegnet vielen Schülern größtenteils in der anspruchsvollen wie auch trivialen schönen Literatur, der sogenannten Belletristik. Viele lesen belletristische Bücher häufiger und auch lieber als geschichtswissenschaftliche Bücher, da sie sich davon mehr Unterhaltung, Spannung, Erlebnis und innere Bereicherung versprechen. Historiker und Didaktiker stehen diesem Leseverhalten gemischt gegenüber, aufgrund der historischen Laienarbeit solcher Literatur.0[2]

Schriftsteller sind in der Regel keine Historiker, d.h. sie gehen mit ihren Themen nicht nach der Regel der Geschichtswissenschaft um. Sie betreiben zwar Quellenstudien, aber wenig Quellenkritik. Sie entwerfen stattdessen eine fiktive Realität, gestalten die historischen Figuren gemäß ihrer eigenen Vorstellungen und geben eigene Deutungen historischen Geschehens und menschlichen Handelns. Die Geschichte dient daher eher Mittel zum Zweck. Dass dies, wenn es sich um gute Literatur handelt, mit den Mitteln des sprachlichen Kunstwerks geschieht, ist dabei nicht nebensächlich, so ist z.B. die metaphorische Weite der Lyrik nicht bloß reizvolle Stilform, sondern eine grundlegende sprachliche Möglichkeit sich über Geschichtliches in nicht wissenschaftlicher Manier zu äußern. Die sogenannte schöne Literatur bringt dem Leser einen engen, fast vertraulich zu nennenden Kontakt mit ihren dargestellten Personen. „Der Autor geriert sich als der allwissende Kenner des äußeren wie des inneren Lebens seiner Figuren und der Leser partizipiert daran.“0[3]

Der Leser kann gar nicht anders, als sich diesen erdachten Personen nicht nur intellektuell, sondern auch emotional zuzuwenden, d.h. sich mit ihnen positiv oder negativ zu identifizieren. Dabei vollzieht sich Fremd- und Selbsterfahrung. Dies ist der Weg, auf dem Dichtung und Literatur für Geschichte empfänglich gemacht werden können.

Die Belletristik kann zum einen als Zeugnis ihrer Zeit und Gesellschaft, zum anderen als eine Darstellung von und Auseinandersetzung mit Geschichte0[4] zum Gegenstand von Geschichtsunterricht werden. Seit Walter Scott erscheint die Literatur unter dreifacher Beleuchtung: als Darstellung einer abgeschlossenen Vergangenheit, als Symptom für ein gegenwärtiges Interesse an Vorgeschichte und als Appell zugunsten veränderbarer Zukunft.0[5] Gerade für „Umbruchzeiten“ beinhaltet die Literatur alle Materialien, die der Historiker braucht:

„Wie keine andere historische Quelle kann sie eine Binnenansicht ihrer Entstehungszeit bieten ohne sich an vorgegebene Deutungsformeln und Richtlinien halten zu müssen. Sie kann unmittelbar menschliches Tun und Leiden, den Handlungsspielraum und die emotionale Betroffenheit von Zeitgenossen darstellen (...).“0[6]

Die verschiedenen Denk- und Sichtweisen lassen neue Begründungenszusammenhänge und das Entstehen von Urteilen und Handlungsmotiven erkennen. Literatur als historische Quelle kann demnach im Geschichtsunterricht zu den traditionell historischen Quellen eine ergänzende Funktion haben. Unentbehrlich für die deutsche Geschichtsschreibung sind alle Autoren, die als Überlebende des Holocausts ihre Erinnerungen aufgeschrieben haben. Ohne ihre Memoiren ist eine Darstellung der Vernichtungslager, der Illegalität und des Widerstandes nicht denkbar.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist das Sachbuch zu dem wichtigsten Geschichtsvermittler „(...) auf dem Buchmarkt (...)“0[7] geworden, insbesondere das historische Sachbuch. Im Gegensatz zu belletristischen Werken verzichten historische Sachbücher auf Fiktion und erheben Anspruch auf fachliche Richtigkeit. Inhaltlich wird ein Wissensbereich oder ein bestimmter Tatsachengehalt aus Natur und Geschichte dargestellt. Adressat ist im Unterschied zu den Fachleuten der wissenschaftlichen Spezialliteratur ein breitgefächerter Leserkreis interessierter Laien. Das wichtigste Darstellungsmittel ist eine sprachliche Formung, die das Sachbuch in die Nähe literarischer Gestaltung rückt. Fotos, Zeichnungen und Schaubilder sowie Reisehinweise und feuilletonistische Unterhaltungsteile können hinzutreten. Die Autoren sind meist Nichtfachleute, wie die Autoren der historischen Romane, die sich ein bestimmtes Sachgebiet selbst angeeignet haben, die aber über schriftstellerische und journalistische Fähigkeiten verfügen müssen. Das Ziel des Sachbuches ist die Vermittlung zwischen den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Welt der Nichtfachleute. Zwei Sachbücher hatten nach dem Zweitem Weltkrieg einen sensationellen Verkaufserfolg: „Götter, Gräber und Gelehrte“0[8],0[9] und „Die Bibel hat doch recht“[10]. Die Eigenart des Sachbuches lässt sich mit zwei Aspekten erklären:

*Erstens muss die Faktengrundlage stimmen, und

*zweitens muss das Buch eine besondere Anziehung ausüben. Dies kann auf verschiedenen Wegen

erreicht werden:

- durch Dramatik, oder der Lebendigkeit der Darstellung;
- durch Illustration;
- durch Eröffnung von Anwendungsmöglichkeiten des erworbenen Wissens für den Leser[11].

In den jüngeren Klassen begegnet man im Geschichtsunterricht den historischen Sagen als Erzählung. Sagen sind ein historisch lohnender Gegenstand, da sie meist nicht nur poetische Erfindungen, sondern Erinnerungen der Vergangenheit sind. Sie vermögen eine Brücke in Zeiten zu schlagen, für deren Lebens- und Denkformen wir ansonsten keine schriftlichen Quellen besitzen. Die homerischen Epen für die griechische Frühgeschichte sind ein Beispiel dafür.

Ziel im Unterricht muss es dabei sein, die Grenzlinie zwischen Sage und Geschichte herauszuarbeiten. Dabei kann als gesicherter geschichtlicher Kern einer Sage gelten, was durch andere Quellen belegt wird, z.B. das Nibelungenlied und die Berichte zur Invasion der Hunnen und der germanischen Völkerwanderung. Dieses Beispiel zeigt aber ebenso, wo die Grenzen der Deutungen liegen. Daher ist die Sage weniger bedeutend für die definitive Zuordnung zu einem historischen Vorgang als für die Freilegung archaischer Schichten, von denen wir ansonsten recht wenig wissen.

III. Gedichte

Eine Alternative zu den Büchern stellen die Gedichte dar, die beim Lehrer aufgrund ihres geringen Umfanges großen Anklang finden.

Geschichte in Gedichten unterscheiden sich auffallend von der Geschichte im Roman. Im Gedicht entfällt die differenzierte Schilderung des Romans. Es beleuchtet schlaglichtartig und drängt das Gemeinte in einer Kurzformel zusammen. Von Interesse sind Lieder und Gedichte, unter dem geschichtsdidaktischen Aspekt, entweder als Zeitzeugnisse oder als Deutung von Geschichte. Einzelne Liedtypen werden in ihrer Entwicklung als Widerspiegelung bestimmter sozialer Verhältnisse, Zeitmeinungen, Gesinnungen verfolgt. Hierfür eignen sich besonders Kriegs- und Antikriegslieder, patriotische Lieder und Nationalhymnen, aber auch Klage- und Kinderlieder.

In der Schule stand lange Zeit die Ballade in besonders hohem Ansehen. Bei den Jugendlichen findet sie viel Anklang aufgrund ihrer Vorliebe für grelle Effekte, der Neigung zum Phantastischen und dem Streben nach suggestiver Wirkung. Unter literaturdidaktischem Aspekt betrachtet, gehört die Ballade zu jenen Gattungen, in denen man das pädagogische Moment immer mehr akzentuiert hat als das literarische. Die Behandlung von Balladen vermittelt zunächst vor allem Einblick in die gattungstheoretische Problematik, speziell in erzählerischen Techniken, realisiert in einem historischen Gattungsmodell. Daneben kann sie allgemein in symbolische, phantastische, verfremdende, satirische, parodistische und groteske Darstellungsweisen einführen. Frühere entwicklungs-psychologische Überlegungen teilten das Leseverhalten der Kinder in verschiedene Phasen ein. Das Dramen- und Balladenalter lag im 15-20 Lebensjahr.[12] Die Jugendlichen erfahren in dieser Phase das „Bedürfnis der Selbstbehauptung des Ich gegen die Welt des Du“[13]. Gegenwärtig ist die Phaseneinteilung nicht gebräuchlich, man ist sich aber dennoch bewusst, dass die Schüler der Mittelstufe günstige Voraussetzungen für das Verstehen der Ballade mitbringen.

Die nun folgenden Lernziele lassen sich besonders gut am Beispiel von Balladentexten erarbeiten:

1. Anknüpfen an Lesegewohnheiten außerhalb der Schule – aufgrund dessen verspricht sich der Lehrende eine hohe Motivation seitens der Schüler.
2. Artikulationsmöglichkeiten – Die Ballade drückt aus, welche Dinge den Sänger u. Hörer beschäftigen; im günstigsten Fall erkennt der Schüler, dass Kenntnisse von verschiedenen Texten aus vielen Epochen eine Bereicherung seiner Ausdrucksmöglichkeit und seiner Ich- und Welterfahrung ist.
3. Geschichtlichkeit, historisches Bewusstsein – Die Schüler erkennen den Zusammenhang zwischen Bänkelsang und dem, was Liedermacher von heute schreiben. Erkennen aber auch deren Unterschiede. Sie lernen Texte historisch und sozial einzuordnen.
4. Wirkungsgeschichte, Rezeptionsgeschichte – Die Balladen zeigen, wie sehr die Rezeption von Texten historisch bedingt ist.
5. Texte verstehen; Texte analysieren, um sie besser zu verstehen – Balladen sind kurz, über-
schaubar, geben Anreiz zum Lesen, sie motivieren. Die Schüler erarbeiten die vordergründige
Handlung und den symbolischen Gehalt heraus.
6. Entwürfe der Weltdeutung – Der Gehalt einer Ballade bietet eine Sichtweise des Menschen und der Welt = Entwürfe der Weltdeutung[14].

Das besondere Interesse des Historikers liegt aber in der politischen und sozialkritischen Lyrik, ebenso in der Form des gesungenen Liedes. Sie stellt gezielt eine Anklage, einen Angriff oder einen Anruf dar. Dabei steht nicht die Poesie im Vordergrund, sondern die Parteinahme, deren Pointe sich einprägen und zum Engagement herausfordern soll. Der Interpret solcher Gedichte sollte ebenfalls wirkungs- und rezeptionsgeschichtliche Gesichtspunkte miteinbeziehen, wie z.B.: Welche Empfindungen haben die Gedichte und Lieder bei den Lesern bzw. Hörern ausgelöst?

Die politische Lyrik, z.B. insbesondere das politische Lied, will „Wir-Bewusstsein“ erzeugen bzw. verstärken. Insofern kommt es bei der Art von Literatur auf das soziale und politische Umfeld an: Wer schrieb sie und an wen wendete sie sich?

Die politische Literatur nimmt zu den Konflikten ihrer Zeit Stellung und daher ist es angebracht nach den Freunden und den Gegnern des Autors zu fragen.

1. Beispiel

Ein Beispiel für politische Lyrik stellt das „Vaterlandslied“[15] von Ernst Moritz Arndt aus dem Jahre 1812/13 dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


0[1] Vgl. Veit, Georg: Historische Jugendliteratur, in: Bergmann, Klaus (Hrsg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik.

Seelze-Velber 1997. S. 444.

0[2] Stupperich, Armrei: Der Dichter fischt im Strom, der ihn durchfließt, in: Praxis Geschichte 1/94. S. 5.

0[3] Fest, Joachim: Belletristik und Sachliteratur, in: Rohlfes, Joachim: Geschichte und ihre Didaktik. Göttingen

1986. S. 349.

0[4] Zwar ist sie fiktiv, stellt aber trotzdem Wahrheitsansprüche.

0[5] Aust, Hugo: Geschichte im historischen Roman, in: Bergmann, Klaus (Hrsg.): Handbuch der

Geschichtsdidaktik. Seelze-Velber 1997. S. 618.

0[6] Stupperich 1/94. S. 7.

0[7] Schörken, Rolf: Geschichte im Sachbuch, in: Bergmann, Klaus (Hrsg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik.

Seelze-Velber 1997. S. 612.

0[8] Carem, C. W.: Götter, Gräber und Gelehrte. Berlin 1949.

0[9] „Götter, Gräber und Gelehrte“ beinhaltet die großen archäologischen Entdeckungen, dabei werden die

einzelnen Ausgrabungs-, Entdeckungs- und Entzifferungsprozesse dargestellt.

[10] Keller, Werner: Die Bibel hat doch recht. Düsseldorf 1955.

[11] Schörken 1997. S. 614.

[12] Engelmann, Susanne: Ballade. Leipzig 1925. S. 34.

[13] Ebd.

[14] Henue, Walter; Röbbelen, Ingrid: Ballade, in: Praxis Deutsch 35/79. S. 32.

[15] Arndt, Ernst Moritz: Ausgewählte Gedichte und Schriften. Berlin 1969. S. 61f.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Literatur als historische Quelle
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Historisches Institut)
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
25
Katalognummer
V19596
ISBN (eBook)
9783638236768
Dateigröße
626 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Literatur, Quelle
Arbeit zitieren
Katrin Möller (Autor:in), 2001, Literatur als historische Quelle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19596

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