Weber, Sombart und die CMA - War die afroamerikanische Ökonomie kapitalistisch?


Essay, 2012

12 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Genese des kapitalistischen Geistes in der afroamerikanischen Gesellschaft
2.1 Die Ausbildung des Erwerbstriebes und das Wirtschaftsprinzip der afroamerikanischen Ökonomie
2.2 Berufsidee und Lebensweise
2.3 Rationalität in der afroamerikanischen Wirtschaft

3. Afroamerikanische Formen der kapitalistischen Unternehmung

4. Umweltfaktoren des afroamerikanischen Kapitalismus

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In den 1930er Jahren sieht sich der Kapitalismus in den USA in seiner bis dahin schwersten Krise. Neben den populären Maßnahmen des New Deal existieren in den Vereinigten Staaten zu dieser Zeit jedoch auch andere Formen der Reaktion, welche außeradministrativ und oftmals weitreichender waren als die Beschlüsse der Roosevelt - Regierung. Sie äußerten sich unter anderem in dem Versuch der afroamerikanischen Gemeinschaft, eine eigenständige Wirtschaft mit innovativen Geschäftsmodellen zu entwickeln. So lassen sich (neben den herkömmlichen Einzelhandelsgeschäften sowie Kleinst - und Dienstleistungsunternehmen) der Zusammenschluss von Händlern zu sogenannten associations wie der Colored Merchants Association, welche die Wirtschaftlichkeit ihrer Mitglieder erhöhen sollte, und die Entstehung demokratisch geführter Unternehmungen, den cooperatives, als neuartige Betriebsformen identifizieren. Hierbei stellt sich jedoch die Frage, inwiefern diese neuen Formen noch kapitalistische Unternehmungen darstellten bzw. ob die afroamerikanische Wirtschaft als solche überhaupt noch ein Bestandteil des amerikanischen Kapitalismus war.

Der vorliegende Essay argumentiert in die Richtung einer begrenzt kapitalistischen black economy, wobei das Wort „begrenzt“ die Fokussierung auf die Besonderheiten des afroamerikanischen Wirtschaftens verlangt. Hierzu ziehen wir die Kapitalismusdefinitionen von Werner Sombart und Max Weber heran und stellen dabei die genetischen Merkmale des Kapitalismus der Realität der Afroamerikaner in den 1930er Jahren gegenüber. Ein Überblick über die Lebenswelt jener besonderen Gemeinschaft wird unter anderem durch Lizabeth Cohen geleistet. In ihrem Buch „ A Consumers ’ Republic. The Politics of Mass Consumption in Postwar America “ beschreibt sie das Aufkommen der neuen Unternehmensformen und stellt ihren Nutzen in Bezug auf die Situation der Konsumenten dar. Dieser Nutzgedanke wird hierbei das Kernelement für die Betrachtung des afroamerikanischen Kapitalismus bilden, da er nicht nur dessen Form, sondern auch seinen Geist maßgeblich beeinträchtigt. Neben den innerethischen Faktoren berücksichtigt der Essay auch gesellschaftlich - politische Phänomene, welche als systemische Gegebenheiten für jene Gemeinschaft unüberwindbar waren und daher die Anpassungen und Abgrenzungen, welche diese spezielle Kapitalismusform kennzeichneten, verstärkten. Als Fazit der Untersuchungen werden wir feststellen, dass die black economy sowohl Webers als auch Sombarts Anforderungen an den Kapitalismusbegriff gerecht wird und dass die auftretenden Besonderheiten durch die Aufnahme des Nutzgedankens sowie der gesamtgesellschaftlichen Irrationalität als additive Merkmale in eine sonst kapitalistische Gemeinschaft integriert werden.

2. Die Genese des kapitalistischen Geistes in der afroamerikanischen Gesellschaft

2.1. Die Ausbildung des Erwerbstriebes und das Wirtschaftsprinzip der afroamerikanischen Ökonomie

Die Kapitalakkumulation und die Entstehung eines kapitalistischen Geistes bilden bei Sombart zwei wesentliche Merkmale für die Genese des Kapitalismus. Dieser Geist setzt sowohl bei Weber als auch bei Sombart die Entstehung eines Erwerbstriebs voraus, welcher das bei Schmoller und Bretano benannte Streben nach dem größtmöglichen Gewinn und den wirtschaftlichen Egoismus impliziert.

Da die black economy jedoch eine innerethnische Zirkulationsökonomie darstellte und sich die Konsumenten somit weitgehend auf das eigene Klientel beschränkten, war ein solcher Egoismus nur in einem begrenzten Rahmen möglich. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass die Beschränktheit des Egoismus im Desinteresse der anderen Ethnien und nicht im Fehlen eines expansiven Willens seitens der Händler begründet war. So versuchte die CMA mithilfe von Verkaufstrainings und Werbung durchaus, neue Kunden für ihre Mitglieder zu werben, wobei Aktionen wie die „ Don ’ t buy, where you can ’ t work “ - Kampagne die Tatsache erkennen lassen, dass sich die Händler mit der ethnischen Beschränkung weitgehend arrangiert hatten und daher ihr expansiver Drang nicht über die Ausweitung des Marktanteils in der bestehenden Zielgruppe hinauskam. Die Determiniertheit des Absatzmarktes lässt hierbei auf die Konkurrenz zwischen den Afroamerikanern schließen, welche durch das Eindringen weißer Wettbewerber in den Markt noch intensiviert wurde. Eine solche Konkurrenz tritt bei Weber jedoch nur in kapitalistischen Unternehmungen auf, da der Traditionalismus mit seiner spezifischen Bedarfsdeckung eine solche Form des Wettbewerbs nicht kennt.

Das begrenzte Gewinnstreben lässt sich jedoch nicht nur durch die damit verbundene Angst vor dem Verlust von Kunden begründen. Die Motivation der neuen Unternehmungen, welche unter anderem in der Verbesserung und Verbilligung der Versorgung der Afroamerikaner lag, führte zur Unvereinbarkeit eines starken Gewinnstrebens mit diesen Zielen. So hatten die von ihren eigenen Konsumenten geführten consumer cooperatives das Profitmotiv zu ihren Gunsten auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebes reduziert. Dieses Phänomen, welches Weber als Binnenmoral in Verbindung mit Schranken beim Erwerb innerhalb der Sippe charakterisiert, erreichte aufgrund der Identität von Produzent und Konsument in den consumer cooperatives ein radikales Ausmaß, welches in manchen Fällen bis zum Ausbleiben des Dazwischentretens von Kapital reichte und somit eher kommunistische als kapitalistische Tendenzen aufwies. Diese Form ist jedoch ausschließlich auf die in kleinen Kreisen agierenden consumer cooperatives anzuwenden, wohingegen andere Formen von cooperatives wie die worker cooperatives oder überregionale associations wie die CMA mehr Konsumenten bedienten und daher eher ein außenmoralisches Verhalten gegenüber ihren Kunden vertraten, wobei auch hier die innerethnische Zirkulationsökonomie Grenzen setzte.

Der tiefgreifende Unterschied zu den consumer cooperatives bestand dabei im zunehmenden Fehlen der persönlichen Interaktion zwischen Produzenten und Konsumenten, zumal die in der CMA organisierten Händler ihre Produkte in manchen Fällen nicht selbst herstellten, sondern diese vom Dachverband geliefert wurden und auch die Arbeiter in den worker cooperatives nicht unbedingt in persönlichen Kontakt mit den Endkunden traten. Der Wegfall jener Subjektivität ermöglichte das Streben nach Gewinn und folglich eine Kapitalakkumulation in jenen Unternehmen, welche Voraussetzung für deren Expansionsversuche unter den oben gennannten Kriterien / Einschränkungen war. Mit dem Überschuss an Kapital wurden in den worker cooperatives neue Produktionsmittel wie Maschinen zur Leistungssteigerung eingekauft, während sich die CMA auf die Erweiterung des egoistischen Vertriebs durch den Bau von Warenhäusern und das Schalten von Werbungen für ihre Mitglieder konzentrierte. Eine solche fortwährende Reinvestition (welche Weber schon in Verbindung mit den Puritanern benannte) weist auf die marxsche, von Sombart übernommene Zirkulation des Geldes in Kapital (Geld - Wert - Geld) und somit auf die Verwertung des Kapitals zur Steigerung der Produktivität und der Profitabilität als Zweck dieser Unternehmungen hin. Der Selbstzweck des Gewinns ist charakterisierend für das Erwerbsprinzip bei Sombart bzw. die kapitalistische Unternehmung bei Weber. Dieses Prinzip erfährt jedoch eine Einschränkung aufgrund des Versorgungsmotivs der eigenen Gemeinschaft, welche bei der Produktion auch für die associations eine wichtige Rolle spielte. Jenes Argument für das sombartsche Bedarfsdeckungsprinzip verliert jedoch seine Wirkung, sobald die Menge der Konsumenten nur auf eine Teilmenge der Afroamerikaner abbildet. Das bedeutet, dass sich die Qualität und Quantität der Produktion zwar an der black community als solcher orientiert, sich jedoch nicht auf die unmittelbaren, individuellen Bedürfnisse einzelner Gruppen oder Personen dieser Gemeinschaft einrichtet. Betrachtet man andererseits die gesamte Gemeinschaft als Konsumentenmenge, so lässt sich eine Identität zwischen der am Konsumenten orientierten Produktion und der am Gewinn orientierten Produktion feststellen, die sich auf die innerethnischen Schranken zurückführen lässt, wobei erstere Orientierung nur auf dieser Ebene dieselbe Gewichtung erfährt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Weber, Sombart und die CMA - War die afroamerikanische Ökonomie kapitalistisch?
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
1.3
Autor
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V197181
ISBN (eBook)
9783656243847
ISBN (Buch)
9783656244004
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
weber, sombart, ökonomie
Arbeit zitieren
Kevin Rimek (Autor:in), 2012, Weber, Sombart und die CMA - War die afroamerikanische Ökonomie kapitalistisch?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197181

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Weber, Sombart und die CMA - War die afroamerikanische Ökonomie kapitalistisch?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden