Als Gorgias (ca. 480 - 380 v. Chr.), ein sophistischer Redelehrer, „die Athener mit seinen Reden in Staunen versetzt“ und ein starkes Interesse an der Rhetorik in Griechenland entsteht, ist es für Platon (427 - 347 v. Chr.) fast schon obligatorisch, dazu eine Meinung zu entwickeln und diese auch zu äußern. Hierfür schreibt er mehrere Dialoge, wie Gorgias und Phaidros, in denen er „Fragen zur Rolle und Theorie der Rhetorik“ aufwirft.
In Platons Dialog Gorgias wird starke Kritik an der Sophistik und im gleichen Zug auch an der Rhetorik geübt, jedoch „skizziert [er] gegen Ende des Phaidros“ eine Art reformiere Rhetorik, die der Ausgangspunkt für Aristoteles Überlegungen über die Rhetorik wird.
Allgemein lässt sich Gorgias in die literarische Form eines dramatischen Dialogs Platons eingliedern, da nur das „reine Redegeschehen“ im Text enthalten ist, jedoch keine Einleitung, in der die sprechenden Personen bzw. Figuren und das Setting erläutert werden.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Setting
III. Fragestellungen
IV. Diskussionsverlauf
V. Gesprächs-Management
VI. Literaturangabe
I. Einleitung
Als Gorgias (ca. 480 - 380 v. Chr.), ein sophistischer Redelehrer, „die Athener mit seinen Reden in Staunen versetzt“ und ein starkes Interesse an der Rhetorik in Griechenland entsteht, ist es für Platon (427 -347 v. Chr.) fast schon obligatorisch, dazu eine Meinung zu entwickeln und diese auch zu äußern.1 Hierfür schreibt er mehrere Dialoge, wie Gorgias und Phaidros, in denen er „Fragen zur Rolle und Theorie der Rhetorik“2 aufwirft.
In Platons Dialog Gorgias wird starke Kritik an der Sophistik und im gleichen Zug auch an der Rhetorik geübt, jedoch „skizziert [er] gegen Ende des Phaidros “ eine Art reformiere Rhetorik, die der Ausgangspunkt für Aristoteles Überlegungen über die Rhetorik wird.3
Allgemein lässt sich Gorgias in die literarische Form eines dramatischen Dialogs Platons eingliedern, da nur das „reine Redegeschehen“ im Text enthalten ist, jedoch keine Einleitung, in der die sprechenden Personen bzw. Figuren und das Setting erläutert werden.4
II. Setting
Das Setting wird als „kommunikativen Rahmenbedingungen […], die für rhetorisches Handeln bedeutsam sind“5 definiert.
In Gorgias bekommt man zwar „keine direkten Hinweise auf den Ort der Handlung, auf das Verhalten der Personen […] und auf die Stimmung und Atmosphäre“6, kann diese aber dem Text selber entnehmen. Um zu erläutern, welche Figuren in diesem Dialog auftreten, ist es wichtig zu wissen, dass Platon „keine dokumentarisch-authentischen Gesprächsprotokolle, sondern literarisch-künstlerische Texte“ schreibt und so die „historischen Personen nicht als ihre getreuen Abbilder ein[gehen], sondern als Figuren der Texte, die der Autor nach seinen eigenen Intentionen charakterisiert.“7 Die wichtigsten Figuren sind Gorgias, Polos, Kallikles und natürlich Sokrates.
Der Sizilianer Gorgias war ein berühmter und gefeierter Redner und „einer der Väter der Sophistik“8. Historisch soll Gorgias „sehr geistreich und schlagfertig“9 gewesen sein, jedoch gibt Platon der Figur des Gorgias im Dialog „den Scharfsinn und die Schlagfertigkeit“10 nicht.
Polos war historisch und als Figur im Dialog ein Schüler des Gorgias, der von Platon als „ein hitziger junger Mann“ dargestellt wird, der „impulsiv und emotional“ handelt.11 Er benimmt sich „sehr brav und fügsam“ und stellt den kleinen Mann dar, „der voll Bewunderung und Neid auf den Mächtigen und sein Glück schaut“12.
Kallikles wird historisch oft angezweifelt, da es außerhalb Platons Dialoge „keine literarischen Zeugnisse für seine Existenz“13 zu geben scheint. In Gorgias hat Kallikles die Rolle des politisch engagierten und wohlhabenden Gastgebers, in dessen Haus Gorgias „seinen Vortrag mit anschließender Fragestunde“ hält.14 Auch wird er als praktische denkende Figur dargestellt; die den Reichen von Natur gegeben Macht sieht als gerecht an, die durch die Rhetorik gesichert werden kann, und die Befriedigung der eigenen Wünsche haben für ihn Priorität.15
Platons Lehrer Sokrates stellt die zentrale Figur in seinen Dialogen dar, auch in Gorgias. Die Figur Sokrates hat das Ziel, „mit seinen Gesprächspartnern zu einer Übereinstimmung zu kommen“16, wofür er seine Dialektik gebraucht. Sokrates diskutiert zuerst mit Gorgias, dann mit Polos und Kallikles. In Gorgias ist der Tonfall recht scharf, da Sokrates seine Gesprächspartner abwertend und grob behandelt. Er gibt vor, die Wahrheit suchen zu wollen und noch kein Wissen zu haben, jedoch täuscht er seine Rolle des „ironischen Nichtwissers“17 nur vor.
III. Fragestellung
In den Stephanus-Paginierungen 494c bis 506c werden folgende Fragestellungen diskutiert:
Wie ist das Verhältnis vom Angenehmen und Guten - sind sie identisch oder gegensätzlich?
Was ist das Ziel aller Handlungen?
Welche Einwirkungen hat die Lust auf die Seele? Wie sieht die Ordnung der Seele aus?
IV. Diskussionsverlauf
Nachdem Sokrates mit Polos darüber diskutiert, ob Unrecht tun oder Unrecht leiden besser sei, mischt sich Kallikles in das Gespräch ein. Er wirft die Nomos-Physis-Antithese ein, die Natur und Gesetz als gegensätzlich erkennt. Somit soll der Bessere auch von Natur aus mehr haben. Er verspottet Sokrates wegen seiner Liebe zur Philosophie. Sokrates lässt sich nicht provozieren, sondern will Kallikles als Prüfstein der Wahrheit für seine Seele verwenden, damit sie auf episteme (Einsicht), eunoia (Wohlwollen) und parrhesia (Freimütigkeit) geprüft wird. Kallikles vertritt die Meinung, dass die Besseren über die Schlechteren herrschen und auch mehr Besitz haben sollten. Sokrates vergleicht diese unersättliche Lust mit einem lecken Fass, das nie voll wird und der Besitzer deshalb nie Glück und Frieden finden kann. Für Kallikles wäre ein Leben ohne Lust wie das eines Steins oder Toten. Denn die Begierden seien gut und die wahre Glückseligkeit (eudamonie) kann nur durch Befriedigung der Lust (hedone) erreicht werden. Hier entbrennt die Diskussion über das Verhältnis des Angenehmen zum Guten (agaton). Kallikles behauptet, dass beide identisch seien, woraus Sokrates schlussfolgert, dass wenn jemand angenehm lebt, er auch glückselig sein müsste18. Sokrates setzt körperliches Wohlbefinden mit seelischer Glückseligkeit gleich, um Kallikles zu der Aussage zu bewegen, dass es nichts Angenehmes gibt, das nicht gut ist. Durch eine Frage bewirkt Sokrates ein Themenwechsel: nur mit Erkenntnis könne man das Gute bewirken. Kallikles gebraucht für Tapferkeit und Erkenntnis verschiedene Begriffe, für ihn sind sie also nicht gleichzusetzen. Er meint mit Erkenntnis das
phronimos, also „die praktische Klugheit […], die zum richtigen Tun und Verhalten anleitet. Sokrates unterschiebt ihm jetzt das Wort epist é me, […] als Bezeichnung des theoretischen Wissens vom Guten und Schlechten“19. Auch die Lust ist von diesen Begriffen zu unterscheiden. Sokrates schlussfolgert, dass Kallikles meint, dass also die Erkenntnis vom Guten zu unterscheiden ist - dies hat er jedoch nie behauptet.20 Sokrates geht fälschlicherweise im Weitern nicht von der Verschiedenheit der Begriffe, sondern von der Gegensätzlichkeit aus.21 Er nimmt verschiedene Fälle, in denen man nur eine Extreme haben kann (Gesundheit oder Krankheit, Gutes und Böses etc.), es keinen Bereich dazwischen gibt und man auch nicht beides gleichzeitig haben kann. Um zu beweisen, dass also das Angenehme vom Guten verschieden ist, behauptet er, dass jedes Bedürfnis und Begehren schmerzlich ist, die Befriedigung hingegen angenehm.22 Zum Beispiel ist Durst leiden schmerzlich (Unlust), trinken (wenn man durstig ist) ist Befriedigung (Lust). Also kann ein Unlusthabender gleichzeitig Lust empfinden. Sokrates stützt dieses Beispiel auf die eigene Behauptung, es gäbe keinen Übergangsbereich, jedoch könnte Kallikles entgegensetzen, dass derjenige der trinkt den Durst (Unlust) verliert, also doch nicht gleichzeitig Lust und Unlust hat - dies versäumt er. Sokrates beweist weiter, dass das Angenehme vom Guten verschieden ist, indem er folgert: „Lust haben ist also nicht gut leben, und Unlust haben nicht schlecht“23, also wer Lust hat kann auch schlecht leben. Er öffnet hier zwei Bereiche: den sinnlichen und den moralischen. Er trennt also die sinnliche Lust/Unlust von den moralischen Werten gut/schlecht. Einen weiteren Beweis führt Sokrates herbei, indem er sagt, „das Gute und Böse hört nicht zugleich auf“24, die Lust und Unlust jedoch schon. Die Diskussion wendet sich dem Beispiel Sokrates zu, in dem er einen Feigherzigen im Krieg beschreibt, der sich über den Abzug der Feinde genauso wie der Tapfere freut. Die Guten und Bösen haben also gleichviel Lust und Unlust. Doch wenn Gut die sind, die irgendeine Lust haben, wären alle gleich gut. Also könne das Gute und das Angenehme (Lust) nicht dasselbe sein.
[...]
1 Knape: Allgemeine Rhetorik. S. 27.
2 Ebd. S 27.
3 Ebd. S. 28.
4 Dalfen: Platon Werke. S. 107.
5 Knape: Was ist Rhetorik? S. 87.
6 Dalfen. S. 107.
7 Ebd. S. 124f.
8 Ebd. S. 125.
9 Ebd. S. 126.
10 Ebd. S. 129.
11 Ebd. S. 131.
12 Ebd. S. 131.
13 Ebd. S. 132.
14 Ebd. S. 132f.
15 Ebd. S.136f.
16 Ebd. S. 139.
17 Ebd. S. 140.
18 Platon: Gorgias. 494d.
19 Dalfen. S. 382.
20 Vgl. ebd. S. 383.
21 Vgl. Platon. 495e4.
22 Vgl. ebd. 496d.
23 Platon. 497c.
24 Ebd. 497d.
- Arbeit zitieren
- Julia Esau (Autor:in), 2012, Platon: Gorgias 494c - 506c, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198682