Tabakwarenbesteuerung in der Europäischen Union

Eine effizienztheoretische Untersuchung


Diplomarbeit, 2012

75 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

III Tabellenverzeichnis

IV Anhangsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 DIE GESCHICHTE DER BESTEUERUNG
1.2 ABGRENZUNG DER STEUERARTEN

2 Wohlfahrtsmaximierung und optimale Güterbesteuerung
2.1 DAS BASIS-MODELL
2.2 DAS INDIVIDUELLE MAXIMIERUNGSPROBLEM
2.3 DIE SLUTSKY-GLEICHUNGEN
2.4 OPTIMALE GÜTERBESTEUERUNG
2.4.1 OPTIMIERUNG UND RAMSEY-REGEL
2.4.2 INVERSE ELASTIZITÄTENREGEL
2.4.3 DIE CORLETT-HAGUE-REGEL
2.4.4 HOMOTHETISCHE PRÄFERENZEN
2.4.5 VERTEILUNGSASPEKTE
2.5 EINKOMMENSBESTEUERUNG

3 Optimale Besteuerung externer Effekte im Güterkonsum
3.1 EXTERNE EFFEKTE DES TABAKKONSUMS
3.2 OPTIMALE BESTEUERUNG DIREKTER NEGATIVER EXTERNER EFFEKTE
3.3 OPTIMALE BESTEUERUNG VON EXTERNEN EFFEKTEN IN FORM KOLLEKTIVER KOSTEN
3.3.1 DAS MODELL
3.3.2 OPTIMIERUNG
3.3.3 DIE BASISLÖSUNG
3.3.4 BERÜCKSICHTIGUNG GRENZÜBERSCHREITENDEN HANDELS
3.3.5 SCHMUGGEL
3.4 EXTERNE KOSTEN DES TABAKKONSUMS

4 Regulierung des Tabakkonsums

5 Besteuerung auf unvollkommenen Märkten
5.1 MENGEN- UND WERTBESTEUERUNG EINES MONOPOLISTEN
5.2 BEDEUTUNG FÜR OLIGOPOLISTISCHE MÄRKTE
5.3 BERÜCKSICHTIGUNG VON EXTERNALITÄTEN
5.4 BEDEUTUNG VON MENGEN- UND WERTSTEUERN FÜR DEN ZIGARETTENSCHMUGGEL

6 Besteuerung in Deutschland und der EU
6.1 DIREKTE STEUERN
6.2 INDIREKTE STEUERN
6.2.1 MEHRWERTSTEUERN
6.2.2 TABAKSTEUERN

7 Fazit

V Anhang

VI Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2.1: Homothetische Präferenzen

III Tabellenverzeichnis

Tabelle I: Aufkommen ausgewählter Steuern in Deutschland (2009)

Tabelle II: Besteuerung von Zigaretten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Juli 2011)

IV Anhangsverzeichnis

Anhang A: Gleichungssystem in Form einer Koeffizientenmatrix und Matrixdeterminante zur Berechnung der optimalen Steuersätze im Rahmen des Modells unter 3.3

Anhang B: Besteuerung von Zigaretten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Juli 2011) - weitere Daten

1 Einleitung

Zum Verständnis der Theorie der optimalen Besteuerung ist es hilfreich zunächst einen Blick auf die Geschichte der Besteuerung zu werfen. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Besteuerung von Tabakwaren in Deutschland und der Europäischen Union liegen soll, werden schon zu Beginn die Verbrauchsteuern den Kern der Untersuchung bilden.

Im Rahmen des ersten Abschnitts dieser Arbeit wird deutlich werden, dass die Entwick- lung der Besteuerung in Europa nicht etwa vom Zufall geprägt ist, sondern im Gegenteil sehr eng mit der kulturellen Evolution des Kontinents zusammenhängt. Das Grundgerüst des uns heute bekannten Steuersystems mit seiner Vielzahl verschiedener Steuerarten ist über Jahrhunderte gewachsen. Dabei ist es in Deutschland anderen Entwicklungslinien gefolgt als in anderen europäischen Staaten, Amerika oder dem Orient. Einige Steuern, die in Deutschland heute selbstverständlich Teil des Steuersystems sind, z.B. die Tabak- oder die Biersteuer, haben ihren Ursprung schon im 17. Jahrhundert und früher; die Weinsteuer hingegen hat die Zeiten nicht überdauert.

Die Steuersysteme des Altertums, des Mittelalters oder des Absolutismus’ folgten aber nicht etwa effizienztheoretischen oder wohlfahrtsökonomischen Maximen, sondern dienten noch hauptsächlich dem Einnahmenziel des Staates. Zwar sind erste Lenkungszwecksteu- ern bereits aus dem 17. Jahrhundert bekannt, doch häufig dienten auch diese unter dem Deckmantel der Namensgebung vornehmlich dem Fiskalzweck (z.B. die preußische Bet- tensteuer). Wohlfahrtstheoretische Überlegungen fanden erst im 20. Jahrhundert Eingang in die praktische Steuerpolitik, auch wenn Christian Tenzel, ein Halberstädter Steuerrat, bereits 1685 in der Besteuerung von Grundnahrungsmitteln durch Akzisen - oder wie man heute sagen würde: in der Besteuerung von Gütern, der die Besteuerten nur schwierig aus- weichen können - eine Goldgrube für die Staatskasse erkannte (vgl. Homburg 2010, S. 35). Daran wird auch deutlich, dass Umverteilungszwecken von Steuern zu dieser Zeit keine bemerkenswerte Beachtung geschenkt wurde. Im Gegenteil müssten aus sozioöko- nomischer Sicht die Güter des täglichen Bedarfs einer niedrigeren Besteuerung unterlie- gen, da diese besonders die armen Bevölkerungsschichten, die von einem hohen „Grenz- nutzen des Geldes“ gekennzeichnet sind, belastet. Solche Verteilungsaspekte der Güterbe- steuerung werden im zweiten Kapitel etwas näher betrachtet, wenngleich sie nicht den Schwerpunkt dieser Arbeit bilden sollen. Tenzels Zusammenhang war dennoch seiner Zeit voraus. Er fand, wenn auch in etwas anderer Form, als Inverse ElastizitÄtenregel Eingang in die Theorie der Besteuerung, einer Sonderform der Ramsey-Regel, die bereits 1927 in dem Aufsatz „A Contribution to the Theory of Taxation“ von Frank Plumpton Ramsey veröffentlicht wurde. Dem folgenden Abschnitt über die Geschichte der Besteuerung wird eine ökonomische Analyse der Theorie der optimalen Besteuerung folgen. Auf Grundlage dieser Theorie soll untersucht werden, welchen Einfluss die Existenz von Gütern mit ex- ternen Effekten - insbesondere im Tabakkonsum (Kapitel 3) - auf die optimale Besteue- rung hat.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es anhand der Optimalsteuertheorie unter Berücksich- tigung externer Effekte die aktuelle Tabakbesteuerung in den Mitgliedstaaten der Europäi- schen Union zu untersuchen und bezüglich der aktuell erhobenen Tabaksteuern und geäu- ßerten Ziele der Europäischen Kommission eine Bewertung abzugeben. Aus diesem Grund wird neben der Analyse optimaler Besteuerung anhand eines Grundmodells mit vollständi- gem Wettbewerb mit der Regulierung ein weiteres, für die Fragestellung relevantes und essentielles Politikinstrument Gegenstand dieser Untersuchung sein. Nicht zu vernachläs- sigen sind ferner die Empfehlungen, die die Steuertheorie liefern kann, wenn die Markt- form nicht vollständigem Wettbewerb entspricht. Besonders bei der Untersuchung von Tabaksteuern scheint das unerlässlich, wenn die Tabakwarenindustrie als Oligopol be- zeichnet werden kann (Kapitel 5). Das Vorliegen externer Effekte bei der Produktion ist hingegen nicht Gegenstand dieser Abhandlung.

Da besonders Zigaretten ein Gut darstellen, das in großem Maße Schmuggel und grenzüberschreitendem Handel unterliegt, soll im sechsten Kapitel unter anderem der gemeinsame Binnenmarkt thematisiert werden, in dessen Rahmen es in den vergangenen 20 Jahren zu einer zum Teil tief greifenden Harmonisierung der Steuerpolitiken in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gekommen ist. Auch auf dem Gebiet der indirekten und insbesondere der Tabaksteuern zeigen sich in der aktuellen Debatte Bestrebungen diese Harmonisierung weiter voranzutreiben.

1.1 Die Geschichte der Besteuerung

Zur Erhebung von Steuern müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein: zum einen muss es einen Staat geben, der als herrschaftliche Organisation die Steuerhoheit besitzt und von den Untergebenen die Steuern eintreibt. Zum anderen müssen Eigentumsrechte wohl defi- niert sein, damit geldliche (Steuern) oder sachliche (Naturalien) Abgaben überhaupt erho- ben werden und einen „[erzwungenen] Übergang eines Eigentums vom Individuum zur Gemeinschaft“ (Homburg 2010, S. 23) darstellen können. Die ersten staatlichen, zentrali- sierten Machtstrukturen, die das gewährleisten konnten, entstanden ab dem vierten Jahrtau- send v. Chr. im Orient mit den Reichen der Sumerer und der Ägypter. Mit ihrer Entstehung kam es zu einem infrastrukturellen und bürokratischen Fortschritt, der die Erhebung von Steuern und damit die Finanzierung beispielsweise von Bewässerungssystemen zur effi- zienteren Nutzung des Ackerlandes ermöglichte. Diese Entwicklung stellt erstmals in der Geschichte die staatliche Bereitstellung öffentlicher Güter dar. Neben dem Ausbau der Infrastruktur stellte der Staat der Bevölkerung weitere Dienste zur Verfügung, z.B. in Form militärischen Schutzes und der Technologien zur Bewässerung der Felder. Eigentümer des Landes war in diesen orientalischen Kulturen der Despot, also ein Alleinherrscher, der dem größten Bevölkerungsteil, den Bauern, das Land zur Bewirtschaftung überließ und dafür Steuern erhielt (vgl. Massarrat 1996, S. 20 ff.).

In allen bedeutenden Kulturen wurden seither Steuern erhoben. Die Art und Weise, wie Steuern erhoben wurden, wozu sie verwendet wurden und besonders die Einstellung des Volkes zu ihnen unterschieden sich jedoch beträchtlich voneinander. Die Einwohner der griechischen Poleis waren von den Steuern befreit, denn diese widersprachen dem Gedan- ken der Freiheit ihrer Bürger. Die Staatseinnahmen setzten sich stattdessen aus Kopfsteu- ern, die von Gastarbeitern geleistet wurden, die keine Bürgerrechte besaßen, Zöllen und anderen Abgaben zusammen. Wohlhabende Bürger erbrachten freiwillige Geldzahlungen und Dienstleistungen, die sogenannten Leiturgien, die unter sozialem Druck jedoch fak- tisch den Charakter der Freiwilligkeit verloren (vgl. Homburg 2010, S. 26 f.). Im Römi- schen Reich fanden in regelmäßigen Abständen Volkszählungen statt und es wurde ein Katastersystem eingeführt. So wurde sichergestellt, dass in allen Provinzen die aufkom- mensergiebigsten Steuern, die Kopf- und die Grundsteuer, ordnungsgemäß erhoben und von jedem in richtiger Höhe eingetrieben werden konnten. Die Steuereinnahmen bildeten das Rückgrat des Römischen Reiches, das durch diese ihre vielen Kriege und Feldzüge finanzieren konnte (vgl. Homburg 2010, S.26 ff.).

Nach dem Zerfall des Römischen Reiches konnten die Nachfolgereiche, z.B. das Franken- reich unter dem Merowingerkönig Chlodwig, die komplizierten bürokratischen Strukturen zur Erhebung direkter Steuern nicht aufrechterhalten. Die direkten Steuern wurden im Lau- fe der Zeit immer mehr durch indirekte (Verkehr-) Steuern (mit Gebührencharakter) er- setzt, dazu zählten Wegezölle an Brücken, Toren und auf Wasserwegen sowie die Salz- steuer. Daneben trat der Kirchenzehnte zugunsten des Klerus als kirchliche Abgabe, die bis heute in Form der Kirchensteuer weiterbesteht. Im Mittelpunkt stand jedoch die Auffas- sung, dass die frühmittelalterlichen Reiche Europas Domänenstaaten waren, also nur in Ausnahmefällen Steuern erheben und sich regulär aus den staatlichen Domänen und durch königliche Regalien, Sonderrechte wie das Münz- und Judenregal, finanzieren sollten. Thomas von Aquin schrieb: „Daher sind den Herren Güter zugewiesen, daß sie daraus ih- ren Unterhalt bestreiten und sich enthalten, ihre Untertanen zu berauben.“ (Homburg 2010, S. 30) Als eine Besonderheit war es der Zentralgewalt im Heiligen Römischen Reich nicht gelungen die Steuerhoheit zurück zu erlangen, die infolge der territorialen Zersplitterung des Reiches in den Händen der Territorialherren lag. Bis in das 20. Jahrhundert wurden in Deutschland von der Zentralgewalt praktisch keine direkten Steuern mehr erhoben und noch im 19. Jahrhundert bestand der größte Teil der Staatseinnahmen Preußens aus den Erträgen der staatlichen Eisenbahnen (vgl. Homburg 2010, S. 28 ff.).

Während also im Orient besonders die widrigen klimatischen Bedingungen den Zentral- staat und die Erhebung von Steuern notwendig machten, entstand diese Notwendigkeit im christlichen Okzident nicht. Auch gab es keinen alleinigen Herrscher, der gleichzeitig Ei- gentümer allen Landes war. Vielmehr bildete sich, begünstigt durch die geographische Zerklüftung des europäischen Kontinents und besonders durch die aus landwirtschaftlicher Sicht vergleichsweise günstigen klimatischen Bedingungen, der Feudalismus mit einem Ständestaat, territorialer Zersplitterung und Diskontinuität heraus (vgl. Massarrat 1996, S. 29 f.). Steuern, Zölle und sonstige Abgaben wurden nicht von einem einzigen Herrscher bzw. Stand erhoben, sondern gleich von mehreren. Verwendet wurden diese Einnahmen nicht zuletzt für militärische Zwecke. Mit dem aufkommenden Absolutismus stiegen nicht nur die Kosten der Hofhaltung rasant an, sondern gingen die regionalen Herrscher auch zum Unterhalt stehender Heere über. Steuern zur Finanzierung militärischer Ausgaben wurden nun also auch in Friedenszeiten erhoben, während in früheren Epochen zu diesem Zwecke Sonderabgaben erhoben wurden.

Zur Deckung des gestiegenen Finanzbedarfs erhoben die Fürsten in den Territorialstaaten sowie die Reichsstädte ab 1600 in zunehmendem Maße Akzisen, frühe Verbrauchsteuern auf Güter wie Getränke oder Fleisch. Dass Teile der Bevölkerung, besonders Akademiker und der Klerus, von diesen Akzisen befreit wurden, zeigt, dass der Ständestaat noch nicht überwunden war und Gleichheit unter den Menschen noch nicht viel zählte. Gleichzeitig konnte so aber auch der Adel indirekt besteuert werden. Aus dieser Zeit stammt auch die Tabaksteuer, die damals zum Großteil von Adel und Bürgertum entrichtet wurde, die sich den Luxus des Tabakkonsums leisten konnten. So „erhöhten [Verbrauchsteuern] im abso- lutistischen Zeitalter die Gleichmäßigkeit der Besteuerung“ (Homburg 2010, S. 36). An- fänglich war der Tabakkonsum verboten worden, er wurde jedoch legalisiert, als die Fürs- ten das Aufkommenspotential der Tabaksteuer erkannten. Die vorherrschende Wirtschafts- ordnung dieser Zeit war der Merkantilismus. Ähnlich wie der spätere Sozialismus war er gekennzeichnet von staatlicher Planung und Beschränkungen des Wirtschaftssystems (Zunftwesen). Vorrangiges Ziel war die Vermehrung des Reichtums des Staates, die man durch die Erhöhung des staatlichen Besitzes von Edelmetallen (besonders Gold und Silber) zu erreichen versuchte. Da der Außenhandel in dieser Zeit mit Gold und Silber abgewickelt wurde, erhoben die absolutistischen Staaten hohe Schutzzölle, die durch die Theorie der aktiven Handelsbilanz - wenn auch irrtümlich - theoretisch gerechtfertigt wurden. Zölle waren seinerzeit die staatliche Haupteinnahmequelle (vgl. van Suntum 2005, S. 179 und 260 f.).

Mit dem Beginn des Absolutismus’ und der Aufklärung im 16. und 17. Jahrhundert entwi- ckelte sich eine Steuerlehre, die neben dem reinen Fiskalzweck, also dem Zweck der Ein- nahmenerzielung, auch den Lenkungszweck von Steuern, also die Beeinflussung von Ver- haltensweisen der Besteuerten, erkannte und auch ethische Aspekte bei der Besteuerung berücksichtigte. Auf den Tabakkonsum traf das nicht zu, ihm wurde noch eine medizinisch heilsame anstelle einer gesundheitsschädlichen Wirkung zugeschrieben. Steuern wurden seither auch nach ihrem, wenn auch manchmal vorgetäuschten, Verwendungszweck be- nannt, so z.B. die preußische Bettensteuer oder die Frankfurter Laternensteuer (vgl. Hom- burg 2010, S. 33). Der Aufklärer und Staatsphilosoph Montesquieu trat für eine vom Staat unabhängige Gesellschaft ein und zählt die hohen Ausgaben für das Militär zu dessen „eingebildeten Bedürfnissen“. Der Staat solle stattdessen „nur den äußerem Rahmen garan- tieren“ und sich ansonsten „auf das Nötigste beschränken“ (Clostermeyer 1983, S. 106 ff.). In dieser Zeit begründeten besonders angelsächsische Philosophen und Staatstheoretiker wie John Stuart Mill, David Ricardo oder Robert Malthus ein liberales Umdenken. Zu ih- nen gehörte auch Adam Smith, der 1776 in seinem Hauptwerk „Wohlstand der Nationen“ neben der berühmten „unsichtbaren Hand“ auch vier bis heute anerkannte Grundsätze der Besteuerung entwickelte: Gleichmäßigkeit, Bestimmtheit, Bequemlichkeit und Billigkeit (Wohlfeilheit). Smith stellt der Besteuerung bereits eine Gegenleistung in Form staatlichen Schutzes für den Besteuerten gegenüber. Im Rahmen der Äquivalenztheorie „wurden Steu- ern als Versicherungsprämien für staatlichen Schutz begriffen“ (Homburg 2010, S. 40). Die Aufklärung forderte auch eine Legitimation der Besteuerung und Mitwirkung an der Gesetzgebung durch die Besteuerten. So hatten die französische Revolution und der ameri- kanische Unabhängigkeitskrieg ihren Anfang in dadurch motivierten Steuerrevolten. Un- mittelbarer Ausfluss dieser Revolten waren Steuergesetze, die eine Besteuerung der Zensi- ten gemäß ihrer Vermögensverhältnisse verlangten und so den feudalen und absolutisti- schen Ständestaat auf diesem Gebiet überwinden sollten (vgl. Homburg 2010, S.40 f.).

Im aufkommenden liberalen Zeitalter wurden in immer mehr Staaten Einkommensteuern erhoben. Hintergrund ist die Abkehr vom Äquivalenzprinzip, stattdessen sollte die Leis- tungsfähigkeit des Besteuerten im Mittelpunkt stehen. Progressive Steuern wurden anfangs als nicht hinnehmbarer Eingriff in die Vermögensverhältnisse der Bevölkerung gesehen. Diese Sichtweise änderte sich erst im Laufe der Zeit. Die Zeitung Edinburgh Review ver- öffentlichte 1833 die als Edinburgh Regel bekannt gewordene Formel: „Keine Steuer ist eine gerechte Steuer, sofern sie die Individuen nicht in derselben relativen Lage läßt, in der sie sie vorfindet.“ (Homburg 2010, S. 42) In Deutschland hatten die Einzelstaaten weiter- hin die Gesetzgebungshoheit über alle direkten Steuern. Das 1871 gegründete Reich hin- gegen erhielt nur Einnahmen aus Zöllen und Salz-, Tabak-, Zucker- und Branntweinsteuer sowie Matrikularbeiträge der Einzelstaaten zur Deckung des Haushaltsdefizits („Kostgän- ger der Einzelstaaten“). Während die Binnenzölle nach und nach abgeschafft wurden, wur- de die Biersteuer zwischen Reich und Ländern geteilt. Noch heute fließt das Steuerauf- kommen der Biersteuer den Bundesländern zu. Die erste progressive Einkommensteuer wurde ab 1891 in Preußen erhoben und „diente als Vorbild für die späteren deutschen Ein- kommensteuergesetze“ (Homburg 2010, S. 44), weitere folgten in anderen Einzelstaaten des Reichs. Zu einer in ganz Deutschland gültigen einheitlichen Einkommensteuer führte erst 1919 die nach dem damaligen Finanzminister Matthias Erzberger benannte Erzberger- sche Finanzreform, in der auch die heutige Umsatzsteuer ihren Ursprung hat. Diese Reform führte zu einem starken Anstieg der Steuereinnahmen und war in der Bevölkerung keineswegs unumstritten. Es kam zu z.B. zu Steuerprotesten der Nationalsozialisten, die in der Ermordung Erzbergers gipfelten und zum Bernkasteler Winzeraufstand in dessen Folge die Weinsteuer abgeschafft wurde. Bis heute ist Wein „das einzige alkoholische Getränk, das keiner speziellen Steuer unterliegt“ (Homburg 2010, S. 46). Die Basis des heutigen deutschen Steuersystems wurde bis zu dieser Zeit geschaffen.

Nachdem also im Altertum direkte Steuern eine große Rolle spielten wurden diese im Mittelalter, wohl auch aus erhebungstechnischen Gründen, größtenteils durch Verbrauch- und Verkehrsteuern ersetzt. In dieser Zeit galten Steuern aber nicht (mehr) als primäre, sondern vielmehr außerordentliche Staatseinnahmen. Diese Meinung vom mittelalterlichen Domänenstaat wurde nach und nach verdrängt. Steuereinnahmen gewannen im Laufe der Zeit zunehmend an Bedeutung. Die Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung nahmen eine immer wichtigere Rolle ein und Einnahmen aus Zöllen und Verkehrsteuern wurden zunehmend durch Verbrauchsteuern und direkte Steuern ersetzt.

1.2 Abgrenzung der Steuerarten

Bereits im Römischen Reich wurde die Besteuerung von einer fortschreitenden Verrechtli- chung begleitet. Nach der kulturellen Stagnation infolge dessen Zusammenbruchs ist diese erst mit dem Aufkommen der Kameralistik im Zeitalter des Absolutismus’ langsam wie- derbelebt worden. Jedoch gehört auch heute noch die Aufgabe, „die Vielzahl der Einzel- steuern […] sinnvoll und widerspruchsfrei zu gruppieren […] zu den beschwerlichsten der Steuerwissenschaft […]“ (Homburg 2010, S.11). Beispielsweise sind die Begriffe Verbrauchsteuer und Verkehrsteuer durch die deutsche Steuergesetzgebung nicht klar de- finiert (vgl. Homburg 2010, S. 17) und werden im Rahmen dieser Arbeit nach der von Homburg (2010, S. 12 f.) vorgeschlagenen Definition voneinander abgegrenzt: Im Allge- meinen werden die direkten Steuern, die direkt an der Leistungsfähigkeit der Besteuerten ansetzen (z.B. Vermögensteuer, Einkommensteuer), von den indirekten Steuern (Verkehr- steuern, Verbrauchsteuern), die nur indirekt die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auf Umwegen […] belasten“ (Homburg 2010, S.11) unterschieden. Bei direkten Steuern sind Steuerträger und Steuerschuldner ein und dieselbe Person, während bei der indirekten Steuer „Steuerschuldner und Steuerdestinatar verschiedene Personen [sind]“ (Homburg 2010, S. 12). Die indirekte Steuer kann vom Schuldner auf den Steuerträger ü berwÄlzt werden. Ob und in welchem Maße das geschieht hängt vor allem von der gegebenen Marktform ab. Verkehrsteuern unterscheiden sich von Verbrauchsteuern dadurch, dass sie eine bloße Belastung von Rechts- oder Realakten darstellen, ohne dass dabei irgendeine Wertschöpfung besteuert würde. Bei mehrmaligem Verkauf eines Grundstücks beispiels- weise tritt eine für Verkehrsteuern typische Lawinenwirkung (cascading) auf; während sich der Wert des Grundstücks nicht verändert, wird bei seiner Veräußerung eine Steuerschuld fällig, die bei ausreichend häufigem Verkauf den Grundstückswert übersteigen könnte (vgl. Homburg 2010, S. 13). Die Mehrwertsteuer zählt ebenso zu den Verbrauchsteuern wie z.B. die Energie-, die Tabak- und die Biersteuer. Letztere werden im Folgenden als spezielle Verbrauchsteuern bezeichnet und besitzen die Eigenschaft, dass auf sie selbst (z.B. im Fal- le der Tabaksteuer) noch die Mehrwertsteuer (MWST) erhoben wird. In Deutschland kos- tet eine Packung Zigaretten vor Steuern im Durchschnitt 1,04 Euro, zusätzlich fallen (ge- rundet) ca. 2,82 Euro Tabaksteuer (davon 1,01 Euro in Form einer Wert- und 1,82 Euro in Form einer Mengensteuer) an, so dass die Packung ohne MWST durchschnittlich 3,86 Eu- ro und zuzüglich MWST 4,60 Euro kostet (vgl. Tabelle II).

2 Wohlfahrtsmaximierung und optimale Güterbesteuerung

Adam Smith leitete mit seinem Werk „Wohlstand der Nationen“ 1776 das Ende des bis dahin vorherrschenden Merkantilismus’ ein. Mit der „unsichtbaren Hand“ formulierte er in seinem Beitrag einen ökonomischen Ansatz, der den Beginn des liberalen Zeitalters der Ökonomie markiert und bis heute in vielerlei Hinsicht ein grundlegendes Konzept der Wirtschaftswissenschaft beschreibt. Das merkantilistische Streben des Staates nach der Vermehrung seines Reichtums in Form von Edelmetallen lehnte er ebenso ab wie die zahl- reichen staatlichen Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen. Den Reichtum jeder Volkswirt- schaft erkannte er stattdessen in der vorhandenen Menge an Gütern und die Triebfeder für wirtschaftliche Aktivität sah er im Eigennutz des Menschen. So versuche jeder Mensch durch sein wirtschaftliches Handeln in erster Linie seinen eigenen Nutzen zu erhöhen und „fördere [so] das Wohl der Gesellschaft“ (vgl. van Suntum 2005, S. 5 und S. 180).

Die „unsichtbare Hand“ führt nach Meinung der klassischen Ökonomen von ganz allein dazu, dass die Individuen untereinander so lange Tauschgeschäfte durchführen, bis letzt- lich kein Mensch mehr Interesse an einem Tausch habe und damit wirtschaftlich auch nicht mehr besser gestellt werden könne, ohne einen anderen schlechter zu stellen. An diesem Punkt ist aus wohlfahrtsökonomischer Sicht die „beste“ Allokation realisiert. Dementspre- chend sollte sich also auch der Staat möglichst gänzlich aus dem Wirtschaftsgeschehen heraushalten und auf den Wettbewerb vertrauen. Die erste Beschreibung einer solchen ef- fizienten Allokation stammt von Vilfredo Pareto, der als Nachfolger von Léon Walras seit 1893 den Lehrstul für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Lausanne beklei- dete, und wird nach ihm auch als Pareto-Optimum bezeichnet (vgl. van Suntum 2005, S. 39).

Viele europäische Staaten knüpften mit ihrer laissez-faire Politik im 19. und frühen 20. Jahrhundert nahtlos an die Vorschläge der Klassiker und Neoklassiker an, ohne zunächst zu erkennen, dass es durchaus zu Konstellationen kommen kann, die entweder überhaupt nicht zu einer solchen effizienten Verteilung führen oder aber zu einer Verteilung, die sie eigentlich als unerwünscht erachten. Denn zum einen sagt das Pareto-Optimum nichts über „Gerechtigkeit“ aus: Es könnte durchaus sein, dass eine Verteilung Pareto-effizient ist, in der von zwei Individuen der eine alles hat, während der andere leer ausgeht. Zum anderen genügt das Vorhandensein vollständiger Konkurrenz als alleiniges Kriterium nicht, damit es auf dem Markt zu einer Pareto-effizienten Allokation kommt. Sind jedoch alle Bedin- gungen erfüllt, dann entspricht der Marktpreis dem Gleichgewichtspreis und das Angebot eines Gutes genau der Nachfrage nach diesem Gut. Wäre das nicht so und die angebotene und nachgefragte Menge kleiner als die Gleichgewichtsmenge, dann gäbe es mindestens einen Anbieter, der eine weitere Einheit des Gutes zu einem niedrigeren Preis anbieten würde als zu dem Preis, den irgendein Nachfrager dafür zu zahlen bereit wäre. Damit wä- ren der Anbieter und der Nachfrager des Gutes beide besser gestellt; in einem anderen Fall wäre das Gut nicht angeboten oder gekauft worden. Mit anderen Worten entsprechen in diesem Punkt alle Grenzraten der Substitution und der Transformation einander und alle Tauschmöglichkeiten sind ausgeschöpft (vgl. Varian 2011, S. 324 und S. 344 und van Sun- tum 2005, S. 40).

In der Realität greift der Staat daher in zwei Fällen in das Marktgeschehen ein: Wenn der Marktmechanismus bei vollständiger Konkurrenz zu einem Gleichgewicht führt, dass nicht einer Pareto-effizienten Verteilung entspricht, oder wenn das Marktergebnis zu einer Ver- teilung der vorhandenen Ressourcen führt, die als sozial ungerecht empfunden wird. Aus ökonomischer Sicht könnte der Staat durch einfache Anwendung individualisierter Pau- schalsteuern - sofern die Erhebung möglich ist - die Anfangsausstattung der Marktteil- nehmer anpassen und so das Problem der Verteilungsgerechtigkeit lösen. Pauschalsteuern mindern einfach das Einkommen der Haushalte ohne die Relativpreise zu verändern und besitzen lediglich einen Einkommens- nicht aber einen Substitutionseffekt. Dementspre- chend wirken sie auch nicht verzerrend. Unter Abstraktion von Transaktionskosten und Informationsdefiziten kann der Staat dann jede beliebige der theoretisch unendlich vielen Pareto-optimalen First-Best-Verteilungen erreichen (vgl. Corneo 2009, S. 19 ff. und Keuschnigg 2005, S. 31 f.).1

Das Problem, vor dem der Staat steht, ist zunächst ein reines Informationsproblem, denn die Individuen unterscheiden sich in einer Vielzahl von Charakteristiken und Eigenschaf- ten voneinander. Sie haben ganz verschiedene Wünsche, Geschmäcker oder Fähigkeiten und um tatsächlich eine Pareto-effiziente First-Best-Lösung durch effiziente Pauschalsteu- ern erreichen zu können, müsste der Staat diese Besonderheiten kennen. Das Problem, dass dabei auftritt, ist, neben dem Kostenproblem der Informationsbeschaffung und der Berück- sichtigung der Privatsphäre des Einzelnen, auch eines der Beobachtbarkeit dieser Charak-teristiken, insbesondere der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (vgl. Homburg 2010, S. 185). Der Staat muss daher auf beobachtbare Ersatz-Eigenschaften zurückgreifen, von de- nen er auf die nicht direkt beobachtbaren Eigenschaften schließen kann: y beschreibe das Einkommen, dass eine Person innerhalb von l Arbeitsstunden mit ihren individuellen Mög- lichkeiten n und der Arbeitsanstrengung e erwirtschaftet: y nel.2 Die Frage der Steuer- basis ist also eine Frage der Beobachtbarkeit der Variablen (vgl. Atkinson/Stiglitz 1976, S. 57). Wenn der oben skizzierte klassische Fall der Pauschalbesteuerung zur Schaffung einer Pareto-effizienten Allokation aufgrund unvollständiger Information nicht zu verwirklichen ist, stehen dem Staat noch weitere nicht-verzerrende Instrumente zur Verfügung. Wenn vollständiger Wettbewerb aufgrund von Marktversagen nicht zu einer Pareto-effizienten Verteilung führt kann der Staat, wie Arthur Cecil Pigou schon 1920 zeigte, durch verzer- rungsfreie Steuern trotzdem eine effiziente Allokation herbeiführen. Das Problem, dass dann auftritt, ist, dass der Staat nicht seine ganzen Einnahmen nur aus dieser nicht- verzerrenden Besteuerung generieren kann und daher zwangsweise auf Second-Best- Steuern zurückgreifen muss (vgl. Sandmo 1976b, S. 38). Wie wir sehen werden ist das Ziel von Second-Best-Steuern dann nicht mehr die Relativpreise durch verzerrungsfreie Steuern unverändert zu lassen, sondern im Gegenteil die Relativpreise „optimal zu verzerren“ (Homburg 2010, S. 156).

Der Schwerpunkt dieser Abhandlung liegt auf einem Problem, das insbesondere den ersten der beiden HauptsÄtze der WohlfahrtsÖkonomie, unmittelbaren Resultaten der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie, außer Kraft setzt und damit zu Marktversagen führt: Das Vorhan- densein externer Effekte. Durch die indirekte Besteuerung, also die Besteuerung von Gü- tern anhand der Mehrwertsteuer und spezieller Verbrauchsteuern, kann der Staat Einfluss auf die Ressourcenallokation in der Wirtschaft nehmen und auch bei Vorliegen externer Effekte eine effiziente Allokation herbeiführen. Im Folgenden soll zunächst das formale Modell anhand eines repräsentativen Individuums vorgestellt und gezeigt werden, welchen Einfluss die Güterbesteuerung auf die Allokation und das Verhalten der Haushalte hat.

2.1 Das Basis-Modell

In diesem Abschnitt soll zunächst das3 Modell mit n repräsentativen Individuen betrachtet werden, die stetige, quasikonkave Nutzenfunktionen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] durch Wahl der Mengen der Konsumgüter [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und der auf dem Arbeitsmarkt verbrachten Arbeits- 1 2 m stunden l maximieren. Heterogenität und Verteilungsfragen zwischen den (identischen) Individuen werden also zunächst vernachlässigt. Diese Annahme ermöglicht es, die Analy- se zunächst auf Effizienzfragen zu beschränken. Unter 2.4.5 und 2.5 werden weitere Er- gebnisse, die sich unmittelbar aus der Analyse dieses Modells ergeben, unter Berücksichti- gung der Verschiedenheit der Individuen vorgestellt und intuitiv diskutiert. Die Konsum güter werden zu Konsumentenpreisen q nachgefragt und den Lohnsatz bezeichne w. Die i Individuen erwirtschaften ein Einkommen in Höhe von y wl, das durch staatliche Trans- fers in Höhe von I ergänzt werden kann. Zunächst wird keine Einkommensteuer erhoben, Arbeit sei der Numéraire. Die individuellen Budgetbeschränkungen sind dann durch

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

gegeben. Die Konsumentenpreise setzen sich aus den zur Vereinfachung als fix betrachte- ten Produzentenpreisen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und Steuersätzen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] für das Gut [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] zusammen. Der Steuersatz treibt einen Keil zwischen den Produzenten- und den Konsu- mentenpreis. Das kann in Form einer Wertsteuer [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] oder einer Mengensteuer [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] geschehen. Aus der Inzidenzanalyse folgt, dass beide Steuerar- i i i i i i ten bei vollständiger Konkurrenz zu den gleichen Ergebnissen führen (vgl. Homburg 2010, S. 104). Im Folgenden werden vom Staat Mengensteuern erhoben, d.h. feste Steuerbeträge je nachgefragter Einheit des jeweiligen Konsumgutes. Das führt zu Steuereinnahmen in Höhe von

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es stellt sich die Frage, welchen Einfluss der Staat durch die Erhebung von Gütersteuern auf die Allokation ausübt. Da Steuern auf Konsumgüter einen Einkommenseffekt besitzen Wohlfahrtsmaximierung und optimale Güterbesteuerung und den Reallohn senken, müssen bei der Untersuchung der Effizienz eines Steuersystems neben den Verzerrungen der Verbrauchsstruktur auch die Wirkungen auf das Arbeitsangebot beachtet werden.

2.2 Das individuelle Maximierungsproblem

Das individuelle Maximierungsproblem bezüglich der Konsummengen und des Arbeitsangebots lautet nun

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

und führt im Ergebnis zu der maximal erzielbaren Wohlfahrt in Abhängigkeit der exogenen Parameter: [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] .

Die Optimierung kann analog zu Christiansen (1984) in zwei Schritten gelöst werden, wenn eine Einkommensteuer erhoben wird. Zunächst maximiert das Individuum seinen Nutzen durch Wahl der konsumierten Mengen x, das Arbeitsangebot wird dabei konstant i gehalten. Daraus resultieren die so genannten bedingten Nachfrage- und Angebotsfunktio- nen. Im zweiten Schritt wird die (daraus resultierende) bedingte indirekte Nutzenfunktion durch Wahl des Arbeitsangebotes maximiert. Das wird besonders später noch von Belang sein, wenn neben der Güterbesteuerung auch eine Einkommensteuer erhoben wird (vgl. 3.3). Die Zielsetzung lautet ein exogenes Steueraufkommen zu generieren und dabei die von den Haushalten erzielte Wohlfahrt in möglichst geringem Maße zu schmälern (siehe 3.3).

Aus den zugehörigen Bedingungen erster Ordnung (BEO) des Maximierungsproblems (3) folgen die (Marshall’schen) Nachfragefunktionen nach den Konsumgütern [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und das Arbeitsangebot [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Durch Einsetzen in die Nutzenfunktion erhält man die indirekte Nutzenfunktion (vgl. Keuschnigg 2005, S. 458 und Christiansen 1984, S. 200),

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

also die maximal erreichbare Wohlfahrt in Abhängigkeit der exogenen Parameter, d.h. der Preise und des Einkommens. Die Nutzenmaximierung ergibt:4,5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Damit ist die optimale Verbrauchsstruktur bekannt. Die Grenzraten der Substitution zwischen den Konsumgütern entsprechen genau den Relativpreisen im Optimum, die Lagrangevariable bezeichnet den Grenznutzen des Einkommens.

Es handelt sich um eine duale Optimierung, d.h. anstelle der Maximierung des Nutzens kann auch eine Minimierung der Ausgaben [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] , die zu einem vorgegebenen Nut- zenniveau führen, vorgenommen werden.6 Die minimalen Ausgaben für den oben ermittel- ten Nutzen führen dann zu den Hicks’schen kompensierten Nachfragefunktionen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] zu analogen BEO:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da Zusatzlasten von Gütersteuern infolge von Substitutions- und Einkommenseffekten auftreten, aber die Einkommenseffekte der Güterbesteuerung nicht vermieden werden kön- nen, sollen zunächst die Slutsky-Gleichungen entwickelt werden, um Substitutions- und Einkommenseffekte voneinander trennen zu können (vgl. Keuschnigg 2005, S. 150). Unter Beachtung der Eigenschaften der Substitutionseffekte können dann die Wirkungen von Gütersteuern beobachtet und Empfehlungen bezüglich der optimalen Besteuerung ausge- sprochen werden.

2.3 Die Slutsky-Gleichungen

Die Preisänderung eines Gutes hat zwei Wirkungen: zum einen ändern sich das relative Preisverhältnis und damit die Möglichkeiten, zu denen das Gut am Markt getauscht werden kann. Zum anderen ändert sich die Kaufkraft des Einkommens der Individuen - das ur- sprüngliche Einkommen wird infolge einer Preiserhöhung, beispielsweise durch die Erhe- bung einer Steuer auf ein Konsumgut, nicht mehr ausreichen, damit dasselbe Nutzenniveau wie vor der Preiserhöhung erreicht werden kann. Diese beiden Effekte werden Substituti- ons- und Einkommenseffekt genannt und können anhand der Slutsky-Zerlegung voneinan- der getrennt werden.

Man betrachte ein Individuum, das zwei Güter x und x zu Preisen p und p nachfragt. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] Zunächst stellt sich die Frage, wie viel Einkommen I man dem Individuum geben müsste, damit es auch nach einer Preiserhöhung von p zu p ' noch das ursprüngliche Nutzenni- 1 1 veau erreichen könnte. Die Preiserhöhung führt dazu, dass die Budgetgerade steiler wird und die ursprüngliche Indifferenzkurve erst dann tangieren wird, wenn man das Individuum durch einen Einkommenstransfer d I für die Preiserhöhung kompensiert. Die Konsumentin wird dann jedoch wegen der veränderten Steigung der Budgetgerade (bzw. der neuen Relativpreise) ein anderes Güterbündel wählen und kann sich besser stellen. Dieser Vorgang wird als (Hicks-)Substitutionseffekt oder als „Änderung der kompensierten Nachfrage“ (vgl. Varian 2011, S. 153) bezeichnet.

Aus der Dualität des Maximierungsproblem folgt, dass die Marshall’sche Nachfrage infol- ge der Nutzenmaximierung der kompensierten Nachfrage infolge der Ausgabenminimierung entsprechen muss, wenn die Individuen mit einer Ausstattung [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] kom- pensiert werden. Da die Haushalte mit der kompensierten Nachfrage dann dasselbe Nutzenniveau erreichen, drückt die Ableitung der kompensierten Nachfrage nach dem Preis einfach den Substitutionseffekt aus. Der Substitutionseffekt beschreibt also eine Änderung der kompensierten Nachfrage eines Gutes infolge einer Preisänderung irgendeines Gutes bzw. einer Änderung des Preisverhältnisses. Aus der Ableitung der Nachfrage nach Gut i nach dem Preis des Gutes k folgt (vgl. Keuschnigg 2005, S. 460):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Diese Lösung wird anschaulich bei Homburg 2010, §32 und §33 (S. 146-152) beschrieben.

2 Individuelle Möglichkeiten und Anstrengung - die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit - spiegeln sich im Lohnsatz wider: w ne

3 Die Darstellung orientiert sich an Keuschnigg (2005), Homburg (2010) und Sandmo (1976b).

4 [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

5 Zu Beachten ist das Envelopen-Theorem (vgl. Keuschnigg 2005, S. 456 f.): Die nutzenmaximalen Nachfra- gen sind bereits bestimmt, daher hat der Ausdruck x / q keinen Einfluss auf den Wert der Zielfunktion.

6 Das Ausgabenminimierungsproblem lautet: Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Tabakwarenbesteuerung in der Europäischen Union
Untertitel
Eine effizienztheoretische Untersuchung
Hochschule
Universität Osnabrück
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
75
Katalognummer
V197638
ISBN (eBook)
9783656238058
ISBN (Buch)
9783656239314
Dateigröße
601 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tabakbesteuerung, Alkoholbesteuerung, Geschichte der Besteuerung, Slutsky-Gleichung, Inverse Elastizitätenregel, Corlett-Hague-Regel, Ramsey-Regel, Homothetische Präferenzen, Besteuerung im Monopol
Arbeit zitieren
Daniel Schultewolter (Autor:in), 2012, Tabakwarenbesteuerung in der Europäischen Union, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197638

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