Bilinguales Lernen in der Grundschule: Eine exemplarische Studie des englischsprachigen Sachunterrichts


Masterarbeit, 2012

107 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


1. Einleitung

Es scheint in den deutschen Schulen nichts Neues zu sein Sachfachinhalte auf einer anderen Sprache wie der Muttersprache zu vermitteln. Von Englischüber Französisch bis hin zu Türkisch finden sich allerlei Fremdsprachen, die in den Schulen Einzug gefunden haben, umüber nichtsprachliche Sachgegenstände aufzuklären. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass Englisch den Platz der beliebtesten Sprache für diese Art des Lernens und Lehrens einnimmt. Englisch ist die „Weltsprache“, die im integrativen Europa die Bürger zu mehrsprachigen Lernern verhelfen soll. Es gibt keinen Zweifel, dass Englisch auch in den Schulen als Fremdsprache ganz oben steht. Für den Einzelnen mag es vielleicht der Klang der Sprache sein, der reizvoll ist. Global betrachtet ist Englisch vor allem auch utilitaristisch, denn Berufe erfordern (gute) Englischkenntnisse. Aber warum ist es eigentlich die englische Sprache, die in den Grundschulen so einen Beliebtheitsgrad erlangt? Was bedeutet Englisch den Grundschülern? Können Sachinhalte auf diese Weise eventuell einfacher und nachhaltiger gelernt werden? In denöffentlichen Diskussionen stellen sich einige zunehmend gegen die traditionellen sogenannten „bilingualen Züge“1. Woher kommt das und welche Alternativen beziehungsweise Innovationen bieten sich an? Dass sich „bilinguale“ Ideen früher wie heute immer noch vermehrt in der Sekundarstufe finden lassen, sollte ebenfalls nicht verwundern. Aber auch Grundschulen und sogar vorschulische Einrichtungen befassen sich mit der Idee, fachliche Inhalte auf einer Fremdsprache zu behandeln. Doch sind „bilinguale“ Ideenüberhaupt für Grundschüler geeignet?2 Wie müssen die Themen strukturiert sein, damit auch Kinder die Sachinhalte und die sprachlichen Bausteine nachvollziehen können?

Die Form der Module hat seit geraumer Zeit einen Platz in den deutschen Schulen gefunden. Ein einfacheres, unaufwendigeres System, heißt es gegenüber herkömmlicher „bilingualer“ Konzepte. Doch ist die modularisierte Form wirklich vorteilhaft und eignen sich Moduleüberhaupt auf der englischen Sprache für die Grundschüler? Die Arbeit soll zeigen wie englischsprachige Module in der Primarstufe vorteilhaft umgesetzt werden könnten. Auf Fragen der Methodik, Inhalte, aber auch didaktischen Schwerpunkte soll eingegangen werden. Ziel dieser Arbeit ist es schließlich mit Hilfe theoretischer Grundlagen ein mögliches didaktisch- methodisches Konzept für englischsprachige Module in der Primarstufe zu erstellen. Anhand des konkreten authentischen Beispiels „food“ wird eine modularisierte Unterrichtsreihe konzipiert, die im Sinne einer integrativen Didaktik und Methodik wichtige Elemente aus dem Sachunterricht und Englischunterricht zusammenfügt. 3 Das Modul soll als Hilfestellung für Lehramtsstudenten und Lehrer verstanden werden, die sich mit Modulen auseinandersetzen. Aber auch für traditionelle Schulen, die sich für englischsprachige Module für den Sachunterricht interessieren, kann das Thema unterstützend wirken. Ziel ist nicht nur ein Praxisbeispiel zu entwickeln, sondern auch ein denkbares theoretisches Fundament grundzulegen, das im Sinne einer Verzahnung von Sache und Sprache realisiert wird. Ziel ist auch, zu evaluieren, wie das Exempel bei den Grundschülern ankommt. Ob Inhalte, Themenschwerpunkte und Vernetzungsbeispiele aus den Fächern Sachunterricht und Englisch für die integrative Modulform gefunden werden können und welche theoretischen Leitideen damit zusammenhängen, kann als Forscherfrage dieser Arbeit gesehen werden. Es geht nicht darum, „bilinguale“ Ideen allgemein darzustellen und zu diskutieren, vorherrschende Ideen wie zum Beispiel die Form der „Immersion“4 auf das Modulbeispiel in der Primarstufe zu beziehen oder gar einzutauschen. Es geht ferner auch nicht darum, gängige Praxisbeispiele aus der Sekundarstufe auf das Grundschulniveau „herunterzubrechen“. Es sollen schließlich Begründungen für eine grundschulspezifische Modulform gefunden werden, in der Sache und Sprache als gemeinsames, dynamisches und wechselseitiges „Netz“ agieren.

Die Frage nach einer eigenständigen Didaktik, einem festgelegten theoretischen Hintergrund für Module, scheint relevant und auch notwendig, da eben genau dieses theoretische Element für „bilinguale“ Ideen fehlt beziehungsweise noch längst nicht ausgebaut und differenziert worden ist. Speziell Lamsfuß-Schenk (2000), Vollmer (2002a, 2002b) und Zydatiß (2000a) haben den Aufruf zu einer „integrierten bilingualen Sachfachdidaktik“ (Lamsfuß-Schenk 2000: 78) gestartet. Breidbach hält fest, dass die vorherrschenden praktischen Impulse reflektiert und im Sinne eines konstruktivistischen Denkens weiterentwickelt werden müssen und als Konsequenz muss eine integrative Sichtweise bezogen auf die Didaktik gefunden werden. Zydatiß erklärt, dass die kognitiven Prozesse und die Begrifflichkeiten, „die für das verbale Denken im Sachfach“ (Zydatiß 2002: 37, in: Breidbach/ Bach/ Wolff) erforderlich erscheinen, die Schnittmenge einer integrierten Didaktik der Sache und der Sprache ist. Wesentlich sind also konzeptuelle Fundamente zwischen beiden Bereichen: Sache und Sprache. Anhand der eigentlichen didaktischen und methodischen Grundlagen aus den Fächern Sachunterricht und Englischunterricht für den Primarbereich, sowie den Basiselementen eine auf die Grundschule zugeschnittene Didaktik, sollen Beispiele und Kernpunkte für eine mögliche Strukturierung eines englischsprachigen Moduls abgeleitet werden. Dass es hier nicht um eine bloße Addition beider Fächer geht, sollte deutlich gemacht werden. Ein mögliches englischsprachiges Modul wird im Rahmen einer eigenerstellten Unterrichtsreihe entworfen, das in einer Grundschule durchgeführt wird. Zu erwarten ist, dass die Kinder eher durch handlungsorientierte und spielerische Methoden und Lernwege nachhaltiger lernen werden. Die inhaltlichen und sprachlichen Anteile müssen dabei aufeinander abgestimmt werden, damit die Lerner nichtüberfrachtet werden. Bezüglich Kahlert, der in seinem Werk „Der Sachunterricht und seine Didaktik“ belastbares Wissen als „eine Basis für Verständigung [...]“ (Kahlert 2005: 122) betrachtet, kann der Modulunterricht auf belastbares Wissen aufbauen, denn die Schüler können das Wissen anwenden und dies tun sie in Sprache. Schlüsselwörter wie Funktionalsprache, Arbeitssprache, Lernerautonomie oder „rich input“ sind in diesem Kontext natürlich unabdingbar: All dies bietet ein Fundament, um belastbares Wissen im Klassenraum auch anzuwenden.

Im ersten Kapitel werden theoretische Aspekte für allgemeine „bilinguale“ Ideen sowie der Module grundgelegt. Begriffe wie „CLIL“ und „LAC“ stehen im Fokus des Definitionsspektrums, während die Bezeichnung „bilingual“ in dieser Arbeit eher kritisch betrachtet wird. Darauf aufbauend sollen die Module im Vordergrund stehen und anhand bestimmter Merkmale und Formen dargestellt werden. Im Punkt 2.5. werden Module und andere „bilinguale“ Umsetzungsmöglichkeiten auf bundesländlicher Seite betrachtet und es wird ein Blick auf die vorhandenen Curricula geworfen. Im nächsten Abschnitt stehen Ziele und unterschiedliche Kompetenzen der Modularbeit im Mittelpunkt. Das Hauptaugenmerk liegt stets auf der Grundschule, auch wenn generell mehr Informationen für die Sekundarstufe in der Literatur gefunden werden können. Das Kapitel 2.7., das sich mit dem Kontinuum Grundschule bis Sekundarstufe beschäftigt, kann als Übergang zum dritten Kapitel gesehen werden. Im Zentrum des dritten Abschnittes geht es um die Grundschule und dem didaktischen Schwerpunkt. Die Problematik der „unvollendeten“

Theorie für Module eröffnet das Kapitel und wird durch beispielhafte Konzepte und Modelle von unterschiedlichen Autoren gestützt, sodass Anreicherungen für ein mögliches didaktisches Konzept gegeben werden. Der Punkt 3.2. beschäftigt sich mit der Implementierung englischsprachiger Module im Sachunterricht. Die wichtigsten Aspekte des Sachunterrichts und Englischunterrichts der Primarstufe sollen eine Begründungshilfe für didaktische Leitlinien darstellen. Prinzipien, Themeninhalte und methodische Ideen werden aus beiden Fächerdisziplinen beleuchtet, um im Nachhinein ein denkbares Fundament für eine integrative Didaktik und Methodik zu entwickeln. Zudem werden Kompetenzen und curriculare Vereinbarungen dargestellt, damit die Fächer Englisch und Sachunterricht strukturiert thematisiert werden können. Das Kapitel schließt mit einer eigenerstellten tabellarischen Übersicht ab, die eine mögliche Schnittmenge der Fächer Sachunterricht und Englischunterricht darstellt.

Die Konzeption des Sachunterrichts im englischsprachigen Modulunterricht mit Blick auf methodische Perspektiven wird im vierten Kapitel behandelt. Bevor unter anderem Begründungen, didaktisch-methodische Elemente und Ziele sowie Kompetenzen für die Unterrichtseinheit mit dem Beispiel „food“ gefunden werden, stehen eine Übersicht verschiedener geeigneter Themen und Schwerpunkte sowie didaktisch-methodische Leitlinien im Vordergrund. Die Bandbreite des Themenfeldes „food“ wird dem Leser schnell deutlich. Aspekte sind gesunde und ungesunde Ernährung, kulturelle Feste und Speisen oder der Ernährungskreis, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Thema Ernährung kann wohl nicht einfach „wahllos“ abgehandelt werden. Vor allem nicht, weil das Thema einen stark kritischen, aber auch multiperspektivischen Charakter hat. Der Ausblick „Hunger in der Welt“ macht mehr als deutlich, dass es große Unterschiede gibt: Menschen, die Essen haben und dies womöglich auch im Überfluss und jene, die hungern und auch daran sterben können. Das Thema ist tief gestrickt und bietet daher auch Anknüpfungen an weiterführenden Schulen. Schwerpunkte wie der Weg der Nahrung, die Verdauung und kritische Perspektiven wie zum Beispiel der „Gammelfleisch-Skandal“ können beispielsweise ideal in den höheren Schulstufen thematisiert werden.

Der fünfte Abschnitt beschäftigt sich abschließend mit der Evaluation des Moduls „food“. Das Modul wird in einer Grundschule durchgeführt und soll ausgewertet und interpretiert werden. Es können exemplarisch Vor- und Nachteile der modulbezogenen Arbeit geklärt werden. Aspekte wie beispielsweise Motivation und der persönliche Lerngewinn der Kinder bezüglich der Unterrichtsreihe „food“ sollen mit Hilfe eines Fragebogens für die Schüler „aufgedeckt“ und dementsprechend analysiert werden. Die Arbeit endet mit einem Schlussfazit, das zusammenfassend sowie reflektierend die Ergebnisse darstellt und versucht Anstöße für ein weiterführendes Arbeiten innerhalb der grundschulbezogenen englischsprachigen Modularisierung zu geben.

2. Grundlagen - Ein allgemeiner Überblick des auf Modulen basierten Unterrichts

2.1. Definitionsspektrum

Öffentlich werden in Deutschland in Bezug auf „bilinguale“ Formen vor allem Begriffe wie „bilingualer Sachfachunterricht“, kurz BiliSFU, „bilinguales Lernen“, „bilingualer Unterricht“, „bilinguale Erziehung“ und „Englisch als Arbeitssprache, Englisch bilingual“ (Vgl. DESI-Konsortium 2006, zitiert nach Elsner 2009: 89) diskutiert. Trotz der vielfältigen Benutzung des Ausdruckes „bilingual“, gibt es mit diesem einen kritischen Umgang. So wird der Begriff zum Beispiel auf anderen Teilen der Erde unterschiedlich gehandhabt. Im englischen Sprachraum ist unter diesem Konzept eher die soziale Eingliederung von Minderheiten oder die sprachkulturelle Eigenständigkeit zu verstehen, um die damit verbundene „Zweisprachigkeit“ zu fördern, während der Begriff sich in Deutschland eher auf eine erhöhte Fremdsprachenkompetenz bezieht (Vgl. Bach 2008: 15 in Bach/ Niemeier 2008). Nach Niemeier ist der Begriff schließlich „irreführend, weil soziologisch unpräzise, bezeichne er doch einen Unterricht, der tatsächlich vorwiegend einsprachig in einer Fremdsprache ablaufe und somit keine wirkliche Bilingualität vorzuweisen habe“ (Niemeier 2000: 28 in Breidbach 2007: 23). Hinzu kommen andere Argumente, die nicht gerade für den Einsatz des Begriffes „bilingual“ in den deutschen Klassenzimmern sprechen. Abendroth-Timmer erklärt, dass es allerlei unterschiedliche Ausprägungsformen im Zusammenhang mit dem Begriff „bilingual“ gibt, wie das Beispiel der Variabilität in der Stundenzahl, der Zielsetzungen und -sprachen, sowie der Fächerwahl zeigt (Vgl. Abendroth-Timmer 2007: 71; Vgl. Wildhage/ Otten in Wildhage/ Otten2003: 13).

In Deutschland macht sich vor allem das Konzept BiliSFU breit und darauf aufmerksam, dass die Zielsprache als Arbeitssprache in einem funktionalen Kontext unter dem Leitgedanken „learning by doing“ verstanden werden soll (Vgl. Voss in Reichel 1997: 25). Hallet bietet eine sinnvolle Definition, die nicht nur auf den Aspekt der Sprache oder des Inhaltes eingeht, sondern auch Denkprozesse und allgemeines Wissen einschließt: „Bilinguales Lernen ist [...] Weltverstehen durch die Konstruktion von Begriffen und Theorien in einer fremden Sprache“ (Hallet 2002: 123). Es soll um eine verbesserte Kommunikation gehen, um die Erarbeitung des Inhalts mit einer Fremdsprache, die dosiert eingesetzt werden soll und um „die qualitative Andersartigkeit des Gebrauchs der Fremdsprache“ (Schmid-Schönbein/ Siegismund 1998: 201, zitiert nach Bach 2008: 15 in Bach/ Niemeier). BiliSFU zielt schließlich auf eine funktionale Handhabbarkeit ab, die bildungspolitischbegründetist(Vgl. Schlemminger2006: 15-16).

BiliSFU entstand schließlich aufgrund bildungspolitischer Ideen in den 1960er Jahren. Im Zuge eines zusammenwachsenden Europas, einer „Europäisierung der Bildungspolitik“ (Breidbach 2007: 49), wurdeüber ein „bilinguales“ Konzept nachgedacht. Neben den politischen Legitimierungen waren auch die praktischen Impulse ausschlaggebend für die neuen Ideen. Der Kooperationsvertrag vom 22. Januar 1963 zwischen Frankreich und Deutschland hatüberhaupt „bilinguale“ Ideen für Deutschland möglich gemacht, denn, wie Thürmann festhält, „in dessen Folge [wurde] Ende der 60'er und Anfang der 70'er Jahre eine größere Anzahl von Schulen deutsch- französische bilinguale Klassen [eingerichtet]“ (Thürmann 2000a: 477 in Breidbach 2007: 51). Die ersten Versuche in Deutschland fanden in Rheinland- Pfalz statt (Vgl. Hermes 2003 in Hermes/ Klippel: 107). Im Vordergrund stand der Sprachunterricht im Sinne einer gemeinschaftlichen Zukunft im zusammenwachsenden Europa. Die historisch- politischen Begründungen zeigen auch, dass damals in den Anfängen vermehrt Französisch in der Schule eingesetzt wurde5, indem „Französisch nicht mehr nur als reines Kommunikationsmittel, sondern als Sprache des Partners“ (Schmid-Schönbein/ Goetz/ Hoffknecht 1994: 7) verstanden wurde. Dies hatte zur Folge, dass Schüler das deutsche Abitur und das sogenannte französische Baccalauréat erreichen konnten (Vgl. Hermes 2003 in Hermes/ Klippel: 107). Im Elysée- Vertrag erklären die deutsche und die französische Regierung die Bedeutsamkeit des Sprachunterrichts im jeweiligen Land. Es entstand die Bemühung „konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Zahl der deutschen Schüler, die Französisch lernen, und die der französischen Schüler, die Deutsch lernen, zu erhöhen“ (http://www.france- allemagne.fr/Elysee-Vertrag-22-Januar-1963,347.html (Aufgerufen: 03.11.2011, 16:55 Uhr)). Daneben hat der Vertrag von Maastricht, der am 1. November 1993 in Kraft trat, ebenfalls zu einem Bewusstsein der Mehrsprachigkeit, besonders in Bezug auf die Benutzung der englischen Sprache als funktionale Arbeitssprache, beigetragen. In diesem Zusammenhang spielt vor allem der Lingua- franca- Aspekt eine wesentliche Rolle6 (Vgl. Breidbach 2007: 53). Seidlhofer setzt sich genau mit dem Terminus „English as a lingua franca“, kurz ELF, auseinander. In ihrer Definition macht sie auf den Kommunikationsaspekt aufmerksam, auf die „contact language“:

“In recent years, the term ‘English as a lingua franca’ (ELF) has emerged as a way of referring to communication in English between speakers with different first languages. Since roughly only one out of every four users of English in the world is a native speaker of the language (Crystal 2003), [...] what is distinctive about ELF is that, in most cases, it is ‘a ‘contact language’ between persons who share neither a common native tongue nor a common (national) culture, and for whom English is the chosen foreign language of communication’ (Firth 1996: 240)”(Seidlhofer, Barbara (2005) ‘English as a Lingua Franca’.: 339. In: ELT Journal 59/4 (on-line). 6 Jun. 2008.<http://eltj.oxfordjournals.org/cgi/reprint/59/4/339.pdf>)

Wo sich in Deutschland der Begriff „bilingual“ durchgesetzt hat, setzt sich auf europäischer Ebene seit Anfang der 1990er Jahre der Begriff „Content and Language Integrated Learning“ (CLIL) durch, der von der Europäischen Kommission geprägt ist (Vgl. Elsner 2010 in Grundschulmagazin Englisch). Auch das Kürzel EMILE, „Enseignement d’une Matière par l’intégration d’une Langue Etrangère“ findet sich im Zusammenhang mit CLIL (Vgl. Breidbach 2007: 26). Aus der 2661. Tagung des Rates Bildung, Jugend und Kultur von 2005 geht hervor, „dass der fremdsprachliche Fachunterricht (EMILE), d.h. dass Schüler ein nichtsprachliches Fach in einer Fremdsprache erlernen, einen wesentlichen Beitrag zu den Sprachlernzielen der Union leisten kann“ (http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=PRES/05/118&format=HTML& aged=1&language=DE&guiLanguage=en (Aufruf: 23.12.2011, 23:12 Uhr)). Hier wird auf die Kombination von Inhalt und Sprache aufmerksam gemacht. Das Konzept CLIL versteht die Fremdsprache als ein Werkzeug, das im nichtsprachlichen Sachfach eingesetzt wird, um bestimmte Inhalte zu vermitteln. Daher kann von einer Instrumentalisierung der Sprache zur Vermittlung der Sachfachinhalte die Rede sein. Er wird auch als Oberbegriff für verschiedene Formen inhaltsorientierten Fremdsprachenlernens bezeichnet. Darunter fallen Begriffe wie “immersion, bilingual education, content-based language teaching, and teaching content through a foreign language“ (Hartiala 2000: 13, zitiert nach Bosenius in Bonnet/ Breidbach 2004: 65). Dieser integrierte Sprach- und Sachfachunterricht legt den Schwerpunkt auf den Inhalt anstatt auf linguistische und formale Aspekte (Vgl. Hartiala 2000: 13, zitiert nach Bosenius in Bonnet/ Breidbach 2004: 65). Der CLIL- Begriff zeichnet ein deutlicheres Bild als das Konzept „bilingual“ ab. Der Fremdsprachenunterricht an Schulen, die CLIL umsetzen, erfolgt zum einen im CLIL Unterricht selbst, da dieser integrierter Sprach- und Sachfachunterricht ist, zum anderen wird zusätzlich ein „normaler“ Fremdsprachenunterricht angeboten. CLIL eignet sich für alle Schulformen und für alle Jahrgangsstufen, wobei die Umsetzung in Deutschland momentan häufiger in der Sekundarstufe erfolgt (Vgl. Wolff in: http://www.goethe.de/ges/spa/dos/ifs/cdl/de2747735.htm (2009) (Aufgerufen: 10.10.2011, 18:50 Uhr)).

Der Begriff „Language Across the Curriculum“ oder auch LAC besteht schon seit den späten 1970er und den frühen 1980er Jahren und hat seinen Ursprung in Großbritannien. Auch andere Konzepte wie beispielsweise „Culture and Languages Across the Curriculum (CLAC), Foreign Languages in the Curriculum (FLIC), Content Based Instruction (CBI), Content Based Language Teaching (CBLT)” (http://languagesacrossthecurriculum.com (Aufruf: 23.10.11, 18:54 Uhr)) sind verwandt mit der LAC- Variante. LAC ist nach Bruce Hall „a term for school and college courses that allow students to study a foreign language or apply pre-existing knowledge of a foreign language outside of traditional language­learning classrooms” (Ebd.). Im sogenannten “Bullock Report” heißt es: “Each school should have an organised policy for language across the curriculum, establishing every teacher’s involvement in language and reading development throughout the years of schooling.” (DES 1975: 514). Nach Wolff kann LAC „indirekt auch für den CLIL- Unterricht eine didaktische Grundlage“ (http://www.goethe.de/ges/spa/dos/ifs/met/de2747826.htm (Aufruf: 23.10.11, 18:37 Uhr)) darstellen und Thürmann weist daraufhin, dass sich der LAC- Gedanke in Verbindung mit dem Ansatz des “whole school approach” realisiert, indem er auch “die Notwendigkeit eines ganzheitlichen fächerübergreifenden und fächerverbindenden Zugangs“ (Thürmann 2008 in Bach/ Niemeier: 86) erkennt. Auch Vollmer fordert ein fächerübergreifendes Konzept:

„Wir brauchen sicherlich einen fächerübergreifenden Diskurs und eine stärkere Koordinierung von sprachlichem und von sachfachlichem Lernenüber alle bisherigen Fachgrenzen hinweg, die Entwicklung eines Ansatzes von language across the curriculum und eine fundamentale Neubestimmung des Gesamtcurriculums unter integrativen, kognitiven, allgemein sprachfördernden Gesichtspunkten“ (Vollmer 2008: 57 in Bach/ Niemeier).

Nach Vollmer ist Sprache mehr als Kommunikation und bezieht immer auch kognitive Aspekte und Denkprozesse mit ein.7 Das Konzept zielt darauf ab, Unterricht immer auch als Sprachunterricht zu verstehen und darauf, dass Sprachunterricht immer auch Lernen bedeutet. Sprachliche Gegebenheiten sollen fortwährend bewusst gemacht und reflektiert werden. Grundsätze des LAC sind vor allem Folgende:

,, 1. Language develops mainly through its purposeful use (domains to be broadened)
2. Learning often involves talking, writing, shaping and moving (in reaction to perceptions)
3. Learning often occurs through speaking or writing as much as shaping and moving
4. Language use contributes to (is a prerequisite for) cognitive development
5. Language is medium for reflecting learning” (http://www.coe.int/t/dg4/linguistic/Source/Vollmer-ppt.pdf (2006))

Zum BiliSFU gehören bilinguale Züge, bilingualer Unterricht und bilinguale Module8. Seit ca. 2000 gibt es neben den gängigen Formen „bilingualer“ Unterrichtsideen Module, die in Österreich ihren Ursprung finden. Sie können als kürzere und flexiblere Unterrichtsphasen definiert und als innovative Ideen gegenüber den traditionellen Zweigen verstanden werden, die auch in mehreren Sprachen stattfinden können. In diesem Kontext wird von „mehrsprachigen Modulen“ gesprochen (Krechel 2003: 194 in Wildhage/ Otten). Abendroth-Timmer unterscheidet zwischen einer strukturellen und einer inhaltlichen Definition. Die erste bezieht sich auf die Zielsetzung der Chancengleichheit, wobei das Modulkonzept als sinnvoll für Schüler mit wenig Sprachmotivation verstanden werden kann, während die zweite Definition Module als eine Art der Materialsammlung von einem Repertoire an Bildern, Texten, etc. versteht. In diesem Zusammenhang werden didaktische Hilfen bereitgestellt und begleitete Aufgabenstellungen, in der Regel in zwei Sprachen, die für den Unterricht genutzt werden können, geliefert. Dabei werden Themeninhalte größtenteils aus den Kerncurricula des Sachfaches gezogen und die Aufgabenstellungen ähneln derer im Sachunterricht (Vgl. Abendroth-Timmer 2007: 74).

2.2. Sprachen in europäischer Bildungsperspektive - Legitimierung der englischen Sprache

Spracherwerbsforscher stellen fest, dass wirkliche Motivation fur Lernprozesse und Lernaktivierung im Kontext von Fremdsprachen auch außerschulisch stattfinden kann und daher eine Sprache nicht nur im institutionellen Rahmen einer Schule bleiben sollte. Besonders befürwortet werden Nachbarländer und Sprachen, die in der Lernumgebung der Kinder Vorkommen. Die englische Sprache nimmt heute vermehrt in der kindlichen Lebenswelt einen Platz ein. Die Schüler kennen Begriffe aus dem englischen Raum, die in Deutschland ebenfalls Verwendung finden. Die Beispiele reichen von dem Bereich Essen und Ernährung wie „ketchup“, „hamburger“ und „joghurt“ bis hin zu Vokabeln, die die Tierwelt betreffen und deutliche Ähnlichkeiten zur englischen Wortfamilie darstellen, wie die Beispiele „crocodile“, „mouse“ oder „penguin“ zeigen. Wörter wie „mountainbike“, „gameboy“ oder „shirt“ kommen direkt in der alltäglichen Welt der Kinder vor.9 Die Erkenntnisse weisen daraufhin, dass das Kind bereits eine Menge englischer Wörter kennt und vieles gar nicht so „fremd und weit weg“ erscheint. Die Schüler können „nun bewusst von der bisher unbewussten Kenntnis profitieren“ (Schmid-Schönbein 2008: 24). Schmid- Schönbein weist auf die englische Sprache und ihre Funktion für die Lebenswelt der jungen Menschen hin:

„Kinder sind bereits für beträchtliche Zeit durch die Medien, die Werbung, den Sport, und die Umgangssprache umgeben gewesen von Anglizismen und reinen englischen Lexemen in einer Fülle, die nur durch exakte empirische Untersuchungen erfasst werden kann“ (Ebd.: 21).

Auch die lernpsychologischen Voraussetzungen spielen eine wichtige Rolle. Zydatiß spricht von „window of opportunity“ (Zydatiß 1999: 198) und erklärt, dass die Schüler bis zu ihrem zehnten Lebensjahr besonders gut und nachhaltiger lernen (Vgl. ebd.). Durch die deutliche Zunahme von englischsprachigen Angeboten im Schulsystem, bekommt auch Englisch als „lingua franca“ einen immer größer werdenden Stellenwert. Es gibt bis zu einer Milliarde Menschen, die das Englische als Muttersprache, als Lingua franca im beruflichen und bildungsspezifischen Sektor sowie für das Privatleben verwenden. Der Stellenwert eines internationalen Kommunikationsmittel scheint eindeutig (Vgl. Hämmerling 2008: 30 in Thillm 2008). Insgesamt betrachtet kann von einer „Demokratisierung bilingualer Angebote“ die Rede sein. Zu diesem Aufschwung, der vor allem einen verbesserten Zugang zu „bilingualen“ Projekten für die Schüler darstellt, hat die Fremdsprache Englisch deutlich beigetragen. (Breidbach 2002: 23 in Breidbach/ Bach/ Wolff 2002). Nicht nur die hohe Anzahl der englischen Muttersprachlern, auch das frühe Verfassen in großen Mengen von englischsprachigen wissenschaftlich ausgerichteten Werken zeigt deutlich, wie vorherrschend Englisch ist (Vgl. Lottes 2008: 4).

Andere Autoren sprechen sich positiv für das Französische als erste Fremdsprache aus. Petit argumentiert, dass die erste Fremdsprache eine Sprache sein sollte, „die maximal mit der LI10 der Kinder kontrastiert“ (Petit 2006: 52 in Schlemminger 2006). Die Kontrastivität zeigt sich vor allem in einem geistigen Zugewinn. Wer der französischen und deutschen Sprache mächtig ist, kann einfacher das Englische lernen. Die Bereiche Phonetik und Grammatik der deutschen Sprache können später simpel auf das Englische transferiert werden. Lexikalisch betrachtet „ist das englische Vokabular ausgehend vom germanischen und romanischen Wortschatz spielend zu erschließen“ (Ebd.: 54).11

2.3. Charakteristika

Module, die zeitlich sowie thematisch befristete Unterrichtsphasen sind (Vgl. Carl/ Fehling/ Hämmerling 2006), zeichnen sich besonders durch ihren flexiblen Charakter aus. Sie können regelmäßig im Unterricht oder nur in bestimmten Unterrichtsphasen einen Platz finden (Vgl. Abendroth-Timmer 2007: S. 74). Nach der KMK benutzt die Mehrheit der Schulen die Form der Module für den Einstieg, der sich zeitlich auf „weniger als ein [...] Schuljahr, aber ggf. durchaus [auf mehrere] Jahre“ (KMK 2006: 12) beschränken kann. Nach ThILLM werden die Module in der Regel in einem kürzeren Zeitfenster als eine Woche angeboten „mit den Stunden von mindestens einem Sachfach sowie des Faches Englisch, falls der Sachfachlehrer nicht in der Fremdsprache unterrichten kann“ (http://www.thillm.de/thillm/abs/sprachen/bili/bili_einfuehrg.html (Aufgerufen: 02.11.2011, 12:18 Uhr))“. Die Klassenstufen 8 bis 10 stellen den Regelfall für Module dar. (Vgl. ebd.). Module müssen von traditionellen bilingualen Formen abgegrenzt werden und dienen dazu, den kontinuierlichen „bilingualen“ Unterricht zu erweitern und zu unterstützen. Sie sind im Gegensatz zu den Zügen weniger organisatorisch beziehungsweise bürokratisch aufwendig (Vgl. Wildhage/ Otten in Wildhage/ Otten 2003: 17). Durch ihre hohe Flexibilität können sich Schüler und Lehrer 12 einfacher an die neuen Gegebenheiten gewöhnen und sie bieten demnach „die größten Möglichkeiten zur inhaltlichen und organisatorischen Ausgestaltung“ (http://www.thillm.de/thillm/abs/sprachen/bili/bili_einfuehrg.html (Aufgerufen: 25.10.2011, 13:57 Uhr)). Zudem erfolgt die Nutzung der Module freiwillig. Die Schule gewinnt schließlich an Profilierung sowie einen variationsreichen Schulalltag (Vgl. ebd.). Die modularisierte Form wird auch an Regelschulen praktiziert, ohne, dass dort „bilinguale Zweige“ etabliert sind. Dies bezieht sich auch auf zeitlich befristete Projekte oder Arbeitsgemeinschaften (Vgl. Krechel 2001, zitiert nach Elsner 2010:3in Grundschule).

Ein weiteres Merkmal ist das fächerübergreifende und fächerverbindende Lernen. Dieses ist in der Modulform deutlicher ausgeprägt als in den eigentlichen Zügen. Beim fächerübergreifenden Lernen werden mindestens zwei Sachfächer miteinander kombiniert. Im Modul sollen ähnliche Fächer, „wie z.B. Biologie und Chemie“ (http://www.thillm.de/thillm/abs/sprachen/bili/—bili_einfuehrg.html (Aufgerufen: 02.11.2011, 11:56 Uhr)) berücksichtigt werden oder es soll ein sogenannter Kernbereich miteinbezogen werden, um eine Kooperation stattfinden zu lassen.

Nach Abendroth-Timmer stehen beim modulbasierten Unterricht vor allem Binnendifferenzierung und Lernerzentrierung im Mittelpunkt. Aber auch das problemhaltige Lernen charakterisiert den Modulunterricht. Die Schüler sollen Strategien und Techniken entwickeln. Damit einher gehen die Begriffe language awareness und language learning awareness 13 (Abendroth-Timmer 2007: 98).

Negativpunkte der Modularbeit ergeben sich vor allem aus den fehlenden empirischen Ergebnissen. Der Mangel an Materialien und der dadurch entstehende Zeitfaktor auf Lehrerseite ist eines der immer wieder genannten Schwierigkeiten der Arbeit mit Modulen. So geht die Durchführung von Modulen, besonders auch zu Beginn der Arbeit, auf Lehrerinitiativen zurück (Vgl. KMK 2006: 12). Mit Blick auf die historischen Beweggründe entstand „bilingualer“ Unterricht aufgrund von praktischen Begebenheiten. Auch heute wird zu viel auf praktische Aspekte geblickt, viel zu wenig auf theoretische Konzepte. Ein spezifischer theoretischer Rahmen für das Modullernen an Grundschulen fehlt und die curriculare Einbindung erweist sich als Problematik (Wildhage/ Otten in Wildhage/ Otten 2003: 15). Auch weil Autoren wie Elsner (2010) oder Bechler (2010) sinnvolle Beiträge zum integrierten Sprach- und Sachfachlernen für die Primarstufe vorweisen und einige Materialien zustande kommen, könnte sich in Zukunft ein noch ausdifferenzierteres Bild finden lassen. Obwohl eine erhöhte Fremdsprachenkompetenz als Ziel genannt wird, tauchen Defizite „in den Bereichen Wortschatz, Redemittel, Umgang mit authentischen Materialien und mündliche Kommunikationsfähigkeit“ (Krechel in Wildhage/ Otten 2003: 198) auf. Diese Schwierigkeiten ergeben sich vermutlich aus der mangelnden fachlichen und sprachlichen Adäquatheit (Vgl. ebd.). Das Problem im Grundschulbereich geht darauf zurück, „dass ein primär auf das sachfachliche Lernen fokussierte Konzept, wie es z. B. für Erdkunde oder Geschichte auf Englisch in der Sekundarstufeüblich ist, für das bilinguale Lernen in der Grundschule nicht geeignet erscheint“ (Elsner 2010: 3 in Grundschulmagazin Englisch).

Auch Zydatiß macht darauf aufmerksam, dass „selbst aus der Perspektive des immersiven Unterrichts [...] bestimmte Inhalte „[...] ohne sprachliche Kenntnisse [...] einfach nicht bewältigt werden“ (Zydatiß 2000: 176, zitiert nach Elsner 2010: 3 in Grundschulmagazin Englisch) können. Sprachliche Voraussetzungen werden erst aufgebaut und entwickelt. Somit kann „bilinguales“ Lernen in der Primarstufe nur in kürzeren Unterrichtssequenzen oder mittels abgeschlossener Unterrichtseinheiten innerhalb eines Faches oder mit mehreren Fächern durchgeführt werden.

2.4. Formen der Umsetzung der Module

Die Frage nach den Umsetzungsmöglichkeiten der Module geht mit dem Problem einher, dass für die Arbeit mit den neuen flexiblen Formen kein spezifisches didaktisches und methodisches Konzept vorhanden ist.

Breidbach erklärt, es gebe „weder eine theoretisch noch eine empirisch fundierte und ausgearbeitete Theorie des bilingualen Sachfachunterrichts“ (Breidbach 2007: 35). Es ist zwar eine Vielfalt an Angeboten einschließlich bestimmter Inhalte und Organisationsmodellen vorhanden, aber bisher dominierten die praktischen Impulse (Vgl. Werlen in Schlemminger 2006: 205). Wolff hat mit Nachdruck eine Theorie betont, die vor allem das pädagogische Handeln in „bilingualen“ Kontexten strukturieren und stärken muss. Breidbach fordert, dass an den Theoriegedanken nicht nur pädagogische und didaktische Experten Anteil nehmen, sondern auch dieöffentlich-politischen Instanzen Verantwortung tragen müssen. Es geht nicht darum, dass die praktischen Ideen lediglich ein theoretisches Konstrukt „übergestülpt“ bekommen oder dass die Praxis gegenüber der wissenschaftlichen Ebene als „minderwertiger“ angesehen wird. Wie Breidbach es treffend formuliert: „Insofern soll und kann die Forderung nach verstärkter Theoriebildung die Praxis nicht diskreditieren, sondern soll und muss ihren Platz im Zusammenspiel mit dieser ausfüllen“ (Breidbach 2007: 35). Diese theoretische Grundlage muss auch curricular gefestigt werden und zudem muss die Lehrerbildung ebenfalls ausgearbeitet werden, denn auch der Bereich der Materialentwicklung bedarf eine noch differenziertere Gestaltung, damit „dauerhaft ein angemessener Standard gesichert werden [kann]“ (KMK 2006: 12).

Trotz dieser „Theoriearmut“ lassen sich einige Exempel für theoretische Leitlinien und Umsetzungsmodelle für die Modularbeit finden. Schon seit Beginn der 1990er Jahre wird versucht theoretische Grundlagen in die Wege zu leiten, wie etwa das Kultusministerium NRW, das 1994 Empfehlungen für den „bilingualen“ deutsch- englisch Unterricht veröffentlicht hat (Vgl. Werlen in Schlemminger 2006: 205). Das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, kurz „ThILLM“, macht auf die Vielfalt des Einsatzes der Module aufmerksam. Es lassen sich unterschiedliche Formen, „Ideen, Inhalte, Fächer oder Fächerkombinationen und Organisationsmodelle, die jeder Schule ihren eigenen Einstieg, ihr[e] eigene Variante ermöglichen“ (http://www.thillm.de/thillm/abs/sprachen/bili/bili_einfuehrg.html (Aufgerufen: 02.11.2011, 10:50 Uhr)), finden. Es gibt nach ThILLM zwei typische Organisationsformen, in die sich Module besonders vorteilhaft eingliedern. Einerseits gibt es das CLIL- Modell, in dem kleinere Projekte angeboten werden können, die zeitlich befristet sind und in der Fremdsprache stattfinden. In diesem Beispiel arbeiten die Englischlehrer mit den Sachfachlehrern zusammen und führen den Unterricht gemeinsam durch. Die Unterrichtsvorbereitung findet folglich gemeinsam statt und das Modul wird demnach gemeinschaftlich entwickelt und durchgeführt. Andererseits gibt es die phasenweise Erarbeitung von Fachinhalten mit Hilfe der Arbeitssprache. In diesem Fall unterrichtet ein Lehrer, der ein Sachfach und die Fremdsprache unterrichten darf, das Sachfach in der Zielsprache.14 Die Vorbereitung sowie die Modulentwicklung und -durchführung erfolgt durch den einzelnen Lehrer (Vgl http://www.thillm.de/thillm/abs/sprachen/bili/bili_einfuehrg.html (Aufgerufen: 12.11.2011, 17:13 Uhr)).

Krechel hat in seinem Aufsatzüber Module einige Formen aufgelistet, die in den deutschen Schulen angeboten werden. Zum einen lassen sich imüblichen Fachunterricht „epochale Unterrichtsphasen mit einer Fremdsprache oder mehreren Fremdsprachen als Arbeitssprache [finden]“ (Krechel in Wildhage/ Otten 2003: 195), die in vielen Fächern realisiert werden können. Zum anderen gibt es Einheiten des „berufsbezogenen Fremdsprachenlernens“ (Ebd.) sowie fremdsprachliche Arbeitsgruppen, die sich auf den Fachaspekt beziehen und Projekte, dieüber ein Fach hinausgehen und sich vor allem auf das Inhaltliche konzentrieren. Hierunter fallen beispielsweise außerschulische Aktivitäten wie der Besuch einer Schule im Ausland. Neben diesen primär inhaltlich orientierten Projekten gibt es auch solche, die sich auf bestimmte Methoden konzentrieren und das Ziel verfolgen, den Schülern bestimmte „sprachliche Fertigkeiten (skills)“ (Ebd.) nahe zu bringen. Mit diesen skills sollen die Schüler zum Beispiel Unterrichtsbeobachtungen in der Zielsprache aushandeln. Außerdem geht Krechel auf den Typus der „[grenzüberschreitenden] Projekte“ (Ebd.) ein. Hier können die Schüler beispielsweise neue Medien wie das Internet nutzen, um mit anderen Schülern einer fremden Kultur in Kontakt zu treten. Krechel schließt auch Begegnungen mit Schülern anderer Nationen nicht aus. Mit dieser Form soll die Fremdsprache als Arbeitssprache gezielt eingesetzt werden (Vgl. ebd.).

Abendroth-Timmer erklärt, dass für Module heterogene Klassen vorausgesetzt werden und die Arbeit eher auf einer rezeptiven Ebene verläuft. So müssen stets die unterschiedlichen sprachlernspezifischen Voraussetzungen der Kinder im Sinne bestimmter Modelle wie das Begegnungssprachenmodul15 oder das Sprachmittlermodul16, berücksichtigt werden (Abendroth-Timmer2007: S. 75, 76).

2.5. Verankerung in den Curricula und Lehrplänen

Bilinguale Züge werden in allen deutschen Bundesländern angeboten, allerdings gibt es dahingegen in „Bremen, Rheinland-Pfalz [und] Sachsen-Anhalt“ (KMK 2006: 14) keine Module. Auch im beruflichen Sektor werden die flexiblen Einheiten im Kontrast zu den Zügen vermehrt durchgesetzt (ebd.). „Bilinguale“ Unterrichtsmodelle, einschließlich der Arbeit an Modulen, werden in manchen Bundesländern auch an Grundschulen durchgeführt. Beispielländer sind neben Baden- Württemberg, Berlin und Hamburg, auch Hessen, Nordrhein- Westfahlen, Rheinland- Pfalz, Saarland, Sachsen und Schleswig- Holstein17 (Vgl. ThILLM 2008: 8).

Die Bundesländer Baden- Württemberg 18 und Thüringen eignen sich in besonderer Weise für die exemplarische Darstellung der Modulform im Schulalltag. Die Modularbeit in Thüringen soll im Folgenden näher beschrieben werden.

Im Land Thüringen befinden sich an den Primarstufen Sprachen wie „Englisch, Französisch, Russisch und Italienisch“ (ebd.) und demnach kann Thüringen als sprachoffen charakterisiert werden. Die wesentlichsten Ziele der Modularbeit werden versucht in Thüringen anhand der modularisierten Form umzusetzen. Die Schüler sollen positive Erfahrungen mit der fremden Sprache sammeln und auch lebenslang einen positiven Umgang mit der Fremdsprache erlernen. Ziele wie Mehrsprachigkeit und interkulturelles Lernen stehen auch hier im Fokus. Ebenfalls werden Weiterbildungsprogramme für Lehrer in Thüringen großgeschrieben. Da besonders Englisch vermehrt in der Grundschule durchgeführt wird, „wurde im November 2002 eine Kooperationsvereinbarung mit dem Thüringer Volkshochschulverband e.V. geschlossen, die eine flächendeckende Weiterbildung der Grundschullehrer in Englisch ermöglicht“ (Ebd.). Das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien bietet seit 2004 Hilfeleistungen für die modularisierte Umsetzung in Form der Arbeitsgemeinschaft Bilinguale Module, AG BilMod. In den Klassen neun und zehn soll ab spätestens 2013/ 2014 die erste Fremdsprache mittels bilingualer Module, mit 50 verbindlichen Unterrichtsstunden, unterrichtet werden (Vgl. http://lakk.bildung.hessen.de/netzwerk/faecher/bilingual/aktuelles/bili- news/news_item_1250431215.html (Aufruf: 25.11.2011, 17:15 Uhr)). Die „AG BilMod“ bietet zum Beispiel Unterstützung bei Fortbildungen im Bereich der Modularisierung an, ebenso wie Hilfen bei der Planung der flexiblen Unterrichtseinheiten. Zudem werden in der „AG BilMod“ auch Materialien gesammelt und veröffentlicht, die sich für die Modularbeit eignen. Außerdem informiert die Arbeitsgemeinschaftüber neue Veröffentlichung wie beispielsweise praktische Umsetzungsmöglichkeiten für den Schulalltag. Darüber hinaus hilft die Institution bei Kooperationen und Lehreraustausch (Vgl. http://www.schulportal-thueringen.de/web/guest/bilinguales_lernen/— bilinguale_module (Aufruf: 27.11.2011, 17:37 Uhr)).19 2007 hat „das Projekt „Bilinguale Module an Thüringer Schulen“, das die vom Europarat formulierten Qualitätskriterien in der Praxis für Englisch als Lingua franca realisiert“ (Thillm 2008: 5) bei dem Wettbewerb „Projekte aus dem Bereich der Aus- und Fortbildung für Lehrkräfte, die Fremdsprachen oder ein Sachfach in einer Fremdsprache unterrichten“, positive Rückmeldungen erhalten und leistet einen sinnvollen Beitrag für andere Umsetzungsalternativen im bilingualen Bereich (Vgl. ebd.).

2.6. Zielkatalog und Kompetenzen

Werlen geht darauf ein, dass die Ziele der integrierten Sprach- und Sacharbeit vor allem sozio- politisch definiert sind (Vgl. Werlen in Schlemminger 2006: 199). In der Literatur wird alsübergeordnetes Ziel der Modularbeit die Mehrsprachigkeit genannt. Immer wieder taucht die Forderung nach der Öffnung von Sprachen auf. In dem Kontext der Mehrsprachigkeit muss die Fächervielfalt vergrößert und idealerweise sollten mehrere Sprachen eingesetzt werden (Vgl. Krechel in Wildhage/ Otten 2003: 194). Auch Abendroth-Timmer erwähnt das Ziel der Mehrsprachigkeit für die Modularbeit und weist auf Kemmeter hin, die den Begriff durch den der „Multilingualität“ austauscht. Für sie ist Multilingualität „die passive und/oder aktive Simultan-Präsenz von beliebig vielen lexikalischen Elementen verschiedener Sprachen und Varietäten in einem Sprecher­Individuum (Kemmeter 1999: 53 in Abendroth-Timmer 2007: 71). Mehrsprachigkeit ist nach Kemmeter „eine quantitative Steigerung“ (Abendroth-Timmer 2007: 71) im Sinne unterschiedlicher Sprachen. Bezogen auf den schulischen Alltag stehen aber eher „lebensweltlich [mehrsprachige] Schülerinnen und Schüler“ im Fokus (Abendroth-Timmer 2007: 71). Nach Hu ist diese lebensweltliche Mehrsprachigkeit Sprachhandeln für das gewohnte Leben und das individuelle Erleben der subjektiven Sprachlichkeit (Vgl. Hu 2003: 39, zitiert nach Abendroth-Timmer 2007: 71, 72). Auch Werlen versucht die Mehrsprachigkeit zu definieren und erklärt, dass Schüler lernen sollen in der Fremdsprache zu kommunizieren und dieser positiv und folglich selbstbewusst begegnen sollen (Werlen in Schlemminger 2006: 203). Er geht auch auf die Begrifflichkeit des interkulturellen Lernens ein, ebenfalls ein Hauptziel der Modularbeit. Es wird deutlich, dass Mehrsprachigkeit und interkulturelles Interesse wesentlich zusammenhängen. Der Europarat macht darauf aufmerksam, dass CLIL eine sinnvolle Methode darstellt, um, im Sinne der Mehrsprachigkeit, unter anderem Kinder mit Migrationshintergrund interkulturell zu integrieren. Auch aus dem „Berichtüber die Integration von Einwanderern durch mehrsprachige Schulen und Unterricht in mehreren Sprachen“ geht hervor, dass eine echte und mehrsprachige Integration auch interkulturell ist, „da das Ergebnis der Interaktion sehr viel mehr ist als nur die Summe bzw. die Aneinanderreihung der interagierenden Elemente“ (Portas 2005: 8). Die Kinder sollen im Kontext der interkulturellen Dimension einen Zugang zu kulturellen Unterschieden finden (Vgl. Krechel in Wildhage/ Otten 2003: 195), indem sie auch anderen Kulturen und anderen Völkern Toleranz, Respekt und Empathie entgegenbringen. Nach Werlen entsteht bei den Grundschülern eine „two-way bilingual education“ (Werlen in Schlemminger 2006: 202). Die Schüler bevorzugen nicht primär Kinder aus dem eigenen Herkunftsland, sondern nehmen auch ausländische Mitschüler für beispielsweise bestimmte freizeitliche Aktivitäten auf (Vgl. ebd.: 203). Die Kinder entwickeln einen Perspektivenwechsel und durch den Vergleich der eigenen Kultur mit der anderen, werden subjektive Erfahrungen getätigt, eigene Werte und Normen möglicherweise noch einmalüberdacht und das Vorwissen wird reflektiert (Vgl. http://www.thillm.de/thillm/abs/sprachen/bili/bili_einfuehrg.html (Aufgerufen: 02.11.2011, 17:00 Uhr)).

Bei der Arbeit zum Schulbegleitforschungsprojekt an der Universität Bremen durch Abendroth-Timmer werden einige Ziele genannt, die auchübergreifend für die Modularbeit als allgemeine Zielsetzungen definiert werden können. Auch wenn Abendroth-Timmer sich eher auf Schüler der Sekundarstufe bezieht, können einige Ziele auch für Grundschüler als geeignet gelten:

- „Öffnung der Sachfächer im Hinblick auf die europäische Vielfalt der Kulturen und W issenstraditionen
- Einbeziehung aller Schülerinnen und Schüler und individuelle Förderung durch Binnendifferenzierung
- Entwicklung standortspezifischer Varianten bilingualen Lernens, die kurzfristig und ohne strukturelle Änderungen umsetzbar sind

[...]“ (Abendroth-Timmer 2007: 21)

Besonders die Öffnung der Sachfächer wird vermehrt im Primarstufenbereich umgesetzt. Oftmals wird der eigentliche 45 Minutenrhythmus nicht so strikt eingehalten und Inhalte werden facherverbindend gelernt. Das Ziel des inter-/ transkulturellen Lernens findet sich eher im Sekundarbereich. Im Grundschulbereich ist vielmehr von multikulturellem Lernen die Rede.

Bei dem Versuch weitere Zielkategorien zu bilden, sollten Aspekte wie Language Awareness (Sprachbewusstsein) und Language Learning Awareness (Sprachlernbewusstsein) miteinbezogen werden. Der Begriff Language Awareness20 findet im Vereinigten Königreich seinen Ursprung. Der „Bullock Report - A Language for Life“ (1975), der auch auf die Bedeutsamkeit des Language across the Curriculum hingewiesen hat, hat „erhebliche Mängel und Probleme im Bereich des Englischen als Muttersprache im Kontext von gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit und Multikulturalität festgestellt.“ (Sauer 2006: 3). Die “Association for Language Awareness” versteht unter diesem Konzept „explicit knowledge about language ... conscious perception and sensitivity in language learning, language teaching, and language use.” (Vgl. ebd.). Nach Hawkins geht es inhaltlich unter anderem um diese Fragen:

„What makes human language so special?

Can we communicate without words?

How do we use language?

How are languages learned by the baby and in school?

Is written languagejust written speech?

Is learning to read in English harder than in other languages?

How many languages are spoken in our country today?

What similarities are there between languages?

Where did our language come from, how has it changed and how is it changing?” (Sauer 2006: 3, nach Hawkins 1984: im Vorwort)

Fehling21 unterscheidet in Anlehnung an Carl James und Peter Garrett (1991) in ihrer Dissertation „Language Awareness und bilingualer Unterricht“ von 2005 fünfunterschiedliche Dimensionen dieser Language Awareness, wobei die kognitive Dimension die herausragendste Stellung einnimmt, geht es hier schließlich um Sprachlehren und -lernen im schulischen Kontext und die unmittelbare Planung und Steuerung dieser (Vgl. Sauer 2006: 3).

Das Konzept Language Awareness bildet schließlich das Fundament für das Erkennen individueller Fortschritte beim Lernen der Zielsprache. Mit dieser Erkenntnis geht der Begriff der Language Learning Awareness, der Sprachlernbewusstheit oder Sprachlernfähigkeit, einher. (Vgl. Mindt/ Wagner 2009: 206). Language Learning Awareness ist ein gängiger Begriff in der Fachdidaktik und teilweise curricular verankert. Es bleiben stets noch viele Fragen offen „wie weit ein explizites Wissenüber Lerntechniken, Lernstrategien tatsächlich auch den Sprachlernprozess unterstützt.“ (Sauer 2006: 3). Obwohl beispielsweise Gnutzmann gute Ideen liefert, fehlen im Kontext des Sprachbewusstseins empirische Ergebnisse. Für Gnutzmann lassen sich unter diesen Begriffen „Entwicklungen in der Fremdsprachen- und Muttersprachendidaktik, der Sprachlehr- und -lernforschung sowie der Zweitsprachenerwerbsforschung subsumieren [...], denen gemeinsam ist, dass sie als Ablösung eines behavioristisch geprägten Paradigmas und als Ausdruck einer kognitiven Neuorientierung in ihren jeweiligen Disziplinen zu verstehen sind ...“ (Gnutzmann 2003: 335 in Bausch et al. 2003).

Die kognitive Neuorientierung ist ein Schlüsselbegriff. Sauer erklärt, „dass die verstärkte Nutzung der kognitiven Fähigkeiten der Lernenden geeignet ist, gesetzte Ziele beim Erlernen von Fremdsprachen besser zu erreichen.“ (Sauer 2006: 4). Bezogen auf den deutschen Schulalltag kam das Konzept Language Awareness als erstes in Gebrauch bei der Begegnung mit Sprachen im Jahr 1985 (Vgl. Landesinstitut für Schule und Weiterbildung) Hier geht es gezielt nicht um eine Vorwegnahme des Fremdsprachunterrichts in der Sekundarstufe, sondern um ein positives Bild zu Fremdsprachen, um den Aufbau und den Erhalt von Motivation zum schulischen aber auch außerschulischen Fremdsprachenlernen sowie einer kindgerechten und altersangemessenen Förderung der Sprache. (Vgl. Sauer 2006: 4). Nach Wolff bieten auch Formen wie beispielsweise der BiliSFU eine Grundlage für das Bewusstmachen von sprachlichen22

Strukturen (Vgl. Wolff 2000: o.S., zitiert nach Breidbach 2002: 16 in Breidbach/ Bach/ Wolff). In Bezug auf die Primarstufe zeigen sich einige Mängel. Marschollek erklärt: „Die Etablierung einer Kultur des Reflektierens zählte zu den deutlichsten Schwierigkeiten bei der Umsetzung des metasprachlichen Unterrichtskonzeptes in den Versuchsklassen“ (Marschollek 2002: 262, zitiert nach Sauer 2006: 4). Daher fordert Mindt „den Einsatz von bewusst machenden Verfahren in dosierter Menge und kindgerechter Methode“ (Vgl. Mindt 2004, zitiert nach Sauer 2006: 5). Bezogen auf die Grundschule kommen die Kinder als erstes mit dem Hörverstehen und dem Lautsystem23 des Englischen in Berührung. Hieran können Bewusstseins- und Reflexionsprozesse anknüpfen und die language (learning) awareness in der Primarstufe kann auf diese Weise kindgerecht angebahnt werden.24

Auch Krechel hat einige Zielperspektiven vorgeschlagen. Bei der Modularbeit sollten auch andere fachbezogene Bereiche in das Fremdsprachenverstehen und -handeln integriert werden. Darüber hinaus soll das fremdsprachliche Handeln auch auf fachliche Anwendungsbereiche bezogen werden (Vgl. Krechel in Wildhage/ Otten 2003: 195). Damit steht das allgemeine Zielspektrum im Zusammenhang mit Sach- und Fachkompetenzen sowie den Sprachkompetenzen.

2.6.1. Sach- und Fachkompetenzen

Die Sach- und Fachkompetenzen, die für die Realisierung von Modulen bedeutend sind, müssen aus den beiden Fächern Sachunterricht und Englisch beleuchtet werden. Nur so kann ein Rahmen für englischsprachige Module gegeben werden.

Mit Bezugnahme auf die Sachkompetenzen sollen die Schüler im Sachunterricht „Inhalte, Fakten und Zusammenhänge erfassen und sie in einen Gesamtzusammenhang einordnen, der zu dem betreffenden Sachgebiet gehört“ (Werlen 2006 in Schlemminger: 209). Die Orientierung in der sozialen, natürlichen und technischen Welt steht im Mittelpunkt der Kompetenzen. Die Bundesländer orientieren sich an Bildungsstandards und stellen die

[...]


1 Die Merkmale der „bilingualen“ Züge oder auch Zweige sind Beständigkeit und der gemeinsame Sprachunterricht. Den Zügen, die ab der fünften Stufe beginnen, liegt „ein institutionell verankertes, deutlich strukturiertes, mehrjähriges Curriculum bis zum Abschluss des allgemeinen Bildungsganges in der betroffenen Schulart zu Grunde“ (Wildhage/ Otten in Wildhage/ Otten 2003: 14). Bilinguale Zweige findet man auch an Grundschulen, in denen einige das „"paritätische[s] Modell", d.h. dass eine Hälfte der Unterrichtsfächer auf Deutsch, die andere Hälfte in der Fremdsprache unterrichtet wird“ (Piske 2007: 28 in Grundschule) verfolgen. Es geht um einen kontinuierlichen Fremdsprachenunterricht und Sachfachunterricht in der Zielsprache. Die Züge verlaufen in der Regel nach der Grundschulzeit bis Ende der Schulstufe, folglich von der fünften bis zur zehnten Klasse oder ab der fünften bis zur dreizehnten Klassenstufe. Die Schüler werden zwei Jahre auf den bilingualen Zug vorbereitet (Vgl. Wildhage/ Otten in Wildhage/ Otten 2003: 14).

2 Die weibliche Form ist hier und im Folgenden immer mit inbegriffen.

3 Die weibliche Form ist hier und im Folgenden immer mit inbegriffen.

4 Der Begriff der Immersion wurde in den 1960ern in Kanada ins Leben gerufen. „Er bezeichnet zum einen die Methode, eine Fremdsprache als Medium im Sachfachunterricht zu verwenden und zum anderen Schulprogramme, in denen mindestens 50% der Sachfächerüber einen längeren Zeitraum in einer Fremdsprache unterrichtet werden“ (Burmeister 2010: 2 in Hot Spot). In den 1960ern fand das immersive Modell auch Einzug in deutschen Klassen, in denen seither vom bilingualen Unterricht die Rede ist (Vgl. ebd.).

5 Seit den 1990ern geht der Trend der Fremdsprache hin zum Englischen. Englisch als Zielsprache wurde zu Beginn der 1990er Jahre in der Sekundarstufe mehr und mehr einbezogen (Vgl. Bosenius in Bonnet/ Breidbach 2004: 66). Seit den 1990ern bis in die 20er wurden die Angebote ausgebaut und flexibilisiert. Grund für die Mehrheit der deutsch- englischen Angebote ist unter anderem das integrative Europa, in dem Englisch als Weltsprache definiert wird (Vgl. ebd.). Mehr zum Einsatz der englischen Sprache für Grundschüler siehe Punkt 2.2. Sprachen in europäischer Bildungsperspektive - Legitimierung der englischen Sprache.

6 Mehr zu Englisch als Lingua franca online: http://eltj.oxfordjoumals.org/cgi/reprint/59/4/339.pdf und in dieser Arbeit unter Punkt 2.2. Sprachen in europäischer Bildungsperspektive - Legitimierung der englischen Sprache.

7 Cummins Modell des Cognitive Academic Language Proficiency (CALP) bezieht sich auch auf kognitive Positionen. Mehr dazu unter Punkt 4.2. didaktisch-methodische Elemente.

8 Wie zuvor in den Punkten geklärt wurde, wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff der „Module“ beziehungsweise der „englischsprachigen Module“ verwendet.

9 Piepho macht darauf aufmerksam, dass bereits Grundschüler eine große Gruppe englischsprachiger Wörter können. Piepho erklärte 1993, „dass Kinder im dritten Schuljahr mehr als 300 englische Morphemgruppen kennen - eine Tatsache, von der der Frühbeginn profitieren kann“ (Schmid-Schönbein 2008: 22).

10 L1 meint die Muttersprache, folglich die erste Sprache, die ein Kind lernt.

11 „Auf dem Gebiet der Phonetik, der Lexik und der Grammatik kontrastiert Englisch weit weniger mit Deutsch als Französisch“ (Petit 2006: 52, in Schlemminger). Weitere Ähnlichkeiten zwischen der deutschen und englischen Sprache finden sich bei grammatischen Formationen wie zum Beispiel bei den Adjektiven und ihren Steigerungen (beispielsweise: strong - stronger- the strongest / stark - stärker am stärksten) und bei den deutschen Wendungen bezogen auf die Dialekte mit den Frage- und Verneinungsstrukturen der englischen Sprache (zum Beispiel: Does she smile? She doesn’t smile / Sie tut lächeln - Tut sie lächeln?). Ein weiteres Exempel stellen „die englischen postpositions [...] mit den deutschen betonten und trennbaren Verbpartikeln [dar]: He took off his hat / Er setzte seinen Hut ab“ (Ebd.).

12 In der Regel ist die Lehrkraft des Sachfaches ebenfalls Lehrer einer Fremdsprache. Bilinguale Module können auch von Sachfachlehrern, die keine Fremdsprachenausbildung haben, durchgeführt werden. In diesem Fall wird besonderen Wert auf die Kooperation der Sachfach- und Fremdsprachenlehrkräfte gelegt und der Sachfachlehrer sollte ein sehr hohes Maß an Fremdsprachenkompetenzen mitbringen sowie im Bereich Didaktik und Methodik entsprechende Kenntnisse vorweisen. Dieser Vorsatz gilt im Gegenzug ebenfalls, wenn der Fremdsprachenlehrer keine adäquate Sachfachausbildung nachweisen kann (Vgl. Krechel in Wildhage/ Otten 2003: 199). Bei Bosenius ist von einem „Tandem-Vefahren“ (Bosenius in Bonnet/ Breidbach 2004: 73) die Rede. Schwierige Inhalte können im Vorfeld vom Sachfachlehrer auf Deutsch unterrichtet werden, bevor eine Einheit in der Zielsprache das Thema wieder aufgreift.

13 Mehr zu „language (learning) awareness“ unter Punkt 2.6. Zielkatalog und Kompetenzen.

14 Die Unterrichtserlaubnis bekommt der Lehrer zum Beispiel „mit sicheren Englischkenntnissen der Niveaustufe C1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen, z.B. einem Cambridge ESOL Certificate of Advanced English“ (http://www.thillm.de/thillm/abs/sprachen/bili/bili_einfuehrg.html (Aufgerufen: 17:23 Uhr)).

15 “One of the minimal options of bilingual module instruction is the Begegnungssprachen-modul (language encounter module) that is intended for a course requiring only very little knowledge of the working language. First the main concepts are presented in two or several languages and then they are explained on the basis of their respective cultural backgrounds” (http://www.goethe.de/ges/spa/dos/ifs/met/en2855768.htm (23.12.2011, 23:30 Uhr)).

16 Mit dem Blick auf Sprachmittlermodule werden auch Europamodule (Krechel 2000) wichtiger. „Während die Europamoduleüberwiegend Schulfremdsprachen einbeziehen, berücksichtigen Sprachmittlermodule die Herkunftssprachen der Lernenden“ (http://www.goethe.de/ges/spa/dos/ifs/met/de2855768.htm (23.12.2011, 23:37 Uhr)).

17 Es fehlen konkrete Zahlen, die aussagen, welche Schulen speziell Module durchführen, da die Schulen selber die Verantwortung für die Unterrichtsform tragen (Vgl. ThILLM 2008: 8).

18 Das Bundesland Baden-Württemberg eignet sich auch für die exemplarische Darstellung der Modulform im Schulalltag, da es „bilingualen“ Unterricht für die Primarstufe im Curriculum erfordert: „Die Einbettung der Zielsprache in Sachlicher als Beitrag zum bilingualen Lehren und Lernen ist daher, wann immer möglich, anzustreben (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg 2004: 68). Seit Frühjahr 2007 gibt es in Baden-Württemberg eine Niveaukonkretisierung für „bilingualen“ Unterricht in der Primarstufe. Besonders die Sekundarstufen I und II sind mit dem Modulunterricht vertraut. Im Bildungsplan 2004 wird für die höheren Stufen ein Ausbau in Bereich der „bilingualen“ Formen eingefordert (Vgl. Werlen in Schlemminger 2006: 205).

19 Mit Unterstützung der „AG BilMod“ „haben bisher mehr als 70 Thüringer Regelschulen, Gymnasien und berufsbildende Schulen bilinguale Module geplant und durchgeführt“ (Vgl. Thillm 2008: 5).

20 Das Konzept der Language Awareness wurde in den 1960/1970ern in Großbritannien für den Unterricht in der Muttersprache entwickelt und in den 1980ern von Eric Hawkins (Awareness of Language: An Introduction (1984)) erweitert. Das Konzept sollte „[...] bei dem Übergang von einer Muttersprache zu Englisch [...], dem Übergang von einer Schulform in die nächste, dem Wechsel zwischen verschiedenen Ansätzen des Fremdsprachenerwerbs helfen (Luchtenberg 2001: 131/ Gnutzmann 2003: 336/ Wolff 1997: 172f., zitiert nach Abendroth-Timmer 2004: 3).

21 Fehling analysiert in ihrer vergleichenden Langzeitstudie sprachlich-strukturelle Besonderheiten, die auf eine spezielle Sprachbewusstheitsausprägung bei „bilingualen“ Schülern schließen lassen (Vgl. Fehling 2002, in Breidbach/ Bach/ Wolff). Die unterschiedlichen Dimensionen im Einzelnen sind die affektive, soziale, politische, kognitive Dimension und die Dimension der Performanz (Vgl. Fehling 2005: 45 ff. in: Sauer 2006: 3).

22 Das Konzept der Language Learning Awareness wird auch in dem von Hawkins veröffentlichten Modell mitbedacht. Ziele dieses Konzeptes sind nach Luchtenberg zum Beispiel „Sprachneugier, Sprachanalyse [...], bewusstes Sprachhandeln und [...] die Wertschätzung von Mehrsprachigkeit im Klassenzimmer [...]“ (Luchtenberg 2001: 131, zitiert nach Abendroth-Timmer 2004: 3).

23 Eine klassische Lautübung in der Grundschule ist zum Beispiel „die Unterscheidung von Minimalpaaren, also Wörtern, die sich nur in einem sinnunterscheidenden Laut, einem Phonem, unterscheiden wie sin - thin, pin - pen, bad -bed, back - bag“ (Sauer 2006: 5). Diese Beispiele eignen sich für die Anbahnung einer Language (learning) awareness für Grundschüler.

24 Sauer erwähnt, dass es Unterschiede gibt zwischen Language Awareness in der Primarstufe und in der Sekundarstufe. Er geht auf die Probleme speziell bei leistungsschwachen Schülern ein. Diese haben große Schwierigkeiten in Bezug auf kognitive Bewusstseinsprozesse, denn die kognitiven „Anteile“ sind nicht gering und relativ komplex. Dazu kommt der Zeitfaktor, der lediglich eine begrenzte Kontaktzeit mit der Fremdsprache vorsieht (Vgl. Sauer 2006: 4).

Ende der Leseprobe aus 107 Seiten

Details

Titel
Bilinguales Lernen in der Grundschule: Eine exemplarische Studie des englischsprachigen Sachunterrichts
Hochschule
Universität Vechta; früher Hochschule Vechta
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
107
Katalognummer
V199835
ISBN (eBook)
9783656292258
ISBN (Buch)
9783656294313
Dateigröße
939 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
CLIL, CALP, BICS, Bilinguale Module, Mehrsprachige Module, Englischsprachige Module, Englischunterricht, Grundschule, Sachunterricht, Didaktik, Klafki, Zydatiß, Köhnlein, Evaluation, food, Unterrichtsbeispiel, Praxisbeispiele, Schülerfragebogen, Kompetenzen, Kerncurricula, Europäisierung
Arbeit zitieren
Tomke Akkermann (Autor:in), 2012, Bilinguales Lernen in der Grundschule: Eine exemplarische Studie des englischsprachigen Sachunterrichts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199835

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