Grundlagen der Fernsehrhetorik


Hausarbeit, 2007

12 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


1. Die rhetorische Betrachtung des Fernsehens

Das Fernsehen ist eine völlig eigenständige Art der Kommunikation. Da es ein relativ neuartiges Medium ist, stellt sich die Frage, ob die klassische Rhetorik zur Analyse überhaupt ausreichend geeignet ist. So geht die Rhetorik zum Beispiel traditionell von einer kommunikativen Situation aus, einer face-to-face Beziehung von Redner und Publikum. Dabei ist besonders die „Interventionspräsenz“[1] des Orators von Bedeutung: er kann die Kommunikation direkt steuern und anpassen, um seine Botschaft möglichst erfolgreich zu übermitteln. Diese Art der Kommunikation nennt man „primärmediale Kommunikation“[2]. Das Fernsehen aber ist eine sogenannte sekundärmediale Kommunikationsform, der Orator ist nicht real anwesend. Seine Präsenz wird simuliert[3], sein Text wird Raum- und Zeitversetzt gesendet, ohne dass er selbst dabei anwesend sein muss. So fehlt ihm die unmittelbare Reaktion auf seine Performanz, sein Publikum bleibt eine disperse Masse[4], deren Reaktion er nur abschätzen kann. Die Rolle und die Bedeutung des Orators müssen für die Fernsehkommunikation angepasst werden, da er nicht mehr die alleinige Kontrolle über Text und Performanz hat: die technischen und redaktionellen Bedingungen üben großen Einfluss darauf aus. Andererseits bestehen doch einige Ähnlichkeiten zwischen der klassischen rhetorischen Situation und der fernsehmedialen Kommunikation, die das Medium einer rhetorischen Betrachtung zugänglich machen. Dies ist beispielsweise die Mehrkanaligkeit: genau wie die face-to-face Situation kommuniziert das Fernsehen über einen visuellen und einen auditiven Kanal. Eine weitere wichtige Übereinstimmung mit der traditionellen Rhetorik ist die Mündlichkeit, die durch das Fernsehen wieder eine große Bedeutung bekommt. Man spricht in diesem Fall auch von einer „Sekundären Oralität“[5], da die gesprochene Sprache – und damit auch die actio - zwar eine wichtige Stellung einnimmt, jedoch in den meisten Fällen auf der Schriftlichkeit basiert. Auch im Programmauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten lassen sich Hinweise auf die antiken rhetorischen Wirkungsfunktionen docere und delectare finden: „Das Programm soll umfassend informieren, anregend unterhalten und zur Bildung beitragen.“[6]. Die „Arbeitsgrundlagen“ des Fernsehens, also die gesprochene Sprache, die Schrift und ein meist sichtbarer Sprecher können in die rhetorische Systematik übertragen werden. Die Produktions- und Sendungsbedingungen aber verlangen eine Anpassung der rhetorischen Systematik an die spezifischen Möglichkeiten und Grenzen der fernsehmedialen Kommunikation.

2. Einflüsse des Mediums auf die Performanz

Um aufzuzeigen, wie das spezifische Medium die Performanz beeinflusst, ist vor allem der visuelle Code von Bedeutung. In der antiken Rhetorik kannte man als einzigen optischen Faktor die actio des Redners[7]. Bei der Fernsehrezeption ist jedoch der zusätzliche Einfluss des Kamerabildes, des Tons und der Musik sehr groß. Es muss beispielsweise darauf geachtet werden, dass der visuelle Code – die Bildaussage - den gesprochenen Text unterstützt und den Zuschauer nicht verwirrt. Auch das „visuelle Image“[8] einer Sendung wird detailliert gestaltet. Dazu gehört die Studioausstattung, optische Design-Elemente sowie Kleidung und Körpersprache der Akteure. Dies soll der Sendung ein unverwechselbares Gesicht verleihen, das vom Zuschauer sofort erkannt wird[9]. Ebenso wird der Einsatz von Ton und Musik genauestens geplant. Denn gerade diese Kanäle wirken besonders subtil und emotional auf das Publikum ein. Die Fernsehrhetorik bezieht sich also nicht nur auf den Text, sondern auch genau so auf das „Umfeld“, in das dieser eingebettet ist. All diese Teile müssen gut aufeinander abgestimmt sein, um die erwünschte Wirkung beim Zuschauer zu erzielen[10].

2.1 Schriftlichkeit und Sprache

Das Fernsehprogramm wird zwar von gesprochener Sprache dominiert, basiert aber dennoch auf der Schriftlichkeit. Ob Drehbuch oder Teleprompter – der gesprochene Text wird meist entweder abgelesen oder auswendig gelernt. Diese Tatsache macht das Fernsehen besonders zugänglich für eine rhetorische Betrachtungsweise, denn die Textproduktion verläuft auch hier nach den rhetorischen Produktionsphasen – wenn auch mit gewissen Einschränkungen. Das Fernsehen ist ein linear sendendes Medium, der Zuschauer muss dem Sendefluss folgen können, da er nicht wie in einer Zeitung nachlesen kann. Dem hat sich die Fernsehsprache angepasst: der Text soll leicht verständlich, aber auch sprachlich attraktiv formuliert sein. Hier findet man zwei virtutes elocutionis aus der klassischen Rhetorik: perspicuitas und ornatus[11] . Grundsätzlich kann man die Fernsehsprache unterteilen in die klassische und die moderne Form. Bei der klassischen Form ist die Sprache sehr am schriftlichen Stil orientiert. Es werden längere, komplexere Sätze benutzt. Der moderne Stil dagegen ist mehr an der gesprochenen Sprache orientiert, die Sätze sind kürzer und die Sprache ist persönlicher, emotionaler und bildhafter gehalten. Jedoch ist der Sprachstil und der Bezug zur Schrift von Sendegattung zu Sendegattung sehr unterschiedlich. So sind Texte in Nachrichtensendungen zum Beispiel meist noch dem Zeitungsstil sehr ähnlich, die formelle Sprache wird beibehalten[12]. Dagegen versuchen Nachmittags-Talkshows den Zuschauer auf „Augenhöhe“ zu erreichen, die Moderatoren verwenden einen sehr umgangssprachlichen, spontan wirkenden Sprechstil. Aus rhetorischer Sicht lässt sich sagen, dass auch bzw. besonders im Fernsehen der Ausarbeitung und Performanz von Texten besondere Bedeutung zukommt. Denn die Distanz von Orator und Publikum zwingt ihn, die Arbeit am Text sehr bewusst zu gestalten: „Er muss einer Struktur Funktion geben, während er sie erzeugt. Aus der korporalen Präsenz muss eine intellektuelle Präsenz im Text werden. (...) Die Simulation wenigstens einer personalen, wenn nicht korporalen Präsenz ist insofern möglich, als die Sprache entsprechend auf die Psyche des Gegenüber, auf menschliche Imagination, Phantasie und Emotionalität (...) beim Empfänger wirken kann.“[13]

[...]


[1] Joachim Knape: Medialrhetorik. In: Knape, Joachim: Was ist Rhetorik?, Reclam, Stuttgart 2000, S. 94 (künftig: Knape)

[2] Knape, S. 98

[3] Vgl. Knape, S. 100

[4] Vgl. Gert Ueding: Fernsehrhetorik. In: Ueding, Gert (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Niemeyer Verlag, Tübingen 1996, S. 248 (künftig: Ueding)

[5] Ueding, S. 247

[6] Ueding, S. 244

[7] Vgl. Ueding, S. 252

[8] Ueding, S. 253

[9] Vgl. Ueding, S. 253

[10] Vgl. Ueding, S. 253

[11] Ueding, S. 253 / 254

[12] Vgl. Ueding, S. 250

[13] Knape, S. 104 / 105

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Grundlagen der Fernsehrhetorik
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Philosophische Fakultät)
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
12
Katalognummer
V196109
ISBN (eBook)
9783656220237
ISBN (Buch)
9783656220671
Dateigröße
477 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fernsehrhetorik
Arbeit zitieren
Eva Hasel (Autor:in), 2007, Grundlagen der Fernsehrhetorik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/196109

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