Diese Erörterung systematisiert transkulturelle Heilsysteme in einer dreifältigen rational, prärationalen, suprarationalen Systematik und integriert sie in die Einheit ihrer interdependenten Ganzheit. Die Silbe „Heil-“ kann etymologisch auf germanische und griechische Wurzeln („holos“), mit der Bedeutung von Ganzheit und Einheit zurückgeführt werden. Sie sind ein Aspekt des Geheimnisses des Lebens, das sich nicht aus der Summe der Komponenten erklären lässt. Die diversen Heilssysteme suchen die Einheit und Integrität unter ihrem jeweiligen Blickwinkel zu erhalten oder wiederherzustellen: die rationalistische Medizin von ihrer bekannteren Warte her, die prärational basierte Sichtweise von der Basis des Menschen her und die suprarationale von seinen höheren Integrationsfunktionen her. Indes, die Synergie der Systeme eröffnet neue Horizonte.Somit ist diese Erörterung eher strategischer und systemischer, als operativer Natur, die darauf abzielt, das Heilwesen des individuellen und des sozialen Organismus in die Integralität der Integrität der Schöpfung des alles bedingenden Feldes, das hin und wieder als Quantenfeld oder Matrix, etc. bezeichnet wird, einzubinden.
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort:
IntegralesGesundheitsmanagement
Teil 1 DAS HEILWESEN DES INDIVIDUELLEN
Abschnitt 1 Das rationalistisch basierte Heilwesen
Kapitel 1: Gesundheit und Leben: Die wertvollsten Schätze des Menschen und der Gesellschaft
Kapitel 2: Die Allopathie Gespräch mit Prof. Dr. Joseph Murray, Nobelpreisträger der Medizin der Harvard University, Boston,
Kapitel 3: Die Homöopathie Gespräch mit Dr. Rajan Sankaran: Führender Homöopath, Bombay, Indien
Abschnitt 2 Das suprarational basierte Heilswesen
Kapitel 1: Die Axiomatik einer ganzheitlichen Wissenschaft vom Menschen basierend auf der Kardiologin und Universalgelehrten Dr. Thérèse Brosse, Paris, Frankreich Die Realisierung eines integralen inter-/transkulturellen Gesundheitsmanagement Instruments basierend auf der Axiomatik eines integralen Menschenbildes
Abschnitt 3 Das prärational basierte Heilwesen79
Kapitel 1: Das System des Seitai (Normalisiertes Terrain) Beiträge zu einer Wissenschaft vom Menschen aus dem Fernen Osten: H. Noguchi und I. Tsuda und der Seitai, Tokio, Japan und Paris, Frankreich EINS!
Kapitel 2: Eine transkulturelle Psychophysiologie
Teil 2 DAS HEILWESEN DES SOZIALEN ORGANISMUS96
Kapitel 1: Aspekte der wirtschaftlichen und finanziellen Integrität des lokal-global vernetzten sozialen Organismus: Gespräch mit Dr. John Nash, Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften, Univ. Princeton, Boston, NJ,
Kapitel 2: Politische Dimensionen von Krieg und Frieden im sozialen Organismus Gespräch mit Dr. Francisco Barahona Riera: Rektor der Friedensuniversität der Vereinten Nationen, San José, Costa Rica
Kapitel 3: Soziokulturelle Heilung Die kulturelle Heilung Deutschlands: Cultural Healing of Germany
Teil 3 AD INTEGRUM:Die Integration des individuellen und sozialen Organismus in der Integrität der Schöpfung
A. Die Integrität der Schöpfung
1. Kulturelle Identität und Ethik im Kontextder Integrität der Schöpfung
B. Fundamente und Grundlagen der Kultur
1. Die Kultur und die Schöpfungsordnung
C. Das religiöse Bewusstsein als einheitsstiftendes Prinzip der Menschheit
1. Menschliche Defizite hinsichtlich der komplementären Erkenntnis der Einheit und der Diversität
a. Auf der individuellen Ebene
b. Auf der kollektiven Ebene
2. Grundlagen und Weg der Einheit
D. Metaphysik und Kultur
1. Der Primat Gottes
2. Die biologische, die psychologische und die geistige Natur ganzheitlicher menschlicher Kultur
Teil 4 Das Management interkultureller Transitionen und Schnittstellen
Kapitel 1: Diagnostisch-therapeutische Aspekte von Auslandsentsendungen
Kapitel 2: Psychophysiologische Aspekte der kulturellen Diversität
Bibliographie
Vorwort:
Integrales Gesundheitsmanagement
Diese Erörterung systematisiert transkulturelle Heilsysteme in einer dreifältigen rational, prärationalen, suprarationalen Systematik und integriert sie in die Einheit ihrer interdependenten Ganzheit.Die Silbe „Heil-“kannetymologischauf germanische und griechischeWurzeln („holos“),mit der Bedeutung von Ganzheit und Einheit zurückgeführt werden. Sie sindein Aspekt des Geheimnisses des Lebens, das sich nicht aus der Summe der Komponenten erklären lässt. Die diversen Heilssysteme suchen die Einheit und Integrität unter ihrem jeweiligen Blickwinkel zu erhalten oder wiederherzustellen: die rationalistische Medizin von ihrer bekannteren Warte her, die prärational basierte Sichtweise von der Basis des Menschen her und die suprarationale von seinen höheren Integrationsfunktionen her. Indes, die Synergie der Systeme eröffnet neue Horizonte.
Somit ist diese Erörterung eher strategischer und systemischer, als operativer Natur, die darauf abzielt, das Heilwesen des individuellen und des sozialen Organismus in die Integralität der Integrität der Schöpfung des alles bedingenden Feldes, das hin und wieder als Quantenfeld oder Matrix, etc. bezeichnet wird, einzubinden.
Die zahllosen Heilsysteme, wie beispielsweise
- KAMPO oder TCM (traditionelles chinesisches Heilwesen)
- Ayurveda (südasiatisches Heilwissen und –wesen)
- Allopathie (westliches Heilwesen)
- Hildegard von Bingen und ihre kosmologisch basierte Medizin
- Homöopathie (weiteres westliches Heilwissen u. –wesen)
- Marabut und Medizinmann (Afrikanische und indianische Heilsysteme)
- Seitai (Ostasiatisches, japanisches Heilwesen)…
die Geschichte des Heilwesens vom fernen Altertum über Hippokratesbis zur gegenwärtigen Hightech Medizin und Genetikmit ihren kulturell diversen Sichtweisenund damit einhergehenden relativenmedizinischen Weltanschauungenwird unter dem Blickwinkel der noetisch-psycho-somatischen, strukturell-funktionellen Dreifältigkeit systematisiert und in eine übergeordnete integrative, das Leben bedingende Einheit der Schöpfung und des Menschen eingebettet. Diese verbindet und integriert die myriadenfache menschliche und Heilsysteme Diversität und ist der Schlüssel zur integralen Integrität des Menschen.
Es sollen lediglich diverse Perspektiven angesprochen und kein medizinischesFachwissen vermittelt werden. Die Einheit des Wesens als Voraussetzung für ein interdependentes einiges, friedliches Gemeinwesen muss jeder für sich selbst realisieren und ein Heilender kann andere vielleicht in dieser Richtung begleiten. Die institutionellen Umfelder der Gesellschaft - und nicht zuletzt der Gesundheitssektor- können als komplementärer Pol des interdependenten individuellen-sozialen Gesamtorganismus individuelle und gesellschaftliche Heil- und Integrationsprozesse entsprechend ihrer Bewusstheit fördern oder aber auch behindern.
Lediglich Teil 4 befasst sich mit strategisch-operativen Fragen interkultureller Diversität, die für einen psycho-somatisch,diagnostisch-therapeutisch Tätigen interessant sein könnten und die teilweise tabuisiert werden. Nicht thematisiert werden die klassischen transkulturellen medizinischen Fragen operativer Natur, die für Therapeuten und ihre Interaktionen mit Patienten in multikulturellenKontexten von Bedeutung sind; jene, die aus der kulturell diversen Sozialisierungvon Personal und Patienten entstehen und derenImpact für interkulturelle Interaktionen im medizinisch-pflegerischen Bereichwichtig sind. Die physische Kultur im Sinne der physischen Umwelt wird im Gegensatz zur psychologischen, die vor allem Gegenstand des Teils 1, Abschn. 2 ist, nur implizit thematisiert, wohl aber die soziale Umwelt. Indes, die Individuen und ihr Umfeld sind ebenso interdependent wie das Atom und sein elektromagnetisches Feld, in der Tat, letzteres scheint das erstere zu bestimmen. Ebenso ist das Umfeld der Schöpfung und seine Integrität interdependent mit der Integrität des Menschen. Dies bedingt das erkenntnisgeschichtlich und naturwissenschaftlich substantiierte interdependente Feld. Ganzheitliches Heilwesen erfordert also einen weiten Horizont. Nobelpreisträger der Medizin und der Wirtschaftswissenschaften, ein führender Homöopath und ein Rektor der Friedensuniversität der Vereinten Nationen kommen zu Wort.
Teil 1 DAS HEILWESEN DES INDIVIDUELLEN ORGANISMUS
Abschnitt 1 Das rationalistisch basierte Heilwesen
Kapitel 1: Gesundheit und Leben: Die wertvollsten Schätze des Menschen und der Gesellschaft
Kaum ein Thema berührt die Menschen mehr. Es ist die vitalste aller Fragen. Vita heißt Leben und das davon abgeleitete Adjektiv vital bedeutet soviel wie unverzichtbar und unumgänglich. Die Frage der Gesundheit berührt den Menschen individuell und gesellschaftspolitisch gleichermaßen. Individuell gesehen bedeutet die Gesundheit oder ihre Abwesenheit, ob der Mensch ein zufriedenstellendes Leben oder ein leidvolles Leben führt. Gesellschaftlich gesehen verschlingt der Gesundheitssektor einen stets größer werdenden Teil unseres Sozialproduktes und die höhere Lebenserwartung mit ihren zunehmenden altersbedingten Krankheiten akzentuiert diesen Posten in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.
Zu allen Zeiten, in allen Kulturen, Zivilisationen, Breiten und Weltanschauungen hat die Frage der Gesundheit und ihrer Abwesenheit die Gemüter der Menschen aller Schichten, Berufen, Klassen, Altersgruppen und Geschlechter bewegt. Die Gesundheitskundigen hatten daher großes Prestige in der Gesellschaft. Dies setzt sich in unserer Kultur unter dem vielsagenden Begriff der Götter in Weiß uneingeschränkt fort. Doch mit der Emanzipierung und Demokratisierung der Gesellschaft geht stets mehr und mehr vom Nimbus dieser Götter verloren, sodass ihre Aktivitäten in der Gestalt von medizinischen Kunstfehlern im Kontext der hochtechnisierten Medizin mehr und mehr einen eignen Rechtssektor haben entstehen lassen, der, ausgehend von der individualistischsten amerikanischen Gesellschaft, die Rechte des einzelnen Patienten immer mehr erkennt, anerkennt und, entsprechend dem Geist dieser legalistischsten aller Gesellschaftskulturen, die Bringschuld der Mediziner für berufliche Fehlleistungen in Millionenbeträgen gerichtlich – und mit Erfolg – einfordert. Vor Jahrtausenden, im alten China bereits, konnten medizinische Fehlleistungen das vitalste Gut - auch des Mediziners -, nämlich sein Leben selbst, in Gefahr bringen.
Ein Nobelpreisträger der Medizin der berühmten Harvard Medical School berichtete mir von Anzeigen in amerikanischen Zeitungen, die Patienten, die sich für geschädigt hielten, aufforderten, sich an sie zu wenden, um ihre diesbezüglichen Rechte geltend zu machen und ihre Forderungen einzuklagen. Da Deutschland in vieler Hinsicht, wie auch auf diesem Gebiet, alles Amerikanischemit variablen Zeitverzug nachahmt, fordert dieser Usus den Status der Götter in Weiß auch hierzulande mehr und mehr heraus.
In allen Kulturen haben sich kulturspezifische medizinische Systeme des Heilens entwickelt, des Heilens um heil oder ganz zu sein, sodass sich das Leben frei entfalten kann. Das ist der Tenor aller kulturell diversen Gesundheitssysteme. Doch die Ganzheit kann auf verschiedenen Ebenen der Erkenntnis dieser Ganzheit und somit des Heilseins erfasst werden. Und dies führt zu verschiedenen medizinischen Systemen, die also verschiedene Lesarten des Menschen und seines Zustandes sind.
Die westliche allopathische Medizin hat, so könnte man sagen, hat ein tendenziell mechanistisch-materielles Menschenbild eines statistischen Menschen. Es ist eine universalistische Medizin, die von der Prämisse identischer Systeme und Prozesse im Menschen ohne Unterschied ausgeht, die man analog auch mit ebenfalls identischenpharmazeutischen Massenheilmitteln standardisiert behandeln zu können glaubt. Doch bereits der zu Nobelpreisträger avancierte Arzt Sommerst Maugham erkannteaufgrund der Erkenntnisse von Berufs Kollegen, die anlässlich der Autopsie feststellten, dass die Organe beim Menschen nicht genau an derselben Stelle zu sein pflegten, dass der Mensch offenbar auch in körperlicher Hinsicht ein singulär diverses Wesen ist. Diese Singularität des Wesens wir heutzutage, unter dem Impact der Kulturforschung,auchfür die psychologische Kultur des Menschen postuliert. In der erleuchteteren allopathischen Medizin findet daher auch allmählich ein Wandel vom Stereotypen zum Individuellen statt, da der Mensch,wie wir nun zu wissen meinen, sowohl physisch, als auch psychisch, ein singulär individuelles Wesen ist. Und wenn diese geistig-körperliche Singularität des Menschen aus Bequemlichkeitsgründen oder mangelnder Erkenntnis einem statistischen Durchschnittsmenschenbild geopfert wird, dann kann es vorkommen, dass das singulär individuelle Terrain über einen Kamm geschoren und damit Behandlungsfehlleistungen entstehen können.
Dasdiskreditiert nicht das allopathische medizinische System, sodass einige, wie zum Beispiel I. Illich, es offenbar in seiner Medizinischen Nemesis es gern in Meerestiefen versenken würden, sondern es weist lediglich auf einen entsprechenden Fortbildungsbedarf der Mediziner hin. Man bedenke diesbezüglich nur die Tatsache, dass die Ausbildung eines japanischen Seitai-Experten 2 Jahrzehnte in Anspruch nimmt. Doch welcher westliche Medizinaspirant auf die Würde in Weiß hat eine derartige Geduld und Ausdauer? Kulturelle Abgründe scheinen hier zu klaffen, die auch die Medizin nicht aussparen.
Die gleichermaßen dem westlichen Kulturkreis entstammende homöopathische Medizin hat schon ein nuancierteres, subtiler materialistisches Menschenbild, das die energetische Ganzheitlichkeit des Menschen wahrnimmt, anerkennt und in Diagnose und Heilung miteinbezieht. Doch schließen sie deshalb sich aus?
Basierend auf einer metaphorischen Leseart der Heisenbergschen Unschärferelation könnte man sagen, dass es schwierig für den Menschen ist, gleichzeitig sowohl die statischere allopathische Erkenntnis der menschlichen Natur (Positionsaspekt der subatomaren Teilchen), als auch die der energetisch-homöopathischen (Impuls-Aspekt der subatomaren Teilchen) Natur des Menschen wahrzunehmen und dass eine Wahrnehmung die andere jeweils in einen toten Winkel rückt.
Doch da das menschliche Bewusstsein auch die Begrenztheit technischer Messinstrumente höchster Sophistikation zu transzendieren vermag - obschon es einen exquisiten Geist voraussetzt - kann es diese Logik der toten Winkel überwinden und das gesamte Menschliche in einem helleren Licht der Erkenntnis erstrahlen lassen, das die Information, die Diagnose und die Therapie entsprechend optimieren kann.
S. Hahnemann,der Begründer der Homöopathiehat deren gesundheitsbezogenes Menschenbild folgendermaßen formuliert:
„Im gesunden Zustand des Menschen waltet die geistartige, als Dynamis den materiellen Körper (Organism) belebende Lebenskraft (Autokratie) unumschränkt und hält alle seine Teile in bewundernswürdig harmonischem Lebensgange in Gefühlen und Tätigkeiten, so daß unser inwohnender, vernünftiger Geist sich dieses lebendigen, gesunden Werkzeugs frei zu dem höheren Zwecke unseres Daseins bedienen kann.“ Besser geht es nicht.
Der Hauptunterschied zum konventionellen System besteht laut dem Homöopathen R. Sankaran darin, daß die ganzheitliche Medizin gänzlich auf eine immaterielle Lebenskraft baut, die viel mehr als die Summe der Bestandteile des Menschen ist. Wir betrachten den Menschen nicht wie ein Automobil mit Batterie, Motor, Gaspedal etc., sondern als ein vitales Prinzip, das gegenwärtig ist, regeneriert, heilt und wiederherstellt. Und mehr noch, wir sind der Auffassung, daß der Mensch ein Instrument des gesamten Bewußtseins ist, das die Krankheit zu einem schlechten Instrument macht. Das Verschwinden der Krankheit oder die Wiedererlangung der Gesundheit bedeutet, daß er nunmehr ganz frei ist, den Zweck seines Daseins auf der Erde zu erfüllen.
Diese beiden medizinischen Hauptsysteme, der sogenannten konventionellen Schuldmedizin und der Alternativmedizin mit dem wichtigen Repräsentanten der Homöopathie können erkenntnistheoretisch annähernd auch durch die quantenphysikalische Komplementaritätsmetapher der Welle-Teilchen Dualität, die ebenso dem westlichen Kulturkreis entstammt, subsumiert werden: Der Teilchen Aspekt der Lesart von Materie und Energie entspräche dabei der allopathischen Medizin, während der Welle Aspekt der Lesart von Materie und Energie der Homöopathie entspräche. Die menschliche Natur kann auch in Kategorien der Materie und der Energie, wenn vielleicht auch nicht erschöpfend, gelesen werden. Und unter diesem Blickwinkel sind die beiden genannten Heilsysteme westlicher Provenienz keine sich ausschließenden, sondern vielmehr sich ergänzenden Aspekte, die deren sich ergänzende Information mehr Aussagekraft hinsichtlich der Natur des Menschen haben. Und ebenso, wie die Quantenphysik die Basis für die Eroberung des materiellen Raums war, kann das Heilanalogon der beiden bahnbrechenden quantenphysikalischen Metaphern, i.e. der Heisenbergschen Unschärferelation und des Bohrschen Komplementaritätsprinzips auch ein besseres Verständnis des psychophysischen menschlichen Raums bewirken, in dem sich sein Leben entfaltet.
Im Anschluss kommen zwei maßgebliche Vertreter der beiden medizinischen Weltanschauungen zu Wort, die aus eigener Erfahrung sprechen:
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Kap. 2: Die Allopathie: Gespräch in Berlin mitProf. Dr. Joseph Murray, Nobelpreisträger der Medizin der Harvard University, USA
Gespräch mit
Prof. Dr. Joseph E. Murray, Nobelpreisträger der Medizin, Harvard
Boston/USA
G.D.: Ihre herausragende Karriere als Mediziner umspannt mehr als ein halbes Jahrhundert und wurde durch den Nobelpreis der Medizin gekrönt. Herzlichen Glückwunsch! - Könnten Sie bitte einige Erkenntnisse und Einsichten aus ihrem Lebenswerk mit uns teilen?
Prof. Murray: Ja, ich glaube schon. Wenn ich auf die sechsundsiebzig Jahre meines Lebens zurückblicke, so bezieht sich eine meiner wichtigsten Einsichten auf die Bedeutung einer stabilen Familie, mit elterlicher Liebe, die Liebe meiner Gattin, Kinder, Freunde... und Lehrer. Ich denke das war die stabilisierende Kraft in meinem Leben. Ich wurde - um die spirituelle Seite miteinzubeziehen - römisch katholisch erzogen, was mein ganzes Leben hindurch eine stabilisierende und informationsreiche Quelle des Wissens und der Kraft war.
G.F. Welche Gedanken und Gefühle bewegen Sie, wenn Sie die gegenwärtige Medizin betrachten? Wie bewerten sie den medizinischen Sektor an der Schwelle des einundzwanzigsten Jahrhunderts?
Prof. Murray: Die heutige Medizin ist besser als je zuvor in der Geschichte. Wir können heute Krankheiten diagnostizieren und behandeln, wie wir es niemals zuvor konnten.
G.D.: Teilen Sie die Sorge vieler Mitmenschen, die der Ansicht sind, dass die heutige Medizin zu technisch und finanziell orientiert ist und deshalb der primären zwischenmenschlichen, altruistischen Eigenschaften entbehrt?
Prof. Murray: Nein, ich teile diese Sorge nicht. Die Medizin ist ein Beruf, eine Berufung, wenn sie möchten, deren Ziel es ist, dem Mitmenschen zu helfen. In jeder Generation und in jedem Jahrhundert gab es stets Schwierigkeiten in den Beziehungen zwischen Heilendem und Patienten, aber heute sind wir dazu in der Lage, dem Patenten besser zu helfen als je zuvor.
G.D.: Haben sie eine Vision von der Medizin der Zukunft? Wird sie weniger humanistisch orientiert und technisierter und roboterisierter sein?
Prof. Murray: Ebenso könnte man fragen, wie das Leben des Bürgers in Europa oder Amerika im einundzwanzigsten Jahrhundert aussehen wird. Wird es technisierter sein? Aber natürlich, wir haben Computer, bessere Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten. Wenn sie das als technologischer orientiert betrachten, so ist man Antwort „ja". Jedoch besteht die Essenz des Arztseins darin, Gemüt, Geist und Intelligenz einer Person zu befähigen, im Auftrag eines Mitmenschen, des Patienten zu handeln.
G. D.: Herkömmlicherweise operierte ein Chirurg mit seinen eigenen Händen, seiner Intelligenz und Intuition. Hat die Furcht vor operierenden Robotern, wie man es allenthalben schon im Fernsehen sehen kann, eine Berechtigung?
Prof. Murray: Natürlich nicht. Der Roboter muß ja von jemand programmiert werden. In einer Automobilfabrik können Roboter Schrauben und Muttern festdrehen, aber sie müssen von einem Menschen programmiert werden. Von mitfühlendem Verstehen gibt es nichts zu befürchten. Und je mehr technisches Wissen und Fähigkeiten vorhanden sind, desto besser ist es. Ich verstehe nicht, warum die Menschen sich vor dem Fortschritt fürchten. Vor hundert Jahren befürchtete man, daß das Telefon die Gesellschaft zerstören würde, man befürchtete, die Industrialisierung der Fabriken würde die Gesellschaft zerstören. Wir wissen, daß dies nicht eingetreten ist. - Die Fernsteuerung von Instrumenten erfordert dennoch die Intervention des Menschen zur Steuerung der Steuerung und zur Planung der Steuerung. Ich bin der Meinung, daß diese Befürchtungen unbegründet sind. Betrachten wir beispielsweise die Eisenbahn. Da gab es einen Zugführer und jemand, der Kohlen schaufelte. Das waren Menschen. Jetzt haben wir Programme für die Treibstoffeinspritzung, Zeit- und Streckensteuerung. Und das ist ein Fortschritt. Gewiß, es gibt Unfälle, aber ich sehe keinen Anlaß für Furcht.
G.D.: Bitte gestatten Sie mir eine etwas kritischere Frage. Es gibt verschiedene medizinische Systeme: das allopathische, das homöopathische und das ayurvedische. Glauben Sie, daß wir das synergetische Potential der kombinierten Heilverfahren des Erbes der Menschheit genügend nutzen?
Prof. Murray: Als Praktiker der Medizin und der Chirurgie sehe ich keinen Mangel in der konventionellen westlichen Medizin oder Chirurgie. Sie schließt alles ein, was sogenannte holistische Methoden für sich in Anspruch nehmen. Die westliche Medizin ist ein umfassender Rahmen, der alles miteinschließt, was Sie als alternative Behandlungsmethoden bezeichnen. Nach meiner Meinung ist die Medizin, die wir praktizieren, vollständig. Sie schließt alle Methoden, die der Chiropraktik, der Homöopathie ein, und sie schließt den Nutzen sogenannter alternativer Methoden nicht aus. Es gibt Gruppierungen, die meinen, daß das Mentale alles heilen kann, was ich für gänzlich absurd halte. Jedoch ist die Tatsache unbestreitbar, daß das Mentale die Reaktion eines Menschen auf sein oder ihr Problem beeinflussen kann. Das Mentale hat also einen Einfluß, der Körper hat einen Einfluß.
G.D.: Da die Medizin uns alle betrifft, möchte ich Sie fragen, ob sie einen Rat, eine Botschaft haben, zum einen für die, die in der medizinischen Versorgung arbeiten, zum anderen für jene die irgendwann medizinische Behandlung in Anspruch nehmen müssen und schließlich für jene die politische, finanzielle und soziale Verantwortung für die Medizin in unseren Gesellschaft tragen?
Prof. Murray: Nun, Medizin, die Praktizierung der Medizin, die Essenz der medizinischen Praxis besteht in der Sorge des Arztes für seinen Patienten. Hierin ruht das Vollkommene. Diese Beziehung ist nach meiner Einschätzung die Grundlage, um jedem Individuum die bestmögliche Hilfe zuteil werden zu lassen. Wenn man jedoch die Regierung, ein politisches System, Managementebenen dazwischenschaltet, entsteht ein Potential, das die medizinische Versorgung beeinträchtigt. In Kriegszeiten gibt es Militärchirurgen und Verwundete. Hier ist die Beziehung systematisiert und routinisiert und dies zum größten Nutzen möglichst vieler. Wenn man jedoch versucht dieses Modell auf die Aktivitäten der normalen Friedenszeit zu übertragen, läuft man Gefahr das persönliche Verständnis für den Menschen zu verlieren, denn ein Mensch ist ein Körper und eine Seele, ein Geist, der, wie einige Dichter sagen, im Körper gefangen ist. Und ich bin der Meinung, daß diese Mensch zu Mensch Beziehung im wahrsten Sinne des Wortes beinahe heilig ist.
G.D.: Sie haben an allen Gliedern des menschlichen Leibes operiert. Wie verhält sich das zur hochspezialisierten Medizin und Chirurgie?
Prof. Murray: Ja, Spezialisten existieren, da eine Person nicht Experte in allem sein kann. Ich wurde in allen Bereichen der Chirurgie ausgebildet. Als ich aber in einem erfahrener wurde, gab ich die anderen auf und fing 1947-48 als alleiniger plastischer Chirurg an. Und am Ende meiner Arbeit an der Harvard Medical School hatte ich neun plastische Chirurgen, von denen jeder auf eine Form der plastischen Chirurgie spezialisiert war, die ihrerseits eine Spezialisierung ist. Einige waren auf pediatrische Probleme spezialisiert, wie angeborene Mißbildung von Kinderhänden beispielsweise, andere auf angeborene Gesichtsfehler, andere auf Krebs, besonders im Gesicht, andere mit der Brustwiederherstellung. besonders nach Krebsbehandlung, andere auf schwere Verbrennungen. Nun, man könnte einwenden, vor hundert Jahren konnte ein einziger Arzt all das versorgen, und das stimmt. Ein Arzt hat all das behandelt, aber er tat es nicht sehr gut. Doch die Patienten erhielten bei den meisten dieser Krankheitsbilder kaum medizinische Versorgung, denn es gab gar keine.
G.D.: Könnten sie bitte noch ein paar Worte über die Beziehung zwischen dem medizinischen und dem juristischen Berufsstand in Amerika sagen?
Prof. Murray: Nun es besteht ein Einfluß auf die amerikanische Medizin über die Bedrohung, die von ärztlichen Kunstfehlern ausgeht. Jedoch würde ich nicht von Beziehung im Sinne von Ursache und Wirkung in einer Schwierigkeit sprechen, denn der juristische Berufsstand ist zahlenmäßig im Anwachsen in Amerika. Es gibt keine zahlenmäßige Beschränkung der Anwälte in Amerika. Das ist eine schreckliche Seite der amerikanischen Gesellschaft. Wir haben zu viele Anwälte, die Möglichkeiten suchen, Geld zu verdienen. Und daher strengen sie Prozesse an. Sie machen Werbung indem sie sagen: „Wenden Sie sich an uns, wenn irgend etwas bei ihrer medizinischen Behandlung schief gegangen ist. Es entstehen Ihnen keine Kosten!“. Diese Beziehung besteht zweifellos. Und Ärzte müssen heutzutage sehr vorsichtig sein und viel Zeit und Geld verschwenden, um sich gegen alle möglichen Risiken abzusichern. Meiner Ansicht nach gibt es für einen Anwalt keinen Unfall. Irgend jemand hat immer Schuld. Und wir wissen, daß das nicht zutrifft. Man kann seine Zehe anstoßen oder sein Bein brechen, ohne daß es der Fehler eines anderen ist.
G.D.: Wie beeinflußt dieser Sachverhalt die medizinische Praxis?
Prof. Murray: Es beeinflußt den medizinischen Berufsstand insoweit, als er gezwungen ist, das zu praktizieren, was man als defensive Medizin bezeichnet. Mit anderen Worten: Wenn sie mit einem Problem zu mir kämen, bei dem ich überzeugt bin, daß keine Röntgenaufnahme des Brustkorbes erforderlich ist, weil ich wüßte, daß Sie - gleich was das Röntgenbild zeigen würde - optimal behandelt würden, wäre ich dennoch dazu gezwungen, die Röntgenaufnahme zu veranlassen. Denn wenn sie Komplikationen bekämen, würde der Vorwurf fehlerhafter Berufsausübung gegen mich erhoben werden. Es steht also außer Frage, daß die rechtlichen Zwänge die Ursache für zusätzliche Untersuchungen sind, die der Arzt dann veranlassen muß.
G.D.: Möchten Sie uns noch eine Botschaft hinterlassen, die Ihnen sehr am Herzen liegt?
Prof. Murray: Ich denke, daß die Zukunft in medizinischer Hinsicht besser sein wird als je zuvor, sowohl für die Patienten als auch für die Ärzte. Und was die planetare menschliche Gesellschaft anbelangt, so denke ich ebenfalls, daß die Zukunft besser als je zuvor sein wird, weil wir weltweit mit einander in Verbindung stehen und ich denke, wenn man Menschen rund um die Welt kennt, dann kann man nur schwer zum Feind werden.
Kap. 3: Die Homöopathie:Gespräch in Berlin mit Dr. Rajan Sankaran: Führender Homöopath, Bombay, Indien
Interview mit
Dr. Rajan Sankaran, Experte für Homöopathie,
Bombay/ Indien
G.D.: Dr. Sankaran, ich möchte sie nach Ihrem Konzept der ganzheitlichen Medizin befragen. Man kann feststellen, daß viele Wissenschaften, seien es Natur- oder *Sozialwissenschaften, in Schulen und Richtungen aufgeteilt sind, die einander bisweilen sehr heftig bekämpfen. Dasselbe scheint auch auf die Medizin zuzutreffen. Sie repräsentieren die holistische Medizin. In welchem Maße trifft das auf die Medizin im allgemeinen und die ganzheitliche Medizin im besonderen zu?
Dr. Sankaran: Oh ja, das ist sehr richtig. Es gibt verschiedene Schulen, aber die hauptsächliche Trennungslinie verläuft zwischen der allopathischen oder Schulmedizin und der alternativen Medizin. Innerhalb der verschiedenen Zweige der ganzheitlichen Medizin scheint mehr Einheit und Verständnis zu herrschen. Die hauptsächliche Spaltung besteht, grob gesprochen, zwischen den beiden derzeitigen Formen der Medizin, nämlich der konventionellen und der alternativen.
G.D.: Und das ist so in Europa, Amerika und anderen Teilen der Welt...?
Dr. Sankaran: Das trifft auf alle Teile Welt zu, und beide Seiten suchen sich jeweils zu behaupten.
G.D.: Wie diagnostizieren Sie diesen Interessenkonflikt, diesen Religionskrieg zwischen den Schulen.
Dr. Sankaran: Nun muß ich etwas intellektuell sein, um Ihnen darauf zu antworten. Dies ist, was ich denke. Ich weiß dies nicht, sondern ich denke es: Ich glaube es kommt von einem grundlegenden Gegensatz in jedem Menschen. Das sind zwei Seiten. Ein Teil möchte das Problem irgendwie lösen, der andere möchte der Sache auf den Grund gehen und eher die Ursachen statt nur die jeweilige Sache zu entfernen. Wenn im Haus beispielsweise Unordnung herrscht und Dinge umherliegen und ein Gast anklopft, können wir die ganze Unordnung schnell in einem Schrank einschließen. Dies ist eine Art, an die Dinge des Lebens heranzugehen, die andere Art besteht darin, daß man versteht warum diese Unordnung überhaupt ständig entsteht. - Und dich denke, diese beiden Arten des Angehens eines jegliches Problems versinnbildlichen die Sichtweisen der beiden Schulen der Medizin. Und ich denke, daß beide Herangehensweisen, je nach Lage der Dinge erforderlich sind. Manchmal darf man nicht lange fragen und man muß die Dinge verstauen, um nicht in allzu große Verlegenheit zu kommen. Wenn das aber fortwährend geschieht und man ständig Unordnung schafft, ohne sich zu fragen, warum die Unordnung entsteht, so ist das nicht gut, nicht wahr?
G.D.: Sie relativieren also beide Verfahrensweisen. Die eine kann in einem, die andere in einem andren Fall angebracht sein.
Dr. Sankaran: Nach meinem Verständnis sollte die moderne oder allopathische Medizin nur in Notfällen verwendet werden, wenn der „Gast an der Tür klopft“ und wenn nichts anderes mehr übrig bleibt und schnelles Handeln erforderlich ist. Doch das Problem fing sehr, sehr lange vor dem Eintreten dieses Notfalls an. Und das war klar erkennbar. Das nicht zu beachten und sich im letzten Moment an den Kardiologen oder Chirurgen zu wenden, diese Verhaltensweise ändert sich nun, so meine ich.
G.D.: Der Zeitfaktor scheint hierbei eine Schlüsselrolle zu spielen.
Dr. Sankaran: Ja, wir sind der Ansicht, daß die ganzheitliche Medizin eher eine langfristig angelegte Medizin und Behandlung ist, die den inneren Menschen heilt und der Entstehung vieler akuter Zustände vorbeugt. Nach meiner Erfahrung haben Menschen, die langfristig ganzheitlich behandelt werden, viel weniger häufig akute Probleme, Infektionen oder was auch immer.
G. D.: Sie stellen also die präventive Medizin in den Vordergrund.
Dr. Sankaran: Nein, die Prävention von Notfällen. Wir glauben, daß Krankheit eine Störung des gesamten Menschen ist, die man lange vor der Entstehung akuter und lokaler Probleme erkennen kann. Und diesen lokalen und akuten Problemen kann lange im voraus durch die Behandlung der Krankheit vorgebeugt werden. In der ganzheitlichen Medizin wird die Krankheit also schon ganz anders definiert. Gemäß dieser Definition ist die Krankheit kein lokales Problem, sondern sie ist ein allgemeines Problem, deren Anzeichen identifiziert werden, lange bevor der Arzt seinen Fingerzeig auf das eine oder andere Organ richtet.
G.D.: Wie würde demnach die Definition der Gesundheit vom Standpunkt der ganzheitlichen Medizin lauten?
Dr. Sankaran: Das ist sehr interessant. „Im gesunden Zustand des Menschen waltet die geistartige, als Dynamis den materiellen Körper (Organism) belebende Lebenskraft (Autokratie) unumschränkt und hält alle seine Teile in bewundernswürdig harmonischem Lebensgange in Gefühlen und Tätigkeiten, so daß unser inwohnender, vernünftiger Geist sich dieses lebendigen, gesunden Werkzeugsfrei zu dem höheren Zwecke unseres Daseins bedienen kann.“ Besser geht es nicht.
G.D.: Samuel Hahnemann bezieht sich hier also auf ein immaterielles Prinzip. Ist dies das leitende Prinzip. Sie nannten es Dynamis.
Dr. Sankaran: Dynamis. Man kann es auch als Lebenskraft bezeichnen.
G.D.: Besteht hierin vielleicht der Hauptunterschied zu anderen Systemen.
Dr. Sankaran: Der Hauptunterschied zum konventionellen System besteht daran, daß die ganzheitliche Medizin gänzlich auf eine immaterielle Lebenskraft baut, die viel mehr als die Summe der Bestandteile des Menschen ist. Wir betrachten den Menschen nicht wie ein Automobil mit Batterie, Motor, Gaspedal etc., sondern als ein vitales Prinzip, das gegenwärtig ist, regeneriert, heilt und wiederherstellt. Und mehr noch, wir sind der Auffassung, daß der Mensch ein Instrument des gesamten Bewußtseins ist, das die Krankheit zu einem schlechten Instrument macht. Das Verschwinden der Krankheit oder die Wiedererlangung der Gesundheit bedeutet, daß er nunmehr ganz frei ist, den Zweck seines Daseins auf der Erde zu erfüllen.
G.D.: Ihr Ansatz zielt also auf den freien Fluß dieser Vitalkraft ab.
Dr. Sankaran: Frei zu sein, in keiner Empfindung oder Funktion blockiert zu sein, so daß man in der lebendigen Gegenwart und das sein kann, wozu man bestimmt ist.
G.D.: Das bedeutet somatische, mentale und spirituelle Gesundheit - auf allen Ebenen -.
Dr. Sankaran: Ja, emotionale, physische und spirituelle Freiheit.
G.D.: Die allopathische Medizin dagegen stützt sich eher auf sogenannte harte Tatsachen.
Dr. Sankaran: Die allopathische Medizin hat genau dieselbe Definition der Gesundheit. Es ist die Definition der Gesundheit durch die Vereinten Nationen, die WHO (Welt Gesundheitsorganisation): die emotionale, physische und spirituelle Gesundheit des Menschen. Jedoch wissen sie nicht so recht, wie sie mit diesem Konzept umgehen sollen. Man versteht die Persönlichkeit des Patienten, aber was tut man dann. Man gibt ihm dieselben Medikamente, so oder so. Man weiß, daß zehn verschiedene Diabetiker zehn völlig verschiedene Persönlichkeiten haben. Man versucht, das zu verstehen, aber letztendlich werden alle mit Insulin behandelt. Die Behandlung in der ganzheitlichen Medizin dagegen ist ganz individuell. Wir sehen die Einzigartigkeit der Krankheit einer jeden Person unabhängig von der diagnostischen Terminologie der Allopathie. Daraus folgt, daß zehn Menschen mit Diabetes völlig verschiedene Krankheiten haben. Und die Diabetes war in jedem von ihnen das Ergebnis der Krankheit, die er hatte, einer namenlosen Krankheit, die eine individuelle Störung ist. Und diese Krankheit blockiert ihn zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben, ab dem er nicht mehr die Freiheit hat, das zu sein, wozu das universelle Bewußtsein ihn bestimmt hat. Und wir glauben, daß wenn man eine Äußerung der Krankheit entfernt - wenn man beispielsweise ein Hautekzem mittels Cortison entfernt -, so löst die Störung, die das Ekzem verursachte, etwas viel tieferes und ernsteres, wie beispielsweise Asthma, aus. Und es ist die Erfahrung eines jeden Praktikers ganzheitlicher Medizin schlechthin, daß unterdrückte Hautausschläge, unterdrückte äußere Manifestationen, unterdrückte oberflächliche Pathologien später zu viel tiefergehenden und gravierenderen Pathologien führen.
Und die Verbindung, das Wirken des Organismus als Ganzes wird von der Allopathie selbst heute noch nicht verstanden.
G.D.: Wenn ich also mit einem Ekzem zu ihnen käme, würden sie meine Biographie, Umfeld und Struktur untersuchen.
Dr. Sankaran: Man würde die Person mit dem Ekzem untersuchen und mit einem Heilmittel oder Therapie behandeln, die die innere Störung heilen. Und so verschwindet das Ekzem. Es geschieht häufig, daß eine Person die beispielsweise mit Asthma zu uns kommt und behandelt wird, mit einem Ekzem endet. Und dann hört man: „Das ist das Ekzem, das ich vor 15 Jahren hatte.“ Und dessen Unterdrückung führte zu dem Asthma. Mit der ganzheitlichen Behandlung verschwindet dann das Asthma und ein ziemlich schlimmes Ekzem erscheint, das einige Zeit anhält und dann mit derselben Therapie automatisch verschwindet. Und das können wir immer wieder beobachten und durch hunderte von Fällen belegen. Und diesen für uns simplen Sachverhalt weigern sich die meisten Allopathen auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Und selbst heute werden noch Millionen von Menschen, die an Hautkrankheiten leiden, mit lokal wirkenden Medikamenten, wie Cortison und dergleichen, behandelt.
Und wenn sie auf diese Weise behandelt werden, kehren sie niemals zum Hautarzt zurück, sondern zum Lungenspezialisten. Der Hautarzt und der Lungenspezialist stehen ohnehin nicht in Verbindung miteinander und sie betrachten das als zwei völlig voneinander getrennte Krankheiten. Das ist es, was den Unterschied ausmacht.
G.D.: Die Medizin ist hochspezialisiert und fragmentiert, wie sie anhand des Hautarztes und des Lungenspezialisten veranschaulicht haben. Gehen da nicht viele Synergieeffekte in der Allopathie einerseits und ein viel größeres synergetisches Potential andererseits in der Medizin insgesamt verloren, weil die verschiedenen Schulen nicht genügend kooperieren und die Mediziner - durchaus wohlmeinend - eher ihre eigenen Interessen, statt die des Patienten, ihre medizinisch-philosophische Schule, statt das alleinige Ziel der Gesundheit des Patienten in den Mittelpunkt stellen? Doch letzteres würde wahrscheinlich ein anderes Wissen der Mediziner und eine Relativierung der Eigeninteressen bedeuten; die Erkenntnis und die Entscheidung, daß eine fremde Behandlungsweise indiziert sein könnte, in der man nicht ausgebildet ist.
Dr. Sankaran: Nein, das Problem liegt tiefer. Es besteht darin, daß jede Person, die ihre Schule vertritt, sich verunsichert fühlt, weil beide Schulen unvollständig sind. Dem Allopathen sind Grenzen bei der Behandlung langfristiger Probleme gesetzt. Er kann überhaupt keine chronische Krankheiten heilen, weder Arthritis, noch Diabetes, noch Bluthochdruck. Andererseits verfügt er über gewisse Behandlungsmethoden für akute Infektionen mit Antibiotika. Doch die dafür ursächlichen Bakterien verändern ihre Eigenschaften von Jahr zu Jahr, sie sind zu clever für die Ärzte und diese laufen hinterher, aber das ist eine andre Geschichte. Es bestehen also viele Einschränkungen für sie. Und trotz der vollständigen Kontrolle des Bluthochdrucks, des Herzens, der Diabetes, entstehen den Patienten viele Komplikationen, und das wissen sie. Sie wissen auch, daß jede Person ein Individuum ist, aber sie wissen nicht, wie sie mit dieser Tatsache umgehen sollen. Sie sind also unsicher. Der ganzheitliche Arzt dagegen ist deshalb unsicher, weil er glaubt, daß der Allopath eine definitive Antwort auf die meisten Dinge hat. Der allopathische Arzt weiß, daß er bestimmte Heilmöglichkeiten für einige Krankheiten hat, bei denen der ganzheitliche Arzt wegen seines individuellen Herangehens keine hundertprozentige Sicherheit besitzt. Es besteht also auf beiden Seiten Unsicherheit. Und wenn sich also zwei Menschen begegnen und die Unsicherheit in dem einen und dem anderen hochkommen, dann entsteht ein Kampf, statt daß man sich beiderseits sagt, nun, es gib viele Dinge, die ich nicht weiß und in denen ich keinen Erfolg habe. Wie finden wir eine gemeinsame Plattform? Dieses Herangehen an die Dinge ist leider nicht nur in der Medizin, sondern auch in den meisten anderen Bereichen heute nicht vorhanden. Und es erfordert schon sehr viel Gesundheit, das zu tun.
G.D.: Eben das meinte ich. Der Mangel an transdisziplinärem Herangehen an die Gesundheitsfrage und den Patienten erfordert Kooperation zwischen den Schulen und keine spaltende Verhaltensmuster
Dr. Sankaran: Jedes Individuum muß zunächst seine Begrenzung eingestehen und zur Erkenntnis gelangen: Nun, ich bin nicht das System, ich praktiziere es, weil ich damit diese und jene positiven Resultate erzielen kann, und wenn das System seine Grenzen hat, dann ist es nicht meine Begrenztheit und ich möchte von ihnen (dem jeweils anderen System) lernen, herausfinden, wo sie erfolgreich sind und ich scheitere. Glücklicherweise zeichnet sich ein Prozeß des Zusammenrückens der beiden medizinischen Systeme ab, wenn auch in begrenztem Umfang, wie es bereits auch in andren Disziplinen der Fall ist. Der Prozeß hat angefangen, aber er steht noch am Anfang.
G.D.: Für die Konstruktion dieses Tonbandgerätes oder eines Autos sind Tausende von Spezialisten und Ingenieure erforderlich und wenn sich nicht kooperieren, werden sie es nicht einmal schaffen eine Maschine zu bauen. Doch wieviel komplizierter ist ein Mensch! Und wir sind noch nicht einmal in der Lage, unsere Energien zu bündeln, um auch nur eine bessere Lösung zu versuchen. Alle Berufe sind heutzutage gezwungen, zusammenzuarbeiten, doch seltsamerweise scheint gerade die Medizin noch zu zögern eine echte Kooperation zu praktizieren.
Dr. Sankaran: Gestatten Sie mir, daß ich hier eine andere Meinung vertrete: Ich glaube nicht, daß der medizinische Berufsstand sich in irgendeiner Wiese von der menschlichen Gattung unterscheiden kann.
Wenn dieser Konflikt im medizinischen Berufsstand vorhanden ist, so muß er eine Wiederspiegelung des Konflikts in der gesamten Menschheit sein. Das ist der holistische Ansatz. Es ist nicht möglich, daß ein Teil krank ist, ohne daß das Ganze krank ist. Das ist unmöglich.
G.D.: Sie führen also die Spaltung in der Medizin auf eine andere Kategorie der Spaltung zurück. Also müßten wir diese Spaltung heilen.
Dr. Sankaran: Wir können eine Spaltung nicht heilen, wir müssen die Krankheit, das Problem im lnneren heilen, das die Unsicherheit verursacht und dann die Trennung. Zuerst muß das Individuum geheilt werden. Ich denke, daß die holistische Medizin ebenso davon ausgeht, daß das Individuum ohnehin kein Individuum ist. Sie basiert auf der Annahme, daß das Individuum ein Teil des Ganzen ist. Daraus folgt, daß die Heilung eines Individuums die Heilung eines Teils des Ganzen bedeutet.
G.D.: Ja, wenn man den Mikrokosmos und den Makrokosmos als ein Kontinuum betrachtet. - Ein holistischer Arzt kann also nur in dem Maße seiner holistischen Evolution ein ganzheitlicher Doktor sein.
Dr. Sankaran: Ja, absolut, darüber gibt es keinen Zweifel. Nun, es gibt Ärzte, die die moderne Medizin praktizieren und deren Ansatz vollkommen holistisch ist. Und es gibt sehr viele „ganzheitliche Praktiker“, deren Ansatz völlig allopathisch ist und die versuchen, lokale Probleme zu lösen. Es gibt viele Allopathen die das Ganze sehen.
G.D.: Der Holismus wäre demnach ein anzustrebendes Ideal.
Dr. Sankaran: Es ist kein Ideal. Er ist die Wahrheit. Er ist die absolute Wahrheit.
G.D.: Nun, der Praktiker strebt eine holistische Sichtweise an und nähert sich dieser in dem Maße seiner Entwicklung.
Dr. Sankaran: Entsprechend seiner Evolution.
G.D.: Doch die zugrundeliegende Wirklichkeit ist das Ganze.
Dr. Sankaran. Der Holismus ist die ganze Wahrheit.
G.D.: Holistisch zu praktizieren, wirklich holistisch zu sein, ist also ein sehr hoher Anspruch. Welches Instrumentarium verwendet der holistische Praktiker. Welche diagnostischen und therapeutischen Verfahrensweisen kommen zum Einsatz?
Dr. Sankaran: Zunächst ist es erforderlich, ein Problem nicht als ein lokales Problem wahrzunehmen, sondern als Widerspiegelung von etwas viel Umfassenderem als das, was örtlich zum Ausdruck kommt und das Individuum und seine Störung als Teil einer sozialen Störung, und diese wiederum als Teil einer universellen Störung zu sehen. Keinerlei Einschränkungen machen, sowie Lösungen suchen, die nicht lokal, sondern viel tiefer sind, das ist holistisch. Ebenso denke ich, daß der Holismus die Akzeptanz dessen voraussetzt, was ist, statt zu sagen, es sollte nicht so sein oder es sollte anders sein. Es geht darum, zu sehen was ist, wie es ist.
G.D.: Betrachtet man die tatsächlich praktizierte Medizin, so scheint der Widerspruch zwischen der sogenannten allopathischen und homöopathischen und der holistischen Medizin ein Scheinproblem zu sein. Vielmehr scheint die Qualität der jeweiligen Medizin an sich ausschlaggebend zu sein.
Dr. Sankaran. Die Qualität des Arztes ist ausschlaggebend. Der Konflikt besteht nicht so sehr zwischen den Schulen, sondern vielmehr im Ego des Arztes, das eine Spiegelung des Egos der gesamten Gesellschaft ist.
G.D.: Wir sprechen so leichthin über die universelle und die soziale Ebene. Wie könnte man das etwas praxisbezogener konkretisieren. Die Theorie ist das mikro-makrokosmischen Kontinuums ist klar.
Dr. Sankaran: Meine Gedanken dazu sind nicht abgeschlossen, aber wir haben gerade einen sehr guten Redner gehört, der sagte, dies geschieht und jenes geschieht und all das ist abscheulich und es sollte nicht so sein... Kolonialisierung, eine andere Art des Imperialismus: die Reichen beherrschen die Armen, Menschen, die ausgebeutet werden, das ist sehr schrecklich und sollte nicht vorkommen. Es sollte sich ändern. Und man kann dem durchaus zustimmen. Jedoch wird eine Holistiker denken, daß das, was geschieht, die Wahrheit ist und nicht geschehen hätte können, wenn es zum gegebenen Zeitpunkt nicht in der menschlichen Natur begründet gewesen wäre. Und wenn sich nicht die gesamte Sichtweise und das Herangehen des Menschen ändert ...es wird sich nicht durch das Schreiben von Artikeln, durch Reden oder Demonstrationen ändern. Die Änderung muß im spirituellen, psychischen Substrat der ganzen Menschheit stattfinden. Nun, ob das geschieht oder nicht, weiß ich nicht. Ich meine, es wird immer schlimmer kommen, zu einem Punkt solchen Ekels, bis alles zerbrechen wird, da wir uns auf das Extrem einer unserer Seiten zubewegen, die egozentrisch und selbstsüchtig ist. Aber der Mensch ist nicht gänzlich egozentrisch und selbstsüchtig. Der Mensch ist selbstsüchtig und selbstlos. Er ist nicht nur auf sich selbst ausgerichtet, sondern auch auf die Gemeinschaft, auf die Menschheit. Der Mensch ist sowohl materialistisch als auch spirituell. Was in der heutigen Welt vor sich geht, ist eine Explosion des Materialismus und Materialismus bringt Selbstsucht, Gier und Ausbeutung mit sich. Um zu bekommen, muß ich an mich reißen, um anzuhäufen muß ich entziehen. Materialismus ist also Selbstsucht. Und derzeit findet eine diesbezügliche Explosion gewaltigen Ausmaßes statt. Das spirituelle Substrat des Menschen ist am Einschlafen. Wenn der Materialismus aber ein zu großes Geräusch verursacht, muß er aufwachen. Der Beginn dieses Aufwachens ist im Gang... Und Revolutionen in Menschen finden sehr schnell statt. Niemand konnte auch nur drei Tage im voraus sagen, daß die Berliner Mauer beseitigt würde. Es passiert einfach, das Unglaubliche geschieht.
G.D.: Es gibt aber große Rückschläge, eine Rückkehr in die Vergangenheit, mit anachronistischen ethnozentrischen und nationalistischen Verhaltensmuster, wie in Indien oder Ex-Jugoslawien.
Dr. Sankaran: Was in Ex-Jugoslawien geschieht, ist Teil des Materialismus, ein Teil der materialistischen Explosion. Ich nur für mich und meine Wahrheit; raffe so viel du kannst, selbst wenn du den anderen dafür umbringen mußt.
G.D.: All diese Dinge müßten auch in der menschlichen somatischen und psychischen Struktur reflektiert sein.
Dr. Sankaran: Somatisch, psychologisch, überall... Und die Knappheiten, die dann entstehen, repräsentieren das. Wenn man ein Antibiotikum zur erfolgreichen Bekämpfung einer Krankheit entdeckt, taucht ein anderer Organismus mit derselben Wirkung auf. Syphilis beispielsweise war beinahe gänzlich verschwunden, und was entsteht?...Aids, was noch viel tödlicher ist, aber mit derselben Wirkung der Zerstörung des Menschen. Die Destruktivität in ihm lädt den Organismus ein. Und wenn man diesen beseitigt, lädt er das nächste ein. Was vor fünf Jahren völlig harmlos war, ist jetzt das Tödlichste.
G.D.: Offensichtlich brauchen einige Leute gewissen Krankheiten.
Dr. Sankaran: Sie rufen sie herbei, sie laden sie ein, sie senden Einladungen
G.D.: Wie wird schließlich das heilende Berufswesen und das Heilwesen der Zukunft aussehen. Wie könnte und sollte es aussehen?
Dr. Sankaran: Ich kann nicht sagen, sie es aussehen sollte, denn das ist nicht holistisch. Man kann niemals sagen, wie es aussehen sollte, aber ich kann sagen wie es sein wird - nicht weil ich es will oder nicht will - sondern durch die Beobachtung des Trends. Die Entwicklung läuft auf eine Explosion des Materialismus hinaus, die mit einer Explosion der Allopathie, der modernen Medizin einhergeht. Sie wird in den nächsten vier, fünf Jahren ihren Höhepunkt erreichen: unglaubliche Transplantationen, DNA-Veränderungen, Gentechnologie. Der Gipfel der Manipulation bei der Behandlung lokaler Probleme wird erreicht werden. Jeder möchte das meiste für sich herausholen, jeder möchte ein großer Star werden. Und dann wird es bergab gehen. Ich weiß nicht, wann das geschehen wird, irgendwann in der nahen Zukunft, in fünf, zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren. Die gesamte materialistische Struktur wird entweder in einer gewaltigen nuklearen Explosion enden, oder es wird etwas viel Spirituelleres durch eine Revolution in der menschlichen Psyche auf uns zukommen. Aber das ist auch nicht so gut, denn es ist eine Reaktion auf den Materialismus. Und dann wird es abwechselnd so weitergehen. Nachdem der spirituelle Höhepunkt erreicht sein wird, wird alles in den Materialismus stürzen, usw. Dieser menschliche Konflikt braucht Heilung, denn der Mensch ist sowohl ein materielles als auch ein spirituelles Wesen in einem. Doch er fragt sich immer: Bin ich materiell oder spirituell? Und in diesem Konflikt verliert er seine Vernunft. Er muß verstehen, daß er sowohl materiell als auch spirituell ist. Ich muß beide Teile meiner selbst befrieden, denn andernfalls verdränge ich. Diese Heilung wird langsam vonstattengehen und das universelle Bewußtsein wird die richtigen Menschen veranlassen, das Erforderliche zu tun. Darauf vertraue ich.
G.D.: Eine integrierte holistische Medizin, die Kombination aller Systeme aller Zeiten - Allopathie, Homöopathie und Ayurveda - alles Wissen aller Weisen... für die menschliche Gesundheit.
Dr. Sankaran: Ich bin ein bißchen besorgt ob der Vermischung der Systeme, denn jedes basiert auf verschiedenen Gesetzen und Sichtweisen. Verwende Homöopathie und Yoga, ein bißchen Akupressur und etwas Osteopathie - ein bißchen von allem, hieße Dinge vermengen, die man nicht vermengen kann. Der Ausweg ist folgender: Wenn ein Praktiker in einer bestimmten Schule holistischer Medizin immer tiefer geht, so gelangt er irgendwann auf die Ebene des tiefsten Verständnisses einer anderen Schule. Ich habe ein Buch mit dem Titel: „Der Geist der Homöopathie“ geschrieben, in dem ich mein Verständnis der Homöopathie weitgehendst darlegte. Dieses Buch wurde von einem Yogalehrer gelesen: Er sagte, das sei ganz genau die Yoga-Wissenschaft. Und es wurde von einem Jungianischen Analytiker gelesen. Er sagte, das sei genau das, was Jung sagte. Und ich hatte weder Jung gelesen, noch Yoga praktiziert.
G.D.: Die Wahrheit ist eins.
Dr. Sankaran: Statt zu kombinieren sollte man also zur tiefsten Tiefe einer Sache vordringen. Dann kann man die andere Schule verstehen, denn das grundlegende Heilprinzip aller holistischen Medizin ist dasselbe und für mich ist es das Gesetz des Ähnlichen: Was krank machen kann, kann heilen. Ebenso verhält es sich mit der Psychoanalyse: Wenn man in die Tiefe der Person gelangt und ein Verständnis des wirklichen Wesens und Bewußtwerdung entsteht, so tritt Heilung ein. Ebenso verhält es sich mit der Meditation. Die holistische Medizin will das ans Licht bringen, was im Verborgenen steckt, um dies zu beobachten, so daß es verschwindet. Bewußtwerdung ist Heilung. Das ist die Grundlage der meisten Systeme und auch ein Lebensprinzip. An diesem Punkt kann ich auch Möglichkeiten und Grenzen gegenüber einer andren Methode erkennen.
G.D.: Mit Kombination meinte ich keinen Mitschmach, sondern über die Option verschiedener, mehr oder weniger geeigneter Methoden zu verfügen. - Wie wenden Sie ihr holistisches Konzept in ihrer Klinik an?
Dr. Sankaran: Ich versuche das ganze Wesen jeder Person zu verstehen und ein Heilmittel zu finden, das seine innere Störung beseitigen kann.
G.D.: Sie investieren also sehr viel Zeit, vielmehr als ein klassischer Praktiker.
Dr. Sankaran: Ich spreche etwa zwei Stunden mit einer Person.
G.D.: Worin bestehen die wesentlichen Schritte, Geschichte, Struktur der Person...
Dr. Sankaran: Hauptsächlich die Geschichte. Man versucht herauszufinden, was diesen Menschen im Inneren bewegt. Wo ist er steckengeblieben, worin besteht sein Problem - in emotionaler Hinsicht. Dann versucht man das mit dem physischen Problem in Beziehung zu setzen. Was bedeutet dieses Problem zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Leben des Patienten? Warum hat er sich dieses Problem geholt. Was bewirkt es für ihn. Und was es bewirkt, muß er selbst sein. Warum hat dieser Mensch Schmerzen im rechten und nicht im linken Arm? Das ist verschieden. Was bedeutet der rechte Arm für ihn, dort Schmerzen zu haben? Solche Dinge. Man versucht das in jedem Fall zu verstehen, was nicht in jedem Fall gelingt.
G.D.: Ist das emotionale das Hauptkriterium?
Dr. Sankaran: Es ist mein eigenes Herangehen. Des emotionale Zustand ist ein Fenster, der physische ein anderes. Und man kann die innere Störung durch das eine oder andere Fenster betrachten. Ich schaue zuerst durch das emotionale und mache dann die Gegenprüfung, um festzustellen, ob das physische dieselbe Aussage macht. Beide müssen dieselbe Sprache sprechen.
G.D.: Welche bedeutenden Erkenntnisse und Einsichten haben sie durch ihre Arbeit gewonnen?
Dr. Sankaran: Ich habe mehrere Einsichten gewonnen. Wenn Sie wünschen, kann ich ein paar nennen:
G.D: Bitte schön! Wenn Sie möchten.
Dr. Sankaran: Der emotionale Zustand der Mutter während der Schwangerschaft scheint ein äußerst entscheidender Faktor für den Charakter des Kindes zu sein. Das konnte ich in sehr vielen Fällen bestätigen und geht etwas über Freud oder viele Psychoanalytiker hinaus: Die Dinge finden vor der Kindheit statt, im Mutterschoß oder sogar noch früher. Das ist eine Erkenntnis. Eine andere ist, daß die Krankheit ein Seinszustand ist. Ein Seinszustand, in dem wir auf eine äußere Situation in ungeeigneter und unverhältnismäßiger Weise reagieren, die nicht im rechten Verhältnis zum Stress steht. Unsere Reaktion ist nicht verhältnismäßig und ungeeignet im Hinblick auf den Stress. Wenn ich mich nun frage, warum wir festgefahrene Reaktionen haben. Ein Beispiel: Eine Person lebt ständig in der Angst, Geld zu verlieren. Er kommt nach Berlin, man zeigt ihm die Sehenswürdigkeiten. Nach Hause zurückgekehrt fragt man ihn nach seinem Eindruck von Berlin. Er antwortet, es ist ein sehr gefährlicher Ort, wo man bestohlen werden kann. Gefragt, was er gesehen hätte, antwortet er „nichts, er habe immer aufgepaßt, daß niemand mein Geld stiehlt.“ Dieser Mensch zweifelt an seiner Frau, seinem Vater, seinem Kind. Er glaubt, daß alle ihn nur bestehlen wollen. Das ist seine festgefahrene Sichtweise der Wirklichkeit. Und eine meiner Erkenntnisse besteht darin, daß das Problem eines jeden Menschen darin besteht, daß er mit irgendeiner festgefahrenen Sichtweise der Wirklichkeit durchs gehen Leben geht. Und dies erzeugt fortwährenden Stress, denn er reagiert ständig, wo er nicht zu reagieren braucht.
G.D.: Die fixierte Sichtweise stoppt den Fluß.
Dr. Sankaran: Er ist nicht mehr frei, denn er reagiert nur noch und erzeugt viel Spannung für sich und andere. Ich schrieb also folgenden Satz: „Krankheit ist Täuschung“; die Täuschung, die fixierte Wahrnehmung der Wirklichkeit, die nur rot, blau oder weiß sehen kann. Dann frage ich mich, woher diese fixierte Sichtweise der Dinge kommt, warum er sich in der einen oder andre Sache festfährt, und ich komme zum Schluß, daß er irgendwann in einer Situation gewesen sein muß, die diese Sichtweise erforderte. Irgendwann in seinem Leben muß er von Räubern umgeben gewesen sein und er mußte vorsichtig sein. Doch er blieb in dieser Sichtweise stecken, obgleich jene nicht mehr da waren. Das muß nicht unbedingt in seinem Leben gewesen sein, es kann sogar im Leben seiner Eltern oder in einem seiner früheren Leben gewesen sein. Alle Leute, die ich sah, waren in irgendeiner Situation ihres Lebens steckengeblieben und reagierten entsprechend. Darauf fragte ich mich: „Kann ich irgend etwas im Universum erkennen, das den Zustand zum Ausdruck bringt, in dem dieses Individuum sich befindet?“. Zu meiner Überraschung fand ich heraus daß der Zustand eines jeden Individuums eine Ähnlichkeit mit irgendeiner Sache im Universum hatte...Gold, eine Pflanze, ein Tier...dann erkannte ich, daß jedes Individuum heute in einem Zustand auf dem Planeten herumläuft, der von irgend etwas im Universum geliehen ist. Einige sind Tiger, einige Hunde, einige Löwen, einige Silber, einige...Kokosnußbäume. Daraus ergibt sich ein Konflikt zwischen dem gesunden und dem geliehenen Teil. Die Heilung besteht darin, dem Patienten dieselbe Substanz in hochaufgelöster Form zu geben. Das ist Homöopathie. Dieses Verständnis ist sehr faszinierend, insbesondere wenn man die Weltgeschehnisse unter dem Blickwinkel solcher Konzepte untersucht.
G.D.: Ich möchte zu einem anderen Aspekt des Holismus übergehen. Heutzutage reisen wir weltweit und assimilieren verschiedene Kulturen. Die Struktur des Menschen scheint sich zu verändern, er befindet sich in Evolution. Welche Bedeutung haben diese verschiedenen Umfelder, diese vielfältigen Inputs. Inwieweit besteht die Notwendigkeit einer Veränderung, einer strukturellen Veränderung, wenn man diese verschiedenen Kulturen integrieren möchte, wenn ich also beispielsweise Teile der indischen Kultur oder der amerikanischen integrieren müßte, weil ich dort lebe. Wie erscheint das in einer holistisch medizinischen Optik?
Dr. Sankaran: Ich glaube, daß das, was sie hier ansprechen, noch in sehr begrenztem Maßstab geschieht und sich nur auf eine absolute Minderheit bezieht. Der Großteil der Welt steckt noch fest und schreitet auf dem Weg in den Materialismus sehr schnell voran. Nur einige wenige Individuen wie Sie oder andere versuchen, die Dinge zusammenzubringen wie beispielsweise die Allopathie und die Homöopathie, Spiritualität und Materialismus, Ost und West, Nord und Süd. Aber das geschieht noch in sehr, sehr begrenztem Umfang, während die große Masse immer schneller und schneller in den Materialismus hineinsteuert. Auch das Verschwinden der Berliner Mauer spiegelt für mich das in gewisser Weise wieder. Es war die Trennung von Kommunismus und Kapitalismus. Kommunismus ist eine Art des Gruppendaseins und Kapitalismus ist eine Art der Selbstsucht. Gewiß, es war ein aufgezwungener Kommunismus, der das Problem verursachte, doch das sind im wesentlichen die beiden Seiten des Menschen.
G.D.: Die Integration der Teile in ein Ganzes, das ist die eigentliche Frage. Wie kann man zahlreiche Elemente in diesem Körper - auf allen Ebenen - in ein harmonisches Ganzes integrieren, so daß Struktur und Funktionsweise nicht beeinträchtigt wird.
Dr. Sankaran: Wen man sich selbst beobachtet und seine eigene Wahrheit findet und diese ehrlich akzeptiert, so erkennt man die Bedeutung der verschiedenen Dinge in einem selbst, dann findet eine automatische Integration statt. Ich möchte etwas Persönliches hinzufügen: Ich habe zehn Jahre lang zwei Monate des Jahres in Europa und Amerika gelebt und zehn Monate verbrachte ich in Indien. Ich habe also in völlig verschiedenen Kulturen gelebt. Ich habe lange Zeit das große Problem gehabt, wie ich die beiden gleichzeitig verstehen und auf einen Nenner bringen sollte. Ich dachte immer, ich müßte das eine oder das andere wählen. Und erst in den beiden letzten Jahren erkannte ich, daß gar keine Wahl erforderlich ist, da ich beide bin, Ost und West, nicht Ost oder West. Durch das Verstehen meiner selbst als Ost und West erkannte ich die Rolle und die Bedeutung beider Kulturen.
G.D.: Menschen verschiedener Herkunft haben verschiedene Strukturen, körperlich, geistig. Ich selbst habe auch in vier Ländern gelebt. Man geht von einem zum anderen und fragt sich vielleicht, welche Struktur man nun besitzt. Existiert vielleicht so etwas wie eine ursprüngliche Struktur?
Dr. Sankaran: Ich glaube nicht, aber ich denke, daß der Geist ursprünglich und rein ist. Er hat keine Qualität, aber im Laufe der Zeit kamen welche hinzu. Wenn man zu dem gelangt was ich als unsere menschliche Natur bezeichne, die nur ein Schritt von unserer Natur als Bewußtsein entfernt ist, so stellt sich heraus, daß wir alle dieselbe Natur haben und daß verschiedene Menschen nur mit dieser in verschiedener Weise gearbeitet haben; die einen in dieser Richtung, andere in einer anderen, aber alle haben Anteil an dieser menschlichen Natur. Reisen und das Leben in verschieden...schafft zunächst Verwirrung, aber später erweitert es den Horizont.
G.D.: Die Integration der Vielfalt in ein Ganzes scheint mir eine Hauptherausforderung der Zukunft zu sein. Viele Elemente und Kräfte treffen heute auf der individuellen und sozialen Ebene aufeinander. Es findet ein globaler Integrationsprozeß statt.
Dr. Sankaran: Das Ganze, das immer noch ganz ist, hat sich in Teile aufgeteilt und entwickelt. Wenn wir das Ganze wieder zusammensetzen, stellen wir ohnehin fest, dass es von Anbeginn ganz war.
Wir müssen also zum Ganzen in uns gelangen. Dann stellen wir fest, daß alles seinen Platz darin hat.
Abschnitt 2 Das suprarational basierte Heilwesen individueller Organismen
Kapitel 1: Die Axiomatik einer ganzheitlichen Wissenschaft vom Menschenbasierend auf dem Lebenswerk der Kardiologin und Universalgelehrten Dr. Thérèse Brosse, Paris, Frankreich
Die Realisierung eines integralen inter-/transkulturellen Gesundheitsmanagement Instruments basierend auf der Axiomatik eines integralen Menschenbildes
Diese Arbeit basiert auf der interkulturellen und transkulturellen Management- forschung und ist von der neurophysiologischen Forschung und deren psychologischer Analogie inspiriert. Sie zeigt Wege der Gesamtintegration des Menschen, insbesondere im globalen Kontext, auf.
Nachfolgend möchte ich ein erkenntnistheoretisches Fundament für eine transkulturell-integrative Funktion des menschlichen Geistes in Ergänzung zur Differenzierungsfunktion legen. Beide Dimensionen sind komplementär und konstituieren den weiteren Bewusstseinsraum, der es gestattet, durch eine weiterreichende Kontextualisierung des darin enthaltenen Kulturellen dies in ein neues Licht zu rücken. Die nachfolgend systematisierten Traditionen aller Hochkulturen und Zivilisationen scheinen diverse Konstrukte anzubieten, die die Hypothese eines transkulturell-integrativen Bewusstseinsraums stützen. Sie scheinen in kulturell diverser Form darauf hinzuweisen, dass man den Menschen möglichst in der Bewusstheit um seine Ganzheit betrachten sollte, um ihn in seiner Ganzheit zu verstehen und somit seine Probleme ganzheitlich und somit nachhaltig zu lösen, ohne ihn natürlich zu überfordern, denn die ganzheitliche Erkenntnis enthüllt seine natürlich-integrative Steuerungsdynamik, die man auch für die Steuerung der Kulturvariablen nutzen kann.
In diesem Sinne wird Sun Tzus Dictum plausibel, demzufolge die wahre Selbstbewusstheit sogar unbesiegbar machen kann, dadurch dass der Mensch sich selbst besiegen kann, was als der größte Sieg gilt, da er den Sieg des Menschen über sich und die Welt beinhaltet. Bei dem Unterfangen den Horizont des kulturell diversen menschlichen Geistes zu explorieren, möchten wir in etwa der Sonnenbahn, der physischen wie der geistigen Sonne der Erkenntnis vom Orient zum Okzident folgen. Wir werden jenseits detaillierter komparativer philosophischer Analyse feststellen, dass alle Zivilisationen, die ja alle an einem umfassenden und sie potentiell einenden Bewusstseinsraum und dem einen Leben des Menschen per se teilhaben, die sie bereits über alle evolutionserforderliche Diversifizierungsdynamiken hinaus in eine fundamentale und unauflösliche Einheit, gleich dem biblischen Weinstock mit den Rebzweigen, einbinden (und die beiden können nicht einmal unabhängig voneinander weder gedacht werden noch existieren), Bewusstseinsformen aufweisen, die das mentale, dialektische Bewusstsein transzendieren, das der Speicher der kulturellen Programmierung im wesentlichen zu sein scheint und tragen somit zu einer differenzierteren Selbsterkenntnis des Menschen bei. Diese umfassendere Selbsterkenntnis bildet gewissermaßen die Startrampe für die Erkundung des inneren Raumes und die Ortung und Systematisierung einer komplementären transkulturellen und funktionell integrativen Bewusstseinsdimension, die das Kulturelle revolutionär, im Sinne einer natürlichen Integration kultureller Diversität, kontextualisiert. Diese Ansätze können dazu beitragen, den goldenen Käfig menschlicher Konstrukte spaltweise zu öffnen und dem Menschen den Weg in eine umfassendere all-integrative höhere Form von Freiheit, die auch sein Geburtsrecht ist, zu weisen, ohne das Acquis des Käfigs zu zerstören und es im Lichte umfassenderer Erkenntnis zu transformieren. Der Dreh- und Angelpunkt ist das Öffnen der Tür, spaltweise und progressiv-analytisch, eine plötzliche Öffnung im Wege der Erkenntnis und Erleuchtung oder das Aufreißen der Türen (in Anlehnung an Benedikt XVI), um das Göttliche, das das rationale und beengende Bewusstsein erleuchtende Bewusstsein, das seine Ganzheit und Integrität wiederherstellt und somit sein Heil bewirkt, hereinzulassen. Jenseits von New Age Magie und ihrer Verwirrung geht es hier um die umfassendere Erkenntnis des Menschen, Gottes und des Schöpfers in ihrer Ganzheit, soweit es dem Menschen gegeben ist.
1. Die indische Zivilisation zelebriert die wahre Selbsterkenntnis in den Begriffen "Vidya" (Wissen) im Gegensatz zu Avidya (Unwissenheit) und dem Begriff des Bewusstseins-Zeugen, das der metamentalen, noetischen oder transkulturellen Dimension dieser Erörterung nahekommt und gewissermaßen als Zeuge für die Prozesse des mentalen (inter)kulturellen Bewusstseins fungiert. Es ist beider komplementärer Dimensionen gewahr und kann sozusagen durch bloßes Zeugnisablegen handeln. Es transzendiert Zeit und Mentalbereich, handelt ohne zu handeln. Diese metamentale Dimension ist der Tenor aller asiatischen Zivilisationsbeiträge, denen wir in Japan und China in kulturell diverser Gestalt wiederbegegnen. Das Sanskrit Grundwort für Meditation, Dhyan, die dieses Bewusstsein fördern kann, wird im chinesischen zu Chang und im Japanischen zu Zen und illustriert die Vernetztheit der asiatischen Kulturen, der wir auch in der jüdisch-christlichen in personalisierter diviner Form begegnen. Die Essenz der christlichen Lehre ist gleichermaßen, überzeit-räumlich, transkulturell und universell in der christlichen Terminologie. Die in Asien geläufige Monkey King Geschichte, in der die buddhistischen Sutras von einem Mönch auf didaktisch-abenteuerliche Weise nach China geholt werden, zeugen von den geistig-physischen Wegen der Erkenntnis im allgemeinen und in Asien im besonderen. Doch die Christianisierung vollzog sich durch ähnliche Prozesse, ersichtlich beispielsweise im Fall Deutschlands, das vom Norden her durch einen fremdkulturellen Mönch und den heutigen Patron Deutschlands, nämlich Bonifatius, christianisiert worden ist.
2. Somit trägt die chinesische Zivilisation in diesem Sinne auch durch das “Wuwei” Konzept und Sun Tzus bereits erwähntes Dictum demzufolge „wahre Selbstbewusstheit unbesiegbar macht“ zur Erweiterung der Selbsterkenntnis in kulturell diverser Gestalt bei. Das in diesem Konzept enthaltende „Nicht-Tun“ erinnert uns an den „Bewusstsein-Zeugen“ der indischen Zivilisation.
3. In der japanischen Kultur begegnen wir wiederum diesem Konzept im “Hishiryo” Begriff, versinnbildlicht durch die Metapher des Mondes, der unbewegt vom Wasser der Strömung (des Mentalen) wiedergespiegelt wird. „Hishiryo, Wuwei, Nicht-Tun und Bewusstsein-Zeuge“ sind kulturell diverse Indizien, die das dualistische westliche psychosomatische Bewusstsein durch eine umfassendere Geistesdimension ergänzen zu helfen scheinen und gewissermaßen eine nun ganzheitliche noetisch-psycho-somatische, also eine dreifältige biologische Gesamtstruktur begründen, in der wir mit Hilfe der westlichen Neurophysiologie eine hierarchisierte Steuerungs- und Integrationslogik annehmen dürfen, zumindest als eine experimentell zu validierende Arbeitshypothese. Es bestätigt das metaphorische quantische Komplementaritätsprinzip, das auf komplementäre Aspekte des ganzheitlichen Menschlichen hinweist. Ihre Integration ist der Schlüssel, der höhere kulturelle, transkulturelle Intelligenz erschließt.
4. Das klassische Griechenland ist sich der unabdingbaren menschlichen Selbsterkenntniserfordernis bewusst. Sowohl in Delphi als auch bei Sokrates begegnen wir der eindringlichen Mahnung und Aufforderung “Gnôthi seautón” oder „Erkenne dich selbst “ als Voraussetzung für die höchste Erkenntnis.
5. Der Talmud hebräischer Überlieferung konstatiert gleichermaßen, im Bewusstsein der Bedingtheit des Menschlichen, dass wir die Welt nicht „so wahrnehmen, wie sie eigentlich ist, sondern vielmehr so, wie wir sind“.
6. Die römische Zivilisation spiegelt das griechische kulturelle Geisteserbe des “Gnôthi seautón“ in der lateinischen Übersetzung desselben als „Nosce te ipsum“ wieder.
7. Schließlich gelangen wir, Zeit und Raum von der fernöstlichen, via der Wiege der westlichen zur fernwestlichen Zivilisation hin überbrückend, zur neuen Welt, die auch mit den fundamentalen Prämissen der vorausgehenden Zivilisationen arbeitet, wenn Harvard die „Selbstbewusstheit“ im Sinne der Selbsterkenntnis in der Leadership Ausbildung fordert und Ed Schein (Harvard Psychologe) diese „Self-awareness“ als rechten Einstieg in die interkulturelle Erkenntnis postuliert. Und im europäischen Teil der angelsächsischen Welt betrachtet der britische Psychoanalytiker R. D. Laing diese “Awareness” als Bedingung für jegliches Management des Wandels in folgenden Worten: “The range of what we think and do is limited by what we fail to notice, and because we fail to notice that we fail to notice, there is little we can do to change, until we notice how failing to notice shapes our thoughts and deeds.” (Zitat: DICM, Cambridge UK, 2004)
8. Und nun - hic et nunc - gelangen wir zu uns selbst als Interkulturalisten, für die die monierte „Selbstbewusstheit“ die erste Phase des nachfolgenden vierphasigen Zyklus professioneller interkultureller Managementausbildung darstellt:
1. Kulturelle Selbst- und damit einhergehende Fremdbewusstheit
2. Allgemein- und kulturspezifisches kulturelles Wissen: Allgemeinkulturelles Wissen gründend vor allem auf der empirischen interkulturellen Forschung
3. Interkulturelles Kompetenz, IC oder TC in der Gestalt der Fähigkeit kybernetischen, zirkulären oder kulturell multiperspektivistischen Denkens
4. Interkulturelle Praxis und Feedback aus derselben als Wachstumsinput in diesen Kreislauf, der somit zu einer interkulturellen Entwicklungsspirale wird.
Das effektive interkulturelle Management auf dieser Basis kann den folgenden positiven Kreislauf bewirken:
1. Diversität
2. Kreativität
3. Innovation
4. Wohlstand
9. Die bereits erwähnte Quantenphysik informiert uns bereits seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts, dass es ratsam ist, sich komplementäre Aspekte der Wirklichkeit zu vergegenwärtigen, um sie umfassender zu erkennen. Ich beziehe mich im engeren Sinn auf das Komplementaritätsprinzip oder die Welle-Teilchendualität, die der dänische Mikrophysiker Niels Bohr um 1927 für das Verständnis von Materie und Energie formuliert hat. Da die Trennung von Geist und Körper ein variables Kulturkonstrukt ist, sowie auch die von Bewusstem und Unbewusstem, liegt es nicht fern, die fundamentalen physikalischen Kategorien auch sozusagen für eine Physik des Geistes zu bemühen, zumindest metaphorisch und in der Erkenntnis der Unterschiedlichkeit der Bereiche, denn die subatomare Welt und unsere Ebene der Erfahrung, sowie die materielle und „geistige Physik“ können mangels tieferer wissenschaftlicher Erkenntnis im Kontext harter Wissenschaften bislang nur als Metaphern Sinn und Verwendung finden, zumindest in unserem Kulturkreis. Die Annahmen der Dependenz, der Interdependenz oder Konvergenz der Bereiche scheint kulturell im allgemeinen und wissenschaftskulturell im besonderen bedingt zu sein.
10. Schließlich sind die erweiterte Kontextualisierung und das Verständnis der damit einhergehenden Axiomatik das Ziel dieser Abhandlung. Diese ermöglichen uns ein neues Verständnis des Kulturellen, das das Interkulturelle durch das Transkulturelle und das dadurch bedingte transkulturelle Management sinn- und idealerweise segenbringend ergänzt. Die komplementären inter- und transkulturellen Optiken konstituieren das kulturelle Phänomen in seiner Gänze und stellen ein tragfähigeres Fundament für das umfassendere Verständnis und somit nachhaltigere Lösungen kultureller Fragen in Aussicht, wenn nicht sogar der kulturellen Frage im Kontext des Menschlichen per se und somit eine radikale Lösung im Sinne einer Lösung von der Radix oder Wurzel her.
1. Etwas zynisch könnte man vom Standpunkt der authentischen christlichen, westlichen Zivilisation in Ergänzung des gesamtkulturellen Horizontes der Menschheit, den wir exploriert haben, zu sagen geneigt sein, dass sich all die Komplikationen des menschlichen Geistes durch die Befolgung des zweifältigen ersten und höchsten Gebotes der Liebe erübrigten, denn diese Gabe integriert die Diversität und die Einheit des Menschen in harmonischer Weise. Sie ist Einheit par définition und kraft ihrer Natur diversitätsintegrierend. Doch inzwischen zieht der Mensch Kreise in der Wüste seines Intellekts, nach Oasen hie und da lechzend.
Die Bezugnahme auf den Einen und Absoluten und Schöpfer seiner myriadenfach und singulär diversen menschlichen Abbilder stellt die Paradelösung für das Enigma menschlicher Diversität bereit, mit der sich der relative menschliche Geist bisweilen überfordert sieht, insbesondere, wenn er an der Oberfläche der Erscheinungsbildern haftet, denn die myriadenfache Diversität kann ihn informationell und kognitiv und somit auch emotional überfordern. Daher erfordert unsere Wissens- und multikulturelle Ära die Einbeziehung des die Diversität ergänzenden, wesentlicheren, integrativen Aspektes im Bereich der Natur im allgemeinen und dem der menschlichen im besonderen. Die Bezugnahme auf den Einen integriert und desintegriert ggf. alle Diversität von ihrer eigentlichen tiefsten Wurzel her. Sie besteht in der personalisierten Wahrnehmung und Erkenntnis der Schöpfung, die auf der Trinität eines persönlichen Gottes gründet, den andere Religionen in der Unendlichkeit des Bewusstseins suchen. Die menschliche Navigation dieses Meeres des Bewusstseins, wie es in den asiatischen Allegorien genannt wird, ohne den Kompass des Absoluten kann ein riskantes Unterfangen sein, insbesondere auch die Navigation der kulturellen Wellen. Schließlich bleibt festzustellen, dass die Wurzeln des Baumes der Menschheit und der Erkenntnis verschiedene Tiefenebenen und -strukturen aufweist und daher Lösungen, die mehr oder weniger von der Wurzel her stammen und somit verschiedene Grade der Nachhaltigkeit haben, weil sie unter anderem mit verschiedenen ethischen Maßstäben vom Universalismus bis zum Relativismus einhergehen.
Die Notwendigkeit der allgemeinen und kulturellen Selbsterkenntnis wird zwar vielfach mantrahaft und quasi anästhesierend widerholt, ohne jedoch zum Kern der Aufforderung aus allen Himmelsrichtungen, Kulturen, Zeiten und Breiten vorzudringen. Vielmehr begnügt man sich häufig damit, das Universum des Menschen durch einen kleinen Schlitz wahrzunehmen, den der Intellekt vermittels seiner limitierten rationalen Erkenntnis geschaffen hat, in der Annahme, dass sich die Gesamtheit des Erfahrbaren auf diese Optik reduzieren ließe. Somit bewegt sich der Mensch in einer kargen Wüste seines eigenen Machwerks, in der er häufig unbeständigen Fatamorganas hinterherläuft und sich in diesem Prozess von einer Oase zur nächsten zu retten sucht, ohne jedoch den dauerhaften Frieden zu finden, der seinen Durst zu stillen vermag. Die konstruktive Frage lautet nun, ob der Mensch seine Wahrnehmung über das Wüstenhafte hinaus ausdehnen und auch der lebendigen Wasser und fruchtbaren Gefilde gewahr werden kann, die die komplementären Aspekte der physischen wie auch der geistigen Wüste sind, denn weder die ganze Erde, noch das gesamte Bewusstsein lassen sich auf eine Wüste reduzieren. Indes, die Tendenz zur Desertifikation (Verwüstung) der sogenannten modernen Welt ist eine Hauptursache für die Malaise des materiell-physischen, wie auch des menschlichen Terrains.
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- D.E.A./UNIV. PARIS I Gebhard Deissler (Autor:in), 2012, Transkulturelle Medizin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197441