Der Mensch ist erkennendes Wesen. Als solcher macht er von seiner Vernunft einen theoretischen Gebrauch. Der Mensch ist aber mindestens ebenso sehr handelndes Wesen. Als solches macht er von seiner Vernunft einen praktischen Gebrauch. Diese praktische Seite der Vernunft hat Kant hauptsächlich in 2 Werken behandelt, der "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" und der "Kritik der praktischen Vernunft". Die erste Schrift ist eine vorbereitende Darlegung dessen, was in der zweiten systematisch und im Einzelnen ausgeführt wird.
Der Mensch ist erkennendes Wesen. Als solcher macht er von seiner Vernunft einen theoretischen Gebrauch. Der Mensch ist aber mindestens ebenso sehr handelndes Wesen. Als solches macht er von seiner Vernunft einen praktischen Gebrauch. Diese praktische Seite der Vernunft hat Kant hauptsächlich in 2 Werken behandelt, der "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" und der "Kritik[1] der praktischen Vernunft". Die erste Schrift ist eine vorbereitende Darlegung dessen, was in der zweiten systematisch und im Einzelnen ausgeführt wird.
Nach Kants Ansicht kann die Lehre von der Sittlichkeit nicht von einem bestimmten Inhalt aus begründet werden, sondern nur von der apriorischen[2] Form und der Art der Handlung aus. Er versucht daher den Nachweis, dass es eine reine[3] praktische[4] Vernunft[5] gibt und daher der Wille[6] unmittelbar durch das "moralische Gesetz" bestimmbar ist. Kraft dieser "Autonomie[7] des Willens", welche eine Freiheit ist, mache sich der Wille über die Vernunft selbst zum Gesetz.
"Wir müssen eine allgemeingültige und notwendige Ethik finden, apriorische sittliche Grundsätze, die ebenso absolut und sicher sind wie die Prinzipien der Mathematik. Wir müssen zeigen, dass reine Vernunft einen praktischen, d.i. zur Willensbestimmung hinreichenden Grund in sich enthalten könne."
Kant sucht nach einem absolut sicherem, vom Wechsel der menschlichen Neigungen[8], von geschichtlichen Zufälligkeiten unabhängigen Sittengesetz. Es muss aber zu sich selbst gegeben sein, als Vernunftprinzip a priori, das den Bestimmungsgrund des Willens nicht dem Objekt, der Materie nach, sondern bloß der Form nach enthalte und nur in der Form eines solchen Bestimmungsgrundes ein kategorischer Imperativ und nicht ein im Zeichen des wenn …, dann …, stehender hypothetischer Imperativ sein darf. Im Gegensatz zum hypothetischen Imperativ, in welchem es sich um ein bedingtes Sollen, im Hinblick auf einen Zweck, zu dessen Erreichung etwas als Mittel vorgeschrieben wird, handelt, drückt der sittliche Imperativ, der kategorische Imperativ ein unbedingtes Sollen, eine absolute Forderung der Vernunft aus, ohne Rücksicht auf einen Zweck, eine "Materie" des Willens.
"Gib deinem Willen die Form einer allgemeinen Gesetzgebung …" So kommt Kant zum Grundgesetz der praktischen Vernunft, welches lautet:
"Handle so, daß die Maxime[9] deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne."
Dieses moralische Gesetz kann, weil rein formal und von allem Empirischen frei, auf jeden beliebigen Inhalt übertragen werden.
Vor einem Missverständnis muss man sich hierbei hüten. Kant will nicht ein Moralprinzip "erfinden" oder "aufstellen". Kant untersucht die Arbeitsweise unserer praktischen Vernunft und "entdeckt" dabei, dass ihr allgemeines Prinzip dieser kategorische Imperativ ist.
[...]
[1] Kritik bedeutet hier nicht wie heute "kritisieren" im Sinne von beurteilen, besprechen, sondern Durchleuchtung, Überprüfung, Grenzbestimmung.
[2] a priori, apriorisch (lat. "vom früheren her") nannte man ursprünglich Erkenntnisse, die sich aus dem logisch oder sachlich "Früheren" herleiten. Seit Kant heißen a priori solche Erkenntnisse, die unabhängig von der Erfahrung aus bloßen Vernunftgründen gelten, z.B. die Sätze der Mathematik. Gegensatz: a posteriori (lat. "vom späteren her"): aus der Erfahrung gewonnen, aufgrund von Erfahrung.
[3] "Rein" heißt eine Erkenntnis a priori, wenn ihr nichts empirisches beigemischt ist.
[4] praktisch (gr. praktikós - das Handeln betreffend): für Kant ist die Vernunft praktisch, insofern sie den Willen bestimmt, der seinerseits das Handeln leitet. "Praktisch ist alles, was durch Freiheit möglich ist." Gegensatz: theoretisch (gr. theoretikós - beschauend, betrachtend): nach Kant statt von Anschauungen (Wahrnehmungen) von Begriffen aufgehendes und mit Begriffen weiterdenkendes Erkennen.
[5] Vernunft: Kant: ihr vornehmstes Geschäft ist es, Sinnenwelt und Verstandeswelt voneinander zu unterscheiden, dadurch aber dem Verstand selbst seine Schranken vorzuzeichnen. Lexikon: 1) Denkvermögen, Geist, Verstand, Einsicht, Besonnenheit 2) nach Kant das Vermögen der Ideenbildung; die geistige Fähigkeit der Menschen, alle Dinge und Geschehnisse in ihrem ganzheitlichen Zusammenhang zu begreifen, im Gegensatz zum Verstand. Verstand: allgemein die Fähigkeit des richtigen Erkennens und Beurteilens; die Fähigkeit den menschlichen Geistes, Begriffe zu bilden; der Verstand als Vermögen der Auslegung hat seinen Ort zwischen der Vernunft und der sinnlichen Wahrnehmung.
[6] Wille, ist die Fähigkeit der Entscheidung zu Handlungen aufgrund bewusster Motive (Beweggründe), im Unterschied zu Triebhandlungen. Der Wille schließt prinzipiell die Fähigkeit ein, bewussten Triebzuständen die Umsetzung in Handlungen zu versagen. Die individuelle Ausprägung der Willenskraft ist aber unterschiedlich. Die Steuerung durch den Willen ist in ethischer Hinsicht zugleich auch die Voraussetzung für verantwortliches Handeln und die Verwirklichung von Wertvorstellungen. Durch konzentrierte Übung ist auch das Nervensystem beinflussbar (autogenes Training). Störungen des Willens bestehen u.a. als Anzeichen psychopathischer Anlagen, Psychosen und Gehirnkrankheiten.
[7] Autonomie und Heteronomie. Autonomie: Selbstgesetzgebung, Selbstgesetzlichkeit; Kant bezeichnet als Autonomie des Willens den Zustand des sittlich reifen Menschen, der sich nur von seinem Gewissen das Gesetz seines Verhaltens vorschreiben lässt. Heteronomie: Fremdgesetzgebung, Fremdgesetzlichkeit: in der Ethik Kants die Bestimmung des Willens durch Zwecke oder Autoritäten, statt durch das Sittengesetz in uns.
[8] Pflicht und Neigung: In der Pflicht liegt eine Nötigung des Wollens und Handelns seitens der praktischen Vernunft, eine "moralische Notwendigkeit". Pflichtmäßiges Handeln (Legalität) ist noch nicht Handeln "aus Pflicht", aus der allein sittlichen Achtung vor dem Sittengesetz. Aus Mitleid handeln z.B. ist pflichtmäßig und liebenswürdig, hat aber doch keinen wahren sittlichen Wert. Moralisch handelt, wer ohne, ja gegen seine Neigungen seine Pflicht, aus Achtung vor dem Sittengesetz allein, ausübt. Natürlich kann man auch die Pflicht mit Neigung ausüben, aber nicht aus Neigung. Ich kann an meiner Pflichterfüllung Freude haben; aber nicht die Freude darf mich bestimmen, sonder die Pflicht. Die Neigungen, z.B. die Erfüllung von "Lust", sind an sich selbst betrachtet gut und brauchen nicht ausgerottet zu werden, sie müssen nur bezähmt werden, "damit sie sich untereinander nicht selbst aufreiben, sondern zur Zusammenstimmung in einem Ganzen, Glückseligkeit genannt, gebracht werden können". Neigungen sind unwillkürlich, blind und knechtisch, sie mögen nun gutartig sein oder nicht.
[9] Maxime, für Kant der eine Handlung bestimmender subjektiver Grundsatz, im Unterschied zum allgemeinen Sittengesetz (kategorischer Imperativ).
- Arbeit zitieren
- Kurt Andreas Piutz (Autor:in), 2012, Immanuel Kant (1724 - 1804): Das Grundgesetz der praktischen Vernunft & seine Aktualität heute, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197082