Geknüpft an Namen wie Ulrich Beck oder Richard Sennett erlangte der Begriff der Individualisierung im Kontext eines spätmodernen, flexiblen Kapitalismus starke Popularität. Individualisierung, Risikogesellschaft und Kontingenz reihen sich als soziologisch-kulturwissenschaftlich aufgenommene Entwicklungskonzepte mit (beruflichen) Anforderungsprofilen an den Einzelnen ein, die mit Selbstverwirklichung, Authenzität, Unternehmergeist und Flexibilität Konsens geworden sind. Derart zeitdiagnostische Phänomensbeobachtungen werden vor allem in der sogenannten „Zweiten Moderne“ verortet.
Mit der Individualisierungsthese wird bei Ulrich Beck ein klares Charakteristikum der sogennanten „Zweiten Moderne“ veröffentlicht. Aus soziologischer Perspektive ist der Begriff des Individuums als Analyseeinheit hingegen nicht neu. Während sich die Bearbeitung des Individualisierungskonzeptes bei Theoretikern wie Weber, Foucault und der kritischen Theorie als das Konzept eines „gefährdeten Individuums“ systematisieren lässt, erörtern Systemtheoretiker und Holisten wie Durkheim, Luhmann und Parsons das Individuum als ein „gefährliches“, potentiell destabilisierendes Element. Innerhalb dieser Konzeptionen ist das Verhältnis zwischen Individuum und Struktur von je unterschiedlichen Zwangs- und Freiheitsgraden gekennzeichnet. Ulrich Beck, in Einklang mit klassischen Autoren wie Simmel und Elias, entwickelte hingegen ein ambivalenteres Bild des Individualisierungsprozesses (Schroer 2001: 319ff).
Diese Bild soll im Folgenden als zeitdiagnostische Grundlage unter der Fragestellung herausgearbeitet werden, inwiefern der Prozess der Individualisierung vor dem Hintergrund sich verändernder Marktbedingungen (Buchholz/Kurz 2006: 3ff) und Sozialstrukturen zu einer Diversifizierung und Kontingenzbewusstheit des eigenen Lebensentwurfes geführt hat. Eine mögliche Perspektive, um die Erodierung der Normalbiographie zu analysieren, eröffnet sich in der Annahme, dass durch die Überbetonung des Selbst Struktursemantiken der Selbstverwirklichung das biographische Narrativ in der reflexiven Moderne maßgeblich prägen, die als beruflicher und privater Zwang wahrgenommen werden. Die gleichzeitige Entbettung aus sinnstiftenden Institutionen und Solidariätsverbänden stellt das Individuum damit vor Herausforderungen der Strukturierung des eigenen Lebenslaufs.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ulrich Beck's Individualisierungsparadigma
- Die Individualisierungsthese
- Zum Begriff Individualisierung
- Becks Individualisierungsthese - Ursachen, Phasen und Dimensionen
- Individualisierung und neue Autonomie
- Individualisierung und struktureller Orientierungsverlust
- Charakteristika der späten Moderne
- Die Individualisierungsthese
- Diversifizierung des Lebensentwurfes
- Die ,,Normalbiographie“. Stand, Klasse und der Begriff der Routine
- Biographie und Individualisierung
- Selbstverwirklichung als biographische Struktursemantik
- Das Selbst und die Identität
- Der Lebenslauf als Plattform der Selbstverwirklichung
- Entgrenzung von Arbeit: Subjektivierung und Selbstverwirklichungssemantik im Beruf
- Zwang zur Selbstverwirklichung? Ein Ausblick
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert die These der Individualisierung im Kontext der späten Moderne und insbesondere in Bezug auf den Einfluss auf die Gestaltung des Lebensentwurfs. Es wird untersucht, inwieweit sich die Individualisierungsthese von Ulrich Beck als zeitdiagnostische Grundlage für die Diversifizierung und Kontingenzbewusstheit des Lebensentwurfs im Rahmen sich verändernder Marktbedingungen und Sozialstrukturen eignet.
- Individualisierungsthese von Ulrich Beck
- Transformation der Normalbiographie
- Selbstverwirklichung als biographische Struktursemantik
- Diversifizierung des Lebensentwurfs in der reflexiven Moderne
- Zwang zur Selbstverwirklichung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Individualisierung im Kontext der reflexiven Moderne ein und stellt die Forschungsfrage nach dem Einfluss der Individualisierung auf die Gestaltung des Lebensentwurfs. Das zweite Kapitel befasst sich mit Ulrich Becks Individualisierungsparadigma, seinen Ursachen, Phasen und Dimensionen. Es werden die Ambivalenzen und Herausforderungen des Individualisierungsprozesses im Hinblick auf die Entwicklung neuer Autonomieformen und die Entstehung eines strukturellen Orientierungsverlusts diskutiert. Das dritte Kapitel analysiert die Diversifizierung des Lebensentwurfs im Rahmen der reflexiven Moderne, wobei die „Normalbiographie“ als Ausgangspunkt dient. Es werden die Auswirkungen von Individualisierung auf die Gestaltung des Lebenslaufs und die Entstehung neuer Lebensformen in der späten Moderne beleuchtet. Das vierte Kapitel widmet sich der Selbstverwirklichung als biographische Struktursemantik. Es wird untersucht, wie die Überbetonung des Selbst in der reflexiven Moderne die Gestaltung des Lebenslaufs beeinflusst und welche Zwänge im Zuge der Selbstverwirklichungssemantik entstehen. Das fünfte Kapitel gibt einen Ausblick auf die Herausforderungen und Möglichkeiten der Selbstverwirklichung in der späten Moderne.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter der Arbeit sind: Individualisierung, reflexive Moderne, Lebensentwurf, Normalbiographie, Selbstverwirklichung, biographische Struktursemantik, Kontingenzbewusstheit, Zwang zur Selbstverwirklichung.
- Quote paper
- Daniel Kusch (Author), 2012, Tyrannei der Autonomie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198635