Reibungslose Kommunikation

Unterbrechung und Reparaturmechanismen in gesprochener Sprache


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kooperation und Konkurrenz in der Kommunikation

3. Gliederungssignale furÄußerungseinheiten

4. Unterbrechungen in gesprochener Sprache am Beispiel des Streitgesprächs

5. Reparaturmechanismen in gesprochener Sprache am Beispiel des Streitgesprächs

6. Schluss

7. Bibliografie

1. Einleitung

Die Untersuchung von gesprochener Sprache ist in der Linguistik noch ein relativ junges Feld. Das liegt vor allem daran, dass es bis zu den ersten Tonband- und Videoaufnahmegeräten keine Möglichkeit gab, Alltagsgespräche oder Gespräche institutioneller Art festzuhalten und zu konservieren, um sie im Anschluss eingehend zu analysieren. Erst in den 70er Jahren entstand mit der Weiterentwicklung solcher Aufnahmegeräte die Konversationsanalyse, die eine wissenschaftliche Grundlage und Beschreibungskriterien für die Untersuchung von gesprochener Sprache schuf. Gesprochene Sprache unterscheidet sich von geschriebener nicht nur in ihrer Medialität, d.h. in ihrer phonetischen Realisierung, sondern auch in ihrer Strukturiertheit und Regelhaftigkeit. In der geschriebenen Sprache fungiert die Interpunktion, in gesprochener Sprache die Prosodie als Strukturmerkmal. Interpunktion ist in den Grammatiken festgeschrieben, prosodische Gliederungen hingegen müssen erst am Anwendungsbeispiel analysiert und dann definiert werden. Somit ist gesprochene Sprache eher variabel, geschriebene Sprache eher normiert.

Die vergleichsweise hohe Spontaneität und Situationsbedingtheit mündlicher Kommunikation ist somit ein elementarer Bestandteil der Konversationsanalyse. Wie erfolgt reibungslose Interaktion? Wie gelingt es den Gesprächsteilnehmern in einem geordneten Nacheinander zu sprechen? Woher weiß ein Sprecher, dass er an der Reihe ist? Was passiert wenn Interaktion zu „holpern" beginnt?

In dieser Arbeit sollen anhand einer Videoaufnahme kommunikative Handlungen auf ihren Kooperationsgehalt untersucht werden. Am Beispiel der Unterbrechung und der Reparatur in Gesprächen wird analysiert, wie Einschnitte im Kommunikationsablauf eingebettet sind, welche Merkmale sie haben und wie sie von den Gesprächsteilnehmern bearbeitet werden. Es wird dabei der Frage nachgegangen, inwiefern Kommunikation Kooperation voraussetzt und welche Rolle dabei jedem einzelnen Interaktions­teilnehmer zukommt.

2. Kooperation und Konkurrenz in der Kommunikation

In Diskursen über Kommunikation und ihre Funktionsweise ist der Begriff der Kooperation ein häufiger ein Bestandteil. Kooperation scheint Interaktionen jeder Art überhaupt erst möglich zu machen. Kommunikation bedeutet immer auch Kooperation zwischen den Kommunikationsteilnehmern, denn allein die Bereitschaft, einem anderen Menschen etwas zu übermitteln bzw. Aufmerksamkeit entgegen zu bringen, kurz zu agieren und zu reagieren setzt kooperatives Verhalten voraus. ,„Sprachliche Kooperation' kann [...] mindestens zweierlei heißen: Kooperation mittels Sprache, und Sprechen als Kooperation."[1] Falkenberg unterscheidet hier offensichtlich zwischen dem grundsätzlichen kooperativen Verhalten, als der Voraussetzung für Kommunikation und Kooperation, die zwischen den Gesprächsteilnehmern auf persönlicher Ebene hergestellt werden muss.

Kommunikation muss eine grundsätzliche „Kommunikationsbereitschaft"[2] voraus­gehen. Es stellt sich die Frage, ob Interaktion auch dann kooperativ verläuft, wenn sich einer der Interaktionsteilnehmer nicht kooperativ verhält, wenn er zum Beispiel seinen Gesprächspartner unterbricht.

An Stellen, in denen Unterbrechungen und Simultansequenzen vorkommen, zeigt sich eine weitere Komponente, die elementar für Interaktion ist: Konkurrenz. Um diese beiden Bestandteile - Kooperation und Konkurrenz in ihrem Zusammenspiel genauer zu untersuchen, eignet sich der Moment des Sprecherwechsels (turn-taking), in dem ein Sprecher seinen Redebeitrag beendet und ein neuer Sprecher zu reden beginnt. Der Sprecherwechsel setzt sich aus zwei Komponenten zusammen. Zum Einen kann er nur an „übergangsrelevanten" Stellen (transition relevance places, TRP), d.h. am Ende von Äußerungseinheiten vollzogen werden. Zum Anderen erfolgen innerhalb einer Äußerungseinheit und im Übergang zum Sprecherwechsel sogenannte Zuweisungen, die mehr oder weniger klar bestimmen, wer als Nächster sprechen soll.[3] Man unterscheidet hierbei zwischen Fremdwahl, wobei der letzte Sprecher den nächsten Sprecher bestimmt, und Selbstwahl, bei der ein neuer Sprecher sich selbst wählt. Jeder Sprecherwechsel stellt eine potenzielle Konkurrenzsituation dar. Vor allem in größeren Gesprächsrunden, in denen ein Sprecher seinen Redebeitrag beendet hat und nicht durch Fremdwahl bestimmt, wer fortfahren darf, kommt es häufig zu Überlappungen zweier oder mehrerer Redebeiträge. Konkurrenz herrscht dann, wenn die „Gesprächsteilnehmer [...] darum wetteifern, einen beabsichtigen Redebeitrag gegen andere Beteiligte, die ebenfalls zu Wort kommen wollen, durchzusetzen."[4] Bei längeren Redebeiträgen kann es passieren, dass die Hörer relevante Stellen für Sprecherwechsel fehlinterpretieren. So kann zum Beispiel eine Denkpause als Beitragsbeendigung verstanden werden oder aber der Sprecher beendet seinerseits seinen Redebeitrag und bestimmt keinen neuen Sprecher, was mitunter zu Pausen oder auch zur Wiederaufnahme des Rederechts führen kann. Um Störungen solcher Art weitestgehend zu vermeiden, muss der kompetente Hörer bzw. Sprecher kooperativ zuhören und mitgestalten. Das Ende eines Redebeitrags ist häufig vorhersehbar, sodass allen Gesprächsteilnehmern im Grunde nur eine Komponente anwenden müssen - Aufmerksamkeit[5]. Das Vermeiden von zu langen Simultansequenzen, also Abschnitten, in denen zwei oder mehr Sprecher gleichzeitig reden, ist somit eine zentrale Aufgabe beim Sprecherwechsel, für die alle Beteiligten verantwortlich sind.

3. Gliederungssignale fürÄußerungseinheiten

Einzelne Sprecherbeiträge sind jeweils durch einen Sprecherwechsel gekennzeichnet und somit relativ leicht zu erkennen. Sie ähneln dem Satz in der geschriebenen Sprache und lassen sich in ihrer Binnenstruktur weiter in Äußerungseinheiten unterteilen. Äußerungseinheiten sind „durch verschiedene, zusammenwirkende sprachliche und sprecherische Mittel in kleine, überschaubare Einheiten gegliedert", wobei die Mittel „inhaltlicher, prosodischer, redeverzögernder und lexikalisch-syntaktischer Natur"[6] sind.

Die inhaltliche Gliederung beruht auf der thematischen und rhematischen Verknüpfung innerhalb von Äußerungen. Die Verbindung von einem Thema, also dem, worüber geredet wird und dem dazugehörigen Rhema, dem, was darüber ausgesagt wird, stellt Textkohärenz her.[7] Ein weiteres Gliederungsmerkmal ist die Prosodie. Durch Stimmerhöhung und Stimmsenkung werden innerhalb der Sprecherbeiträge Unter­teilungen vollzogen, die vor allem in komplexeren Beiträgen unverzichtbar für das Verständnis sind. Redet jemand sprichwörtlich „wie ein Wasserfall", verläuft seine Tonhöhenführung eher linear, dem Hörer fallt es schwer zu folgen, da er den

Sprecherbeitrag gleichzeitig noch in kleinere Einheiten einteilen muss. „Jede Textstelle mit einer deutlichen Tonhöhenherabsetzung kommt potenziell als Grenze einer Äußerungseinheit in Frage."[8] Vor allem die terminale Kontur, also die deutliche Stimm­senkung am Ende, fungiert als ein Merkmal der Beitragsbeendigung. Potenziell bedeutet das jedoch auch, dass nicht jede Stimmsenkung oder Stimmerhöhung den Abschluss einer Äußerungseinheit signalisiert. Grundsätzlich gilt, dass die einzelnen Gliederungs­merkmale für das Einteilen von Redebeiträgen nicht getrennt betrachtet werden können, sondern nur in Kombination miteinander funktionieren[9].

Häufig treten bei der Beendigung von Äußerungseinheiten stille und gefüllte Pausen auf. Diese Redeverzögerungen haben eine „Gliederungs- und Überbrückungs- funktion"[10]. Sie dienen zum Einen der Einteilung eines Sprecherbeitrags, zum Anderen geben sie dem Sprecher die Möglichkeit, das, was er im Folgenden sagen will, gedanklich vorzuformulieren. Die lexikalisch-syntaktischen Gliederungsmerkmale sind dadurch gekennzeichnet, dass ihr semantischer Gehalt sehr begrenzt ist. Rath geht sogar soweit, ihnen gar keine semantische Bedeutung zuzuschreiben, da sie eben einschließlich der Redeeinteilung dienen und somit „keine semantische, sondern eine kommunikative Funktion"[11] innehaben. Beispiele für solche lexikalisch-syntaktischen Signale sind „und", „also", „ja" , „ich meine", „und so", „denk' ich mal" etc.

Die Art und Weise, wie sich nun ein Sprecherwechsel vollzieht, hängt von verschiedenen Gesprächsgegebenheiten ab. Ein Gespräch kann einen öffentlichen oder privaten Charakter haben, es können zwei oder mehr Gesprächsteilnehmer sein. Der soziale Status der einzelnen Interaktionsteilnehmer, wie auch die Beziehung der Personen zueinander, spielt eine große Rolle. Die Frage, inwiefern ein Gespräch organisiert ist oder nicht, wirkt sich grundlegend auf Häufigkeit und Art des Sprecherwechsels aus.

[...]


[1] Falkenberg 1987, S. 161, in Gärtner 1993, S. 38.

[2] Kallmeyer/Schütze 1976, S. 9, in: Gärtner 1993, S. 39.

[3] Vgl. Sacks/Schleghof/Jefferson 1974, S. 702, in: Gärtner 1993, S. 24.

[4] Gärtner 1993, S. 21.

[5] Vgl. ebd.,S.28.

[6] Rath 1979, S. 72.

[7] Vgl. ebd.,S.74.

[8] Ebd., S. 95.

[9] Vgl. ebd.,S.96.

[10] Ebd., S. 99.

[11] Ebd., S. 98.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Reibungslose Kommunikation
Untertitel
Unterbrechung und Reparaturmechanismen in gesprochener Sprache
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Text, Gespräch und Varietäten
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
17
Katalognummer
V197025
ISBN (eBook)
9783656230618
ISBN (Buch)
9783656231752
Dateigröße
464 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
reibungslose, kommunikation, unterbrechung, reparaturmechanismen, sprache
Arbeit zitieren
Conny Dohse (Autor:in), 2011, Reibungslose Kommunikation , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197025

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