Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Aufstieg während des Nationalsozialismus bis zum Kriegsausbruch 1939
3. Ford in Zweiten Weltkrieg
3.1. Die Entwicklung der Ford Werke AG, Köln, bis zum Kriegseintritt der USA
3.2. Ford Deutschland vom Dezember 1941 bis zum Kriegsende
4. Die Ford Motor Company zwischen Schuld und Profit
5. Zusammenfassung
6. Anhang: Betriebswirtschaftliche Daten
6.1. Stammkapital
6.2. Vertriebsbedingte Umsätze
6.3. Gewinne/Verluste
6.4. Belegschaft
6.5. PKW-Produktion
6.6. LKW-Produktion
7. Literaturverzeichnis
1.Einleitung
Der international etablierte Automobilhersteller Ford Motor Company blickt seit seiner Gründung in den USA 1903 durch den Ingenieur Henry Ford auf eine ereignis- und kontrastreiche Firmengeschichte zurück. War auch der baldige US-Marktführer früh bestrebt die Absätze in Europa zu steigern, konnte die deutsche Tochtergesellschaft Ford Motor Company Aktiengesellschaft erst am 18. August 1925 gegründet werden, da sich die deutschen Experten nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf den Flugmotorenbau konzentrierten und ein anschließendes Einfuhrverbot ausländischer Automobile zu Gunsten der nun rückständigen deutschen Automobilindustrie erst am 17.August 1925 aufgehoben wurde. Die Montage der aus den USA gelieferten Einzelteile begann im Januar 1926 und fußte maßgeblich auf den durch Ford begründeten Fortschritt der Fließbandarbeit, welche die Standardisierung von Maßen und Qualität ermöglichte. Nachdem eine durch Aktienemission finanzierte Kapitalerhöhung[1]zum Bau einer Fabrik im Mai 1929 abgeschlossen war, erwarb der Konzern ein Gelände in Köln-Niehl, auf welchem die Ford Motor Company Köln-Niehl die Montage am 4.Mai 1931 aufnahm.[2]In Folge der Weltwirtschaftskrise brachen der PKW-Verkauf bis 1932 im Vergleich zu 1930 auf bis zu 13% ein[3], sodass eine durch die Politik hervorgerufene Absatzsteigerung von der Firmenleitung begrüßt wurde.
Im Nationalsozialismus konnte sich Ford schließlich im Oligopol der Autohersteller behaupten und sich zu einem bedeutenden (kriegs-)wirtschaftlichen Pfeiler des „Reiches" entwickeln. Wie eng die Firma dabei mit der Staatsführung verknüpft war, soll diese Arbeit aufzeigen. Als kompilatorischer Beitrag zur Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte betrachtet sie eine Epoche, über welche Weltkonzerne noch heute schweigen und die sich somit nur über Zeitzeugenberichte und betriebswirtschaftliche Daten zusammenfügen lässt. Dabei wird die Untersuchung von folgenden Fragen geleitet: Welche Motive veranlassten das Werk, sich mit dem Regime zu arrangieren? Wieso behielt die Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Konzerns nach dem Kriegseintritt der USA weitestgehend ihre personelle und unternehmerische Unabhängigkeit? Zu welchen Mitteln griff die nach Profit strebende Geschäftsführung? Und nicht zuletzt: Wie geht Ford heute mit der eigenen Vergangenheit um?
Bei weitgehend chronologischem Aufbau gliedert sich die Untersuchung in fünf Kapitel. Nach diesem einleitenden ersten Kapitel folgt die Darstellung des Aufstiegs des deutschen Unternehmens unter dem Nationalsozialismus bis zum Kriegsausbruch 1939. Wird bereits in diesem zweiten Kapitel gezeigt, wie sehr sich das Werk in die NS-Industrie einspannen ließ, verdeutlicht das dritte Kapitel diese Entwicklungstendenz zunächst weiter bis zum Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 und zeichnet anschließend das Verhalten des Konzerns sowie die auf Ford bezogene deutsche Politik bis zum Kriegsende nach. Thema des vierten Kapitels ist die Betrachtung der profitorientierten amerikanischen Ford Motor Company während des Krieges und nach dessen Ende als auch eine Darlegung deren Umgangs mit der eigenen NS-Vergangenheit und eventueller Schuld. Schließlich sollen die Ergebnisse dieser Arbeit im fünften Kapitel zusammengefasst und im Anhang betriebswirtschaftliche Daten bis einschließlich 1945 abgebildet werden.
Aufgrund der Aktensperre durch die Ford Motor Company und mangels einer bis heute veröffentlichten Monografie zur Thematik verwendet diese Arbeit die bereits oben ausgewiesene unternehmensgeschichtliche Darstellung des deutschen Konzerns durch Rosellen, dessen Ausführungen zwar historisch korrekt sind, für das Unternehmen brisante Themen, wie den Einsatz von Zwangsarbeitern, jedoch nur oberflächlich benennen. Mit dem Ziel einer Gesamtdarstellung stützt sich diese Arbeit zudem wesentlich auf Zeitzeugenberichte der Projektgruppe „Messelager"[4], die ein detailiertes Bild über die Inanspruchnahme unfreiwilliger Arbeitskräfte durch Ford erlauben, sowie auf die Forschungsliteratur Lindners[5], die hier als Basiswerk für die rechts- und wirtschaftspolitische Behandlung der deutschen Ford Werke AG zwischen 1942 und 1945 herangezogen wird.
2. Der Aufstieg während des Nationalsozialismus bis zum Kriegsausbruch 1939
Seit kaum zwei Wochen im Amt des Reichskanzlers besuchte Adolf Hitler am ll.Februar 1933 die Automobilausstellung des Reichsverbands der Automobilindustrie (RDA) und forderte anlässlich der Eröffnung, das Auto solle einer breiten Masse des Volkes zugänglich gemacht werden. Um die Bedeutung der Motorisierung als Wirtschaftsfaktor wissend versprach er steuerliche Entlastungen für Automobilbesitzer und den umfassenden Ausbau des deutschen Straßennetzes. Taten folgten am 10.April 1933 mit der Abschaffung der Steuer für neue PKW, der Senkung der Haftpflichtversicherungsprämie von 180 auf 120 Reichsmark für mittlere PKW am 1.Juli 1933 sowie die Möglichkeit der steuerlichen Befreiung von Autos durch eine Einmalzahlung exakt drei Monate später. Diese hoheitlichen Maßnahmen führten rasch zu einem Absatzanstieg für Automobile - zwar verlangten deutsche Käufer vor allem nach deutschen Fabrikaten wie Adler, Auto Union, Daimler-Benz und Oper[6], doch stieg auch die Nachfrage bei Ford merkbar an. Allerdings war das täglich angestrebte Produktionsvolumen von 60 Fahrzeugen noch keineswegs ausgelastet, sodass Ford nach der Klassifizierung als „Deutsches Fabrikat" strebte, wozu neben einer rigorosen Umstellung auf deutsche Zulieferteile eine „reinrassig-arische" Führungsspitze unumgänglich war.[7]
Diese ideologischen Überlegungen waren dem US-amerikanischen Firmengründer dabei keineswegs fremd: Henry Ford war ein fanatischer Judenfeind, der als Herausgeber einer Zeitung antisemitische Artikel veröffentlichte und in den frühen Zwanziger Jahren selbst die Publikation „The International Jew. The World's Foremost Problem"[8]verfasste, welche 1927 in Deutschland erschien und ab 1933 als parteiamtlich vertrieben wurde. Sicherte Hitler dem Unternehmensgründer 1923 SA-Abteilungen zu, sofern dieser für das Amt des US- Präsidenten kandidiert hätte, unterstützte Ford die NSDAP früh mit Parteispenden, bedachte Hitler beim Putsch-Prozess 1924 finanziell und schenkte ihm schließlich jährlich 50.000 RM zum Geburtstag. Ferner zwang der Absatzboom in den USA Ford dazu, Schwarze, Polen und Ukrainer einzustellen, wobei firmeneigene Sicherheitskräfte auf deren Amerikanisierung achteten. Afroamerikaner aus den Südstaaten wurden dabei in extra errichteten Ghettos untergebracht, welche als „Inkster" („Heim für Tintenfarbige") bezeichnet wurden. Hitler verlieh Henry Ford 1938 schließlich das „Adlerschild des Deutschen Reiches" und das „Großkreuz des Deutschen Adlerordens" - die höchste gestiftete Auszeichnung für Ausländer - und würdigte somit dessen „Verdienste um die Motorisierung und die Schaffung eines neuen Sozialethos". Als Reaktion auf die Auszeichnung stellte Ford wiederrum US- amerikanische Ingenieure an Porsche ab, um den durch Hitler favorisierten Bau eines Volkswagens zu unterstützen.[9]
Auch die deutsche Konzernführung wurde 1935 zugunsten einer sich positiv abzeichnenden zukünftigen Unternehmensentwicklung angepasst: Nachdem Erich Diestel am l.Juni 1935 den bei der NS-Regierung als unbequem empfundenen Edmund C. Heine als Generaldirektor ablöste, wurde der Kölner Firma am l.Februar 1936 das Prädikat „Deutsches Erzeugnis" verliehen, sodass aus dem einstigen Montagewerk, welches vorgefertigte Teile aus Detroit zusammensetzte, eine eigenständige Automobilfabrik wurde. Besaß das Werk nun alle Rechte, die einzig rein deutschen Unternehmen zustanden, so konnte fortan an deutsche Behörden verkauft werden und Ford-Besitzer durften ihre PKW in deutschen Kasernen parken. Einhergehend mit der militärischen Aufrüstung und der durch die Regierung vorangetriebene Motorisierung gelang es dem Konzern, den Umsatz sowie den PKW-Absatz von 1935 auf 1936 um 50% zu steigern und somit erheblich von der Hochkonjunktur zu profitieren. Gezielte Werbeaktionen, wie das Stellen der Begleitfahrzeuge der Fackelläufer in Österreich vor den Olympischen Spielen und die Teilnahme an Veranstaltungen des NS- Kraftfahrer-Korps (NSKK), verhalfen der Marke zu einer Akzeptanzsteigerung seitens der Bevölkerung, zu deren Unterstützung die Ford Motor Company Köln-Niehl mit der Umbenennung in Ford-Werk AG., Köln, am 1.Juli 1939 und der Etablierung eines eigenen Firmenlogos die Unabhängigkeit und zugleich Eigenständigkeit als deutscher Automobilhersteller unterstrich.[10]
Intern jedoch wurden die Kontakte zur US-Zentrale in Dearborn, Michigan, gepflegt, denn auch die politische Elite wusste diesen für ihre eigenen Zwecke zu nutzen: Bereits im Frühjahr 1938 gab die Wehrmacht 1.500 Exemplare eines für seine Haltbarkeit bekannten US-Lastkraftwagens in Auftrag. Der Geheimhaltung unterliegend wurde dieser in Einzelteilen importiert und nachts durch gesondertes Personal montiert. Parallel zur PKW-Produktion wandte sich Ford seit der Inbetriebnahme des Kölner Werkes der LKW-Produktion zu, doch während 1938 noch 23.969 PKW und 12.074 LKW verkauft wurden, änderte sich das Verhältnis unter dem neuen Vorstandsvorsitzenden und Generaldirektor Robert Hans Schmidt, der seit dem 15.Dezember 1938 im Amt war, ab 1939 mit noch 17.374 produzierten PKW und bereits 17.145 LKW rasant.[11]
3. Ford in Zweiten Weltkrieg
3.1. Die Entwicklung der Ford Werke AG, Köln, bis zum Kriegseintritt der USA
Der Einmarsch der Wehrmacht in Polen ab dem 1.September 1939 war im „Deutschen Reich" mit kriegswirtschaftlichen Sparmaßnahmen wie der Benzinrationierung und einem fortschreitenden Mangel an Kautschuk verbunden. Damit einhergehend charakterisierte sich das Militär zunehmend als bedeutsamer Großkunde für Lastwagen, sodass der Absatz dieser in den Fokus der Kölner Geschäftsleitung fiel. Mit einem vertriebsbedingten Umsatzmaximum von 140,2 Millionen RM im Jahre 1939 wurde die PKW-Produktion fortan rapide gedrosselt; verließen 1940 noch 4.735 PKW das Werk, wurden in den beiden Folgejahren 927 sowie 41 Automobile produziert - zudem waren diese aufgrund einer staatlichen Typenbeschränkung einzig vom Modell „Taunus". Die staatlichen Aufträge führen bereits 1940 zu einem Rekordgewinn von 1.716.604 RM und bedingten eine Erhöhung des Stammkapitals von 20 Mio. RM auf 32 Mio. RM, welche durch Aktienemission an ausschließlich deutschen Börsen finanziert wurde. Die Wertpapiere fanden hier reißenden Absatz und begründeten gleichsam eine Beteiligungsminderung der amerikanischen und englischen Ford-Gesellschaften.[12]
Doch auch Henry Ford arrangierte sich mit der Kriegssituation: Von der US-Regierung 1940 gebeten, dringend benötigte Flugzeugmotoren nach England zu liefern, lehnte er dies mit Verweis auf seinen Pazifismus ab. Parallel ließ er jedoch LKW-Reifen aus der konzerneigenen US-Fabrik in neutralen Schiffen ins „Deutsche Reich" verschicken und wickelte 30% aller US- Exporte mit vom „Reich" besetzten oder kontrollierten Ländern ab.[13]
[...]
[1] Die Erhöhung des Stammkapital von 10 Mio. auf gesamt 15 Mio.RM finanzierte zu 60% Ford-England, zu 35% die IG-Farbenindustrie AG und zu 5% eine Gruppe deutscher Zuliefer-Firmen. Vgl. hierzu Rosellen, Hanns-Peter: „... und trotzdem vorwärts". Die dramatische Entwicklung von Ford in Deutschland 1903 bis 1945, Frankfurt 1986, S.47-49.
[2] Vgl. Ebd.: S.10-13, 24, 29, 55-63.
[3] Produzierte das Werk 1930 noch 9.906 PKW, fiel die Nachfrage bis 1932 auf 1.305 Fahrzeuge. (Die relevanten betriebswirtschaftlichen Daten des Unternehmens sind im Anhang dieser Arbeit tabellarisch aufgeführt, daher wird im Folgenden bei Bezugnahme auf diese Daten auf Einzelverweise verzichtet.)
[4]Projektgruppe „Messelager" im Verein EL-DE-Haus e-V- Köln (Hrsg.): Zwangsarbeit bei Ford, Köln 1996.
[5] Lindner, Stephan H.: Das Reichskommissariat für die Behandlung feindlichen Vermögens im Zweiten Weltkrieg. Eine Studie zur Verwaltungs-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des nationalsozialistischen Deutschlands, Stuttgart 1991.
[6] Zwar gründete Adam Opel sein Unternehmen 1862 als Nähmaschinenfabrik, baute ab 1888 zudem Fahrräder und ab 1898 schließlich PKW, doch verkauften seine Söhne Wilhelm von Opel und Friedrich Opel die Adam Opel Aktiengesellschaft im Zuge der Wirtschaftskrise 1929 für $33,3 Mio. an General Motors. Der Alleinaktionär war im Folgenden bestrebt, den Konzern als möglichst unabhängiges deutsches Unternehmen erscheinen zu lassen, so blieben die Opel-Brüder im Aufsichtsrat. Vgl. hierzu: Turner, Henry Ashby: General Motors und die Nazis. Das Ringen um Opel, Berlin 2006, S.20-23.
[7] Vgl. Rosellen: Ford, S.98-102.
[8] Ford, Henry: The International Jew. The World's Foremost Problem, 4 Bde., Dearborn (Michigan) 1920-1921.
[9] Vgl. Helms, Hans G.: Ford und die Nazis, In: Projektgruppe „Messelager" im Verein EL-DE-Haus e.V. Köln (Hrsg.): Zwangsarbeit bei Ford, Köln 1996, S. 111-112. Rosellen: Ford, S.114, 140-142. Völklein, Ulrich: Geschäfte mit dem Feind. Die geheime Allianz des großen Geldes während des Zweiten Weltkrieges auf beiden Seiten der Front, Hamburg 2002, S.90-91.
[10] Vgl. Rosellen: Ford, S.114-125, 146-148.
[11] Vgl. Rosellen: Ford, S.154-157.
[12] Vgl. Ebd.: S.168-170.
[13] Vgl. Helms: Ford, S.113. Völklein: Geschäfte mit dem Feind, S.92.