Leseprobe
Gliederung
A. Der Gesellschaftsvertrag nach Hobbes und Rousseau
I. Hobbes und Rousseau als Wegbereiter der modernen Philosophie
II. Zustandekommen und Ursprung der Gesellschaftsverträge: Naturzustand und Menschenbild
III. Elemente und Inhalte der Gesellschaftsverträge
IV. Unterscheidungen der Vertragskonstruktionen
B. Die Ermächtigung des Souveräns
I. Die Autorisierung des Souveräns bei Hobbes
II. Die Autorisierung des Souveräns bei Jean-Jacques Rousseau
C. Anforderungen an ein vom Gesetzgeber erlassenes Gesetz und dessen Notwendigkeit
I. Hobbes bürgerliche Gesetze
II. Rousseaus bürgerliche Gesetze
D. Schlussbemerkung
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Der Gesellschaftsvertrag nach Hobbes und Rousseau
I. Hobbes und Rousseau als Wegbereiter der modernen Philosophie
Thomas Hobbes of Malmesbury, als „intellektueller Revolutionär“[1] bezeichnet, scheint mit seiner Gesellschaftstheorie an einem „radikalen Neuaufbau der Welt“[2] anzusetzen.
Sein bedeutendstes Opus „Leviathan or the Matter, Forme and Power of a Commonwealth Ecclesiastical and Civil“, vor den Hintergründen des englischen Bürgerkrieges 1651 erschienen, kann als „überragendes Werk der neuzeitlichen Philosophie“ und gleichsam als „Gründungsbuch der politischen Moderne“[3] bezeichnet werden.
Die staatstheoretische Schrift ist angelehnt an den jüdisch-christlichen Mythos des Leviathan, einem Seeungeheuer aus dem Buch Hiob, von dessen Allmacht jedes Individuum in die Knie gezwungen wird.
Schon Hobbes‘ Titelblatt des Leviathan ist einprägsam gestaltet und macht die Theorie um das Wesen des Leviathan transparent und verständlich.
Inhalt des „Leviathan“ ist Hobbes‘ Staats- und Menschenbild und mit diesem einhergehend die Theorie seines Gesellschaftsvertrages.
Obgleich Hobbes Theorie als Meilenstein der Philosophie gilt, war er jedoch nicht der einzige, der sich mit Staatstheorien befasste.
Auch der Franzose Jean-Jacques Rousseau war ein bedeutender Philosoph und zugleich Wegbereiter der französischen Revolution. Von diesen Verhältnissen geprägt brachte er 1762 sein Hauptwerk „Du contrat social ou Principes du droit politique“[4] hervor. „Es gibt nur wenige Werke der Politischen Philosophie, die dem Gesellschaftsvertrag in ideengeschichtlicher und politischer Wirkung gleichkämen“,[5] urteilt ein bekannter deutscher Philosoph und weißt so auf die Präsenz der in Auseinandersetzung mit dem Hobbesschen Werk entwickelten Theorie hin.
II. Zustandekommen und Ursprung der Gesellschaftsverträge: Naturzustand und Menschenbild
Sowohl Hobbes‘ als auch Rousseaus Ideen des Gesellschaftsvertrages basieren auf der von ihnen viel beobachteten Natur.
Gemäß Hobbes kommt dem Naturzustand „die Rolle eines idealtypisch konstruierten Gegensatzes zu dem durch die Macht des Souveräns geordneten Gesellschaftszustandes“[6] zu.
Gleich zu Beginn seines „Leviathan“ stellt Hobbes fest, dass alle Menschen in dem Ausgangszustand der Natur „gleich geschaffen“[7] sind, aber ihr Verhältnis ohne staatliche Ordnung untereinander von Selbsterhaltungstrieben und Kalamitäten geprägt ist. Hobbes‘ Menschenbild basiert auf der Vorstellung eines bösen Menschen, das dazu führte, dass er den bekannten Ausspruch des Römischen Komödiendichters Titus Maccius Plautus prägte. Die Sentenz „homo homini lupus est“[8], bringt sein negatives Menschenbild auf den Punkt und verdeutlicht das Bild des Egoisten der lediglich nach Selbsterhaltung und Güterreichtum strebt.
Laut Hobbes „liegen also in der menschlichen Natur drei hauptsächliche Konfliktursachen: Erstens Konkurrenz, zweitens Misstrauen, drittens Ruhmsucht“[9].
„Die Verhältnisse in denen die Menschen zueinander stehen, wenn sie keiner weltlichen Macht unterworfen sind, die ihnen bei der Verfolgung ihrer Interessen wie beim Ausleben ihrer Leidenschaften Grenzen setzt und Zügel anlegt“[10], bezeichnet Hobbes im weiteren Verlauf als „Krieg eines jeden gegen jeden“[11], der das menschliche Leben „einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz“[12] gestaltet. Zusätzlich muss jeder im Naturzustand befürchten, dass er durch Gewalt und Betrug seine Habseligkeiten verliert. Um sich aus diesem Zustand zu lösen und nichts mehr befürchten zu müssen, sind die Menschen laut Hobbes mittels ihrer Vernunft dazu in der Lage die Notwendigkeit eines Vertragsschlusses zu erkennen. Dieser im gegenseitigen Vertrauen und von jedem Vertragspartner aus freien Stücken aufgestellte Vertrag wird von Hobbes als Gesellschaftsvertrag begriffen.
Auch Rousseau geht von einem solchen Naturzustand aus, seiner Ansicht nach scheint der Mensch jedoch in ihm vollkommen zu sein. Das Fehlen jeglicher „sozialer Beziehungen“ und „bewusster Verpflichtungen“ führe zunächst einmal dazu, dass der Mensch „weder gut noch schlecht“ sei und deshalb „weder Tugenden noch Laster“[13] besitze. Er hat damit ein anderes Menschenbild als Thomas Hobbes und urteilt über diesen: „Hobbes hat sehr richtig den Fehler aller modernen Definitionen des Naturrechts gesehen, aber die aus seiner eigenen abgeleiteten Folgerungen zeigen, dass er sie in einem nicht weniger falschen Sinn nimmt.“[14] Laut Rousseau können die Menschen demnach gar nicht von Natur aus böse sein, da sie keinerlei Kenntnisse über Laster und Ungerechtigkeiten haben. Vielmehr leben sie separiert, da sie alles Lebensnotwendige selbst erzeugen, assimiliert an die natürliche Ordnung und mit dem Wissen sich auf ihre Gefühle verlassen zu können. Insgesamt betrachtet leben sie ihr Leben selbstgenügsam und selbstständig.
Der wachsende Fortschritt führe aber zu der Vergesellschaftung des Menschen, zu einer Beendigung des Naturzustandes und zum Hervorrufen unguter neuer Eigenschaften, wie etwa Gier, Hass, Streben nach Macht und Neid, welche zu einer Ungleichheit in Besitz und Reichtum führen. Rousseaus viel zitierte „amour de soi“[15] schlägt somit in eine „amour propre“[16] um und gibt der zentralen These von Rousseaus Hauptwerk eine neue Dimension: „Der Mensch wird frei geboren und überall ist er in Banden.“[17]
Im Zustand der Vergesellschaftung brauche man gemäß Rousseau einen Neuanfang, den dieser durch sein eigenes Modell eines Gesellschaftsvertrages schaffen wollte, um so „die Wiedergewinnung der Freiheit durch vollständige Unterwerfung aller unter das Gemeinwesen“[18] zu ermöglichen.
III. Elemente und Inhalte der Gesellschaftsverträge
Im 19. Kapitel seines Werkes beschreibt Hobbes das von ihm entwickelte künstliche Staatsmodell, welches auf dem oben beschriebenen Gesellschaftsvertrag basiert.
Als Voraussetzungen für das Zustandekommen dieses Vertrages sieht Hobbes den, Wunsch der Menschen, den Krieg aller gegen alle zu beenden. Sie erklären sich aus freien Stücken dazu bereit alle ihre Rechte und Freiheiten auf eine übergeordnete Instanz zu übertragen und können sich im Gegenzug darauf verlassen, das alle Mitmenschen ihre Rechte und Freiheiten gleichermaßen an jene Autorität abgeben. Es ist also kein Vertrag des Einzelnen mit dem Staat, sondern ein Vertrag eines jeden mit einem jeden, der die Rahmenbedingungen für eine funktionierende gesellschaftliche Ordnung schafft, so als hätte jeder gesagt: „Ich autorisiere diesen Menschen oder diese Versammlung von Menschen und übertrage ihnen mein Recht, mich zu regieren, unter der Bedingung, dass du ihnen ebenso dein Recht überträgst und alle ihre Handlungen autorisierst.“[19]
Der Souverän schützt dabei Rechte und Pflichten, kann aber auch jegliche Freiheiten einschränken. Einzig die Vorläufer der heutigen Menschenrechte werden dem Individuum noch zugeschrieben, im Folgenden „Leben, Freiheit und Eigentum“[20]. Dieser Souverän, bei Hobbes durch die Figur des Leviathan, personifiziert, repräsentiert das Modell des starken Staates, hat das Gewaltmonopol inne und kann bei Vertragsbrüchen als unbeteiligter Dritter Sanktionen ausüben. Idealerweise handelt es sich laut Hobbes dabei um einen absolutistischen Monarchen.
Der Leviathan bündelt die Macht aller und ist durch nichts und niemanden legitimiert sondern frei in all seinen Entscheidungen und der Bürger wird durch den Unterwerfungsvertrag auch nicht vor dieser Alleinherrschaft geschützt. Die Bürger haben also kein Widerstandsrecht, sondern müssen sich allen Freiheitseinschränkungen und Mittel der Indoktrination[21] beugen.
Die Existenz des Souveräns endet, wenn er nicht mehr in der Lage ist, den Sicherheitsanspruch der Bürger zu gewährleisten.
Bei dem Gesellschaftsvertrag scheint es sich somit um einen Herrschaftsbegründungsvertrag zu handeln, da er den Untertanen keinerlei Rechte zurückbehält und sie gegen diesen auch keinerlei Rechtsansprüche geltend machen können.
Der Vertrag garantiert den Menschen somit die Selbsterhaltung und den Eigentumserwerb und strebt als letztendliches Ziel den dadurch begründeten bürgerlichen Zustand an, indem als Tugenden einzig Unterwerfung und Gehorsam eine Rolle spielen.
[...]
[1] Höffe, S.10
[2] Höffe, S. 11
[3] Kersting, S.1
[4] Vgl. Bossier
[5] Brandt/ Herb, S.4
[6] Münkler, S.94
[7] Hoerster, S.109
[8] Übers. der Mensch ist dem Menschen Wolf
[9] Hoerster, S.110/111
[10] Münkler, S.95
[11] sog. bellum omnium contra omnes
[12] Hoerster, S.111
[13] Hoerster, S.190
[14] Hoerster,190/191
[15] Übers. Selbstliebe
[16] Übers. Selbstsucht
[17] Rousseau/ Mausbach, Kapitel 1
[18] Becker/ Schmidt/ Zintl, S.67
[19] Vgl. Hobbes/ Fetscher/ Euchner
[20] Kunz/ Mona, S.72
[21] von lateinisch: doctrina, „Belehrung“