1 Einführung
Seit Beginn der 1990er Jahre und mit dem einschneidenden Impuls des Lebenshilfe Kongresses 1994 in Duisburg (Ich weiß doch selbst, was ich will! Menschen mit geistiger Behinderung auf dem Weg zu mehr Selbstbestimmung) ist die Forderung nach mehr Selbstbestimmung und Teilhabe für Menschen mit Behinderung in Deutschland zu einem zentralen Anliegen für die Organisation von Hilfen und die Vorstellung von professioneller Unterstützung im Alltag geworden. Lange wurden Menschen mit Behinderung als passive Empfänger von Hilfsmaßnahmen gesehen. Zunehmend werden sie jedoch als Ratsuchende, als eigenständige und entscheidungsfähige Zielgruppe wahrgenommen.
Mit dem Anspruch einer Hilfe zur Selbsthilfe wird der eher neuartige pädagogische Optimismus einer ressourcen- und kompetenzorientierten Sichtweise auf Menschen mit geistiger Behinderung fokussiert (...). Die Begriffe des „Förderns“ oder „Betreuens“ suggerieren im Kontext von Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Teilhabe mittlerweile schnell ein Bild streng asymmetrischer Beziehungs- und Interaktionskonstellationen, den Gedanken des „Formens“ nach persönlichen und gesamtgesellschaftlichen Normen und Werten sowie den Anspruch des Behütens und Bewahrens vor der Gesellschaft und eigenen Fehlleistungen.
Als Abgrenzung und Neuorientierung gegenüber den bisher gängigen Begriffsbezeichnungen bedient sich aktuellere Literatur in diesem Bewusstsein vermehrt der Begriffe „Begleiter“, „Assistent“ oder „Berater“. Ziel ist es dabei auch, Menschen mit geistiger Behinderung wieder als Subjekt von Interaktionen zu positionieren, anstatt sie durch eine Überhandnahme pädagogischer Konzepte zu objektivieren(...). Unter Bezugnahme auf ein in der Praxis etabliertes Beratungsverständnis, die Rahmenbedingungen professioneller Grundhaltung in der Behindertenhilfe und anhand einer Auseinandersetzung mit beobachtbaren Dilemmata eines Betreuer – Bewohner – Verhältnisses, soll in der vorliegenden Arbeit schließlich der Versuch unternommen werden, den Begriff Beratung hinsichtlich einer Vorstellung von Lebensberatung auszuweiten, was voraussetzt, dass hierbei neben ideologischen und methodischen beraterischen Kompetenzen des Begleiters auch die Kompetenzen gehören, fachübergreifend und nahraumorientiert zu kooperieren sowie Wege zu mehr Selbstbestimmungsrecht und Teilhabe zu organisieren und zu ermöglichen (...).
Inhalt
1 Einführung
2 Die Verortung professioneller Beratung als pädagogisches Leitbild
2.1 Beratung als sozialpädagogischer Handlungstyp
2.2 Grundüberlegungen des klientenzentrierten Ansatzes nach Rogers
2.3 Kooperative Beratung nach Mutzeck
3 Kontext und Rahmenbedingungen des Beratungsbegriffs in der Begleitung von Menschen mit geistiger Behinderung
3.2 Paradigmenwechsel
3.3 Empowerment und Selbstbestimmung
3.4 Das Normalisierungsprinzip
3.5 Der Inklusionsgedanke
3.6 Exkurs: Spannungsfelder und Handlungsparadoxien alltäglicher Beratungsarbeit
4 Faktoren einer Systematisierung und Ausweitung von Beratung und Begleitung
4.1 Zur Implementierung neuer Perspektiven
4.1.1 Das Assistenzkonzept
4.1.2 Das Kundenmodell.
4.2 praktisch- methodische Konsequenzen
4.2.1 Das WKS- Modell: Alltags- und Prozessbegleiter
4.2.2 Das Beratungskonzept „So und So“
5 Fazit
6 Ausblick
7 Literaturverzeichnis
8 Originalitätserklärung
- Arbeit zitieren
- Moritz Sturmberg (Autor:in), 2012, Beratung und Begleitung von Menschen mit geistiger Behinderung: Qualitative Ansprüche an ein neues Betreuungsverständnis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197443
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