Personaldiagnostik und Entwicklung im Profi-Fußball

Konzeption und Evaluation eines Instruments zum taktischen Entscheidungsverhalten im Fußball


Diplomarbeit, 2008

228 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theorie
2.1 Annäherung aus Sicht der Diagnostik und Entwicklung
2.1.1 Ermittlung von Leistungskriterien im Sport
2.1.1.1 Analyse der Anforderungen
2.2 Annäherung aus entscheidungspsychologischer Sicht
2.2.1 Risiko-Motivations-Theorie (nach Trimpop, 1994)
2.2.2 Entscheidungen unter besonderer Beachtung situativer Faktoren
2.2.2.1 Prospect-Theory
2.2.2.2 Rubikon Modell
2.2.2.3 Level of Aspiration Theory
2.2.3 Personale Faktoren
2.2.3.1 Leistungsmotivation
2.2.3.2 Naive Stressregulation
2.2.3.3 Teamorientierung
2.2.3.4 Flexibilität
2.2.3.5 Risikodisposition
2.2.4 Entscheidungsverhalten
2.3 Person- Organisations- Fit
2.4 Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen

3 Ziele der Untersuchung

4 Studie 1
4.1 Fragestellung zur Validierung eines Modells taktisch-psychologischer Entscheidungen im Fußball
4.2 Methode
4.2.1 Entwicklung der Spielsituationen und der Antwortalternativen
4.2.2 Überprüfung der Inhaltsvalidität des Modells taktisch-psychologischer Entscheidungen im Fußball
4.2.3 Stichprobe
4.2.4 Untersuchungsdurchführung
4.3 Ergebnis
4.4 Diskussion

5 Studie 2
5.1 Fragestellungen
5.2 Methode
5.2.1 Instrumentarium zur taktisch-psychologischen Diagnose im Fußball
5.2.2 Beschreibung der konstruktorientierten Verfahren
5.2.3 Stichprobe
5.2.4 Datenerhebung
5.2.5 Geplantes methodisches Vorgehen
5.2.6 Überprüfung der Fragestellungen zu den konstruktorientierten Verfahren
5.2.7 Einfluss der Risikodisposition auf die Entscheidungen
5.3 Ergebnisse
5.3.1 Ergebnisse zum taktisch-psychologischen Instrumentarium
5.3.2 Ergebnisse zu den konstruktorientierten Verfahren
5.3.2.1 Teamorientierung
5.3.2.2 Flexibilität
5.3.2.3 Leistungsmotivation
5.3.2.4 Stressregulation
5.3.3 Differentialdiagnostik
5.3.4 Zusammenhang zwischen der spielsportspezifischen Risikodisposition und dem situativem Risikowert
5.4 Diskussion
5.4.1 Taktikinstrument
5.4.2 Konstruktorientierte Verfahren
5.4.3 Allgemeine methodische Diskussion

6 Ergebnisrückmeldung an den Verein

7 Fazit und Ausblick

8 Literatur

9 Abbildungsverzeichnis

10 Tabellenverzeichnis

Anhang A

Anhang B

Anhang C

1 Einleitung

Die psychologische Diagnostik bildet die Grundlage für die Auswahl von Personal und die Entwicklung von Personal unter psychologischen Gesichtspunkten. Eine falsche Auswahl von Personal oder eine unzureichende Entwicklung von Personal bringt enorme Nachteile mit sich. Die finanziellen Folgen einer Fehlbesetzung in Folge einer unzureichenden Diagnostik, soll ein Beispiel aus der Wirtschaft verdeutlichen. Wottawa (2000) skizziert die Folgen der Fehlbesetzung eines Angestellten in Deutschland, wobei er von einer durchschnittlichen Produktivität ausgeht. Dabei berücksichtigt der Autor durchschnittlicher Arbeitgeberkosten, geringere Produktivität eines leistungsschwachen Mitarbeiters von 15%, einen Betreuungsaufwand durch Kollegen und Vorgesetze von circa zwei Arbeitstagen/Monat. Bei 200 Arbeitstagen pro Jahr fallen Kosten für eine geringere Produktivität, Kosten durch die Mehrbelastung der Kollegen und Vorgesetzten, Kosten des Produktivitätsverlusts durch „innere Kündigung“ und Kosten durch Absentimus des Mitarbeiters an. Insgesamt kommt Wottawa zu dem Schluss, dass durch verbesserte Personalauswahlmaßnahmen bis zu 20 % Einsparungen möglich sind. In diesem Beispiel sind Abfindungen und die Kosten der Einarbeitung des neuen Mitarbeiters noch außen vorgelassen.

Auch Fußballvereine sind wirtschaftliche Unternehmen in denen eine Fehlbesetzung oder falsche Nichtbesetzung einer Stelle enorm teuer werden kann. Da sich die Kosten eines solchen Fehlurteils unter anderem vom Einkommen des Mitarbeiters ableiten lassen, sei als Beispiel eine Auswahl der weltweit höchsten Spielergagen benannt. Das aktuell höchste Einkommen erhält Ronaldhino mit 23 Millionen Euro pro Saison, Ronaldo kam in der Saison 2005/2006 auf 17,4 Millionen Euro, Zinedine Zidan erzielte über 15 Millionen Euro, und John Terry verdiente noch 9,7 Millionen Euro. Noch höher beziffern sich die Ablösesummen der Stars. Die europäische Spitze führt dabei Figo (FC Barcelona/Real Madrid) mit 118,0 Millionen Euro gefolgt von Crespo (Parma/Lazio Rom) mit 110,0 Millionen Euro und Overmars (Arsenal/FC Barcelona) mit 72,0 Millionen Euro Ablösesumme (Wiskow, 2000). Die Darstellung der Konsequenzen einer Fehlentscheidung unter Hinzunahme des aktuellen Diskurses[1] über Spielergehälter und Ablösesummen verdeutlicht die Notwendigkeit einer reliablen Personalauswahl und Personalentwicklung.

Bisher gibt es nur wenige Untersuchungen, die sich mit der Thematik Personaldiagnostik und Personalentwicklung im Profifußball beschäftigen. Mit der folgenden Arbeit soll ein erster Schritt zur Überwindung dieser Kluft gegangen werden.

Das Ziel der Diplomarbeit ist es eine Personaldiagnostik und Personalentwicklung für Fußballvereine durchzuführen. Dabei werden Konzepte aus der Arbeits-, Personal- und Sportpsychologie auf die Diagnostik und Entwicklung im Profifußball übertragen. Zur Diagnose wird ein multimethodaler Ansatz, bestehend aus simulationsorientierten und konstruktorientierten Erhebungsinstrumenten, verwendet. Dabei werden bereits bestehende Messinstrumente auf den Fußball adaptiert und ein Instrumentarium zur Diagnose von taktischen Entscheidungen der Spieler in ausgewählten Situationen entwickelt. Für die Entwicklung eines Instrumentariums zur psychologischen und taktischen Diagnose von Fußballspielern muss zunächst ein Modell zur taktisch-psychologischen Klassifikation entwickelt und validiert werden.

Die aus den Messinstrumenten gewonnenen Profile bilden die Grundlage für die Personalentwicklung. Insbesondere die Übereinstimmungen zwischen den Entscheidungen der Spieler und denen der Trainer dienen der Ableitung von Handlungsempfehlungen.

Im theoretischen Teil der Arbeit wird sich dem Thema Diagnostik und Entwicklung im Fußball aus zwei Perspektiven genähert. Kapitel 2.1. setzt den Fokus auf die Diagnostik und Entwicklung im Allgemeinen, im Personalwesen und im Sport. Dagegen nähert sich das Kapitel 2.2. dem Fußball aus entscheidungspsychologischer Sicht an. Im ersteren Kapitel sollen neben Möglichkeiten und Grenzen von Personalentwicklung, Möglichkeiten zur Ermittlung von Anforderungen im Personalbereich erarbeitet und auf den Sport übertragen werden. Das Kapitel schließt mit dem Ergebnis einer Literaturrecherche für Erfolgskriterien im Sport.

Kapitel 2.2 erläutert zu Beginn die Charakteristik des Fußballspiels um darauf hin die Risikomotivationstheorie als Rahmenmodell zur Integration und Präsentation situativer und personaler Einflussfaktoren für Entscheidungen im Fußball zu skizzieren. Der letzte Abschnitt des Theorieteils stellt die Bedeutung der Passung eines Spielers zum Verein dar. Insbesondere soll mit diesem Abschnitt die Notwendigkeit der Übereinstimmung der Resultate der Spieler mit den vom Verein vorgegebenen Resultaten für Personalentscheidungen verdeutlicht werden. Der Bogen von der Theorie zur Empirie wird im Kapitel 3 geschlagen, wo die Ableitung der zentralen Fragestellungen und Hypothesen für diese Arbeit erfolgt.

Der empirische Teil gliedert sich in zwei Studien auf. Die erste Studie dient der Validierung eines Teilaspekts eines Modells taktisch-psychologischer Entscheidungen im Fußball (Kapitel 4). Basierend auf den Ergebnissen der ersten Studie wird in der zweiten Studie die Personaldiagnostik und Personalentwicklung durchgeführt (Kapitel 5). Diese umfasst die Methode mit der Untersuchungs- und Stichprobenbeschreibung, der Erläuterung der Erhebungsinstrumente sowie einem Überblick über die verwendeten statistischen Auswertungsverfahren. Daran anschließend werden die Ergebnisse der Diagnose von Vereinssportlern im Fußball dargestellt. Im nächsten Abschnitt erfolgt die Interpretation der ermittelten Resultate. Abschließend werden die Befunde im Vergleich zu aktuellen Forschungsarbeiten diskutiert und in den Forschungsstand integriert. Im letzten Teil der Arbeit wird die Ergebnisrückmeldung an den Verein geschildert, sowie ein Beispielprofil eines Spielers vorgestellt.

2 Theorie

Im theoretischen Teil der Arbeit wird sich die Thematik Fußball aus den zwei Perspektiven Diagnostik und Entwicklung auf der einen Seite und aus entscheidungspsychologischer Sicht auf der anderen Seite genähert. Zu Beginn des ersten Teils werden allgemeine Konzepte, Möglichkeiten und Grenzen der Personalauswahl und der Personalentwicklung erläutert. Daran schließt sich die Darstellung von Möglichkeiten zur Ermittlung von Erfolgsfaktoren sowohl aus personalpsychologischer Sicht als auch aus sportpsychologischer Sicht an. Der Abschnitt Diagnostik und Entwicklung schließt mit den Ergebnissen einer Literaturrecherche zu Erfolgsfaktoren im Fußball. Der zweite große Abschnitt des theoretischen Teils befasst sich mit der Betrachtung des Fußballs aus entscheidungspsychologischer Sicht. Zur Beginn wird die Risikomotivationstheorie (Trimpop, 1994) als Rahmenmodell umrissen um daraus relevante Einflussfaktoren für die vorliegende Arbeit zu extrahieren. Diese situativen und personalen Einflussfaktoren werden anschließend genauer erläutert und in Zusammenhang mit den im vorigen Abschnitt ermittelten Erfolgsfaktoren gebracht. Der theoretische Teil endet mit der Darstellung der Notwendigkeit der Passung eines Spielers zum Verein.

2.1 Annäherung aus Sicht der Diagnostik und Entwicklung

In der vorliegenden Untersuchung werden Trainingsempfehlungen, auf Grund von diagnostizierten Merkmalsausprägungen gegeben. Diese Vorgehensweise ist gemäß Rosenstiel’s Vier-Felder-Schema (2002) als Modifikation von Personen einzuordnen (Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Vier-Felder-Schema nach v. Rosenstiel (2002)

Die dafür notwendigen Erhebungen der Spielermerkmale wird unter den folgenden drei Gesichtspunkten betrachtet: (1) Diagnostik und Entwicklung von Personen im Allgemeinen (2) im Personalbereich und (3) im sportpsychologischen Bereich.

(1) Diagnostik und Entwicklung von Personen im Allgemeinen

Mit der Frage nach der Entwicklung von Persönlichkeit und Fähigkeit in einem Leistungskontext sei es Schule, Sport oder Beruf befindet man sich auf einem kontrovers diskutierten Gebiet. Zentral stellt sich die Frage: In wieweit sind Persönlichkeit und Fähigkeit bedeutsam für die Ausübung der Tätigkeit in Sport, Schule oder Beruf, und in wieweit sind sie trainierbar?

Einerseits sind Persönlichkeitskonstrukte in mit Persönlichkeitsfragebögen wie dem Neo-FFI von Costa & McCrae (1985, 1992) oder dem 16 PF von Cattell (1970) über mehrere Messzeitpunkte stabil, anderseits ist eine von der Umwelt losgelöste Betrachtung problematisch, da sie in ein hochkomplexes Verhaltenssystem integriert sind (Oerter, 1999).

Einen Mittelweg bietet die von Kagan (1971; vgl. Oerter 1999, S. 36) genannte Unterteilung in homotypischer und heterotypischer Kontinuität. Homotypische Kontinuität bezeichnet die Korrelation des Merkmals über verschiedene Messzeitpunkte hinweg und heterotypische Kontinuität die Veränderung über verschiedene Messzeitpunkte bei gleich bleibenden interindividuellen Unterschieden. Die bedeutsamste Entwicklung zur Betrachtung der Situations-Person-Kontroverse ist der State- Trait- Ansatz (Steyer, Schmitt & Eid, 1999). Nach der State- Trait- Theory kann eine manifeste Variable in einen situationsspezifische Teil (State) und Persönlichkeitsteil (Trait) unterteilt werden. Diese Aufschlüsselung eröffnet die Möglichkeit Veränderungen von stabilen Konstrukten wie Persönlichkeit oder Intelligenz vor Veränderungen situationsabhängiger Zustände zu betrachten.

Für die Möglichkeiten der Personalentwicklung kommt Brandstätter (1999) zu dem Ergebnis: „Bei allen genetisch bedingten, art- und personenspezifischen Begrenzungen der Veränderbarkeit von Einstellungen, des Kenntnisstandes und der Leistungsfähigkeit besteht ein sehr großer, wenn auch nicht genau abschätzbarer Spielraum für Lernen in Organisationen.“ (Sonntag, 1999, S.71). Hierbei kommt der Diagnostik der interessierenden Personenmerkmale in Organisationen eine große Bedeutung zu.

(2) Diagnostik und Entwicklung im Personalbereich

Welche Wege ermöglichen die Ermittlung erfolgskritischer Verhaltensweisen? Nach Eckhardt & Schuler (1992) können die Informationen aus drei Quellen personenbezogen- empirische Methode, der erfahrungsgeleitet- empirische Methode und der arbeitsplatz- analytischen Methode gewonnen werden. Der personenbezogen-empirische Methode liegt das Grundprinzip des korrelativen Vergleiches der erfolgreichen Personen mit der Höhe der Ausprägungen relevanter Verhaltens- oder Persönlichkeitsmerkmale zu Grunde. Nach der erfahrungsgeleitet- empirischen Methode werden die auszuübenden Tätigkeiten und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Personen untersucht. Die dritte Variante findet ihre Anwendung in der von Glaser und Strauss vorgeschlagenen Grounded Theory, welche relevante Merkmale auf Grund von Auswertungen teilstrukturierter Interviews ermittelt. Im Bereich der Anforderungsanalyse im betrieblichen Kontext werden Analysen mit Hilfe der Critical Incident Technique (Flanagan, 1954; vgl. Schuler, 2006) der Repertory Grid Technique (Kelly, 1955) oder standardisierter Messinstrumente wie der Fragebogen zur Arbeitsplatzanalyse (FAA) von Hoyes & Frieling (1978) durchgeführt.

Nach Meinung von Schuler (2006) und Sonntag (1999) weisen die einzelnen Ansätze verschiedene Vorteile aber auch verschiedene Nachteile nach. So sei bei der ersten Variante auf das Problem der Vorselektion und der damit eingeschränkten Varianz hingewiesen. Diese Tatsache wirkt sich unmittelbar auf die Generalisierbarkeit aus. Des Weiteren sinkt die Gültigkeit der Methode, wenn es sich um trainierbare Merkmale handelt. Deshalb sollte diese Variante zumindest in Kombination mit einer theoriegeleiteten Ermittlung der Anforderungsstruktur einhergehen.

Um verlässliche Ergebnisse bei der Messung von Merkmalsausprägungen zu erhalten, fordert Schuler (2006) die gleichzeitige Verwendung von eigenschaftsorientierten, verhaltensorientierten und biografieorientierten Messverfahren. Dieser multimethodale Ansatz ermöglicht eine facettenreiche Betrachtung einer Person, welche zur gezielten Personalauswahl und Entwicklung unumgänglich ist.

Diese Forderungen geht auf die Differenzierung eignungsdiagnostischer Verfahren in konstruktorientierte Verfahren (sign- Ansatz) und simulationsorientierte Verfahren (sample- Ansatz) von Wernimont & Campel (1968, zitiert nach Höft & Funke, 2006) zurück. Bei dem Sample- Ansatz soll für den diagnostischen Prozess eine repräsentative Stichprobe der realen beruflichen Aufgaben erhoben werden. (vgl. Höft & Funke, 2006). Zur Erfassung der ‚repräsentativen Stichprobe’ eignet sich die aufgabenbezogen- analytische Methode. Ein wichtiger Aspekt ist die aktive Nutzung des Wissens der Experten im jeweilig zu untersuchenden Bereich. Dies kann durch Beschreibung auf der Verhaltensebene (wie bei der Critical Incident Technique) oder durch standardisierte Messinstrumente erfolgen. Mit beiden Verfahren können systematische Verzerrungen welche durch „Überbewertung der Situation“ oder „Leihentheorien“ der Experten entstehen, minimiert werden.

Die Anwendung dieser multimethodalen Strategie zur Personaldiagnostik ist auch für die Personalentwicklung sinnvoll. Ziel einer Personalentwicklung soll eine komplexe Weiterentwicklung von Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen sein, die zur „Meisterung“ der beruflichen Situationen befähigen (Sonntag, 1999). Die Aufgabe der komplexen Realisierung besteht darin, die Maßnahmen in den drei Bereichen Wissensvermittlung, Verhaltensmodifikation und Persönlichkeitsentwicklung gleichermaßen zu koordinieren.

Unter Wissensvermittlung wird die Stärkung von den kognitiven Fähigkeiten, der Überprüfung des Entscheidungsprozesses und damit der Entscheidung insbesondere durch Aufschlüsselung der Ursachen für eine Entscheidung verstanden.

Das Ziel der Verhaltensmodifikation ist „eine für Mensch und Organisation optimale Auseinandersetzung mir situativen Anforderungen“ (Sonntag, 2006, S.282). Darunter ist zum Beispiel die Verbesserung von Führungsverhalten, Teamfähigkeit, Kommunikation oder der Konfliktbewältigung zu verstehen. Oftmals ist die Verhaltensmodifikation nicht von der Persönlichkeitsentwicklung zu trennen, da auch Persönlichkeitsmerkmale, wie Selbstwertgefühl oder Leistungsmotivation, Ziel oder Einflussfaktoren von Entwicklungsmaßnahmen darstellen können (Schuler, 2006). Die Veränderbarkeit der wissensbasierten Merkmale ist dabei höher einzuschätzen als die der Persönlichkeitsmerkmale (Brandstätter, 1999)

Nach der Betrachtung allgemeiner und personaldiagnostischer Ansätze zur Diagnostik und Entwicklung von Personal soll nun die sportpsychologische Betrachtung erläutert werden.

(3) Diagnostik und Entwicklung im Sport

Die psychologische Diagnostik und Entwicklung im Sport stellt in sofern eine Besonderheit dar, als dass sie in den Gesamtkontext Sport eingebettet ist und zusätzlich nichtpsychologische Variablen einen großen Varianzanteil ausmachen. Beispielsweise besteht eine solche Diagnostik zusätzlich zu den psychologischen aus sportmedizinischen und sportmotorisch-fähigkeitsbasierten Tests (Hohmann, 2001). Dies berührt sowohl die diagnostischen Entscheidungskriterien als auch die Entwicklungsstrategien.

Eine weitere Besonderheit ist die geringe Anzahl von durchgeführten Interventionsstudien im Profifußball. Empirischen Analysen von potentiellen Leistungskriterien sind meist querschnittlich (Grossarth - Maticek, Eysenck, Rieder & Hermann, 1990; Höhner, 2002; Roth, 1991) oder nur vereinzelt längsschnittlich im Juniorenbereich (Seiler, 1996; I. Konzag, 1990) durchgeführt worden. Als mögliche Ursache für die geringe Anzahl kann die starke Verknüpfung von Entwicklungsmaßnahmen mit der Orientierung auf kurzfristigen Gewinne genannt werden, oder mit den Worten von Ueberle: „Neue Trainingsmethoden werden nur im Hinblick auf das nächste Spiel bewertet. Bei einer Niederlage war dieser „Quatsch“ schuld“ (Walz, 1979, S. 100). Dies hat zur Folge, dass eventuelle Veränderungen (noch) nicht wirksam werden können, oder nur unzureichend evaluiert werden. Des Weiteren liefern einzelne Interventionsstudien nur einen geringen Aufschluss über die Leistungsstruktur. Das heißt sowohl über die Relevanz der einzelnen Merkmale als auch über das Zusammenwirken der Merkmale. (Wottawa, 2000; G. Konzag, 1984).

Zusätzlich galt ein erheblich größeres Forschungsinteresse der Talentdiagnostik und Talententwicklung. Zur Identifikation von Merkmalen zur Talentauswahl wurden in der Vergangenheit zahlreiche Studien durchgeführt (Baur, 1987; Beier, 1999; Digel, 2001; Harsányi & Martin, 1883; Heck, Mayer & Wasmund-Bodenstedt, 1995; Heck, Mayer & Wasmund-Bodenstedt, 1995; Schmidt et al, 2002; Thiess, 1997).

Als letztes sei noch einmal die Bedeutung der Kontextsensitivität verdeutlicht. Für Leistungstests im Sport kommen Kunath und Schellenberger (1991) zu dem Ergebnis, dass der Forderung nach solchen Verfahren nachzukommen sei, die ganz typische Anforderungen der Sportspiele generell und sogar speziell des betreffenden Sportspiels konkret stellen. Die Folge einer reinen Übertragung von Persönlichkeitsfragebögen auf die Person im interessierenden Setting wäre immer mit einer begrenzten Varianzaufklärung verbunden, die folglich nur begrenzt interpretierbare Aussagen liefert (Allmer, 1973; G. Konzag, 1984). Die Nachteile der kontextspezifischen Verfahren sind die verminderte differentielle Vergleichbarkeit (Seiler, 1996) und die starke Trainingsabhängigkeit (Schuler, 2006), weshalb diese nicht zur Talentdiagnostik genutzt werden sollten (G. Konzag, 1984).

Im folgenden Abschnitt soll ein Überblick über die Ermittlung von Leistungskriterien im Fußball gegeben werden.

2.1.1 Ermittlung von Leistungskriterien im Sport

Wie im Kapitel zuvor beschrieben, unterteilen Eckardt und Schuler (1993, vgl. Schuler, 2006) die Möglichkeiten der Ermittlung relevanter Kriterien im Arbeitsbereich in die erfahrungsgeleitet- empirische, arbeitsplatz- analytische und personenbezogen-empirische Variante. Übertragen auf die psychologische Diagnostik im Sport entspricht die erste Variante der psychologischen Analyse von erfolgreichen Sportlern und deren Ausprägungen auf bestimmten Variablen. Die zweite Variante entspricht der theoriegeleiteten Herleitung der psychologischen Anforderungsstruktur einer Sportart durch Psychologen und die dritte Variante der Befragung von Experten mittels Interviews oder standardisierter Messinstrumente, bezüglich relevanter psychologische Faktoren oder Verhaltensweisen für die Sportart.

Unter der theoriegeleiteten Vorgehensweise sind als Vertreter vor allem I. Konzag (1990) und Gabler, Nitsch & Singer (1995) zu nennen. Nitsch et al 1986 erarbeiteten im Bereich der Regulation sportlicher Handlungen allgemeine (Regulations) Anforderungen für den Sport. Diese dienen gleichermaßen als Unterteilung der psychologischen Variablen. Dabei unterteilen die Autoren die Regulation sportlicher Handlungen in Basisregulation und Prozessregulation. Die Prozessregulation stellt die planbezogene, situationsadäquate Ausführung einer Handlung (Nitsch, 2001) dar, wogegen die Basisregulation der Herstellung und Beibehaltung eines leistungsförderlichen Antriebs-, Erregungs- und Konzentrationszustandes dient (Nitsch, 1986, vgl. auch Seiler & Stock 1994). Kognitive Fähigkeiten werden als typische Vertreter der prozessregulatorischen Komponente betrachtet. Demgegenüber sind Stressregulation, und Leistungsmotivation der basisregulatorische Komponente zuzuordnen.

Wird unter theoriegeleiteter Betrachtung eher von den Umständen und einer allgemeinen Anforderung an den Sportler verstanden, liegt der Fokus bei der personenbezogenen-empirischen Methode auf Unterschieden zwischen Personen bezüglich relevanter Parameter. Hier interessieren Merkmale die zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Sportler unterscheiden können, wobei es sich zumeist um korrelative Vergleiche zwischen Merkmalen und Erfolgsvariablen handelt. Als Verfahrenstechnik sind unter dieser Methode die konstruktorientierten Verfahren bedeutsam. Im Sportbereich wurden dabei verstärkt die Leistungsmotivation (Gabler, 1981; Seiler, 1996; Tusak, 2000), Teamklima & Gruppenkohäsion (Carron, Coleman & Wheeler, 2002; Ryska, Yin & Boyd, 1999) und Orientierungen (Cooper & Payne, 1972) untersucht. Mit der arbeitsplatz-analytische Methode zur Ermittlung von Erfolgskriterien konnten Holt & Mitchel (2006) und Holt & Dunn (2004) die Bedeutung der Stressregulation und der Teamorientierung für den Fußball ermittelten.

Für all die bisher untersuchten und theoriegeleitet ermittelten Erfolgskriterien sind dennoch systematische Überblicksarbeiten zur Bestimmung im Sinne einer metaanalytischen Herangehensweise bisher vergeblich zu finden.

Zur Ermittlung der Leistungskriterien im Fußball für die vorliegende Untersuchung wurde eine Literaturrecherche durchgeführt.

2.1.1.1 Analyse der Anforderungen

Eine Analyse der Anforderungen für einen Spieler beim Profifußball kann in Anlehnung an Sonntag (1999) in personale Merkmale und tätigkeitsabhängige Merkmale unterteilt werden.

Die personalen Merkmale wurden durch die Verwendung von in der Vergangenheit bereits durchgeführten personenbezogen-empirischen, arbeitsplatz-analytischen und erfahrungsgeleitet-empirischen Verfahren erhoben. Die tätigkeitsspezifischen Merkmale wurden mit Hilfe von Experten und Taktikliteratur (Bauer, 2001; Bauer & Überle, 1984; Bendeck 1982) ermittelt.

Verschiedene Anforderungskriterien zeigten sich in einer Untersuchungen zur Erfassung der Leistungsstruktur im Juniorenfußball von Seiler (1996), von Überblicksarbeiten zu psychologischen Aspekten im Profifußball (Kunath & Schellenberger, 1991; Gerich, 1995) und der Sichtung von Literatur in der sich Hinweise von Leistungskriterien im Profifußball als besonders bedeutsam. Die Konstrukte welche in Tabelle 1 wiedergegeben sind, erscheinen besonders bedeutsam. Die Einstufung richtete sich nach Häufigkeit der Nennung in der Literatur, Verwendung in vergangenen Diagnosen im Fußball und in Absprache mit Kollegen und Experten im Fußball. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass auch andere Eignungsfaktoren in der Vergangenheit untersucht worden sind, welche aber auf Grund der oben genannten Selektionskriterien nicht aufgeführt sind. Für den interessierten Leser sei auf die genannten Überblicksarbeiten von Kunath & Schellenberger (1991), I. Konzag (1990) und Seiler (1996) verwiesen.

Tabelle 1: Leistungskriterien im Profifußball

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine detaillierte Beschreibung der Kriterien wird im Kapitel 2.6. vorgenommen.

Als Zwischenfazit zur Ermittlung von Erfolgskriterien aus Sicht der Diagnostik und Entwicklung lässt sich festhalten, dass die Kriterien für die Personaldiagnostik und die Personalentwicklung mehrere Methoden (multimethodal) beinhalten und möglichst eine reale Darstellung der Anforderungsstruktur (settingspezifisch) eines Spielers abbilden sollten. Zusätzlich entscheidet der Zweck der Erhebung über die Art der verwendeten Verfahren. Soll eine Einschätzung der momentanen Leistungsstruktur des Spielers vorgenommen werden, sollten sowohl konstruktorientierten Verfahren als auch simulationsorientierten Verfahren verwendetet werden. Dadurch können sowohl zeitlich stabile Merkmale zur Prognose zukünftiger Leistung als auch veränderbare Merkmale für die Personalentwicklung genutzt werden. Für den Fußball erfolgskritische Faktoren wurden in der Vergangenheit verstärkt das taktische Entscheidungsverhalten, Teamfähigkeit, Stressregulation und Leistungsmotivation untersucht.

Nach dem die Ermittlung von erfolgskritischen Faktoren im Fußball erläutert wurden, soll in den nächsten Abschnitten die Charakteristik des Fußballs aus entscheidungspsychologischer Perspektive durchleuchtet werden.

2.2 Annäherung aus entscheidungspsychologischer Sicht

Durch die Forderung nach einer situationsgebundener Diagnostik ist es im ersten Schritt notwendig eine Analyse des Fußballspiels vorzunehmen. Dies dient außerdem der Bestimmung von Rahmen und Operationen. In der Diagnostik wird der Fokus auf psychologische Faktoren gelegt. Dabei bietet es sich an vorerst notwendig Situationen und Lösungen aus der Perspektive der Entscheidungsforschung zu analysieren. Haben wir es mit einem offenen oder geschlossenen Problemraum zu tun? Können die Alternativen nach einer Regel beispielsweise einer Wenn-dann-Entscheidung produziert, oder müssen Sie erst konstruiert werden? Wie zuverlässig können Vorhersagen im Fußball getroffen werden?

Da es sich beim Fußball um ein sehr dynamisches und komplexes (Problemlöse) Spiel handelt, entsprechen die taktischen Möglichkeiten einem offenen Entscheidungsraum. Damit wäre die Menge aller Entscheidungsmöglichkeiten nicht erfassbar. Da es aber Regeln und Taktiken gibt, die eingehalten werden sollten, kann die Menge aller Entscheidungsmöglichkeiten eingegrenzt werden. Da die Konsequenzen von Entscheidungen und Eintretenswahrscheinlichkeiten von Ereignissen und Handlungen nicht zwingend festgelegt sind, besitzen sie einen probabilistischen Charakter. Die auf Grund der Situationswahrnehmung der Spieler gefällten Entscheidungen sind somit immer Entscheidungen unter Unsicherheit.

Ob ein Dribbling zu einem Torerfolg führt oder nicht kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Verschiedene Ausgänge mit verschiedenen Eintretenswahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit von der Person und/oder Situation sind denkbar. Der Spieler könnte den Ball im Zweikampf mit einem Abwehrspieler verlieren, er könnte sich verdribbeln oder ein Tor schießen. Die Auswahl einer Alternative ist dabei immer mit einem bestimmten Risiko verbunden. Risiko wird in Dorschs Wörterbuch der Psychologie (1998) als das besondere Kennzeichen einer Situation, welche durch mangelhafte Voraussehbarkeit des Kommenden mögliche Schäden, Verluste und dergleichen in Aussicht stellt, beschrieben. Bei dieser Definition werden die Handlungsausgänge als negativ dargestellt und somit wird auch Risiko eher als eine Wahrscheinlichkeit des Verlusts dargestellt als des Gewinns. Demgegenüber betonen andere Autoren das Wechselspiel zwischen Chance und Gefahr oder Gewinn und Verlust (Trimpop, 1994; Rohrmann, 2003).

Unter Risikoverhalten wird nach Trimpop (1994) folgende Arbeitsdefinition verstanden:

„Risk taking is any consciously or non-consciously controlled behavior with a perceived uncertainty about its outcome, and/or about its possible benefits or costs for the physical, economic or psycho-social well-being of oneself or others.”

Bei dieser Definition differenziert Trimpop (ebd.) zwischen bewusst und unbewusst kontrollierten Verhalten mit der Ungewissheit des Ergebnisses und der Konsequenz, zwischen Gewinn und Verlust und außerdem zwischen physischen, finanziellen und sozialen Risiken der eigenen oder einer anderen Person.

Ein Rahmenmodell das Entscheidungen unter Unsicherheit, situationale und personelle Einflussfaktoren berücksichtigt, ist die Risikomotivationstheorie von Trimpop (1994).

2.2.1 Risiko-Motivations-Theorie (nach Trimpop, 1994)

In diesem Abschnitt werden zuerst Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Risikohomöostasetheorie (Wilde, 1982) und Risikomotivationstheorie dargestellt und anschließend die RMT genauer erläutert.

Die Risikomotivationstheorie (RMT) integriert Aspekte der Risikohomöostasetheorie (RHT) von Wilde (1982). Gemein ist beiden, dass sie sich mit Verhalten von Personen in Risikosituationen befassen, dass eine Überprüfung von wahrgenommenen Risiko und Risikozielwert (IST- SOLL- Vergleich) geschieht und beide berücksichtigen allgemeine feedbackregulierte Anpassungsmechanismen der Risikokompensation und Risikohomöostase. Als wichtigste Unterschiede zwischen beiden Theorien ist die Erweiterung der RMT um die Wahrnehmung eines Zielwertes auf emotionaler und physiologischer Ebene, die Beachtung von Einflüssen von Personenvariablen und Situationsvariablen auf die Risikowahrnehmung bei der RMT, die Unterteilung in Handlungsplan, Motivation, Aktionsplan und Handlung bei der RMT und das die RHT für Verkehrsgeschehen entwickelt wurde, wohingegen die RMT als allgemeine Theorie für riskantes Verhalten einzustufen ist.

Als Einflussfaktoren für die Risikowahrnehmung werden situative und personelle Einflussfaktoren sowie deren Wechselwirkung genannt. Persönlichkeitsfaktoren für das Verhalten in einer Risikosituation können sein: die Erregbarkeit des zentralnervösen Systems, Telic/Paratelic Tendenzen, Wunsch nach Kontrolle oder emotionale Reaktivität, die Risikogeschichte, der Locus of Control und der Wunsch nach Herausforderungen. Situative Faktoren können sein: temporäre Veränderungen in der Umgebung, wie zum Beispiel Fertigkeiten, Werte, Kontrolle und die Erfolgswahrscheinlichkeit, physische Faktoren, so wie Drogen, Hitze oder andere externale Faktoren, Veränderungen des Wetters, der Gemütsverfassung, der Hoffnungen und Ängste und die Konsequenzen eigener Aktionen.

Diese situativen und personellen Faktoren haben einen Einfluss auf die Risikowahrnehmung die wiederum in Wahrnehmung physischer Parameter, Wahrnehmung emotionaler Parameter und kognitiver Parameter unterteilt werden kann. Physiologische Parameter sind automatische physische Antworten auf einen Reiz, wie die Veränderung des Hormonspiegels, des Blutdrucks und des Pulses. Die Wahrnehmung der emotionalen Parameter kann in eine angenehme und eine unangenehme unterteilt werden. Die Wahrnehmung der kognitive Parameter steht in Verbindung zu den ersten Stufen des kognitiven Prozesses und der Evaluation der Reize und geht über eine Kategorisierung der grundsätzlichen Gefühle angenehm und unangenehm hinaus.

Nach der Risikowahrnehmung erfolgt ein Abgleich mit den Zielwerten auf physiologischer, emotionaler und kognitiver Ebene. Dabei werden die vorhanden Wahrnehmungen und Eindrücke mit den gewünschten Zielwerten überprüft. Alle drei Zielwertvergleiche ergeben eine Gesamtzielwertüberprüfung. Dabei können emotionale oder auch physiologische Vergleiche durchaus gewichtiger sein als kognitive. Beispielsweise kann einem Spieler auf der kognitiven Ebene durchaus bewusst sein, dass ein Passspiel zum Mitspieler als sichere Variante wahrscheinlicher zum Torerfolg führen würde, aber die emotionale und physiologische Zielwertdifferenz ist einfach zu hoch. Er entscheidet sich für ein unsicheres aber reizvolleres Dribbling.

Das Ziel der Handlungsmotivation ist es den Gesamtnutzen der physiologischen, emotionalen und kognitiven Zielwertüberprüfungen zu maximieren und stellt somit den Antrieb für die Initialisierung des Handlungsplanes dar. Dieser wiederum kann aus Skripten, Schemata oder wissensbasierten Strategien bestehen. Welche Ebene aktiviert wird hängt davon ab, ob automatisierte Skripte verfügbar sind. Falls nicht können bestehende Schemata aktiviert oder wissensbasierte Strategien hinzugezogen werden.

Das Verhalten, das als Antwort auf einen wahrgenommenen Reiz gesehen wird, ist entweder ein fortführendes oder ein kompensierendes Verhalten. Wenn der Nutzen des initialisierten Verhaltens für die physiologische, emotionale oder kognitive Nutzeneinschätzung zufrieden stellend ist wird das Verhalten fortgeführt. Falls eine Diskrepanz zwischen der Risikowahrnehmung der Situation und dem eigenem Risikozielwert besteht, wird in Analogie zu Wilde (1982) ein kompensierendes Verhalten eingeleitet.

Durch eine Handlung verändert ein Individuum seine externe Umwelt. Die Beobachtung dieser Veränderungen wird als Informationen in einer Feedbackschleife weiter verarbeitet. Dies dient einer Erfolgsüberprüfung der eigenen Handlung. Die wahrgenommenen Ergebnisse werden dann als ein neuer Reiz wahrgenommen, die dann eine neue Kompensationsschleife auslösen können. Die Emotionen, physiologischen Erfahrungen und Kognitionen der ersten Schleife beeinflussen dann die Emotionen, physiologischen Erfahrungen und Kognitionen der zweiten Schleife. Dieser Ablauf kann als Regelprozess verstanden werden.

In den folgenden zwei Abschnitten dient die Risikomotivationstheorie als Rahmenmodell für die Beschreibung situativer und personenbezogener Einflussfaktoren auf die Entscheidungen in taktischen Situationen.

2.2.2 Entscheidungen unter besonderer Beachtung situativer Faktoren

Mit den Situationsfaktoren sind situativen Einflüsse im Spiel oder im Umfeld des Spielers gemeint, die einen Einfluss auf die Risikowahrnehmung und damit auf die Entscheidung des Spielers nehmen können. Zu Beginn wird das Fußballspiel vertiefend unter entscheidungspsychologischer Sicht behandelt. Darauf folgt die Prospect-Theory, das Rubikonmodell und zum Schluss die Level of Aspiration Theory.

Ausgehend von der Bedeutung situativer Einflüsse nach der RMT soll im folgenden Abschnitt ein besonderer Fokus auf die (taktischen) Entscheidungen unter Unsicherheit des Spielers gelegt werden. Zu Beginn werden die Situationen aus entscheidungspsychologischer Perspektive klassifiziert und anschließen werden die Ergebnisse der Forschungslage wiedergegeben. Zu Beginn der Klassifikation ist es unabdingbar die entsprechenden Termini zu benennen um die diese zu standardisieren. Die Definitionen sind dem Lehrbuch: Psychologie der Entscheidungen von Jungermann, Pfister & Fischer (2005) entnommen.

Aus entscheidungspsychologischer Sicht werden Handlungen, Regeln und Strategien als Optionen bezeichnet, zwischen denen gewählt werden kann. Als Ereignisse werden alle Vorkommnisse und Sachverhalte bezeichnet, auf die der Entscheider keinen Einfluss hat, die aber bedeutsam für den Ausgang der Entscheidung sein können. Hierbei wird noch zwischen externen (beispielsweise Wetter) und internen Ereignissen (beispielsweise Gefühlsregungen) unterschieden. Als Konsequenzen werden alle diejenigen Zustände bezeichnet, die eine Folge der Wahl sind. Konsequenzen sind meistens der Grund für die Entscheidung für eine Option.

Wenn ein Spieler sich im Angriff und kurz vor der Strafraumgrenze befindet, kann er zwischen verschieden Optionen wählen. Er könnte den Zweikampf (X), den Pass (Y), oder den Direktschuss (Z) wählen. Der Spieler muss also eine Entscheidung treffen, wobei jede Option mit unterschiedlichen Konsequenzen versehen ist. Beispielsweise wird er die Option X (Zweikampf) wählen, da die Konsequenz K1 (zunehmende Attraktivität) für ihn bedeutsamer ist als die Konsequenz K2 (Mitspieler macht ein Tor) der Option Y. Zusätzlich können Ereignisse E1 (herannahen eines Abwehrspielers) den Ausgang der Entscheidung beeinflussen.

Die Art der Entscheidung ist des Weiteren von den Merkmalen der gegebenen Situation und von der Persönlichkeit des Spielers abhängig. Charakteristiken von Entscheidungssituationen können sein: offene oder geschlossene Entscheidungsmenge, einstufige oder mehrstufige Entscheidungen und einmaliges oder wiederholtes Entscheiden.

Beispielsweise klassifizieren Bauer & Ueberle (1984) die wichtigsten taktischen Handlungen einmal nach Individualtaktik, Gruppentaktik oder Mannschaftstaktik und nach den besonderen Umständen des Spieltages (Regen, Hitze, Heimspiel). Innerhalb dieser beiden Unterteilungen unterscheiden sie in Angriffs- und Abwehrtaktik und in Taktik mit und ohne Ball.

Aus Sicht der Entscheidungspsychologie werden Entscheidungssituationen in routinisierte, stereotype, reflektierte und konstruktive Entscheidungen unterteilt (Svenson, 1996; vgl. Jungermann, Pfister & Fischer, 2005). Unter routinisierte Entscheidungen verstehen die Autoren Entscheidungen, die auf Grund häufiger Wiederholungen automatisiert gefällt werden können, die aber mindestens einmal auf einer höheren Ebene angesiedelt waren. Bei der stereotypen Entscheidung wird die Präferenz durch ein holistisches Affekturteil, welches auch bewusst ablaufen kann, gefällt. Wenn zur Entscheidung keine habituellen oder affektiven Präferenzen vorhanden sind und die Informationssuche aktiv aus dem Gedächtnis oder der Umgebung erfolgt, haben wir es mit einer reflektierten Entscheidung zu tun. Werden keine oder nur unzureichend definierte Optionen dargestellt, sind konstruktive Entscheidungen notwendig. Konstruierte Entscheidungen müssen meist bei komplexen Problemen gefällt werden, da die möglichen relevanten Optionen nicht klar bestimmt werden können.

Eine Situation kann für eine Abwehr also sehr bekannt und oft durchgeübt sein (bs.: routinisierte Entscheidung zur Bildung einer Abseitskette), durch bestimmte Angriffmuster bewertet werden (stereotype Entscheidung), auf Grund von unbekannten Teilaspekten neu zusammengestellt werden (reflektierte Entscheidung) oder auf Grund einer neuen Situation (konstruierte Entscheidung zu einer bisher nicht bekannte Angriffsvariante) neu erdacht werden.

2.2.2.1 Prospect-Theory

Mit der Prospect-Theory haben Kahnemann und Tversky (1979) die bedeutendste Revision der Subjective Utility Theory (Edwards, 1954; vgl. Jungermann; Pfister & Fischer, 2005) erstellt. Hierbei wurden zwei wesentliche Erneuerungen formuliert. Erstens wird der Prozess der Entscheidung in eine Editierungs-und Evaluierungsphase unterteilt und zweitens ist die Entscheidung von einem individuellen Referenzpunkt abhängig. In der Editierungsphase werden wahrgenommene Hinweise nach bestimmten Regeln enkodiert, transformiert und repräsentiert und in der Evaluierungsphase für jede Option ein Nutzen und die Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmt, worauf eine Option gewählt wird. Die Entscheidung ist für Gewinne und Verluste unterschiedlich. So wird im Gewinnkontext eher risikoaversiv und im Verlustkontext risikofreudig entschieden. Außerdem ist der absolute Betrag des Verlustwertes höher als der des Gewinnwertes. Übertragen auf ein Fußballspiel wäre demnach eine risikofreudigere Handlung im Verlustkontext, wie beispielsweise bei einem Rückstand wahrscheinlicher als im Gewinnkontext.

2.2.2.2 Rubikon Modell

Für die Untersuchung der taktischen Entscheidungen ergeben sich folgende zwei Fragen: Warum entscheiden sich Spieler für eine Option und welche Faktoren sind für einen Spieler während des Spiels für die Umsetzung von einer Entscheidung wichtig? Diese Fragen können mit dem Rubikonmodel von Heckhausen (1987a; 1987b) untersucht werden.

Das Rubikonmodell stellt ein komplexes Rahmenmodell der Motivation dar, das den Prozess von der Auswahl einer Handlungsalternative über die Initiierung, Aufrechterhaltung und abschließende Bewertung einschließt. In dieser Prozesstheorie soll nicht nur geklärt werden, warum sich für eine Option entschieden wird, sondern auch mit welcher Intensität und Ausdauer diese Handlungsalternative verfolgt wird (Schuler, 2006). Das Rubikonmodell ist in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Rubikon-Modell (nach Heckhausen 1989)

Hierbei wird der gesamte Prozess in vier Phasen unterteilt: prädezisionale Phase (Wählen), präaktionale Phase (Zielsetzung), aktionale Phase (Handeln) und postaktionale Phase (Bewerten). Nerdinger (1995) nutzt das Rubikon-Modell als ein Rahmenmodell zur Integration verschiedenster Motivationstheorien um motivationales Handeln in Organisationen zu beschreiben.

Die Entscheidung für eine bestimmte Option wird in der Prädezisionalen Phase gefällt. Dazu können Entscheidungsmodelle wie das Risikowahlmodell von Atkinson (1957), das VIE-Modell von Vroom (1964) und das erweiterte kognitive Motivationsmodell von Heckhausen (1977; vgl. auch Heckhausen, 1989, S. 466ff.) als Erklärung genutzt werden.

Auf das VIE-Modell und das erweiterte Handlungsmodell von Heckhausen (1977) soll im Folgenden genauer eingegangen werden. Das Risikowahlmodell soll an dieser Stelle auf Grund der „Unmöglichkeit, die prognostizierten Ergebnisse experimentell zu verifizieren“ (Nerdinger, 1995 S. 94) an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Da das Modell für den Einfluss der Leistungsmotivation auf leistungsrelevantes Handeln historisch gesehen bedeutsam ist, wird es im Abschnitt ‚Leistungsmotivation’ erneut aufgegriffen.

Mit Hilfe dieser Entscheidungsmodelle können Annahmen gemacht werden, warum sich ein Spieler für eine Option entscheidet. Nach dem VIE-Modell wird eine Handlung initiiert, wenn sowohl die Erwartung, (eine Handlung führt zum gewünschten Ergebnis erster Ordnung) die Instrumentalität, (das Ergebnis erster Ordnung führt zum Ergebnis zweiter Ordnung) und die Valenzen des Ergebnisses zweiter Ordnung ausreichend Attraktivität besitzen. Beispielsweise wird der Spieler die Option X (Zweikampf) wählen, wenn die Handlung zu dem Ergebnis erster Ordnung (Tor), das Ergebnis erster Ordnung zu dem Ergebnis zweiter Ordnung (Spielgewinn) führt und die Valenz dieses Ergebnisses zweiter Ordnung hinreichend wichtig sind (Spielgewinn ist entscheidend zum Klassenerhalt).

Durch Berücksichtigung der Situation erweitert Heckhausen (1977) das Modell von Vroom (1964) noch um die zwei Möglichkeiten der Situations-Ergebnis-Erwartung (S-E Erwartung) oder des Aussitzens und die Handlungs-bei-Situations-Ergebnis-Erwartung (H-S-E Erwartung) bzw. abhängiger Erfolg. Die erstere Erwartung entspricht einer Situation im Spiel, in der der Spieler annimmt, dass auch ohne sein Zutun das gewünschte Ereignis eintreffen wird. Letztere Erwartung entspricht einer Situation im Spiel, bei der der Spieler die Fähigkeiten seiner unmittelbaren Mitspieler benötigt, um zum Torerfolg zu gelangen. Schätzt der Spieler die Fähigkeiten negativ ein, dann wird dass seine H-S-E Erwartung mindern. Zusätzlich erweitert Rheinberg (1980) das Modell um tätigkeitsspezifische Vollzugsanreize, was der intrinsischen Motivation einer Handlung entspricht. Im Spiel reicht mitunter der alleinige Spielspaßgedanke aus, um ein besonders gewagtes Dribbling zu versuchen. Das erweiterte Motivationsmodell mit der Erweiterung von Rheinberg (1980) ist in Abbildung 3 wiedergegeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: erweitertes kognitives Motivationsmodell (nach Heckhausen & Rheinberg, 1980)

Die Erfolgseinschätzungen der einzelnen Optionen und die Entscheidungen für eine Option können bisher noch nicht ausschöpfend erklären warum sich der Spieler für eine Variante entscheidet oder entscheiden sollte. Auch ist die Grundannahme der beiden Theorien- der Mensch entscheide als reiner Nutzenmaximierer oder auch „Homo Ökonomicus“-ist vielseitig kritisiert worden (Neuberger, 1985; Nerdinger, 1995; Frey & Greif, 1983). Aus diesen Gründen ist ein Hinterfragen nach der subjektiven Ursache angebracht (Nerdinger, 1995). Jungermann et al (2005) zählen Gründe für eine Entscheidung zu den internen Komponenten und Optionen, Ereignisse und Konsequenzen dagegen zu den externen Komponenten eines Problems. Nach Meinung der Autoren sind Gründe hypothetische Konstrukte, das heißt, es wird dem Entscheider unterstellt, dass er Gründe für den Umgang mit Problemen hat. In den Termini der erweiterten Handlungstheorie nach Heckhausen (1977) entsprechen die Gründe der prospektiven Kausalattribuierung und fungiert somit als erklärende Variable für die Handlung- Ergebnis- Erwartung. Hierbei kann wird zwischen dispositionaler und situativer Ursachenzuschreibung unterschieden werden. Beispiele für dispositionale Faktoren sind: spielerische Fähigkeiten und Nervenstärke. Beispiele für situative Faktoren sind: schlechtes Wetter, übermäßiger Gegner und die sicherste Variante.

2.2.2.3 Level of Aspiration Theory

Mit der “Level of Aspiration Theory” stellte Lewin (1938; 1951; nach Trimpop, 1994) eine Nutzentheorie der Motivation vor. Nach dieser Theorie besitzen Situationen verschiedene Wahlmöglichkeiten die wiederum einen subjektiven Wert und ein subjektiv eingeschätzte Eintretenswahrscheinlichkeiten für positive und eine negative Konsequenzen hat. Nach Lewin (1938) muss es sich dabei nicht um sich ausschließende Konsequenzen handeln. Ebenso können sie vom Entscheider im Entscheidensprozess gleichzeitig betrachtet und bewertet werden. Diese Nutzentheorie kann als Basis zur Klärung gleichzeitig auftretender positiver und negativer Abwägensprozesse bei Entscheidungen unter Unsicherheit gesehen werden.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass Entscheidungsverhalten neben personalen Faktoren durch verschiedene situative Faktoren bestimmt wird. Zur Erklärung des Einfluss situativer Faktoren wurden in der Vergangenheit verschiedenste Modelle empirisch untersucht. Als für eine Entscheidung unter Unsicherheit bedeutsam hat sich die die Prospect Theory nach Tversky & Kahneman (1979) erwiesen. Die unterschiedliche Darbietung des Gewinn- oder Verlustkontext führt zu Veränderungen im Entscheidungsverhalten. Das Rubikonmodell betrachtet eine Handlung von der Entscheidung bis zur Ausführung. Für die Erklärung warum bestimmt Alternative gewählt werden, sind insbesondere das VIE-Modell (Vroom, 1964) und das erweiterte kognitive Motivationsmodell (Heckhausen, 1977) als bedeutsam erachtet worden. Für die Auswahl einer Alternative sind nicht nur Eintretenswahrscheinlichkeiten positiver Konsequenzen der Alternativen, sondern auch die Eintretenswahrscheinlichkeiten negativer Konsequenzen der Alternativen bedeutsam (Lewin, 1938, vgl. Trimpop, 1994).

Wie bereits erwähnt, bestimmen neben situativen Faktoren auch personale Faktoren das Entscheidungsverhalten im Sport. Auf diese personalen Faktoren, wird im nächsten Abschnitt eingegangen.

2.2.3 Personale Faktoren

Unter den personalen Faktoren werden die Faktoren genannt, welche sowohl einen Einfluss auf die Entscheidungen in den taktischen Situationen haben können, also auch als Erfolgfaktoren für Fußballer in der Vergangenheit (siehe Tabelle 1) untersucht wurden sind. Zum Schluss des Abschnitts wird vertiefend auf Entscheidungen im Fußball eingegangen.

2.2.3.1 Leistungsmotivation

Wie im Abschnitt zum Rubikonmodell bereits angedeutet kann die Leistungsmotivation als Einflussvariable innerhalb mehrerer Handlungsphasen gesehen werden. Dies betrifft das Auswählen von Handlungsalternativen in der prädezisionalen Phase (Atkinson, 1957), das Setzen von Zielen in der präaktionalen Phase (Gabler, 1995; Heckhausen 1972), das Aufrechterhalten von Handlungen in der aktionalen Phase (Gabler, 1995; Gollwitzer 1991) und das Bewerten von Handlungen in der postaktionalen Phase (Gabler, 1995; Heckhausen 1972).

In Anlehnung an McClelland (1953) kann nach Heckhausen (1977) dann von leistungsmotiviertem Handeln gesprochen werden, wenn „… an das eigene Handeln ein Gütestandart angelegt und die eigene Tüchtigkeit bewertet wird“ (Heckhausen, 2000; vgl. auch Krapp & Weidemann (2001) S. 212). Die in der Literatur vorherrschende Unterteilung der Leistungsmotivation in Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg geht auf Atkinson (1957) zurück. In dieser Konzeption bedeutet Leistungsmotivation „die resultierende Tendenz des emotionalen Spannungskonfliktes zwischen der Hoffnung auf Erfolg und der Furcht vor Misserfolg“ (Nerdinger, 1995 S.90). Diese situativ formulierte Konzeption soll an dieser Stelle den Unterschied zwischen Motivation und Motiv einleiten. Motivation wird als „aktivierende Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (Rheinberg, S.2004a, S.15) bezeichnet. Dagegen wird unter dem Motiv die „zeitlich überdauernde Bereitschaft für bestimmte Klassen von Zuständen einzutreten“ (Krapp & Weidemann, 2001, S.212) verstanden. Der Unterschied lässt sich in der zeitlichen Stabilität und in der Ausrichtung festmachen. Dies wird dennoch mit der Bezeichnung der „allgemeinen Leistungsmotivation“ häufig anders verwendet, was in der Literatur häufig zu Verwechslung von Motiv und Motivation führt.

Das Konzept der Leistungsmotivation wurde vielfach im Bezug auf Leistungsprognosen im Sport untersucht. Gabler (1981) zeigte in einer Längsschnittstudie an Schwimmern, dass sich Ausscheider zum vorangegangenen Messzeitpunkt zu hohe und unrealistische Ziele setzten. Des Weiteren erwiesen sich die Faktoren größere „Erfolgszuversichtlichkeit“ und geringere „Misserfolgsängstlichkeit“ als bedeutsame Voraussetzungen für das Aufrechterhalten der Leistungsbereitschaft im Training. Thomasen und Halvari (1996) ermittelten sowohl einen positiven Zusammenhang zwischen der Einbindung in den Wettkampfsport und Erfolgsmotivation, als auch einen negativen Zusammenhang zwischen Misserfolgsvermeidung und der Einbindung in den Wettkampfsport.

Elbe, Beckman & Szymanski (2003) fanden heraus, dass sich nur ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem sportspezifischen Leistungsmotiv und der aktuellen oder zukünftigen Leistung einstellte. Beim allgemeinen Leistungsmotiv ergab sich dieser Effekt nicht. Gleichzeitig verdeutlicht dieses Ergebnis die im Abschnitt Diagnose und Entwicklung angeführte Bedeutung der Kontextspezifität der Messinstrumente.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Leistungsmotivation einen grundlegenden Faktor für das Initiieren, Aufrechterhalten und Bewerten einer Leistungshandlung darstellt.

2.2.3.2 Naive Stressregulation

Unter Stress sind in der Literatur verschiedene Konzeptualisierungen zu finden (vgl. Laux, 1983). Die dominierende Stresstheorie (Laux, 1983) ist die Stresstheorie von Lazarus (1978). In dieser Stresskonzeption „… bezieht sich Stress auf eine Transaktion, bei der externe oder interne Anforderungen die adaptiven Mittel des Systems beanspruchen oder übersteigen.“(Laux, 1983 S. 483). Das ursprünglich von Arnold (1960) eingeführte Konzept der Bewertung (appraisal) wurde von Lazarus (1978) systematisch in seine Stresskonzeption eingebaut. Hierbei wird zwischen einer primären Bewertung (primary appraisal), sekundären Bewertung (secondary appraisal) und der Neubewertung (Re-appraisal) unterschieden (Lazarus & Launier, 1978).

Die Anstrengung mit externen und internen Anforderungen- die die Mittel einer Person überfordern- fertig zu werden, bezeichnet Lazarus (1978) als Bewältigung.

Lazarus & Launier (1978) unterscheiden zwei Arten der Stressbewältigung: die emotionsregulierende und die problemorientierte Bewältigung. Bei der emotionsregulierenden Bewältigung geht es um die Minderung der durch Stress ausgelösten negativ empfundenen Emotion wie beispielsweise Angst, Schuld oder Depression. Die problemorientierte Bewältigung erfolgt durch eine Hinwendung der Person zur belastenden Situation mit dem Ziel das Problem zu lösen (Laux, 1983). Lazarus & Folkman (1984) machen auch auf mögliche Interaktionsformen zwischen problemorientierter und emotionsregulierender Bewältigung aufmerksam.

Unter naiven Regulationstechniken versteht man nichtwissenschaftliche, vom Sportler selbst entwickelte und subjektiv evaluierte Techniken (Hindel & Krohne, 1988). Nitsch und Hackford (1979) unterscheiden bei naiven Psychoregulationstechniken zwischen Techniken mit einer Aufmerksamkeitsfokussierung auf die Situation (Bedingungskontrolle) von Techniken mit einer Ablenkung (Symptomkontrolle) von der Situation. Dabei sind Techniken der Aufmerksamkeitsfokussierung mit der problemorientierten Bewältigung vergleichbar und Techniken mit einer Ablenkung von der Situation weisen Gemeinsamkeiten mit der emotionsregulierenden Strategie auf. Zu den Techniken der Bedingungskontrolle zählen Verhaltensweisen, um die stress– oder angstauslösenden Bedingungen zu beeinflussen. Techniken zur Symptomkontrolle können in physiologische und psychologische unterschieden werden (Allmer & Nitsch, 1979). Unter physiologischen Techniken subsumieren die Autoren Reizvariation im Sinne einer Reizzufuhr bzw. – entzug. Dies kann durch, Maßnahmen zur Energieregulation, Regulation von Atmung, gymnastische Übungen oder durch Bäder, Massagen und Getränke geschehen. Die psychologischen Techniken unterteilen die Autoren in Vermeidungs- und Verarbeitungstechniken. Der Begriff psychologisch ist hier irreführend, da auch somatische Regulationen psychologisch sind. Folglich ist dieser begriff eher als kognitiv zu verstehen. Als typische Meidungstechniken sind Verdrängung und Ablenkung zu nennen. Ablenkung kann durch gedankliche Beschäftigung mit etwas anderem, der Suche nach sozialem Kontakt oder der Beobachtung anderer Ereignisse realisiert werden. Für die Verarbeitungstechniken ergeben sich zwei unterschiedliche Ziele: die Veränderung der Kontrollierbarkeit und die Veränderung der Wichtigkeit.

Die Effizienz der eingesetzten Copingstrategie kann zwischen Situationen und Personen variieren und ist somit von weiteren Faktoren abhängig (Hindel & Krohne, 1988; Holt & Hogg, 2002; Aldwin, 1994). Insbesondere sind hierbei Kontrollierbarkeit, Vorhersagbarkeit und zeitliche Unmittelbarkeit zu nennen (Hindel & Krohne, 1988).

Zusätzlich sei auf den Unterschied zwischen Individualsportarten und Teamsportarten hinsichtlich der Anwendung der Bewältigungsstrategien verwiesen. Holt & Hogg (2002) untersuchten potentielle Stressoren und Bewältigungsmechanismen von weiblichen Fußballerinnen bei der Teilnahme an der WM 1999.

Hierbei wurden die als am bedeutsamsten erlebte Stressoren zu den vier Kategorien Trainer- Kommunikation, Anforderungen des internationalen Fußballs, Wettkampf-bezogene Stressoren und Ablenkungen zugeordnet. Die verwendeten Copingstrategien ließen sich zu den Kategorien Neubewertung, das Nutzen von sozialen Ressourcen, problemorientiertes Verhalten und Blockieren zuordnen.

Die Autoren konnten Übereinstimmungen von den Strategien Blockieren, positive Selbstgespräche, Problemlösen zwischen Individual- und Mannschaftssportarten finden. (Holt & Hogg, 2002; Gould, Eklund & Jackson 1993; Gould, Finch & Jackson 1993).

Unterschiede zeigten sich bezüglich der Kommunikation auf dem Feld und der negativeren Wahrnehmung des Kommunikationsstiles des Trainers. Die Kommunikation auf dem Feld liegt in der Struktur der Mannschaftssportart begründet. Zusätzlich scheint der Kommunikationsstil des Trainers bei Bestrafungen und Fehlerrückmeldung bei Teamsportarten ein größerer Stressor zu sein als bei Individualsportarten. Die Befunde deuten auf eine weitestgehende universelle Übertragbarkeit der im Individualsport angewendeten Copingstrategien auf den Mannschaftssport.

Aus der oben genannten Literatur schlussfolgernd, kann der Stressregulation ein erheblicher Anteil zur Klärung differentieller Unterschiede erfolgreichen Handelns im Sport bescheinigt werden.

2.2.3.3 Teamorientierung

Aus personalpsychologischer Sichtweise verstehen Hossiep & Paschen (2004) unter Teamorientierung:

„Hohe Wertschätzung von Teamarbeit und Kooperation; Bereitschaft zur aktiven Unterstützung von Teamprozessen, bereitwillige Rücknahme eigener Profilierungsmöglichkeiten zugunsten der Arbeitsgruppe“

(Hossiep & Paschen 2004 S.133).

Die Grundannahme zur Bedeutung einer hohen Teamorientierung im Profifußballbereich ist eine ähnliche wie die aus personalpsychologischer Sichtweise. Eine hohe Teamorientierung der einzelnen Spieler sollte zu einer effektiveren Gesamtleistung der Mannschaft führen. Nur wenn alle Spieler ihre Einzelinteressen zu Gunsten der gesamten Mannschaft in den Hintergrund stellen können, kann die Mannschaft als solche funktionieren (Hossiep & Paschen, 2004; Kunath & Schellenberger, 1991). Das Resultat einer hohen Teamorientierung jedes Einzelnen ist ein hoher Zusammenhalt der Mannschaft. Dieser als Kohäsion bezeichneter Zusammenhalt wurde im Zusammenhang mit Leistung in der Vergangenheit mehrfach untersucht (vgl. Muck, 2006).

Muller und Cooper (1994) konnten in einer Metaanalyse zeigen, dass die Attraktivität der Gruppenaufgabe entscheidend für den Zusammenhang von Kohäsion und Leistung ist. Zusätzlich ist eine hohe Gruppenkohäsion nur leistungsförderlich, wenn sie in Kombination mit herausfordernden Gruppenzielen auftritt (Whitney, 1994).

Dies zeigt, dass die typisch als Gruppenkohäsion verstandenen Variablen, wie Wir-Gefühl und Gruppenstolz keinen bedeutsamen Beitrag zur Vorhersage der Leistung liefern (Wegge, 2006). Vielmehr ist es die Attraktivität der Aufgabe die den Zusammenhang herstellt.

Ein wichtiger Hinweis auf Ursachen differentieller Unterschiede zwischen Spielern zeigt die Untersuchung von Cooper & Paine (1972). Sie ermittelten in der englischen „Senior Division“, dass der Grad der Mannschaftsorientierung sich zwischen Spielern in Abhängigkeit der Spielpositionen unterscheiden kann. Dabei waren Stürmer mehr Ich- Orientiert als Mittelfeld oder Abwehrspieler.

Die dargestellten Ausführungen und Befunde verdeutlichen, dass auf Grund des Mannschaftssportcharakters des Fußballs und der Bedeutung der Teamorientierung aus personalpsychologischer Sicht, die Ausprägung der Teamorientierung eines Spielers bedeutsam für die Leistung der Mannschaft ist und folglich einen wichtiges Kriterium für die Personaldiagnostik und die Personalentwicklung darstellt.

2.2.3.4 Flexibilität

Zur Bedeutung der Flexibilität für den Fußball gibt es bisher keine empirische Evidenz. Da das Konstrukt für die Personaldiagnostik bedeutsam ist, soll die Bedeutung für den Fußball im Folgenden skizziert werden.

Obwohl es viel geteilte Meinungen unter den Trainern und Spielern gibt, wie verschiedene Situationen im Spiel zu lösen sind, ist anzunehmen, dass es auch unterschiedliche Auffassungen gibt. Diese Unterschiede können durch die jeweilige Vorerfahrung, situative Schwankungen oder die Präferenz für eine bestimmte Lösung variieren. Dennoch müssen die innerhalb einer Mannschaft geteilten Ansichten über die Lösungen möglichst kohärent sein, da sonst das koordinative Spielgefüge bedroht wäre (vgl. Gabler et al, 1979). Somit ist es für die Spieler mit unterschiedlichem taktischem Hintergrund zumindest im Training wichtig, sich auf neue Lösungsmöglichkeiten aus einer Situation einstellen zu können.

Das Konstrukt besitzt eine hohe Überschneidung mit dem Big Five Faktor: „Offenheit für Erfahrungen“ (Hossiep & Paschen, 2003). Im Big Five Modell greift der Faktor viele Bereiche des Lebens, wie zum Beispiel der Verzehr von ungewöhnlichen Speisen auf. Auf diesen universellen Anspruch wurde bei der Umsetzung der im Bochumer Inventar zu berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (Hossiep & Paschen, 2003) erstellte Flexibilitätsskala zu Gunsten der Kontextspezifität verzichtet. Da unter personalpsychologischer Sicht Flexibilität als „Hohe Bereitschaft und Fähigkeit, sich auf neue oder unvorhergesehene Situationen einzustellen und Ungewissheit zu tolerieren“ und als „die Offenheit für neue Perspektiven und Methoden und eine hohe Veränderungsbereitschaft“ (Hossiep & Paschen, 2003 S.133) verstanden wird, ist anzunehmen, dass Flexibilität auch im Profifußball einen wichtigen erfolgskritischen Faktor für einen Spieler darstellt.

2.2.3.5 Risikodisposition

Das bekannteste Konzept zur Klärung riskanten Verhaltens stammt von Zuckerman (Trimpop, Kerr & Kirkcaldy, 1999). Sein ursprünglich durch Forschungen zur sensorischen Deprivation ermitteltes Konzept wurde auf weitere Bereiche riskanten Verhalten des Lebens übertragen. Ausgangspunkt für Zuckermann war das Vorhandensein eines inter- und intraindividuell verschiedenen, hedonischen Tonus. Die Effekte des hedonischen Tonus, also die sensations, haben letztlich die notwendige positive Verstärkerwirkung, weshalb sein Konzept Sensation Seeking genannt wurde (Amelang & Bartussek, 2001 S. 386). Sein auf dem Sensation Seeking basierter Fragebogen wurde mehrfach überarbeitet und konnte erfolgreich genutzt werden, um korrelative Zusammenhänge zwischen Sensation Seeking und der Wahl für Extremsportarten wie Fallschirmspringen, Autorennen, Tauchen, Bergsteigen und Kontaktsportarten zu ermitteln (Trimpop, Kerr & Kirkcaldy, 1999; Roth, 2003). Auch mit anderen persönlichkeitsorientierten Fragebögen zum Risikoverhalten konnten Zusammenhänge zur Präferenz von Risikosportarten ermittelt werden (Chirivella & Martinez, 1994; Keinan, Meir & Gome-Nemirovsky 1984; Kerr, 1991; Kerr & Svebak, 1989).

Vergangene Studien zur Bedeutung von Risiko im Fußball konzentrierten sich verstärkt auf den Zusammenhang eines erhöhten Risikowertes (gemessen mittels eines Fragebogens) mit einer erhöhten Verletzungsrate oder mit delinquentem Verhalten wie Substanzmissbrauch und Aggressivität (Díaz, Buceta & Bueno, 2004; Johnson, Ekengren & Andersen, 2005; Kontos, 2004; Short, Reuter, Brandt, 2005; Schwebel, Banaszek, McDaniel & McCall, 2007).

Zusammengefasst wird entweder ein erhöhtes, dysfunktionales Risikolevel auf der einen Seite oder ein Extremsport auf der anderen betrachtet. Die Bedeutung eines sportspezifischen Risikowertes innerhalb eines low-risk- sports soll deshalb an dieser Stelle genauer betrachtet werden.

Wie im Abschnitt zur Analyse des Fußballs aus entscheidungspsychologischer Sicht schon erarbeitet, werden die Entscheidungen im Spiel unter Unsicherheit gefällt. Dabei kann die individuelle Risikodisposition einen Beitrag zur Erklärung der Risikowahrnehmung und des daraus resultierenden Risikoverhaltens einer Person im Fußball leisten. Auch aus Sicht der Eignungsdiagnostik im Spielsport wurde die Bedeutung eines optimalen Risikolevels mehrfach berichtet (Gabler, Nitsch & Singer, 1995; Bauer & Ueberle, 1984; Wang, 1993).

Um von einem differentiell messbaren Risikolevel ausgehen zu können, muss es um ein Merkmal handeln, das normalverteilt ist und interindividuelle Unterschiede zu erklären vermag. Diese Annahme wird für die Risikodisposition im Allgemeinen mittlerweile breit gestützt (Eysenck, 1967; Wilde, 1986; Zuckermann, 1990; Trimpop, 1994).

Auf Grund der im Abschnitt 2.2 verdeutlichten Charakteristik von Entscheidungen im Fußball, sowie der Bedeutung eines optimalen Risikolevels im Spielsport wird geschlussfolgert, dass einem optimalen Risikolevel eine wesentliche Bedeutung zugemessen werden kann.

Als Zwischenfazit zur Bedeutung der personalen Faktoren für das Entscheidungsverhalten im Fußball lässt sich ausgehend von einer Literaturrecherche und theoretischen Herleitungen festhalten, dass den Faktoren Leistungsmotivation, Teamorientierung, Flexibilität, Stressregulation und Risikodisposition einen besonderen Stellenwert beizumessen ist.

Wie bereits im Abschnitt 2.2.1 dargestellt im bestimmen situative Faktoren und personale Faktoren das Entscheidungsverhalten. Da zusätzlich das Entscheidungsverhalten im Fußball in der Vergangenheit als anforderungskritisch eingeschätzt wurde, soll im Folgenden die Bedeutung des Entscheidungsverhaltens im Fußball verdeutlicht werden.

2.2.4 Entscheidungsverhalten

Bedeutsame Arbeiten zur Darstellung der Bedeutung taktischen Entscheidungsverhaltens als basisregulatorische Komponente wurden von G. Konzag (1984), I. Konzag (1990) und Nitsch (1986) vorgelegt. I. Konzag (1990) betont verstärkt die Bedeutung der Wahrnehmungs-, Denk- und Gedächtnisprozesse für die Güte der Entscheidungen im Rahmen einer Leistungsdiagnostik. Ein Spieler, der eine exaktere Situationswahrnehmung und Situationsantizipation besitzt, ist eher in der Lage eine exaktere und schnellere Auswahl aus den bestehenden Handlungsalternativen zu treffen. Empirisch hat I. Konzag (1990) die Bedeutung basisregulatorischer Komponenten in längsschnittlich angelegten Untersuchungen in der DDR dargelegt.

Ausgehend vom Abschirmungs- Unterbrechungs- Dilemma (Goschke, 1997, S. 387) untersuchte Höner (2002, 2003b) den Einfluss der Informationsaufnahmebereitschaft im individualtaktischen Entscheidungsprozess. Die Ergebnisse seines durch Blickbewegungsmessungen operationalisierten und von hoher ökologischer Validität gekennzeichneten Experiments zeigten im Wesentlichen, dass das Abschirmungs-Unterbrechungs-Dilemma in jeder Phase einer Handlung präsent ist und das Entscheidungsverhalten abhängig von der Spielposition und der Spielerfahrung ist.

Mögliche situative und personenbezogene Einflussfaktoren auf Entscheidungsverhalten in Sportspielen wurden von Roth (1991) untersucht. Dabei führten Zeit- und Belastungsdruck zu Auswahl von eher einfachen Regeln, wohingegen Qualitätsdruck zur Auswahl von komplexen Strategien führte. Im Gegensatz dazu konnte kein Einfluss des Personenfaktors: Handlungs- vs. Lageorientierung festgestellt werden.

Die Bedeutung des taktischen Entscheidungsverhaltens wurde auch in anderen Sportarten untersucht. Höner & Sudeck (2002) ermittelten die Wirkung von Realisierungsintensionen auf die visuelle Informationsaufnahmebereitschaft im Volleyball. Dabei konnten die Autoren die positive Bedeutung der Vorsatzbildung für eine vermehrte Wahrnehmungsbereitschaft und das Entscheidungsverhalten bestätigen. Weiterhin wurde das Entscheidungsverhalten in sportbezogenen Risikosituationen im Volleyball und Handball von Wang (1993) untersucht. Interessant bei beiden Untersuchungen war, dass von der Intensionsbildung (gemessen durch Blickbewegungsmessungen) bis zur Ausführung die gesamten Phasen des Rubikon-Modells (Heckhausen, 1989) betrachtet wurden. Offen bleiben dennoch Aussagen zur Intentionsbildung, wie sie in der prädezisionalen Phase des Rubikon-Modells beispielsweise durch die VIE Theory von Vroom (1964) postuliert werden.

Auf Grund der in vergangenen Arbeiten immer wieder bescheinigten Bedeutung taktischen Entscheidungsverhaltens ist davon auszugehen, dass Entscheidungsverhalten ein wesentliches Kriterium für die Personaldiagnostik und Personalentwicklung darstellt.

Warum sowohl die personalen Faktoren als auch das Entscheidungsverhalten nicht absolut sondern in Bezug auf den jeweils zu untersuchenden Verein als Maß für die Diagnostik herangezogen werden, wird im folgenden Abschnitt dargestellt.

2.3 Person- Organisations- Fit

In vorangegangen Arbeiten wurden Diagnostik und Entwicklung im Sport sehr häufig mit einem Leistungskriterium untersucht beziehungsweise durchgeführt. Beispielsweise ließen Höner (2002, 2003b) und Roth (1991) die Qualität der Entscheidung von Experten einschätzen. Somit wurde für die Spieler ein „objektives“ Richtigkeitsmaß bestimmt.

Im Gegensatz zur absoluten Leistung, welche beispielsweise mittels eines Intelligenztests gemessen wird, kann aus personaldiagnostischer Sicht die Passung eines Bewerbers zur Organisation und/oder zur Position ein wichtiges Einstellungskriterium darstellen (vgl. Piasentin & Chapman, 2006). Übertragen auf den Fußball würde dies bedeuten, dass die Passung eines Spielers zum Verein einen wichtigen Stellenwert besitzen kann. Da für taktische Entscheidungen zwischen verschiedenen Vereinen durchaus unterschiedliche Lösungsansätze für die gleiche Situation präferiert und genutzt werden, erscheint auch die Passung der taktischen Entscheidungen zwischen Trainer und Spieler als wichtige Quelle für Entwicklungsmaßnahmen der Spieler. Ein weiterer Aspekt für die Bedeutung der Passung ergibt sich aus dem Charakter des Mannschaftssports. Die Übereinstimmung zwischen der Entscheidung des Trainers mit der Entscheidung des Spielers führt letztlich zu gleichen Entscheidungen bestimmter Mannschaftsteile (Spiel auf Abseits oder Pressing). Das dadurch verbesserte „Funktionieren“ der Mannschaft oder einzelner Mannschaftsteile ist für den Erfolg maßgeblich (vgl. Gabler, 1979; Veit, 1979). Auch können Ausprägungen verschiedener Persönlichkeitsmerkmale eines Spielers für verschiedene Vereine unterschiedlich bedeutsam sein. Im Kontext der Organisation wird von einem Person- Organisations- Fit gesprochen (vgl. Hossiep & Paschen, 1989).

Eine theoretische Untermauerung dieses Ansatzes bietet die Kongruenztheorie nach Holland (1976). Die ursprünglich für die Berufswahl konzipierte Theorie wurde seit dem weiterentwickelt und wird für die Passung eines Bewerbers zur Organisation verwendet (Hoffmann & Woehr, 2005; Piasentin & Chapman, 2006; Roberts & Robins, 2004; Schneider, 1987; Verquer, Beer & Wagner, 2003). Muchinsky (1987) unterteilt die Passung (Fit) in supplementärer und komplementärer Fit. Als komplementärer Fit wird die Komplettierung einer Organisation durch die Person oder ein Hinzufügen von etwas bisher Fehlendem bezeichnet (Moser & Schmook, 2006). Unter supplementärem Fit versteht Muchinsky (1987) die Passung von Merkmalen der Person mit Merkmalen der Organisation. Als typische Kriterien für die Passung zwischen Person und Organisation wurden in der Vergangenheit vor allem die Übereinstimmung der Werte, der Ziele, der Passung der Wünsche der Person mit den Gegebenheiten der Organisation (needs-supplies fit) und der Passung der Anforderungen der Organisation mit den Fähigkeiten der Person (demands-abilities fit) untersucht (Hoffman & Woehr, 2006).

Die Auswirkungen der Homogenität der Personen innerhalb von Organisationen beschreibt die Attraction-Selection-Attrition (ASA) -Theorie von Schneider (1987). Hierbei wird zwischen drei wesentlichen Sequenzen des „Reproduktionsprozesses“ einer Organisation unterschieden. Unter Attraction versteht man die Anziehung bestimmter Personen durch bestimmte Organisationen; mit Selection ist die spezifische Personalauswahl und mit Attrition der selektive Verbleib bestimmter Personen gemeint.

Als Kritik der Kongruenztheorie wurden die angenommene Unveränderlichkeit der Person und der Organisation und die getrennte Betrachtungsweise durch das Ausblenden der Interaktion zwischen Person und Organisation genannt (Moser & Schmook, 2006). Festzuhalten bleibt jedoch, dass ein grundsätzlicher Missfit zwischen Person und Organisation sehr wahrscheinlich zu einer Ablehnung oder einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen würde (Schallberger, 1987; vgl. Moser & Schmook, 2006). Anderseits wirkt sich nach der Sozialisationshypothese die Berufstätigkeit auf die Persönlichkeit aus (vgl. Kohn & Schooler, 1983) und Unternehmen können durch gezielte Personalentwicklung die Personenmodifikationen im Sinne ihrer Strategie optimieren. Deshalb werden der FIT zwischen Person und Organisation sowie die sich wechselseitige Beeinflussung von Person und Organisation durch den Ansatz eines kontinuierlichen Anpassungsprozesses zwischen Arbeitswelt und Individuum (Moser & Schmook, 2006) integriert.

Auf Grund der Bedeutung eines FIT zwischen Person und Organisation und der Bedeutung homogener Entscheidungen einzelner Mannschaftsteile im Fußball, kann davon ausgegangen werden, dass der Passung eines Spielers zum Verein eine wesentliche Bedeutung beigemessen werden kann.

2.4 Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen

Als ein erstes wesentliches Fazit ist zu konstatieren, dass die Bedeutung einer verlässlichen Personaldiagnostik und Personalentwicklung bereits in der Wirtschaft anerkannt und als Forschungsgebiet etabliert ist (vgl. Schuler, 2006), für den Profifußball aber noch große Lücken besitzt. Daher bietet es sich an, bereits etablierte Konzepte aus der Personalpsychologie zur Ermittlung der Anforderungen im Fußball zu nutzen. Weiterhin bietet es sich für die Personaldiagnostik und Personalentwicklung im Fußball an, sowohl bisher in der Sportpsychologie untersuchte als auch in der Personalpsychologie verwendete Kriterien für eine Diagnostik zu kombinieren.

Bei der Auswahl der Anforderungskriterien für die Diagnostik und Entwicklung ist es weder ratsam nur persönlichkeitsorientierte noch nur situationsspezifische Kriterien zu erheben (vgl. Allmer, 1973; G. Konzag, 1984; Schuler, 2006). Welche Anforderungen für die Diagnostik und Entwicklung gewählt werden, hängt stark davon ab ob das Ziel eine Selektion, Platzierung oder eine Entwicklung ist (vgl. Rosenstil, 2002). Wenn die Entwicklung des Personals im Vordergrund steht, ist es sinnvoller veränderbare Merkmale zu erheben, wenn dagegen Mitarbeiter oder Spieler ausgewählt werden sollen, ist es günstiger verstärkt persönlichkeitsorientierte Merkmale und Leistungsmerkmale wie Intelligenz zu erheben (vgl. Brandstätter, 1999; Schuler, 2006; Sonntag, 1999). Für das Ziel einer vollständigen Diagnose ist es in jedem Fall ratsam multimethodal zu verfahren, also mehrere Verfahren zu kombinieren (Schuler, 2006).

Als ein wesentliches Erfolgskriterium wurden taktische Entscheidungen ermittelt (vgl. Tabelle 1). Da es in einer Situation durchaus mehrere Alternativen gibt, deren Eintretenswahrscheinlichkeit für den Spieler nicht genau vorher bestimmbar ist, fällt der Spieler eine Entscheidung unter Unsicherheit. Deshalb ist jede Entscheidung mit einem Risiko verbunden. Zur Erklärung von situativen und personalen Einflussfaktoren riskanten Verhaltens kann die Risikomotivationstheorie (Trimpop, 1994) als Rahmenmodell genutzt werden.

Entscheidungsverhalten im Sport (Fußball, Handball, Volleyball) wurde in vergangen Untersuchungen im Sinne des Rubikon-Modells von der Intentionsbildung bis zur Ausführung betrachtet (vgl. Höner, 2002; Höner, 2003b; Wang, 1993), dennoch waren Ursachen für die Entscheidungen in der prädezisionalen Phase weniger im Fokus.

Eine Klassifikation taktischer Entscheidung im Fußball wurde in der Vergangenheit meist aus rein sportwissenschaftlicher Perspektive betrachtet. Arbeiten zur Klassifikation taktischer Entscheidungen aus entscheidungspsychologischer Sicht im Fußball existieren bisher nicht. Aus sportwissenschaftlicher Sicht kann einerseits zwischen Mannschaftstaktik und Individualtaktik und anderseits zwischen Offensivtaktik und Defensivtaktik unterschieden werden (vgl. Bauer & Ueberle, 1984; Bauer & Gerhard, 2001; Baur, 1987; Benedek, 1983; Bischops & Gerads, 1991; Höhner, 2002; Roth, 1991; Thumfart, 2006). Aus entscheidungspsychologischer Sicht können Entscheidungen nach (Svenson, 1996) in routinisiert, stereotyp, reflektiert und affektiv Unterschieden werden.

Durch Literaturrecherchen wurden verschiedene Situations- und Persönlichkeitsfaktoren identifiziert, die das Entscheidungsverhalten eines Spielers maßgeblich bestimmen. Als situative Faktoren wurden in Anlehnung an die Prospect-Theory (Tversky & Kahnemann, 1979) die Unterteilung des Kontextes in Gewinn und Verlust, nach dem VIE-Modell (Vroom, 1964) und dem erweiterten kognitiven Motivationsmodell (Heckhausen, 1977) die Abhängigkeit der Entscheidung für eine Alternative von deren Eintretenswahrscheinlichkeit und deren subjektiv eingeschätzten Wert der Konsequenz und nach der Level of Aspiration Theory (Lewin, 1951; vgl. Trimpop, 1994) die Abhängigkeit der Entscheidung von der gleichzeitigen Einschätzung der Eintretenswahrscheinlichkeit negativer und positiver Konsequenzen. Als bedeutsame Personenfaktoren für das Entscheidungsverhalten und für die Leistung eines Spielers im Fußball wurden die Leistungsmotivation, die Teamorientierung, die Flexibilität, die Risikodisposition und die Stressregulation ermittelt (vgl. Tabelle 1 und Abschnitt: 2.2.3 Personale Faktoren).

[...]


[1] vgl. Artikel: „Warum verdienen Fußballspieler so viel Geld? Berthold, N. (2006) und Artikel: „Explosionsartige Entwicklung der Ablösesummen und Spielergehälter. 300 Millionen für das teuerste Trio“ Wiskow (2000)

Ende der Leseprobe aus 228 Seiten

Details

Titel
Personaldiagnostik und Entwicklung im Profi-Fußball
Untertitel
Konzeption und Evaluation eines Instruments zum taktischen Entscheidungsverhalten im Fußball
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Arbeits- und Organisationspsychologie)
Note
1
Autor
Jahr
2008
Seiten
228
Katalognummer
V200405
ISBN (eBook)
9783656312185
ISBN (Buch)
9783656312932
Dateigröße
1548 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fußball, Sportpsychologie, Taktik, Entscheidungen, Validierung, Persönlichkeit, Teamfähigkeit, Stressregulation, Flexibilität, Leistungsmotivation, Risikoverhalten
Arbeit zitieren
Benjamin Koch (Autor:in), 2008, Personaldiagnostik und Entwicklung im Profi-Fußball, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200405

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