Als Gandersheimer Streit bezeichnet man die lange Auseinandersetzung zwischen dem Mainzer Metropoliten und dessen Hildesheimer Suffragan um die Diözesanzugehörigkeit des Kanonissenstifts Gandersheim, das an der Grenze zwischen beiden Sprengeln lag. Über den Verlauf des Konflikts sind wir im Wesentlichen aus zwei Quellen unterrichtet: Der Vita Bernwardi episcopi Hildesheimensis, die in Teilen dem Kleriker Thangmar von Hildesheim zugeschrieben wird, und der Vita Godehardi episcopi prior des Hildesheimer Domherren Wolfhere. Letztere lehnt sich in ihrer Beschreibung des Gandersheimer Streits bis 1007 stark an den Inhalt der Vita Bernwardi an. Oft hat man daher Wolfheres Übertragung als phantasielose, uninspirierte Kopie abgetan. Hermann Hüffer, der 1858 die erste deutsche Übersetzung der Vita Godehardi prior vorlegte, wagte noch zu bezweifeln, „ob sich die Mühe lohne, sie [sc. die von Thangmar übernommenen Kapitel; AT] hier mitzutheilen“, da sie im Grunde nur einen Auszug aus der Vita Bernwardi darstellten. Allerdings erkannte auch er, dass Wolfhere „Einzelnes nicht ganz Werthlose zugesetzt“ habe.
Und tatsächlich lohnt es sich, etwas genauer hinzusehen und zu untersuchen, inwieweit es Wolfhere gelungen ist, eigene Akzente und Schwerpunkte zu setzen und welche Beweggründe ihn zu seinem ausführlichen Exkurs über die Geschichte des Streits bewogen haben mögen. Ziel der Quellenanalyse ist es, einen Eindruck von der Wahrnehmung des Gandersheimer Streits zur Zeit Wolfheres zu gewinnen. Zu diesem Zweck sollen in der vorliegenden Arbeit exemplarische Kapitel der Vita Bernwardi und der Vita Godehardi prior in den Editionen der Monumenta Germaniae Historica formal und inhaltlich verglichen werden.
Um den Rahmen der Untersuchung nicht zu sprengen, kann auf Einzelheiten der Auseinandersetzung, deren politische Dimension, biographische Angaben sowie Gattungsmerkmale hagiographischer Texte nur insofern eingegangen werden, als sie für das Verständnis der Ausführungen hilfreich oder unerlässlich erscheinen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Quellen und ihre Verfasser
- Die Bischofsviten im Vergleich
- Formaler Vergleich
- Inhaltlicher Vergleich
- Die Einkleidung der Sophia
- Die Weihe der Gandersheimer Stiftskirche
- Die Synode in Gandersheim
- Die Synoden in Rom, Pöhlde, Frankfurt und Todi
- Die vorläufige Beilegung des Streits
- Mögliche Intentionen und Beweggründe Wolfheres
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Darstellung des Gandersheimer Streits in den Bischofsviten Bernwards und Godehards, insbesondere mit der Frage, inwieweit Wolfhere in seiner Vita Godehardi prior eigene Akzente und Schwerpunkte gesetzt hat.
- Formaler und inhaltlicher Vergleich der Bischofsviten
- Analyse der Intentionen und Beweggründe Wolfheres
- Wahrnehmung des Gandersheimer Streits zur Zeit Wolfheres
- Die Rolle der Quellenkritik und der Verfasserschaft
- Hagiographische Elemente in der Darstellung des Streits
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Einführung in den Gandersheimer Streit und die Relevanz der Bischofsviten von Bernward und Godehard.
- Die Quellen und ihre Verfasser: Analyse der Vita Bernwardi und der Vita Godehardi prior, einschließlich der Diskussion über die Verfasserschaft von Thangmar und Wolfhere.
- Die Bischofsviten im Vergleich: Formaler und inhaltlicher Vergleich der beiden Viten im Hinblick auf die Darstellung des Gandersheimer Streits.
- Mögliche Intentionen und Beweggründe Wolfheres: Untersuchung der Gründe, die Wolfhere zu seinem ausführlichen Exkurs über den Streit bewegt haben könnten.
Schlüsselwörter
Gandersheimer Streit, Bischofsviten, Bernward, Godehard, Thangmar, Wolfhere, Quellenvergleich, Quellenkritik, hagiographische Elemente, Intentionen, Beweggründe, Hildesheim, Mainz, Gandersheim, Kanonissenstift, Diözesanzugehörigkeit.
- Arbeit zitieren
- Andreas Thum (Autor:in), 2010, Die Darstellung des Gandersheimer Streits in den Bischofsviten Bernwards und Godehards, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198001