Krieg - Ernstfall im Kopf !?

Gedanken zur psychologischen Kriegsvorbereitung


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2012

36 Seiten, Note: "-"


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

1. Das Post Traumatische Belastungs Syndrom PTBS

2. Belastungsereignisse im Krieg Schlussfolgerungen

3. Bundeswehr und psychologische Kriegsvorbereitung

4. Psychologische Kriegsvorbereitung Resilienz und Vulnerabilität

5. Systematische Vorbereitung Sich vorbereitet fühlen

6. Methodische Aspekte Adaptation der Psyche Desensibilisieruung

7. Modifizierung der Verhaltenstherapie / Desensibilisierung Skizzierung

Nachbemerkung

Weiterführende Literatur

Zum Autor

Backnang, 07/2012

Vorbemerkung

Als ich mich vor geraumer Zeit mit der „Entstehung von Schizophrenien“ beschäftigte, stieß ich auch auf das Thema „Posttraumatisches Belastungssyndrom“ kurz PTBS.

Bei Internetrecherchen eröffneten sich für mich zunächst merkwürdige Artikel wie:

„Ein Psychiater für 4500 Soldaten“ (Süddeutsche.de, 24.09.2009)

„Mangel an ATN: Truppenpsychologen und Fachärzte für Psychiatrie fehlender Bundeswehr im Einsatz und daheim“ (Soldatenglück.de, 24. September 2009),

„Soldaten im Ausland Stress Syndrom bei Bundeswehr nimmt zu“ (RP online, 24.09.2009),

„Seit Jahren kritisiert der Wehrbeauftragte des Bundestages die Situation der Sanitätsoffiziere in der Bundeswehr. Der Truppe fehlen 600 Ärzte. In der Führung des Sanitätsdienstes tat sich bisher: fast nichts“ (Ärzte Zeitung, 6.4.2010 zitiert von www.springermedizin.de),

„PTBS Risiko in Afghanistan sechs bis zehnfach erhöht Rund 300 Bundeswehrsoldaten erkranken jährlich“ (Bundestherapeutenkammer www.bptk.de, 08. April 201 1),

„Traumatisierte Soldaten Bundeswehr fehlen Psychiater“ (Ärzte Zeitung, 28.05.2010; aerzteblatt, 20.05.2010),

„MitteldeutscheZeitung: Streitkräfte Bundeswehr erkennt Fälle der Posttraumatischen Belastung nur schleppend an“ (fair NEWS.de, 11.01.2011),

„Operation Seelenfrieden“ (Zeit online, 16.11.2011),

„Bundeswehr fehlen Psychiater“ (Spiegelonline, 22. November 2010; Zeit online, 22.11.2010),

„Traumatisierte Soldaten Alleingelassen mit dem Krieg“ (Zeit online, 07.03.2011),

So viele traumatisierte Soldaten wie nie“ (Zeit online, 19.01.2012).

Merkwürdig für mich deshalb, weil mir dafür einfach die Vorstellung fehlte. Nämlich, dass in einem so bedeutendem Bereich wie die Landesverteidigung, es möglich geworden ist, dass Psychiatrie Fachärzte und Psychologen für die Truppenbetreuung fehlen sollen.

Aber das nur am Rande.

Was mich andererseits viel mehr bewegt, ist der Umstand, dass das PTBS in der Bundeswehr erst sehr spät ernsthaft thematisiert wurde obwohl seit 1996 Angaben über PTBS Erkrankte in der Bundeswehr existieren.

(vgl.: Deutsche Kriegsopferfürsorge DKOF, 20.01.2012; fair NEWS.de. 11.01.2011)

Die Bemühungen um die Hilfe für die PTBS erkrankten Bundeswehrangehörige sind in Gang gekommen. Beispiel dafür ist die öffentliche Thematisierung, die der seinerzeitige Verteidigungsminister zu Guttenberg angeschoben hat.

Ebenso die Einrichtung des Psychosozialen Netzwerkes (PNS), der begonnene Ausbau des Berliner Traumazentrums, die Internet Hilfsangebote (z.B. PTBS Hilfe www.ptbs hilfe.de) aber auch die Aufstellung des PTBS Beauftragten des Verteidigungsministeriums.

Erwartungen an zügige Fortschritte dürften angesichts der o.g. Nachrichten allerdings gedämpft bleiben.

Bei den derart gestiegenen Zahlen von PTBS erkrankten Bundeswehrangehörigen gewinnen zwar effiziente Behandlungen und Hilfestellung stärkere Aufmerksamkeit aber zwangsläufig auch deren

Prävention.

Dazu gehört, dass die Politik den Sinn einer Armee, die Konsequenzen für deren Aufstellung und für deren Ausbildung sehr ernst nimmt:

Vorbereitung von Menschen auf kriegerische Auseinandersetzungen.

Der Fall des „Eisernen Vorhangs“ hat daran nichts geändert.

Der Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan hat uns das schmerzlich vor Augen geführt.

Und ich erinnere mich daran, wie mit Beginn dieses Einsatzes, sich die Politik um die Bezeichnung ‘Krieg’ bzw. ‘Kriegerische Auseinandersetzung’ gedrückt hat bis zu dem Zeitpunkt, wo die Nachrichten über die Verwicklung der dortigen Bundeswehreinheiten in Gefechtshandlungen mit Toten und Verwundeten mehr und mehr wurden.

Wenn Politik auf diese Weise versucht, zu verdrängen, hat sie den grundlegenden Sinn einer Armee verkannt. Und für mich liegt es in der Vorstellung, dass das Wirkungen auf das Innenleben der Bundeswehr, seiner personellen und technischen Ausstattung sowie Ausbildung hatte, insbesondere mit Blick auf Krieg und Gefecht.

(vgl.: „Kritik an Bundeswehr Ausbildung: Billig Training vor dem tödlichen Einsatz“, Spiegelonline, 06.04.2010)

Danach zu urteilen, stellt sich die Frage, ob die im Rahmen der Bundeswehrreform wiederholte Feststellung, dass der neue Auftrag der Bundeswehr nach außen ‘kämpfen’ bedeutet, den Menschen in Uniform wirklich unter die Haut geht?

Sinngemäß dazu stellt der damalige General Naumann klar, dass dieses Kämpfen höchste physische und psychische Anstrengungen erfordert sowie Gefahr für Körper und Leben darstellt.

Und wörtlich: „Wir werden bei diesen Einsätzen auch Verluste hinnehmen müssen.“

(zitiert aus: Lothar Schröder „Bundeswehrreform. Der Krieg ist der Ernstfall“, UTOPIE kreativ, Heft 138, April 2002, S. 339)

„Ein Hauptbestandteil der psychologischen Vorbereitung der Soldaten auf den Krieg sollen deshalb Kampf, Leid und Elend, Verwundung und Tod sowie Waffeneinsatz gegen Menschen sein.“

(Lothar Schröder „Bundeswehrreform. Der Krieg ist der Ernstfall“, UTOPIE kreativ, Heft 138, April 2002, S. 339)

Angesichts dessen, dass nicht selbst erlebter Krieg mit all seinen Folgen und Umständen wie Verwundete, Tote, Zerstörung, Verluste, Angst und Panik u.a.m. die Vorstellungskraft dieser Menschen überfordert, muss gerade die Ausbildung von Soldaten dem vollstens Rechnung tragen.

Das Kernstück einer psychologischen Kriegsvorbereitung dürfte demnach die kriegsnahe Ausbildung sein. Mit den Worten von Moltke: „Die Vorbereitung zur Schlacht ist ... der Hauptauftrag der militärischen Ausbildung.“

(zitiert aus: Lothar Schröder „Bundeswehrreform. Der Krieg ist der Ernstfall“, UTOPIE kreativ, Heft 138, April 2002, S. 340)

Möglicherweise auch ein Schlüsselbeitrag für die Prävention von PTBS.

1. Das Post Traumatische Belastungs Syndron PTBS

Kriege gibt es seit Menschengedenken oder sollte man doch eher von Kriegen sprechen, seit es Lebewesen gibt? Wie auch immer es geht um Leben und/oder Tod, heißt:

Leben als Sieger, Überleben oder Sterben als Verlierer ...

Also seit Menschen existieren, gibt es kriegerische Auseinandersetzungen und die Begegnung mit Verwundungen und Toten.

Ebenso ist wohl klar, dass kein Kampf ohne Zerstörungen, Verluste, Verwundete und Tote zu führen war und ist.

Demzufolge war zu jeder Zeit, wenn es um kriegerische Auseinandersetzungen ging, klar, dass, ob Angriff oder Verteidigung, deren Vorbereitung eine bedeutende Rolle spielte bis in die heutige Zeit.

Allerdings haben sich verschiedentliche Bedingungen geändert wie z.B. Einsatz und Kampfmittel, Zerstörungskraft, Tempo, Einsatzräume u.a.m.

Man darf folglich annehmen, dass das PTSB bzw. seine Symptome so alt sein dürften wie die Kriege selbst:

„Die Symptome der PTBS gibt es wahrscheinlich schon so lange es die Menschheit gibt. Immer wieder lassen sie sich in historischen Berichten feststellen, zum Beispiel in dem von Samuel Pepys der 1666 das große Feuer von London miterlebte. Sechs Monate nach der Katastrophe schrieb er etwa in sein Tagebuch: Wie merkwürdig, dass ich bis zum heutigen Tag keine Nacht schlafen kann, ohne von grosser Angst vor dem Feuer erfasst zu werden; und in dieser Nacht lag ich bis fast zwei Uhr morgens wach, weil mich die Gedanken an das Feuer nicht losliessen. In der Medizin fand die PTBS aber erst in jüngster Zeit Beachtung. Ende des 19. Jahrhunderts prägte der deutsche Psychiater Emil Kraepelin den Begriff Schreckneurose um die Symptome zu beschreiben, die sich bei Opfern von schweren Unfällen und Verletzungen, besonders von Feuersbrünsten, Entgleisungen oder Zusammenstößen auf der Eisenbahn zeigten. Schon früh wurden die Symptome der PTBS vom Freud Schüler Abram Kardiner beschrieben. Erst 1980 fand die Diagnose erstmals Eingang in das international bedeutsame amerikanische Diagnose Manual DSM III (aktualisierte Version: DSM IV), das von der American Psychiatric Association (APA) herausgegeben wird. Dort ist das Syndrom heute unter 309.81 als eine Form der Angststörung gelistet. Nach der ICD 10 (International Classification of Diseases) der WHO hat die PTBS den Code F43.1.

(zitiert aus http://de.wikipedia.org/wiki/Posttraumatische_Belastungsstörung)

Aber bleiben wir im militärischen Bereich.

Der Bereich, in dem sich intensiv und komplex mit dem Krieg auseinandergesetzt wird: Vorbereitung Durchführung Nachbereitung; anders ausgedrückt:

Vorbereitung von Kampfhandlungen auf deren Durchführung und wiederum deren Nachbereitung. Jede Nachbereitung bedeutet wiederum Vorbereitung.

An einem Bezug zum PTBS kommt man nicht vorbei.

Dazu später zunächst zum PTBS selbst.

Kriegerische Auseinandersetzungen haben Folgen für die Psyche mit z.T. psychiatrischer Symptomatik. Eine dieser Folgen ist eben das PTBS.

Für das PTBS (Posttraumatisches Belastungssyndrom bzw. störung) existieren wie bereits erwähnt verschiedene Bezeichnungen wie „Schreckneurose“, „Kampf oder Kriegsneurose“, „Granatenschock“, oder Überlebenden Syndrom“.

(vgl. Anke Ehlers „Postraumatische Belastungsstörung“, Reihe ‘Fortschritte der Psychotherapie, Bd. 8, Hogrefe Verlag für Psychologie 1999, S. 2; Dr. Hans Morschitzky „Posttraumatische Belastungsstörung Ein Trauma bewirkt bleibende Angstzustände“, Internetauszug aus seinem Buch „Angststörungen“, Springer Verlag 2009)

Wie wird PTBS im Allgemeinen definiert?:

„Das charakteristische Symptom der PTBS ist das ungewollte Wiedererleben von Aspekten des Traumas. Die Betroffenen haben die gleichen sensorischen Eindrücke (z.B. Bilder, Geräusche, Geschmack, Körperempfindungen) und gefühlsmäßigen und körperlichen Reaktionen wie während des Traumas...Der emotionale Zustand der Patienten reicht von intensiver Furcht, Ärger, Trauer, Schuld oder Scham bis zu emotionaler Taubheit. Oft beschreiben sie, dass sie sich entfremdet von anderen Menschen fühlen, und geben Kontakte und Aktivitäten auf, die ihnen vorher wichtig waren. Sie zeigen eine Reihe von Symptomen autonomer Übererregung, z.B. eine erhöhte Vigilanz, starke Schreckreaktionen, Reizbarkeit, Konzentrations und Schlafstörungen.“

(vgl. Anke Ehlers „Postraumatische Belastungsstörung“, Reihe ‘Fortschritte der Psychotherapie, Bd. 8, Hogrefe Verlag für Psychologie 1999, S. 3 4)

In der ICD 10 WHO Version 2011 ist unter F43.1 ‘Posttraumatische Belastungsstörung’ zu lesen:

„Diese entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (F62.0) über Traumatische Neurose.“

(ICD 10 WHO Version 2011, Online Ausgabe S. 288, F43.1, http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd 10 who/kodesuche/onlinefassungen/htmlamtl2011/block f40 f48.htm#F43)

„Ein Trauma begreift sich als Ereignis und als Reaktion. Ein traumatisches Ereignis ist gekennzeichnet durch eine aktuelle oder angedrohte ernsthafte Verletzung oder Tod. Beispiele von traumatischen Ereignissen sind Kriegserlebnisse, sexuelle Übergriffe und Missbrauch, interpersonelle emotionale und körperliche Angriffe, natürliche und von Menschen verursachte Katastrophen, Angriffe von Terroristen und Verkehrsunfälle (APA,2000). Diese Differenzierungen von verschiedenen Arten von Traumata betreffen Kinder und Jugendliche genauso wie Erwachsene. Ein Traumata ist nicht nur ein Ereignis, denn darüber hinaus kann ein Trauma auch eine Reaktion sein. Die Reaktion einer Person auf ein traumatisches Ereignis beinhaltet intensive Gefühle wie Angst, Hilflosigkeit, Schrecken, Schuld und Scham. Die individuelle gefühlsmäßige Reaktion und subjektive Bewertung der Situation sind ein integraler Bestandteil der Definition eines Traumas. Des Weiteren werden auch Ereignisse als traumatisch bezeichnet, bei denen Personen Zeugen von schweren Unfällen sind oder wenn jemand vom gewaltsamen Tod eines Freundes oder Familienmitgliedes erfährt (APA, 2000). Traumatische Ereignisse kommen nicht nur einzeln vor; Traumata können auch chronisch sein. Zum Beispiel wenn Kinder prolongiert psychisch und physisch missbraucht werden, unter der Armutsgrenze oder in gefährlichen Gegenden leben müssen. Traumata sind Stressbewältigungen und diese Stressbewältigungsstörungen sind besonders verbreitet in Gegenden wo viele Menschen chronischem Stress ausgesetzt sind wie zum Beispiel in Kriegsgebieten wie Bosnien oder in gewalttätigen Milieus wie Neukölln oder Marzahn oder in dysfunktionalen Familien...Als Folge von Traumata kann eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder sogar eine Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung entstehen.“

(http://www.praxis landgraf.de/2011/01/trauma posttraumatische belastungsstoerungen ptbs/)

Weitere Definitionen geben keinen Mehrwert an Aufschluss, da sich diese im Grunde an der ICD 10 WHO orientieren.

Danach überwiegen Entstehungs und Symptombeschreibungen und zumeist folgen Informationen zu Psychotherapien bzw. psychotherapeutischen Verfahren. Und die PTBS Behandlung/ Therapie weist Erfolge auf.

(vgl.: http://www.dissoziation und trauma.de/sachinfos/traumatherapie; http://www.c d k.de/psychotherapie klinik/Stoerungen/posttraumatische_therapie.html; http://www.infonetz dissoziation.de/p therapie.html)

PTBS ist also die Folge von erlebten Katastrophalereignissen wie nach folgender Einteilung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(vgl.: http://www.sitp.de/pdf/Maercker.pdf)

Im Wesentlichen handelt es um die Folge von massiven Bedrohungs und/oder Zerstörungserlebnissen. PTBS stellt das Wieder Erleben dieser Ereignisse dar und führt in der Regel zu den bekannten Symptomen.

(vgl.: Dr. Hans Morschitzky „Posttraumatische Belastungsstörung Ein Trauma bewirkt bleibende Angstzustände“, Internetauszug aus seinem Buch „Angststörungen“, Springer Verlag 2009)

Anders betrachtet, entsteht ein PTBS als Folge von drastischer Überforderung, z.B. durch Entbehrung, Erschöpfung, Reizüberflutung, Ungewissheit, Überraschung oder Verlust.

1. Der Betroffene ist der jeweiligen Situation nicht mehr gewachsen bzw. ist unfähig diese zu ertragen. Entscheidungs , Handlungs und Widerstandsfähigkeit sind so stark eingeschränkt, dass der Betroffene von Hilflosigkeit ergriffen, sich der Situation entzieht oder zu entziehen versucht oder keine Bewältigungsversuche mehr unternimmt. Es kann zu einer akuten Belastungsreaktion kommen, deren anhaltenden Symptome i.d.R. zu einer posttraumatischen Belastungsstörung führen. Das wäre eine Möglichkeit.
2. Der Betroffene verbleibt aktiv in der Situation bei Entwicklung einer Dissoziation: (im hier gemeinten Sinne) ist eine natürliche, biologisch (neurophysiologisch) angelegte Fähigkeit der Psyche, durch die bestimmte eigene Gefühle, Empfindungen, Erinnerungen, Handlungen oder Gedanken dem Bewußtsein unzugänglich bleiben: sie werden abgespalten.

Dissoziative Reaktionen verhindern eine Überflutung des Bewußtseins mit Reizen und verbessern dadurch die Reaktionsmöglichkeiten des Individuums in schwierigen Situationen...Unter existenziell bedrohlichen Umständen, in denen wir unbedingt wirksam handeln müssten, dazu jedoch aus Äußeren und/oder inneren Gründen nicht in der Lage sind (Psychotraumatisierung), kann Dissoziation zur vorrangigen seelischen Reaktionsmöglichkeit werden...Bestimmte sehr belastende Aspekte der bedrohlichen Situation (Angst, Schmerz, Hilflosigkeit, extreme Verwirrung und Orientierungslosigkeit) werden dann durch Dissoziation mehr oder weniger vollständig vom Bewußtsein ferngehalten, damit das Leben weitergehen kann. (Verarbeitet sind sie dadurch allerdings nicht!)

(vgl.: http://pdf.trauma beratung leipzig.de/tbl strukturelle dissoziation structural dissociation.pdf)

Ein Kriegsteilnehmer beschreibt dies folgendermaßen:

„Auch die Seele bildet gleichsam eine Schutzhaut aus. Wenn die Gefühle allgemein, biologisch betrachtet, den Sinn einer Benachrichtigung haben, ob das psychphysische System gefährdet oder in einer günstigen Lage sei, so vermag die Seele gleichsam die Fühler ihres Affektlebens überhaupt einzuziehen und sich sozusagen zu verkapseln, wenn Gefahr ist, dass sie durch überstarke Eindrücke zerrissen werden könnte. So erzählen namentlich Krankenträger, die ja am meisten Grausiges zu sehen bekommen, dass sie oft spüren, wie sie seelisch völlig ausschalten. Wenn sie sich an all die grässlichen Erlebnisse hingäben, so ginge das bald über die Fassungskraft der Seele, die ja auch im Gefühlsbereich nicht unbegrenzt ist. Das Ausschalten wird aber auch erleichtert, da jeder alle Hände voll zu tun hat und keiner, auch der Krankenträger und Arzt nicht, seine Arbeit nicht leisten könnte, wenn er sich in Gefühle verlöre. Ihre Unterdrückung ist nicht Roheit, sondern Anpassung an den Zweck, denn nur so wird man befähigt, den großen Anforderungen zu genügen.“

(Erich Ewerth „Von der Seele des Soldaten im Felde Bemerkungeneines Kriegsteilnehmers“, Tat und Flugschriften 10, Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1916)

Wiederholt sei, dass diese psychische Reaktion auf massive Bedrohungen und Zerstörungen keine Verarbeitung darstellt.

Das PTBS von Kriegsteilnehmern ist eine von mehreren Reaktionen auf Kriegsereignisse auch als „Schreckneurose“ bezeichnet bzw. als “Kriegsneurose“, „Frontneurose“, Gefechtsneurose“, „Schützengrabenneurose“ oder „Granatenschock“

(vgl.: Dr. Hans Morschitzky „Posttraumatische Belastungsstörung Ein Trauma bewirkt bleibende Angstzustände“, Internetauszug aus seinem Buch „Angststörungen“, Springer Verlag 2009)

2. Belastungsereignisse im Krieg

Aus dem Überblick der Literatur und Artikel schließe ich, dass Kriegsteilnehmer im Laufe von

Gefechtshandlungen folgenden Situationen ausgesetzt sind:

1. Eine anhaltenende Gefahrenlage mit auftretenden akuten Gefahrenmomenten.

Das führt bei den Kämpfenden zwangsläufig zu einem Bedrohungserleben für

a) die eigene Gesundheit und das eigene Leben aber auch für die körperliche Unversehrtheit und das Leben seiner Kameraden,

b) den Erhalt und das Funktionieren der vorhandenen Einsatzmittel und Kampftechnik.

Dieses Bedrohungserleben kann sich auf eine reale oder angenommene unmittelbare Gefahr beziehen.

c) die reale Möglichkeit von Gefangenschaft und Folter.

> Bedrohungserleben

2. Hohe Dynamik von Kampfhandlungen und Gefechtslagen und damit eng verbunden Überraschungssituationen.

In Kombination mit dem möglichen Bedrohungserleben befinden sich sowohl die Soldaten als auch Führungskräfte in ständigen Entscheidungszwängen aber auch mit den damit verbundenen Konsequenzen.

Erlebte Fehler und Unsicherheiten sind nicht auszuschließen und sind neben der Angst ein ständiger „Begleiter“.

Aber auch selbst töten und zerstören zu müssen, sind Zwänge und gehören notgedrungen zum Kriegsalltag.

> Zwangserleben

3. Die andauernden Kampfhandlungen und Extreme Zerstörungen von Gesundheit, Leben und Umwelt sowie Reizüberflutung.

Diese führen zu psychophysischen Dauerbelastungen.

Hohe Widerstandskraft (Resilienz) sind gefordert und stellen die Kämpfenden immer wiederauf eine harte Probe.

Psychische und/oder physische Ausfälle bzw. psychophysisches Versagen sowohl das eigene betreffend als auch das seiner Mitkämpfer sind „Wegbegleiter“ bei Kampfhandlungen.

> Belastungserleben

4. Anhaltende Gefahrenlagen, hohe Dynamik von Gefechtshandlungen und Reizüberflutungen sind Dauerbelastungen.

Damit sind z.B. verbunden:

a) Angespanntheit,
b) Ängste (Feindberührung, Gefangeschaft und Folter, Tod, Versagen, Verwundung),
c) „Immer auf der Hut sein“,
d) Ruhe und Schlafmangel,
e) „Sich immer wieder aufraffen müssen“,
f) Tötungs und Zerstörungserleben,
g) Trennungs und Verlusterleben,
h) Unregelmäßige Abläufe,
i) Unsicherheiten.

In aller Regel führen diese Belastungen in ihrer Dauer, Komplexität und Massivität zur Erschöpfung.

> Erschöpfungserleben

GEFECHTSSITUATION Reize > SOLDAT

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Verhalten des Soldaten im bewaffneten Kampf hängt wesentlich von seiner psychophysischen Leistungsfähigkeit ab und die bestimmt seinen Ausbildungs sowie Vorbereitungsstand.

Dabei spielt die psychische Befindlichkeit des Soldaten ein erhebliche Rolle.

Bis zum Soldatsein hat dieser Mensch eine bestimmte und individuelle Biografie.

Mit Beginn des Soldatseins treffen also mitunter sehr verschiedene Biografien aufeinander und damit auch sehr verschiedene psychische und physische Leistungsparameter.

D.h. nicht alle Soldaten sind bei Eintritt in den Wehrdienst gleichermaßen psychisch stabil bzw. resilient. Dazu später.

[...]

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Krieg - Ernstfall im Kopf !?
Untertitel
Gedanken zur psychologischen Kriegsvorbereitung
Note
"-"
Autor
Jahr
2012
Seiten
36
Katalognummer
V199734
ISBN (eBook)
9783656266105
ISBN (Buch)
9783656267942
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Desensibilisierung, Konflikt, Biografie, Truppe, Adaptation, IPESS, Corporate Identidy, Kamerad, Persönlichkeit, Einstellung, Bereitschaft, Stabil, Aktiv, Labil, Mobil, Furcht, Krieg, PTBS, Trauma, Militär, Didaktik, Methodik, Ausbildung, ICD-10, Bedrohung, Zwang, Belastung, Erschöpfung, Verhalten, Kampf, Handlung, Soldat, Überraschung, Gefahr, Resilienz, Vulnerabilität, Töten, Tod, Neurose, Wissen, Können, Reiz, Flooding, Senisibilisierung, Info, Lösung, Entscheidung, Selbst, Vegetativ, Team, Schock, Risiko, Moral, Motiv, Fähigkeit, Wille, Leistung, Psychologie, Pädagogik, Psychiatrie, Störung, Angst, Therapie, Körper
Arbeit zitieren
Dipl.-paed. Peter Johr (Autor:in), 2012, Krieg - Ernstfall im Kopf !?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199734

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