Welche Bilder der Weiblichkeit hat Lindgren erschaffen und wie beeinflussen sie sich? So möchte ich auf den folgenden Seiten die beiden weiblichen Protagonistinnen, Pippi Langstrumpf und Annika Settergren, näher betrachten, miteinander vergleichen und gegenüberstellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Zu dem Buch „Pippi Langstrumpf“
1.2 These
1.3. Zielsetzung
2. Die Figur „Pippi Langstrumpf“
3. Die Figur „Annika Settergren“
4. Vergleich der beiden Geschlechterkonzeptionen
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Zu dem Buch „Pippi Langstrumpf“
In Astrid Lindgrens Kinderbuch „Pippi Langstrumpf“ ( im Original „Pippi Langstrump alla ungars vän“) von 1945 geht es um die fantastische Geschichte eines neunjährigen Mädchens namens Pippi Langstrumpf. Pippi erlebt viele Abenteuer mit ihren Freunden, dem Geschwisterpaar Annika und Thomas Settergren.
Die Geschichte entstand 1941 am Krankenbett von Lindgrens Tochter Karin, die auch die Namensgeberin der Hauptprotagonistin ist.
„[...] ein Name, der ihr gerade in diesem Augenblick durch ihren fieberheißen Kopf geschossen war. Ich tat ihr den Gefallen und dachte mir ein närrisches Mädchen aus, das zu dem Namen passen konnte, und musste bald entdecken, dass uns eine Pippi ins Haus geschneit war, die wir nicht wieder loswerden konnten.“1
Lindgren erschuf dieses besondere Mädchen mit übernatürlichen Kräften und einer ungewöhnlichen Selbstständigkeit, um ihrer kranken Tochter eine starke Persönlichkeit an die Seite zu stellen. Sie schrieb diese Geschichte 1944 während einer eigenen Krankheitsphase nieder und schenkte ihrer Tochter Karin dieses Manuskript zum zehnten Geburtstag. Diese Version, auch „Ur-Pippi“ genannt, schickte Lindgren an den Verlag Bonniers, und sie wurde abgelehnt. Die stark überarbeitete Fassung, die nun heute als „Pippi Langstrumpf“ bekannt ist, gewann im Rahmen eines Preisausschreibens des Verlages Rabén & Sjörgen der ersten Platz, und seitdem ist dieses Buch aus der internationalen Kinderliteratur nicht mehr wegzudenken.
1.2 These
In einem selbstverfassten Lebenslauf schrieb Astrid Lindgren:
„Was wollen Sie mit Ihren Büchern aussagen? Pippi Langstrumpf - welches
Problem wollen Sie damit aufgreifen?(...) Darauf möchte ich nur antworten, ich habe mir nicht das Geringste dabei gedacht. Weder bei Pippi noch bei irgendeinem anderen Buch. Ich schreibe, um das Kind in mir selbst zu unterhalten und kann dabei nur hoffen, dass auch andere Kinder daran ein wenig Spaß haben.“2
Dieses Zitat erklärt die sehr fantasievolle und kindlich-humoristische Leichtigkeit des Buches.
Lindgren hatte auch als erwachsene Frau nicht vergessen, wie es ist, ein Kind zu sein, und den Wunsch nach Freiheit und Abenteuern zu verspüren. Diesem Drang gab sie in „Pippi Langstrumpf“ und auch vielen anderen, darauf folgenden Büchern nach. Doch war die Erschaffung eines so besonderen Mädchens, das unabhängig von jeglichen damaligen Konventionen frei leben konnte, nicht eine sehr ungewöhnliche und vor allem zeituntypische Geschlechterkonzeption? Noch in den 1990-er Jahren schrieb ein österreichischer Journalist, dass er Pippi Langstrumpf dafür verantwortlich mache, dass noch heute so viele Autofahrer in Wien über die rote Ampel fahren.
Pippi ist die gelebte Anarchie und ein Mädchen, dass jeglichen Stereotypen des Mädchen- und Backfischromans zu Anfang des 20. Jahrhunderts widerspricht.
Ein bekanntes Zitat vonLindgren deutet ebenfalls auf eine ganz bewusste Geschlechterkonzeption in ihrem Buch hin:
„Ich habe mich immer darüber geärgert, wie man Frauen behandelt. Oft hatte man das Gefühl, es gäbe nur ein Geschlecht, die Männer.“3
Lindgren selbst war eine sehr emanzipierte Frau, die sich auch nicht für die uneheliche Geburt ihres Sohnes Lars schämte. Zudem gab sie ihrer Tochter Karin ganz bewusst ein starkes Mädchen an die Seite, und diverse Freundinnen der Tochter bestätigten mit ihrer Begeisterung für Pippi die Auffassung Lindgrens, dass Mädchen sich weibliche Heldinnen wünschen.
1.3. Zielsetzung
Welche Bilder der Weiblichkeit hat Lindgren erschaffen und wie beeinflussen sie sich? So möchte ich auf den folgenden Seiten die beiden weiblichen Protagonistinnen, Pippi Langstrumpf und Annika Settergren, näher betrachten, miteinander vergleichen und gegenüberstellen.
2. Die Figur „Pippi Langstrumpf“
Pippi Langstrumpf, mit vollem Namen eigentlich Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf, ist neun Jahre alt und lebt ohne Eltern in der Villa Kunterbunt in einer kleinen Stadt in Schweden.
Sie lebt dort mit einer kleinen Meerkatze namens Herr Nilsson und einem Pferd, das die Veranda bewohnt.
Ihre Mutter ist verstorben und „Pippi glaubte, dass ihre Mutter nun oben im Himmel sei und durch ein kleines Loch auf ihr Kind runterschaue, und Pippi winkte oft zu ihr hinauf und sagte: “Hab keine Angst um mich! Ich komm schon zurecht!““4
Ihr Vater war Kapitän „ (...) und segelte über die großen Meere, und Pippi war mit ihm auf seinem Schiff gesegelt, bis er einmal bei einem Sturm ins Meer geweht worden und verschwunden war. Aber Pippi war ganz sicher, dass er eines Tages zurückkommen würde.“5 Ihr Vater hat ihr nicht nur die Villa Kunterbunt vermacht, sondern seiner Tochter auch noch eine Tasche voller Goldstücke hinterlassen, was sie finanziell unabhängig macht. Aber auch das äußere Erscheinungsbild von Pippi Langstrumpf ist außergewöhnlich.
„Ihr Haar hatte dieselbe Farbe wie eine Möhre und war in zwei feste Zöpfe geflochten, die vom Kopf abstanden. Ihre Nase hatte dieselbe Form wie eine ganz kleine Kartoffel und war völlig von Sommersprossen übersät. Unter der Nase saß ein wirklich riesig breiter Mund mit gesunden weißen Zähnen. Ihr Kleid war sehr komisch. Pippi hatte es selbst genäht. Es war wunderschön gelb; aber weil der Stoff nicht gereicht hatte, war es zu kurz, und so guckte eine blaue Hose mit weißen Punkten darunter hervor. An ihren langen dünnen Beinen hatte sie ein paar lange Strümpfe, einen geringelten und einen schwarzen. Und dann trug sie ein Paar schwarze Schuhe, die genau doppelt so groß waren wie ihre Füße.“6
Pippi ist in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnliches Kind.
„Das Allermerkwürdigste an ihr war, dass sie so stark war. Sie war so furchtbar stark, dass es auf der ganzen Welt keinen Polizisten gab, der so stark war wie sie. Sie konnte ein ganzes Pferd hochheben, wenn sie wollte.“7
Sie ist zudem sehr kreativ, z. B. in der Wahl ihrer Spiele8 und im Erschaffen ihrer exotischen Lügengeschichten9.
[...]
1 Edström, Vivi: Astrid Lindgren. Im Land der Märchen und Abenteuer. Hamburg 1997. S. 97
2 Lindgren, Astrid: Astrid Lindgren über Astrid Lindgren. In: Berf, Paul/Surmatz, Astrid (Hrsg.): Astrid Lindgren. Zum Donnerdrummel! Ein Werkporträt. Hamburg 2001. S. 18
3 Bialek, Manuela/ Weyershausen, Karsten: Das Astrid Lindgren Lexikon. Alles über die beliebteste Kinderbuchautorin der Welt. Berlin 2004. S. 508
4 Lindgren, Astrid: Pippi Langstrumpf. Hamburg 1986. S. 8
5 Lindgren 1986, S. 8
6 Lindgren 1986, S. 14
7 Lindgren 1986, S. 11
8 Lindgren 1986, S. 25 ff.
9 Lindgren 1986, S. 15 ff.
- Arbeit zitieren
- Eva Schröder (Autor:in), 2010, Pippi Langstrumpf und Annika Settergren - Bilder der Weiblichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198698