Zur Quantifizierung von Kreditrisiken sind gemeinhin drei Risikoparameter von großer
Bedeutung: PD (Probability of Default), LGD (Loss given Default) und EaD (Exposure
at Default). EaD entspricht der Forderungshöhe bei Ausfall, LGD der erwarteten Verlustquote
bei Ausfall und PD der Ausfallwahrscheinlichkeit. Die Verlustquote gibt das
Verhältnis der uneinbringlichen Forderungssumme zur Forderungshöhe im Zeitpunkt
des Ausfalls an. Die wissenschaftliche und praktische Auseinandersetzung konzentrierte
sich in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend auf die Modellierung und Schätzung
des Kreditausfalls und seiner Wahrscheinlichkeit, während der Größe LGD weit weniger
Aufmerksamkeit geschenkt wurde. So können sowohl akademische als auch kommerzielle
Kreditrisikomodelle inzwischen in Bezug auf Ausfallrisiken als sehr fortgeschritten
angesehen werden.
Hinsichtlich der LGDs wurden jedoch lange Zeit vereinfachende Annahmen getroffen.
So wurden Verlustquoten häufig als modellexogene Parameter angesehen, die entweder
deterministisch vorgegeben oder stochastisch, jedoch unabhängig von anderen Risikogrößen
in die Modelle integriert wurden. Dadurch wurden PD und LGD als voneinander
unabhängig angenommen. Das hatte hauptsächlich zwei zusammenhängende Gründe.
Zum einen legte man in der Praxis des Risikomanagements den Schwerpunkt auf systematische
Quellen des Kreditrisikos, da diese eine Risikoprämie rechtfertigen. Zum
andern arbeiteten die meisten Kreditrisikomodelle traditionell mit der Annahme, dass
die LGD von fixen Faktoren abhängen, die keine systematischen Risikokomponenten
aufweisen. Im Zuge der Ankündigung der Reform der Eigenkapitalvorschriften (Basel
II) rückte der LGD-Parameter zunehmend in den Fokus wissenschaftlicher und bankinterner
Forschung, da Banken im sogenannten fortgeschrittenen IRB-Ansatz die Möglichkeit
einer eigenständigen Schätzung aller drei Risikoparameter eingeräumt wird.
Dabei haben sowohl theoretische Überlegungen, als auch empirische Ergebnisse, zunächst
bei handelbaren Anleihen, die Unabhängigkeitsannahme stark in Zweifel gezogen
und gaben Anlass von einer potentiell positiven Interaktion zwischen PD und LGD
auszugehen. Das bedeutet, dass in Zeiten ungünstiger ökonomischer Bedingungen sowohl
die Zahl der Ausfälle als auch der mit diesen verbundenen uneinbringlichen Teile
der Forderung gleichzeitig ansteigen können, was die Solvenz der Banken folglich stark in Mitleidenschaft ziehen kann.[...]
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Begriffsdefinitionen und Grundlagen
- 2.1 Risikobegriffe
- 2.2 Bedeutung von Korrelationen im Portfoliokontext
- 3 Kreditrisikobehandlung im Rahmen von Basel II
- 3.1 Auf internen Ratings basierenden Ansätze
- 3.2 Vorgaben und Prinzipien zur Ermittlung von Verlustquoten
- 4 Befunde aus der empirischen Literatur
- 4.1 Zusammenhang zwischen Ausfall und Recovery-Risiken bei Anleihen
- 4.2 Verlustquoten bei Bankkrediten
- 4.2.1 Untersuchungen mit Datenpools von Ratingagenturen
- 4.2.2 Bankinterne Daten
- 4.3 Ausfall- und Recovery-Risiken auf Unternehmensebene
- 4.4 Werthaltigkeit von Kreditsicherheiten
- 4.5 Bedeutung des Diskontsatzes
- 4.6 Zusammenfassende Betrachtung der Empirie
- 5 Besondere Aspekte bei der DLGD-Ermittlung
- 5.1 Methoden zur Schätzung des DLGD
- 5.2 Granularität bei der DLGD-Ermittlung
- 5.3 Diskussion möglicher Diversifikationseffekte
- 6 Das Miu-Ozdemir-Modell
- 6.1 Struktur des Modells
- 6.2 Analytische Darstellung der Korrelationsstruktur
- 6.3 Monte Carlo Simulation von Kreditportfolien
- 6.3.1 Fallstudie mit Parametern von Miu und Ozdemir (2005)
- 6.3.2 Fallstudie mit Parametern von Pederson et al. (2009)
- 6.3.3 Zwischenfazit und Diskussion
- 6.3.4 Weiter Simulationsexperimente
- 6.4 Kritische Würdigung
- 7 Besonderheiten der Parameterschätzung
- 8 Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Interaktion von Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlustquote bei der Messung von Kreditrisiken in Banken. Ziel ist es, ein tiefergehendes Verständnis der komplexen Zusammenhänge zwischen diesen beiden Faktoren zu entwickeln und deren Einfluss auf die Risikomessung zu analysieren. Die Arbeit stützt sich dabei auf existierende Literatur und Modelle.
- Begriffsdefinitionen und Grundlagen des Kreditrisikos
- Kreditrisikobehandlung im Rahmen von Basel II
- Empirische Befunde zum Zusammenhang zwischen Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlustquote
- Analyse des Miu-Ozdemir-Modells zur Simulation von Kreditportfolien
- Besondere Aspekte der Parameterschätzung und der DLGD-Ermittlung
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Kreditrisikomessung in Banken ein und skizziert die zentrale Forschungsfrage der Arbeit: die Interaktion zwischen Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlustquote. Sie begründet die Relevanz des Themas und gibt einen Überblick über den Aufbau der Arbeit.
2 Begriffsdefinitionen und Grundlagen: Dieses Kapitel legt die grundlegenden Begriffe und Konzepte fest, die im weiteren Verlauf der Arbeit verwendet werden. Es definiert verschiedene Risikobegriffe und erläutert die Bedeutung von Korrelationen im Kontext von Kreditportfolios. Dieses Kapitel bildet die essentielle Grundlage für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel.
3 Kreditrisikobehandlung im Rahmen von Basel II: Dieses Kapitel beschreibt die regulatorischen Vorgaben von Basel II zur Kreditrisikomessung. Es analysiert die auf internen Ratings basierenden Ansätze und die Prinzipien zur Ermittlung von Verlustquoten. Die Diskussion der Basel II-Regeln liefert einen wichtigen Rahmen für die Bewertung der empirischen Befunde und der Modellanwendung.
4 Befunde aus der empirischen Literatur: Dieses Kapitel präsentiert eine umfassende Übersicht über die empirische Literatur zum Thema. Es untersucht den Zusammenhang zwischen Ausfall- und Recovery-Risiken bei Anleihen und Verlustquoten bei Bankkrediten, wobei sowohl Datenpools von Ratingagenturen als auch bankinterne Daten berücksichtigt werden. Die Analyse der empirischen Studien liefert wichtige Erkenntnisse über die tatsächliche Interaktion von Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlustquote. Die Kapitelteile 4.3-4.5 behandeln ergänzende Aspekte wie Ausfall- und Recovery-Risiken auf Unternehmensebene, die Werthaltigkeit von Kreditsicherheiten und die Bedeutung des Diskontsatzes, die alle Einfluss auf die Genauigkeit der Risikomessung haben.
5 Besondere Aspekte bei der DLGD-Ermittlung: Dieses Kapitel widmet sich spezifischen Herausforderungen bei der Ermittlung des Downturn Loss given Default (DLGD). Es analysiert verschiedene Schätzmethoden, die Granularität der Daten und mögliche Diversifikationseffekte. Die detaillierte Betrachtung dieser Aspekte ist wichtig, um die Genauigkeit und die Aussagekraft der Risikomessung zu verbessern.
6 Das Miu-Ozdemir-Modell: Dieses Kapitel präsentiert und analysiert das Modell von Miu und Ozdemir zur Modellierung der Interaktion von Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlustquote. Es beschreibt die Struktur des Modells, die analytische Darstellung der Korrelationsstruktur und die Anwendung von Monte-Carlo-Simulationen zur Analyse von Kreditportfolien. Die Fallstudien mit verschiedenen Parametern veranschaulichen die Anwendung des Modells und liefern wertvolle Erkenntnisse über dessen Leistungsfähigkeit und Grenzen. Die kritische Würdigung des Modells am Ende des Kapitels rundet die Analyse ab.
7 Besonderheiten der Parameterschätzung: Dieses Kapitel befasst sich mit den methodischen Herausforderungen der Parameterschätzung im Kontext des verwendeten Modells. Es wird detailliert auf die spezifischen Schwierigkeiten eingegangen und mögliche Lösungsansätze diskutiert.
Schlüsselwörter
Kreditrisiko, Ausfallwahrscheinlichkeit (PD), Verlustquote (LGD), Basel II, interne Ratings, Korrelation, Downturn Loss given Default (DLGD), Monte-Carlo-Simulation, Miu-Ozdemir-Modell, Risikomessung, Bankkredit.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Kreditrisikomessung in Banken - Interaktion von Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlustquote
Was ist der Hauptfokus dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht die komplexe Interaktion zwischen Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) und Verlustquote (LGD) bei der Messung von Kreditrisiken in Banken. Ziel ist es, ein tiefergehendes Verständnis dieser Zusammenhänge und deren Einfluss auf die Risikomessung zu entwickeln.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: Begriffsdefinitionen und Grundlagen des Kreditrisikos, Kreditrisikobehandlung im Rahmen von Basel II, empirische Befunde zum Zusammenhang zwischen PD und LGD, Analyse des Miu-Ozdemir-Modells zur Simulation von Kreditportfolien, sowie besondere Aspekte der Parameterschätzung und der DLGD-Ermittlung.
Welche Modelle werden verwendet?
Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse des Miu-Ozdemir-Modells, welches die Interaktion von Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlustquote simuliert. Das Modell wird mittels Monte-Carlo-Simulationen angewendet und kritisch bewertet.
Welche Datenquellen werden verwendet?
Die Arbeit stützt sich auf existierende Literatur und empirische Daten. Die empirischen Befunde basieren auf Datenpools von Ratingagenturen sowie bankinternen Daten, um den Zusammenhang zwischen Ausfall- und Recovery-Risiken bei Anleihen und Verlustquoten bei Bankkrediten zu untersuchen.
Was ist der Downturn Loss given Default (DLGD)?
Die Arbeit widmet sich der DLGD-Ermittlung und analysiert verschiedene Schätzmethoden, die Granularität der Daten und mögliche Diversifikationseffekte. DLGD ist ein wichtiger Aspekt der Kreditrisikomessung, der die Verlustquote in einem wirtschaftlichen Abschwung betrachtet.
Welche regulatorischen Aspekte werden berücksichtigt?
Die Arbeit beschreibt die regulatorischen Vorgaben von Basel II zur Kreditrisikomessung, analysiert die auf internen Ratings basierenden Ansätze und die Prinzipien zur Ermittlung von Verlustquoten. Die Basel II-Regeln bilden einen wichtigen Rahmen für die Bewertung der empirischen Befunde und der Modellanwendung.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Kreditrisiko, Ausfallwahrscheinlichkeit (PD), Verlustquote (LGD), Basel II, interne Ratings, Korrelation, Downturn Loss given Default (DLGD), Monte-Carlo-Simulation, Miu-Ozdemir-Modell, Risikomessung, Bankkredit.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, Kapitel zu Begriffsdefinitionen und Grundlagen, Kreditrisikobehandlung nach Basel II, empirische Befunde, besondere Aspekte der DLGD-Ermittlung, die Analyse des Miu-Ozdemir-Modells, Besonderheiten der Parameterschätzung und eine Schlussbetrachtung. Ein detailliertes Inhaltsverzeichnis ist im Dokument enthalten.
- Arbeit zitieren
- David Hillmann (Autor:in), 2012, Zur Interaktion von Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlustquote bei der Messung von Kreditrisiken in Banken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/196509