Der bundesdeutsche Heimatfilm

Film einer Gesellschaft zwischen Restauration und Modernisierung


Seminararbeit, 2011

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1. Einleitung

2. Ära Adenauer-Gesellschaft zwischen Vergangenheit und Zukunft

3. Das Handlungsmuster Tradition und Moderne
3.1 Die Tradition im Film
3.2. Die Moderne im Film

4. Fazit

5. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Eine wissenschaftliche Arbeit über den Heimatfilm1 der Fünfziger Jahre. Das klingt für die meisten erst einmal abwegig. Wird dieses Genre wegen seiner Trivialität und Banalität doch immer gerne verspottet und belächelt. Es ist nicht abzustreiten, dass Heimatfilme nicht gerade anspruchsvoll sind, geschweige den hohen filmischen Ansprüchen gerecht werden, aber sie sind ein einmaliges Phänomen in der deutschen Filmgeschichte. Niemals vor und niemals nach den Fünfzigern erlebte dieses Genre2 einen derartigen Boom. Und genau aus diesem Grund sind die Heimatfilme für Historiker interessant. Denn geht man der Frage nach, warum der Heimatfilm gerade in den Fünfzigern seine größten Erfolge feierte, stellt man fest, dass die Gründe dafür vor allem in der damaligen Lebensrealität zu suchen sind. Die Lebensumstände der Menschen machten die Heimatfilmwelle erst möglich und brachten sie auch zu einem Ende. Viele zeitgenössische oder ältere Forschungsarbeiten sprechen dem Heimatfilm restaurative Tendenzen zu, wohingegen neuerer Arbeiten vom Heimatfilm als „vehicle into the future rather than into the past“3 sprechen. Sie vertreten also die genau gegenteilige Meinung. Die Schwierigkeit beim Auffinden von Forschungsliteratur lag weniger darin überhaupt Literatur zu finden, vielmehr lag das Problem darin von Historikern verfasste Texte zu finden. Von Film- und Kulturwissenschaftlern gibt es sehr viele Arbeiten über den Heimatfilm, wohingegen er von Historikern zwar stets erwähnt aber nie genauer behandelt wird. Zu einzelnen Aspekten lassen sich Aufsätze4 finden, aber eine umfassende geschichtswissenschaftliche Arbeit zum Thema liegt noch nicht vor.

Meine These, dass die Versöhnung von Tradition und Moderne im Heimatfilm den Menschen half sich von der Vergangenheit zu lösen, stützt sich vor allem auf neuere Forschungserkenntnisse. Um diese These zu begründen gilt es zuerst die Frage zu klären, ob die Darstellungen im Heimatfilm denn überhaupt als Versöhnung zu deuten sind und wenn ja, inwieweit diese Versöhnung den Menschen den Weg in die Zukunft zeigen konnte. Um darauf eine Antwort zu erhalten, werde ich zuerst einen groben gesellschafts- und kulturgeschichtlichen Überblick über die Fünfziger Jahre geben um dies dann auf den Heimatfilm zu übertagen, wobei ich meine Aussagen an drei typischen Heimatfilmen belegen werde.

2. Ära Adenauer - Gesellschaft zwischen Vergangenheit und Zukunft

Das erste Jahrzehnt der neuen Bundesrepublik war ein Jahrzehnt der Modernisierung und gleichzeitig der Rückbesinnung auf Altbewährtes. Dieser Zusammenstoß von alten und neuen Kräften findet sich nicht nur in Politik oder Wirtschaft wieder, wo personelle Kontinuität ganz alltäglich war5, sondern auch im täglichen Leben der Menschen, sodass Lutz Niethammer sogar von „Volkskontinuität“ spricht6. Doch wie bereits erwähnt stehen dieser Kontinuität auch Veränderungen gegenüber, die die Gesellschaft maßgeblich beeinflussten.

Die fünfziger Jahre wurden durch den Tatendrang der Bevölkerung und nicht zuletzt durch die von der Politik geschaffenen Rahmenbedingungen zum Jahrzehnt des „Wirtschaftswunders“. Um die politischen Neurungen kümmerte man sich jedoch zunächst wenig, man sorgte sich vielmehr um den persönlichen Wiederaufbau7. Aber nicht nur der unermüdliche Wille zu neuem Wohlstand zu kommen und ein besseres Leben zu führen trieb die Menschen dabei an, sondern auch das Verdrängen des Krieges und der nationalsozialistischen Vergangenheit8, ließ sie auf eine bessere Zukunft hinarbeiten. Der rasante wirtschaftliche Aufstieg eröffnete der westdeutschen Gesellschaft bisher ungekannte Möglichkeiten, stellte sie aber auch vor große Herausforderungen. Zwischen 1950 und 1960 sank die Arbeitslosenquote von elf Prozent auf 1,3 Prozent9. Auch Frauen, Flüchtlinge und Vertriebene profitierten von der boomenden Wirtschaft und fanden einen Platz unter den Erwerbstätigen. Die meisten Berufe waren wie bisher von schwerer körperlicher Arbeit bestimmt, der Dienstleistungssektor wuchs hingegen nur langsam. Die größten Veränderungen vollzogen sich in der Landwirtschaft und beeinflussten somit auch das dörfliche Leben. Kleinere Betriebe, Läden und Gastwirtschaften auf dem Land wurden geschlossen und die Anbindung an die Stadt wurde durch die Ausbreitung des Hörfunks und das Verlagern des Arbeitsplatzes in die Stadt immer stärker10. Schaut man sich nun die sozialen Strukturen der damaligen Gesellschaft an ist festzustellen, dass sich hinsichtlich der beruflichen Stellung für die meisten nur wenig geändert hatte11. Doch die weitaus besseren Arbeitsbedingungen der Arbeiter (bessere Bezahlung, Vollbeschäftigung, soziale Absicherung) führten zu einer enormen Steigerung ihrer Lebensqualität12, wodurch sie das „festverschlossene Gehäuse proletarischer Sonderexistenz“13 verlassen konnten. Somit wurden die Schichtgrenzen aufgebrochen und es kam zu einer Integration der Arbeiterschaft und nicht zu deren erneuten Unterdrückung. Dies war eine wichtige Voraussetzung für die weiteren Entwicklungen, denn nur so konnte sich eine neue Mittelschicht bilden, welche zum Konsumenten der neuen Waren-, Freizeit- und Kulturwelt wurde.

Diese neue Welt des Konsums wurde den Menschen vor allem durch die Presse nahe gebracht. Vielfach wurden dadurch aber auch viele Bedürfnisse erst geweckt und neue kreiert. Die Illustrierten spiegeln aber nicht nur die entstehende Konsumgesellschaft wieder, sie lassen auch die Deutung zu, dass sich die Bevölkerung nach den „guten alten Zeiten der Monarchie“ sehnte. Denn die sogenannte „Soraya-Presse“14 berichtete vor allem über den Hochadel und auch die „Sissi“-Filme erfreuten sich großer Beliebtheit15. Doch noch viel größeren Einfluss auf die Alltagskultur der Menschen hatte das Radio, welches durch die Fünfziger hindurch das Leitmedium war. Es strukturierte den Alltag der Menschen und förderte die weit verbreitete familiäre Häuslichkeit. Gegen Ende des Jahrzehnts wurde das Radio langsam vom Fernsehen abgelöst. Das „Weltgeschehen“, das sich nun im Wohnzimmer ereignen konnte, ließ die Modernisierung im Sinne einer Verwestlichung der Gesellschaft, noch schneller voranschreiten. Doch ist dies ein Aspekt der erst Ende der 50er, Anfang der 60er wesentliches Gewicht bekommt. Ganz im Gegensatz zum Kino. Hier wird deutlich, wie auch bei den Musikvorlieben im Radio, dass das westlich amerikanische Angebot zu Beginn nicht viele Liebhaber hatte. Es waren wenn dann Jugendliche, die Jazz und Rock ‘n‘ Roll hörten16 oder sich Western und Hollywoodfilme anschauten um sich von der älteren Generation abzugrenzen. Ein Großteil bevorzugte Volks- und Schlagermusik sowie Marschmusik17, wie sie sie noch aus den Anfängen des Rundfunks kannten. Ebenso war es mit deutschen Filmproduktionen. Diese waren oft Neuverfilmungen von Vorkriegsfilmen oder ähnelten diesen zumindest stark, denn auch in der Filmwirtschaft herrschte große personelle Kontinuität18 und die finanziellen Mittel waren begrenzt. Aber nicht nur die Filmemacher griffen auf Altbewährtes zurück um Erfolg zu gewährleisten, auch Familie und Ehe stützt man nun wieder auf autoritäre Wertemuster19. Während viele Frauen in der Nachkriegszeit und oft noch darüber hinaus der Haupternährer der Familie und gleichzeitig Hausfrau sein mussten, weil ihre Männer im Krieg gefallen waren oder sich noch in Kriegsgefangenschaft befanden, so wollte man das Blatt nun wieder wenden. Die Familien- und Geschlechterpolitik der Adenauerzeit wurde von der Debatte um die Rolle der Frau in Gesellschaft und Familie bestimmt20. Die Familie galt als die „ ‚Ordnungszelle‘ der Gesellschaft und des Staates“21 weshalb man sichergehen wollte, dass die Familien intakt sind und neue gegründet werden. Als Lösung dieses Problems sah man den Rückgriff auf die traditionelle Rollenverteilung von Ernährer und Hausfrau. Die verfassungsrechtlich verankerte Gleichberechtigung der Geschlechter, stand somit im Wiederspruch zur alltäglichen Praxis und zu vielen geltenden Gesetzten, welche die Frau noch ihrem Ehemann unterordnete22. Erst das am 18. Juni 1957 verabschiedete Gesetz der Gleichberechtigung von Mann und Frau23 stärkte die Rechte der Frau.

[...]


1 Wenn vom Heimatfilm gesprochen wird, sind immer speziell die Heimatfilme zwischen 1950 und 1960 gemeint.

2 Aus Platzgründen kann leider nicht genauer auf die Definition des Heimatfilmgenres eingegangen werden, siehe dazu Trimborn, Jürgen: Der deutsche Heimatfilm der fünfziger Jahre. Motive, Symbole und Handlungsmuster (Filmwissenschaft, Bd.4), Köln 1998 oder Höfig, Willi: Der deutsche Heimatfilm 1947-1960. Stuttgart 1973.

3 Lindenberger, Thomas: Home Sweet Home. Desperately Seeking Heimat in Early DEFA Films, in: Film History, Vol. 18, No. 1, Cold-War German Cinema (2006), S. 46-58, unter: jstore, http://www.jstor.org/stable/3815568 (08.07.2011).

4 z.B. ebd.

5 Schildt, Axel: Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der fünfziger Jahre, in: Die Kultur der 50er Jahre. Hrsg. v. Werner Faulstich, München 2002, S.11.

6 Schildt, Axel: Gesellschaftliche Entwicklung, in: Information zur politischen Bildung. Deutschland in den fünfziger Jahren, Nr. 256, hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung, München 2003, S.3. 7 Schildt, Axel/Siegfried, Detlef: Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik-1945 bis zur Gegenwart, Lizenzausgabe für die Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2009, S.98.

8 Glaser, Herrmann: Kleine Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1989. München 1991, S.173.

9 Schildt: Information zur politischen Bildung, S.4.

10 Schildt/Siegfried: Kulturgeschichte,S.99f.

11 Schildt: Information zur politischen Bildung, S.4.

12 Wolfrum, Edgar: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Pantheon Verlag 2007, S.150f.

13 Ebd., S.150.

14 Soraya = Name der damaligen persischen Kaiserin15 Vgl. ebd., S.161f.

16 Wolfrum, S.164.

17 Vgl. Schildt/Siegfried: Kulturgeschichte,S.108.

18 Vgl. ebd., S.118.

19 Schildt: Information zur politischen Bildung, S.3.

20 Wolfrum, S.152.

21 Schildt/Siegfried: Kulturgeschichte,S.103.

22 Der Mann war befugt das eheliche Vermögen alleine zu verwalten, er traf alle wichtigen Entscheidungen die Ehe und Kindererziehung betrafen und konnte das Arbeitsverhältnis der Frau ohne deren Einverständnis kündigen.

23 Wolfrum, S.152.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Der bundesdeutsche Heimatfilm
Untertitel
Film einer Gesellschaft zwischen Restauration und Modernisierung
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Historisches Seminar)
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
14
Katalognummer
V199169
ISBN (eBook)
9783656256236
ISBN (Buch)
9783656258100
Dateigröße
418 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
heimatfilm, film, gesellschaft, restauration, modernisierung
Arbeit zitieren
Laura Moser (Autor:in), 2011, Der bundesdeutsche Heimatfilm, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199169

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