Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Macht versus Herrschaft
2.1. Soziales Handeln und soziale Beziehung
2.2. Macht
2.3. Herrschaft
3. Legitimität von Herrschaft
3.1. Die Legitimitätsgeltung
3.2. Der Legitimitätsanspruch
4. Die drei reinen Typen legitimer Herrschaft
4.1. Die legale Herrschaft
4.2. Die traditionale Herrschaft
4.3. Die charismatische Herrschaft
5. Fazit
Bibliographie
1. Einleitung
Der Begriff der Herrschaft nimmt in Max Webers posthum erschienenem Hauptwerk Wirtschaft und Gesellschaft eine zentrale Position ein. Eine erste kurze Definition erscheint bereits in den soziologischen Grundbegriffen, die aber, wie die anderen Grundbegriffe auch, nur die Basis für seine weiteren Ausführungen bildet. Ausführlich widmet sich Weber dem Herrschaftsbegriff im dritten Kapitel, in dem er die drei reinen Typen legitimer Herrschaft definiert und somit die „Grundlagen der modernen Herrschaftssoziologie […] geschaffen“[1] hat.
Für Weber bedeutet Herrschaft eine Beziehungsform, die durch Befehle und widerspruchsfreien Gehorsam gegenüber diesen ausgedrückt wird, die also ein reziprokes Verhältnis zwischen Herrschenden und Beherrschten verkörpert und die sich daher eindeutig von Webers Machtbegriff unterscheidet. Wenn Weber aber von den drei reinen Typen legitimer Herrschaft spricht, wirft das Fragen auf: Wie unterscheidet Weber Herrschaft von Macht? Was versteht er unter Legitimität? Wann gilt Herrschaft als legitim? Woher beziehen diese drei Typen ihren Legitimitätsanspruch und wie unterscheiden sie sich? Wenn Stefan Breuer anmerkt, dass niemand, „der historisch gearbeitet hat, […] den hohen Nutzen der von Weber vorgeschlagenen Typologie der Geltungsgründe verkennen“[2] wird, muss hinterfragt werden, ob diese Typologie der drei reinen Typen der Herrschaft nur in historischen Konstellationen zu finden ist oder ob sie auch im 21. Jahrhundert sinnvoll ist und sich in aktuellen Herrschaftskonstellationen widerspiegelt.
Daher ist das Ziel dieser Arbeit, Webers Herrschaftstypologie zu analysieren und an Beispielen die These zu belegen: Die Herrschaftstypologie Max Webers hat bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren und findet sich, wenn auch nicht in Reinform, in modernen Herrschaftsgebilden wieder.
Um überhaupt die Herrschaftstypen voneinander unterscheiden zu können, muss vorab untersucht werden, was Weber unter dem Begriff der Herrschaft versteht. Da sowohl Macht als auch Herrschaft Sonderformen einer sozialen Beziehung darstellen, müssen zu Beginn die Begriffe der sozialen Beziehung und, als Vorstufe der Beziehung, des sozialen Handelns erläutert werden, da es sich hierbei um soziologische Gebilde handelt, die grundlegend für die weitere Analyse der Herrschaft sind. Nach Klärung dieser Begrifflichkeiten werde ich den Herrschaftsbegriff vom Machtbegriff eindeutig trennen, indem ich zuerst Webers Verständnis von Macht aufzeigen werde, um mich dann dessen Definition der Herrschaft zuzuwenden und aufzuzeigen, in welchen zentralen Punkten sich Macht von Herrschaft unterscheidet. Hierbei werde ich auch Webers Differenzierung zwischen der Herrschaft kraft Interessenkonstellation und kraft Autorität darlegen und aufzeigen, warum er sich in seinen weiteren Ausführungen bezüglich der drei reinen Typen legitimer Herrschaft auf die Herrschaft kraft Autorität bezieht. Kapitel 3 geht der Frage nach, was eine Herrschaft benötigt, um legitim zu sein. Im Mittelpunkt der Beantwortung dieser Frage stehen die beiden Begriffe der Legitimitätsgeltung, die die Voraussetzungen für den dauerhaften Bestand eines Herrschaftsverhältnisses untersucht, und, daran anschließend, des Legitimitätsanspruchs als Kern der Legitimität einer Herrschaft. Im nächsten Schritt werde ich dann die drei reinen Typen legitimer Herrschaft erörtern und exemplarisch aufzeigen, in welchen modernen Herrschaftsgebilden die legale, die traditionale und die charismatische Herrschaft wiederzufinden sind.
Die verwendete Literatur reicht von Andrea Maurers Einführung in die Herrschaftssoziologie über Reinhard Bendix’ Gesamtanalyse des Weberschen Schaffens zu Stallbergs leicht überarbeiteter Dissertation bezüglich der Untersuchungen zu Anwendung und Anwendbarkeit von Herrschaft und Legitimität als zentrale Kategorien Max Webers. Den aktuellen Stand der Forschung geben Anters Werk zu Max Webers Theorie des modernen Staates und der Artikel von Petra Neuenhaus über amorphe Macht und Herrschaftsgehäuse bei Weber in Peter Imbuschs Sammelband Macht und Herrschaft wieder.
2. Macht versus Herrschaft
Um Macht und Herrschaft analysieren und voneinander abgrenzen zu können, muss in einem ersten Schritt Webers Hinleitung zu diesen beiden sozialen Handlungsweisen aufgezeigt werden. Diese Hinleitung basiert auf der Erörterung der Begriffe des sozialen Handelns und der sozialen Beziehung.
2.1. Soziales Handeln und soziale Beziehung
Einleitend in sein posthum erschienenes Hauptwerk Wirtschaft und Gesellschaft legt Weber in siebzehn Paragraphen (er nennt sie soziologische Grundbegriffe) seine Auffassung von der soziologischen Wissenschaft dar, in deren Kontext auch die Handlungsweisen der Macht und Herrschaft erläutert werden. Bereits der erste Paragraph ist für die Analyse von Macht und Herrschaft von Bedeutung, da Weber in diesem veranschaulicht, was er unter Soziologie und unter sozialem Handeln versteht und somit den Grundstein für die Analyse der Handlungsweisen Macht und Herrschaft legt:
„§1. Soziologie (im hier verstandenen Sinn dieses sehr vieldeutig gebrauchten Wortes) soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. „Handeln“ soll dabei menschliches Verhalten (einerlei, ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn[3] verbinden. „Soziales“ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“[4]
Somit begrenzt Weber den Begriff der Soziologie auf das Verstehen und ursächliche Erklären von sozialem Handeln, also von menschlichen Aktivitäten – in die er auch das Unterlassen und Dulden mit einschließt –, die der Handelnde als subjektiv sinnvoll erachtet und die auf das Verhalten anderer Personen und deren Handeln bezogen ist. Allerdings beschreibt diese Definition sozialen Handelns nur die Motive des einzelnen Handelnden. Wenn nun die Perspektive dieses einzelnen Handelnden um die Perspektiven der mit dem einzelnen Handelnden in Verbindung stehenden Personen erweitert wird, spricht Weber nicht mehr von sozialem Handeln, sondern von sozialen Beziehungen:
§3. Soziale „Beziehung“ soll ein seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer heißen. Die soziale Beziehung besteht also durchaus und ganz ausschließlich: in der Chance, daß in einer (sinnhaft) angebbaren Art sozial gehandelt wird, einerlei zunächst: worauf diese Chance beruht.“[5]
Die soziale Beziehung bedeutet also mehr als die Summe sämtlichen sozialen Handelns der Beteiligten, sie thematisiert die Wechselwirkung der sozialen Handlungen zueinander, d.h. ein „Mindestmaß von Beziehung des beiderseitigen Handelns aufeinander soll […] Begriffsmerkmal sein.“[6] Allerdings erklärt der Begriff der sozialen Beziehung nicht, in welcher Weise die Handelnden zueinander stehen, ob die soziale Beziehung freundschaftlich oder feindselig ist, „ob ‚Solidarität’ der Handelnden besteht oder das gerade Gegenteil“[7]. Stattdessen ist der Begriff der sozialen Beziehung eng an die Erwartungshaltung der Handelnden geknüpft, da „der Handelnde vom Partner […] eine bestimmte Einstellung dieses letzteren ihm […] gegenüber voraussetzt und an diesen Erwartungen sein eigenes Handeln orientiert“[8]. Dadurch können sowohl der Handlungsverlauf als auch die Gestaltung der sozialen Beziehung beeinflusst werden, was somit die Wechselwirkung der sozialen Handlungen zueinander darstellt.
2.2. Macht
Besondere Formen der Wechselwirkung sozialer Handlungen werden in Paragraph 16 der soziologischen Grundbegriffe deutlich, in denen Weber erstmals die Begriffe Macht und Herrschaft kurz erläutert. Es handelt sich deshalb um Sonderformen der sozialen Beziehung, weil diese, im Gegensatz zu der unter Paragraph drei beschriebenen Grundform der sozialen Beziehung, eine Hierarchie beinhalten, die die Beziehung zwischen den Handelnden regelt. Weber unterscheidet Macht und Herrschaft folgendermaßen:
„§16. Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.
Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden […].“[9]
Wie bereits erwähnt, ist Macht hierarchisch angelegt. Sie ist die Chance, den eigenen Willen gegen den Willen eines anderen durchzusetzen. Dies geschieht ‚innerhalb einer sozialen Beziehung’, also zwischen Menschen, nicht zwischen Institutionen. Denn Weber hat die soziale Beziehung als Chance auf soziales Handeln definiert, wobei er Handeln als ‚menschliches Verhalten’ versteht. Die Anwendung von Macht ist nach Weber nicht zwangsläufig mit Konflikten zwischen den Beteiligten verbunden. Durch die Formulierung ‚auch gegen Widerstreben’ schließt er zwar die Möglichkeit eines Konflikts in seine Machtdefinition ein, setzt diesen Konflikt aber nicht für den Machtgebrauch voraus. Er verdeutlicht damit lediglich, dass der Mächtige – der Inhaber der Macht –, das Potential hat, seinen Willen im Falle eines Konflikts durchzusetzen. Wenn nun aber der Mächtige auf Widerstand bei der Ausübung der Macht stößt, dann benötigt er Sanktionsmittel dem gegenüber, dem er seine Macht aufzwingen will. Daher spielt auch Zwang, der eng mit dem Begriff der Gewalt verbunden ist[10], eine wichtige Rolle in Webers Machtbegriff, welchen er an anderer Stelle definiert als die „Möglichkeit, den eigenen Willen dem Verhalten anderer aufzuzwingen“[11]. Da aber die Grundlage von Macht und die Art ihrer Wirkung zu vielfältig und somit zu unklar sind, ist Macht für Weber „soziologisch amorph“[12], also formlos und kaum greifbar, denn: „Alle denkbaren Qualitäten eines Menschen und alle denkbaren Konstellationen können jemand in die Lage versetzen, seinen Willen in einer gegebenen Situation durchzusetzen.“[13] Dies bedeutet, dass bei der Anwendung von Macht aufgrund der Vielfalt der Grundlage und der Art der Wirkung zwischen rationalem und irrationalem Handeln nicht unterschieden werden kann, was zur Folge hat, dass der Machtbegriff für die Ermittlung eines Idealtypus ungeeignet und somit für ihn soziologisch amorph ist.
2.3. Herrschaft
Aufgrund der Formlosigkeit von Macht und der damit verbundenen Unmöglichkeit der Ermittlung eines Idealtypus lenkt Weber seine Aufmerksamkeit daher auf den Begriff der Herrschaft, welche er als „Sonderfall von Macht“[14] betrachtet und für den er fordert: „Der soziologische Begriff der ‚Herrschaft’ muß daher ein präziserer sein und kann nur die Chance bedeuten: für einen Befehl Fügsamkeit zu finden.“[15] Im Unterschied zur Macht, die zwar in einer sozialen Beziehung stattfindet, aber bei der die Beziehung zwischen demjenigen, der Macht ausübt und jenem, dem sie aufgezwungen wird, in keiner Weise klar geregelt ist und somit eine gesellschaftliche Ordnung nicht unbedingt vorhanden sein muss, gilt Herrschaft als „ anerkannte, geregelte Form von Über- und Unterordnungen “[16]. Diese ‚Form von Über- und Unterordnungen’ basiert auf zwei Komponenten, nämlich auf ‚Befehl’ und ‚Gehorsam’. Der Übergeordnete, also der Herrschende, spricht Befehle aus, denen die Untergeordneten zu gehorchen haben, für die der Herrschende ‚Fügsamkeit zu finden’ erhofft – also ein Handeln, das so abläuft, „als ob die Beherrschten den Inhalt des Befehls, um seiner selbst willen, zur Maxime ihres Handelns gemacht hätten“[17]. Würden diese nicht befolgt, gäbe es auch keinen Gehorsam und somit wäre der Tatbestand der Herrschaft nicht erfüllt. Dem Befehlenden bliebe in diesem Fall nur die Möglichkeit, seinen Willen entweder gar nicht oder gegen Widerstreben durchzusetzen, was aber nicht dem Begriff der Herrschaft, sondern dem der Macht entspräche.
Das bedeutet für das Vorhandensein von Herrschaft, dass eventuelles Widerstreben auf Seiten der Beherrschten bereits überwunden ist. Herrschaft setzt also die Fügsamkeit der Beherrschten voraus. Allerdings können die Motive für diese Fügsamkeit mannigfaltig sein. So können sich die Beherrschten aus freien Stücken fügen oder weil sie die Richtigkeit des Befehls erkennen, sie können sich aber auch aus Angst vor Strafe oder aufgrund eigener Schwäche fügen. Vor allem aber fügen sich die Beherrschten aufgrund einer Interessenkonstellation zwischen Herrschenden und Beherrschten, „die es auch dem Beherrschten vorteilhaft, d.h. in seinem eigenen Interesse liegend erscheinen lässt, zu gehorchen“[18]. Somit bedeutet Herrschaft, im Gegensatz zur asymmetrisch angeordneten Macht, eine reziproke Autoritätsbeziehung zwischen Herrschenden und Beherrschten, denn ein „bestimmtes Minimum an Gehorchen wollen, also Interesse (äußerem oder innerem) am Gehorchen, gehört zu jedem echten Herrschaftsverhältnis“[19]. Genau dieses Interesse ist dem Machtbegriff fremd.
Da Weber eine „umfassende Kasuistik aller Formen, Bedingungen und Inhalte des ‚Herrschens’ in jenem weitesten Sinn“[20] aufgrund der Anzahl verschiedener Herrschaftsverhältnisse unmöglich erscheint, wählt er mit der Herrschaft kraft Interessenkonstellation und der Herrschaft kraft Autorität „zwei polar einander entgegengesetzte Typen von Herrschaft“[21], um seinen Herrschaftsbegriff genauer ausführen zu können:
„Der reinste Typus der ersteren ist die monopolistische Herrschaft auf dem Markt, der letzteren die hausväterliche oder amtliche oder fürstliche Gewalt. Die erstere gründet sich im reinen Typus lediglich auf die kraft irgendwie gesicherten Besitzes (oder auch marktgängiger Fertigkeit) geltend zu machenden Einflüsse auf das lediglich dem eigenen Interesse folgende formal ‚freie’ Handeln der Beherrschten, die letztere auf eine in Anspruch genommene, von allen Motiven und Interessen absehende schlechthinige Gehorsamspflicht.“[22]
Der erste Typus, die Herrschaft kraft Interessenkonstellation, gründet sich auf reine Marktmacht, also um eine ökonomisch bedingte Macht, der sich der Beherrschte zur Verfolgung seiner eigenen Interessen unterwirft. Der Beherrschte ist in seinem eigenen Handeln frei, wird also nicht durch Gesetze oder Gewalt zu seinem Handeln gezwungen, so dass der Herrschende keine absolute Autorität, „d.h. ein unabhängig von allem Interesse bestehendes Recht auf ‚Gehorsam’ gegenüber den tatsächlich Beherrschten“[23] genießt. Die Gehorsamspflicht in diesem ersten Typus ist daher eher hypothetischer Natur in dem Sinne, dass man dieser nur folgt, da man bestimmte Motive und Interessen verfolgt, zu deren Erfüllung man die Marktmacht des Herrschenden in Anspruch nehmen muss.
Im Mittelpunkt des Interesses steht für Weber aber die andere Form der Herrschaft, nämlich jene, die Befehlsgewalt in Form von Autorität definiert. In diesem Herrschaftsverhältnis erhebt der Herrschende einen Anspruch auf Gehorsam, der ihm aufgrund seiner Autorität zusteht. Die Beherrschten sind in dieser Herrschaft kraft Autorität dem Herrschenden gegenüber zum Gehorsam verpflichtet. Diesen Herrschaftsbegriff, den Weber zur terminologischen Grundlage seiner weiteren Ausführungen über die Herrschaft erklärt, präzisiert er wie folgt:
„Unter ‚Herrschaft’ soll hier also der Tatbestand verstanden werden: daß ein bekundeter Wille (‚Befehl’) des oder der ‚Herrschenden’ das Handeln anderer (des oder der ‚Beherrschten’) beeinflussen will und tatsächlich in der Art beeinflußt, daß dies Handeln, in einem sozial relevanten Grade, so abläuft, as ob die Beherrschten den Inhalt des Befehls, um seiner selbst willen, zur Maxime ihres Handelns gemacht hätten (‚Gehorsam’).“[24]
Der Grundsatz des Handelns der Beherrschten basiert auf dem Willen des Herrschenden genauso wie auf dem Willen der Beherrschten, dem Befehl des Herrschers Folge zu leisten. Denn Herrschaft ist eine reziproke soziale Beziehung, die ‚ein bestimmtes Minimum an Gehorchen wollen’ von Befehlen voraussetzt. Dieser Gehorsam der Beherrschten beruht sowohl auf sanktionsgestützten Regelsystemen als auch darauf, dass die Beherrschten die Autorität des Herrschenden als legitim anerkennen. Worauf die Legitimität der Herrschaft nach Weber begründet ist, wird im folgenden Kapitel erläutert.
3. Legitimität von Herrschaft
Legitimität spielt in Webers Herrschaftskonzeption eine wichtige Rolle. Alleine dadurch, dass der erste Abschnitt bei Webers Ausführungen über die Typen der Herrschaft in Kapitel III von Wirtschaft und Gesellschaft die Legitimitätsgeltung von Herrschaft beinhaltet, zeigt die besondere Stellung der Legitimität. Denn schließlich gilt sie als Bindeglied zwischen seinem Herrschafts- und seinem Ordnungsmodell[25]. So sagt Maurer, dass Legitimität bei Weber eine spezifische Chance begründet, „daß einer Ordnung relativ dauerhaft und in einem sozial relevanten Umfang empirische Geltung zukommt, da sich daraus Gehorsamspflichten und Befehlsrechte ableiten“[26]. Umso erstaunlicher ist daher die Tatsache, dass der Begriff der Legitimität bei Weber – im Gegensatz zum Herrschaftsbegriff –„ohne ausdrücklich angezeigte und weiterausholende [!sic] Bedeutungspräzisierung“[27] bleibt und „jede soziologische Konvention über den Begriffsgebrauch fehlt“[28]. Dennoch gilt der Legitimitätsbegriff als Kern Webers Herrschaftssoziologie. Denn nach seinem Verständnis kann keine Herrschaft „dauerhaften Bestand haben, wenn sie nicht über eine Legitimitätsgrundlage verfügt“[29], die im folgenden Kapitel erörtert werden soll.
3.1. Die Legitimitätsgeltung
Die zentrale Frage, die Weber mit der Legitimitätsgeltung, also mit der Erörterung der Voraussetzungen, wann eine Herrschaft als legitim zu bezeichnen gilt, beantworten will, lautet: „Wodurch wird der dauerhafte Bestand eines sozialen Herrschaftsverhältnisses gesichert?“[30] Zuerst einmal muss überhaupt eine Form von Herrschaft vorliegen. Weber verdeutlicht erneut, dass er unter Herrschaft nicht „jede Art von Chance, ‚Macht’ und ‚Einfluß’ auf andere Menschen auszuüben“[31], versteht, sondern die Chance, für Befehle bei einer angebbaren Gruppe von Menschen Gehorsam zu finden’, die ihrerseits ein ‚Minimum an Gehorchen wollen’, ein Interesse an Gehorsam aufbringen. Das Interesse an Gehorsam wird durch die Androhung oder Anwendung von Sanktionsmitteln gegenüber den Beherrschten unterstützt. Unter diesen Sanktionsmitteln versteht Weber die Gewaltsamkeit, in der er aber „weder das einzige, noch auch nur das normale Verwaltungsmittel“[32] für politische Verbände sieht[33]. Dennoch gilt die Androhung oder Anwendung von physischem oder psychischem Zwang als das spezifische Mittel der Herrschaft und als „ultima ratio, wenn andre Mittel versagen.“[34] Zur Überwachung der Einhaltung des Gehorsams benötigt Herrschaft, sobald es sich um Herrschaft über eine Vielzahl von Menschen handelt, im Normalfall einen Verwaltungsstab. Der Verwaltungsstab ist ein ordnungsfunktionaler Herrschaftsmechanismus, „dessen innere Funktionsweise wie auch die Ausübung der Herrschaft im Verband als ordnungsgeleitete Wahrnehmung von Befehlsrechten beschrieben wird“[35]. Laut Weber äußert sich letztlich jede Herrschaft als Verwaltung, die sich aber wiederum durch das Zusammenwirken von Über- und Untergeordneten regelt. Die Beziehungen, die daraus entstehen „können entweder […] nur in geringem Maße institutionalisiert sein, oder sie können sich zu einem […] sozialen Gebilde verfestigen“[36]. Im späteren Verlauf wird ersichtlich werden, dass sich Webers Herrschaftssoziologie in Bezug auf die Verwaltungsstäbe hauptsächlich mit der zweiten Variante auseinandergesetzt hat. Dieser Verwaltungsstab setzt sich zusammen aus Personen, die
[...]
[1] Maurer, Andrea: Herrschaftssoziologie, eine Einführung, Frankfurt/Main, 2004, S.9.
[2] Breuer, Stefan: Max Webers Herrschaftssoziologie, herausgegeben von Axel Honneth, Hans Joas und Claus Offe (Theorie und Gesellschaft Band 18), Frankfurt/Main/ New York, 1991, S.20.
[3] Zur besseren Veranschaulichung von Hervorhebungen, die in der mir vorliegenden fünften Auflage von Max Webers Wirtschaft und Gesellschaft durch „Einzelstellung“ der einzelnen Buchstaben eines Wortes kenntlich gemacht worden sind, werde ich diese durch die Nutzung der kursiven Schriftweise kenntlich machen, anstatt die Einzelstellung zu übernehmen (Sinn anstatt S i n n). Das Nutzen der kursiven Schriftweise außerhalb direkter Zitate aus Webers Wirtschaft und Gesellschaft bezieht sich nicht auf diese Regelung.
[4] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der verstehenden Soziologie, herausgegeben von Johannes Winckelmann, 1. Halbband, 5., revidierte Auflage, Tübingen, 1976, S.1.
[5] Ebenda, S.13.
[6] Ebenda.
[7] Ebenda.
[8] Ebenda, S.14.
[9] Ebenda, S.28.
[10] Maurer, Andrea: Herrschaftssoziologie, eine Einführung, Frankfurt/Main, 2004, S.15. Gewalt wird bei Maurer als „die Androhung oder der tatsächliche Einsatz von Zwang gegen andere“ definiert und „beruht […] allein auf der glaubhaft zu machenden Verfügung beziehungsweise Anwendung physischer, psychischer oder sozialer Zwangsmittel.“
[11] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der verstehenden Soziologie, herausgegeben von Johannes Winckelmann, 2. Halbband, 5., revidierte Auflage, Tübingen, 1976, S.542.
[12] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der verstehenden Soziologie, herausgegeben von Johannes Winckelmann, 1. Halbband, 5., revidierte Auflage, Tübingen, 1976, S.28.
[13] Ebenda, S.28f.
[14] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der verstehenden Soziologie, herausgegeben von Johannes Winckelmann, 2. Halbband, 5., revidierte Auflage, Tübingen, 1976, S.541.
[15] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der verstehenden Soziologie, herausgegeben von Johannes Winckelmann, 1. Halbband, 5., revidierte Auflage, Tübingen, 1976, S.29.
[16] Maurer, Andrea: Herrschaftssoziologie, eine Einführung, Frankfurt/Main, 2004, S.25.
[17] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der verstehenden Soziologie, herausgegeben von Johannes Winckelmann, 2. Halbband, 5., revidierte Auflage, Tübingen, 1976, S.544.
[18] Bader, Veit Michael/ Berger, Johannes/ Ganßmann, Heiner/ Knesebeck, Jost v.d.: Einführung in die Gesellschaftstheorie, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat bei Marx und Weber, 2. Auflage, Frankfurt/Main/ New York, 1980, S. 430.
[19] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der verstehenden Soziologie, herausgegeben von Johannes Winckelmann, 1. Halbband, 5., revidierte Auflage, Tübingen, 1976, S.122.
[20] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der verstehenden Soziologie, herausgegeben von Johannes Winckelmann, 2. Halbband, 5., revidierte Auflage, Tübingen, 1976, S.542.
[21] Ebenda.
[22] Ebenda.
[23] Ebenda.
[24] Ebenda, S.544.
[25] Sein Ordnungsmodell erläutert Weber in den Paragraphen 5 bis 7 der soziologischen Grundbegriffe.
[26] Maurer, Andrea: Herrschaft und soziale Ordnung, kritische Rekonstruktion und Weiterführung der individualistischen Theorietradition, Opladen/ Wiesbaden, 1999, S.83.
[27] Stallberg, Friedrich Wilhelm: Herrschaft und Legitimität, Untersuchungen zu Anwendung und Anwendbarkeit zentraler Kategorien Max Webers, herausgegeben von René König, Renate Mayntz, Erwin K. Scheuch (Kölner Beiträge zur Sozialforschung und angewandten Soziologie), Band 18, Meisenheim am Glan, 1975, S.21.
[28] Ebenda, S.22.
[29] Anter, Andreas: Max Webers Theorie des modernen Staates, Herkunft, Struktur und Bedeutung, (Beiträge zur Politischen Wissenschaft Band 82), Berlin, 1995, S.64.
[30] Heidorn, Joachim: Legitimität und Regierbarkeit, Studien zu den Legitimitätstheorien von Max Weber, Niklas Luhmann, Jürgen Habermas und der Unregierbarkeitsforschung, (Sozialwissenschaftliche Schriften Heft 4), Berlin, 1982, S.12.
[31] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriss der verstehenden Soziologie, herausgegeben von Johannes Winckelmann, 1. Halbband, 5., revidierte Auflage, Tübingen, 1976, S.122.
[32] Ebenda, S.29.
[33] In seinen weiteren Ausführungen beschränkt Weber die Gewaltsamkeit als legitimes Mittel nicht nur auf politische Verbände, sondern schließt auch „Sippe, Haus, Einungen“ (ebenda) mit ein.
[34] Ebenda.
[35] Maurer, Andrea: Herrschaft und soziale Ordnung, kritische Rekonstruktion und Weiterführung der individualistischen Theorietradition, Opladen/ Wiesbaden, 1999, S.90.
[36] Breuer, Stefan: Max Webers Herrschaftssoziologie, herausgegeben von Axel Honneth, Hans Joas und Claus Offe (Theorie und Gesellschaft Band 18), Frankfurt/Main/ New York, 1991, S.23.