Einleitung:
Katharina II. von Russland gilt als Repräsentantin des aufgeklärten Reformabsolutismus (Erich Donnert, in: Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, S. 201, 203; Karl Otmar von Aretin, in: Rußland zur Zeit Katharinas II. Absolutismus - Aufklärung - Pragmatismus, S. 33.), ihre Politik als fortschrittlich, ja als „das mit Abstand eindrucksvollste [...] theoretische Konzept für die Umsetzung von 'Aufklärung' in Staat und Gesellschaft“ (Heinz Duchhardt: Barock und Aufklärung, S. 146.). Gleichzeitig stellt ihre Regierungszeit jedoch auch einen Höhepunkt der Leibeigenschaft dar.(Vgl. David Moon: The Russian Peasantry, S. 370; Roger Bartlett, in: Katharina II., Russland und Europa, S. 403.) Eine Herrscherin „mit dem selbstgewählten Anspruch […], ihren Untertanen Wohlfahrt, Glück und Freiheit zu bringen“ (Erich Donnert, in: Der aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, S. 200.) forciert Abhängigkeiten und Ausbeutung der Bauern. Wie lässt sich dieser auf den ersten Blick paradox erscheinende Widerspruch erklären? Warum stagniert die Aufklärung vor den untersten Schichten? Wieso konnten oder sollten die progressiven Gedanken nicht auch in die Bauernfrage eingehen?
Um diesen Fragen nachgehen zu können, ist es zunächst einmal notwendig, einen Blick auf die damaligen bäuerlichen Verhältnisse zu werfen.
Russland ein prototypischer Bauernstaat:
Im Russland des 18. Jahrhundert machten die Bauern circa 90% der Gesamtbevölkerung aus und sicherten „durch Steuern, Zinsgelder, Arbeits- und Wehrdienst [...] fast alle Staatseinkünfte und Arbeitskräfte, die den Herrscher und seine militärische beziehungsweise bürokratische Elite [unterhielten]“(Edgar Melton, in: Katharina II., Russland und Europa, S. 396.), kurz das Fundament des Staates bildeten. Edgar Melton bezeichnet es daher in Anlehnung an Gerd Spittlers Definition als prototypischen Bauernstaat.(Edgar Melton, in: Katharina II., Russland und Europa, S. 396; vgl. Gerd Spittler: Verwaltung in einem afrikanischen Bauernstaat, S. 13-37.)
Die Lebensbedingungen der Bauern waren zu dieser Zeit durch zwei Kernelemente bestimmt. Zum einen das Feudalsystem, das für den Großteil die Leibeigenschaft bedeutete und zum anderen die staatlich verordnete Selbstverwaltung.(Jörg Baberowski: ZfG 44, 1996, S. 209.)
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Russland ein prototypischer Bauernstaat
- Katharinas Bauernpolitik
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text beleuchtet die Situation der Bauern in Russland während der Regierungszeit Katharinas II. und untersucht, inwiefern ihre Politik mit den Idealen des aufgeklärten Absolutismus vereinbar war.
- Die Lebensbedingungen der Bauern in Russland im 18. Jahrhundert
- Die Rolle der Leibeigenschaft in der russischen Gesellschaft
- Die Auswirkungen der Katharinischen Bauernpolitik auf die Bauern
- Die Grenzen des aufgeklärten Absolutismus in Bezug auf die Bauernfrage
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Problematik der Bauernfrage unter Katharina II. vor. Sie stellt den Widerspruch zwischen ihren aufgeklärten Reformbestrebungen und der fortschreitenden Leibeigenschaft heraus. Die Einleitung stellt die zentrale Forschungsfrage: Warum konnten oder sollten die progressiven Gedanken der Aufklärung nicht auch in die Bauernfrage eingehen?
Russland ein prototypischer Bauernstaat
Dieses Kapitel beleuchtet die Lebensbedingungen der Bauern im Russland des 18. Jahrhunderts. Es beschreibt die beiden wichtigsten Kennzeichen der bäuerlichen Lebensverhältnisse: das Feudalsystem mit der Leibeigenschaft und die staatlich verordnete Selbstverwaltung. Das Kapitel erklärt die Funktionsweise der Leibeigenschaft und ihre verschiedenen Ausprägungen, wobei die Unterscheidung zwischen Staatsbauern und Gutsbauern sowie die zwei miteinander verbundenen Systeme der Grundherrschaft und Gutsherrschaft im Vordergrund stehen. Es beschreibt den Alltag der Bauern und die Herausforderungen, denen sie begegneten.
- Arbeit zitieren
- Christoph Kehl (Autor:in), 2011, Die Bauernfrage unter Katharina II., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200428