Die Gladiatorenspiele in Rom


Examensarbeit, 2010

80 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Forschungsstand

III. Literarische Zeugnisse zu Gladiatorenkämpfen
III. 1. Marcus und Quintus Tullius Cicero
III. 2. Plutarch
III. 3. Gaius Suetonius Tranquillus
III. 4. Titus Livius
III. 5. Cassius Dio

IV. Ursprünge und Entwicklung der römischen Gladiatur
IV. 1. Die Ursprünge von munera
IV. 2. Die Ausbildung des Gladiatorenwesens

V. Gladiatur, virtus und Stoa

VI. Gladiatoren und munera in der römischen Republik
VI.1. munera als Mittel im Wahlkampf und die Frage der Entpolitisierung
a. Das Klientelwesen
b. Das Wahlsystem
c. Comitia, contiones oder Spiele als Ort der politischen Kommunikation?
d. Die Rolle von ambitus in der Römischen Republik
VI.2. Der Einsatz von Gladiatoren in den Machtkämpfen der späten Republik

VII. Die Frage der Verstaatlichung von munera

VIII. Prinzipat
VIII. 1. Caesar
VIII. 2. Augustus
VIII. 3. Entwicklung unter der Iulisch-claudischen Dynastie

IX. Entpolitisierung durch Spiele oder munera als neuer politischer Kommunikationsort?

X. Schlussbetrachtung

XI. Abkürzungsverzeichnis

XII. Quellenverzeichnis

XIII. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Iam pridem, ex quo suffragia nulli vendimus, effudit curas; nam qui dabat olim imperium, fasces, legiones, omnia, nunc se continet atque duas tantum res anxius optat: panem et circenses.“

(Iuv. Sat. 10,81)[1]

Die römischen Gladiatorenspiele hatten nicht nur eine äußerst starke Anziehungskraft auf die Zeitgenossen der Antike, auch heutzutage übt dieses Phänomen immer noch eine hohe Faszination auf uns aus, wie z.B. Ridley Scotts Publikumsmagnet „Gladiator“ aus dem Jahre 2000 zeigt.

Der von Juvenal geprägte Ausdruck „Brot und Spiele“, der einem bei dieser Thematik unwillkürlich in den Sinn kommt, steht auch heute noch sinnbildlich für die politische Instrumentalisierung breiter Bevölkerungsschichten.[2] Juvenal kritisiert in diesem Zusammenhang das politische Desinteresse der Bürgerschaft[3] der Kaiserzeit, die sich lediglich mit Brot und Spielen zufrieden geben würde, anstatt sich, wie die Bürgerschaft der römischen Republik politisch einzubringen. Schon zu Juvenals Zeiten scheinen also Massenveranstaltungen politisch instrumentalisiert worden zu sein. Zudem lässt sich aus diesem Zitat Juvenals ableiten, dass die Spiele keinen Ort der politischen Partizipation der römischen Bevölkerung darstellen würden. Diese Hypothesen wecken das Interesse an der Frage nach dem Zusammenhang von Massenvergnügen und der Entpolitisierung der römischen Bevölkerung am Übergang von der römischen Republik zur Kaiserzeit hin.

Für die Untersuchung dieses Aspektes müssen die Spiele als Kategorie näher beleuchtet werden. Dafür ist zunächst die Unterscheidung zwischen ludi und munera von grundlegender Bedeutung. Während die in der Regel staatlichen ludi sowohl als reguläre Veranstaltung im Rahmen des römischen Festkalenders wie auch als besondere Feste, z.B. im Rahmen eines Triumphzuges, gegeben werden konnten, wurden munera während der römischen Republik ausschließlich im Rahmen der ludi funebris von Privatpersonen veranstaltet. Ludi beinhalteten Theateraufführungen und Wagenrennen, während die republikanischen munera ausschließlich Gladiatorenspiele, teilweise in Kombination mit venationes, beinhalteten. Diese Tierhetzen fallen nicht unter die Bezeichnung „munera“ und sind ein eigener Veranstaltungstyp für sich mit eigenen Akteuren.[4] Da selbst in der Forschung diese Begriffe häufig nicht konsequent getrennt werden, wird hier nur dann der Terminus „Spiele“ gebraucht, wenn sowohl von „ludi“ als auch von „munera“ die Rede ist.[5]

Etymologisch kommt „munus“ nach Corbier von der Wurzel „mei“, „austauschen“ und betont also die Gegenseitigkeit des Gebens. „Munus“ bedeutete zunächst lediglich „Gabe“. Zusammen mit der Rechtsprechung seien munus und officium nach Cicero die drei Elemente, deren Gleichgewicht das Bestehen der Gemeinschaft sichern würde. Zu Zeiten des Augustus habe dann der Grammatiker Verrius Flaccus, das munus dem officium gleichgesetzt, also einer Verpflichtung, die sich aus einem Amt ergab.[6] Eine spezielle Ausprägung von munera war das munus gladiatorum. Dessen Beliebtheit führte bald dazu, dass unter dem Begriff „munera“ ausschließlich Gladiatorenspiele verstanden wurden.[7] Innerhalb dieser Untersuchung soll der Wandel der politischen Funktion von munera im Zentrum stehen.

Um sich der Frage des politischen Funktionswandels von munera nähern zu können, müssen zunächst die gängigen Vorurteile in dieser Hinsicht auf den Prüfstand gestellt werden. Zum einen gibt es die Hypothese, dass munera als gebräuchliches Mittel der Bestechung im Wahlkampf der römischen Republik gelten. Die Bedeutung der demagogischen Wirkung der Spiele für die politische Karriere römischer nobiles scheint zunächst unbestritten, da diese kostspielige Angelegenheit sogar einige Karrieren im finanziellen Ruin enden ließ. Es bleibt jedoch die Frage nach der direkten Auswirkung von munera auf den politischen Entscheidungsprozess.[8]

Des Weiteren existiert die Hypothese, dass munera mit dem Prinzipat bewusst als Mittel der Entpolitisierung der römischen Bevölkerung benutzt worden seien. Um sich dieser Hypothese kritisch zu nähern, ist es unabdingbar, die Möglichkeiten der politischen Partizipation der römischen Bürgerschaft während der Republik zu untersuchen, um eine etwaige Verminderung eben dieser politischen Partizipation im Prinzipat ausmachen zu können. In welchem Rahmen war es der römischen Bürgerschaft überhaupt möglich, sich politisch einzubringen? Und wie sahen die Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der politischen Institutionen aus? Wie wandelten sich diese Möglichkeiten und Funktionen in der Zeit der politischen Transformationen vom Ende der römischen Republik bis zum Ende der iulisch-claudischen Dynastie?

Im Hinblick auf die römische Bürgerschaft hatte dieser Wandel für die römische Plebs sicher andere Auswirkungen, als für die beiden ersten Stände – die Patrizier und die Ritter. Da in den antiken Zitaten zu einer Entpolitisierung der römischen Bürgerschaft in der Regel der Eindruck erweckt wird, dass breite Bevölkerungsschichten betroffen wären,[9] soll die Bedeutung dieses Wandels für die Plebs hier im Vordergrund stehen. Unter „Plebs“ werden hier alle freien Bürger Roms, die nicht den nobiles oder den equites zuzuordnen sind, verstanden. Der Begriff „Plebs“ soll hier jedoch wertneutral verwendet werden, während er in der antiken Literatur und in Folge dessen auch häufig in der modernen Forschung pejorativ besetzt war und ist.[10] Da die Entwicklung von munera in der Stadt Rom auf eine andere Art und Weise vonstatten ging als in den municipien und Provinzen,[11] beschränkt sich die Untersuchung auf die Stadt Rom. Im Zentrum meiner Untersuchung soll daher die plebs urbana stehen .

Ein weiterer interessanter Aspekt im Hinblick auf den Wandel der politischen Funktionen von munera betrifft die Gladiatoren selbst, die während der gewalttätigen Auseinandersetzungen der späten Republik ein neues Handlungsfeld innerhalb der privaten Garden der jeweiligen Kontrahenten zugewiesen bekamen und in diesen Konflikten instrumentalisiert wurden.

Bei der Betrachtung des politischen Wandels von munera ergibt sich die Frage, wann und aus welchen Gründen diese ursprünglich rein privaten Veranstaltungen verstaatlicht wurden und welche Auswirkungen diese Verstaatlichung für die Rolle von munera im Prozess der im Folgenden untersuchten Entpolitisierung gespielt haben könnten? Im Hinblick auf die zeitliche Eingrenzung des Themas bildet die Verstaatlichung von munera ab Augustus eine markante Zäsur. Ergänzt wird die Untersuchung durch einen Ausblick auf das Ende der iulisch-claudischen Dynastie.

Aufgrund der zeitlichen Einschränkung kann auf die aus unserer heutigen Wahrnehmung heraus grausame Hinrichtungsproblematik im Rahmen der Gladiatur und der Schauprozesse innerhalb der Untersuchung nicht eingegangen werden, da sich diese politische Funktion in Bezug auf das Strafrecht erst im Laufe der Kaiserzeit voll herausbildete.[12]

In jüngeren Publikationen wird der Zusammenhang von Gladiatur und Sport verstärkt diskutiert und eingefordert[13] und somit eine kulturwissenschaftliche Betrachtungsweise des Phänomens der Gladiatur in den Vordergrund gestellt.[14] In dieser Arbeit steht jedoch eine sozialpolitische Herangehensweise im Zentrum, weshalb die Frage nach dem sportlichen Hintergrund hier ausgeklammert werden muss.

Um die Hypothese einer Entpolitisierung durch (Gladiatoren-)Spiele zu widerlegen, werden im Folgenden zunächst die Ursprünge und die Entwicklung der römischen Gladiatorenspiele beleuchtet. Um ein Verständnis für die Faszination, die diese Art von Spielen auf die Menschen ausübte zu bekommen, wird anschließend auf den philosophischen Hintergrund eingegangen werden. Das sechste Kapitel widmet sich der politischen Entwicklung von munera während der römischen Republik. Um die Frage nach einer Entpolitisierung der römischen Bürgerschaft klären zu können, dient der erste Teil zunächst der Darstellung des römischen Wahlsystems. Es folgt eine Untersuchung der Möglichkeit zur politischen Partizipation der republikanischen Bürgerschaft und der Rolle der entsprechenden Institutionen. Anschließend wird in dem Komplex der Wahlen die Problematik des ambitus und von munera als Instrument im römischen Wahlkampf beleuchtet. Der zweite Teil des sechsten Kapitels widmet sich dann einem weiteren Aspekt der politischen Entwicklung während der römischen Republik, dem Einsatz von Gladiatoren in den privaten Garden der gewalttätigen Auseinandersetzungen der späten Republik. Da die Verstaatlichung von munera einen Wendepunkt in der politischen Entwicklung markiert, wird diese Frage im siebten Kapitel untersucht. Einen großen Entwicklungsschub erlebten munera unter der Herrschaft der großen Magnaten ab Pompeius und Caesar und dann noch einmal insbesondere unter Augustus. Die Darstellung dieser Entwicklung im achten Kapitel wird durch einen Ausblick bis zum Ende der iulisch-claudischen Dynastie ergänzt. Im neunten Kapitel soll schlussendlich die Frage der angeblichen Entpolitisierung der römischen Bürgerschaft eingehend geklärt werden.

II. Forschungsstand

Die römische Gladiatur stand seit dem 19. Jahrhundert immer wieder im Interesse der Forschung. George Ville hat in seinem posthum erschienenen Werk „La Gladiature en Occident des Origines à la Mort de Domitien“ die Geschichte der Entwicklung der römischen Gladiatur im Westen des römischen Reiches umfassend dargestellt. Er beginnt zunächst mit der Frage nach den weitgehend ungeklärten Ursprüngen von munera. Im Folgenden unterteilt Ville die Entwicklung von munera in drei zeitlich und inhaltlich abgeschlossene Phasen und untersucht deren politische Bedeutung. Schlussendlich widmet Ville sich dann ausführlich verschiedenen Aspekten, wie dem Ablauf von munera, den Akteuren und allen Beteiligten unter den verschiedenen Zugriffen und Perspektiven.

Ähnlich umfassend ist das im der Original 1992 erschienene Werk „Kaiser und Gladiatoren“ von Thomas Wiedemann, welches als eines der Standardwerke zum Thema gilt. Allerdings hat Wiedemann die Chance verstreichen lassen, bei der Überarbeitung des Werks während der fast zehn Jahre später erfolgten Übersetzung ins Deutsche, aktuellere Forschungsergebnisse einzubeziehen.[15] Trotz dieser Kritik finden sich bei Wiedemann einige interessante Thesen, die man nicht vernachlässigen kann.

Von besonderer Bedeutung für die Frage der Entpolitisierung ist das wegweisende Werk „Brot und Spiele“ aus dem Jahr 1990 von Paul Veyne. Im Zentrum steht hier die Auseinandersetzung mit dem Euergetismus griechischer Honoratioren, römischer Oligarchen und der römischen Kaiser. Es handelt sich um ein Standardwerk unter einem sozialhistorischen Zugriff, welches eine Grundlage bezüglich der Untersuchung des Phänomens der Entpolitisierung bildet.

Ein ähnlicher Stellenwert kommt dem aktuelleren Werk „Ritualisierte Politik“ von Egon Flaig aus dem Jahre 2003 zu. Flaig versteht sein Werk aufbauend zu „Brot und Spiele“ von Paul Veyne. Allerdings verwendet Flaig hier, wie auch in seinen früheren Werken, im Gegensatz zu Veyne eher einen kulturwissenschaftlichen Zugriff.[16] Er beschäftigt sich sehr ausführlich mit der Frage nach den Ritualen in politischen Prozessen, in dem er „die semiotischen und sozialen Komponenten rituellen Verhaltens und ritueller Prozesse“ untersucht.[17] Dabei widmet Flaig den Spielen – darunter insbesondere der Gladiatur – und ihrem jeweiligen symbolischen Gehalt in Bezug auf die römische Politik und Gesellschaft ein eigenes Kapitel.[18]

Besonders gewinnbringend für die Untersuchung des politischen Wandels der Gladiatur sind zudem zwei in den 1970er Jahren erschienene Dissertationen. Klaus-Jürgen Nowak liefert mit seiner 1974 veröffentlichten Dissertation eine umfassende Darstellung der Entwicklung des Einsatzes privater Garden – und dabei der Rolle von Gladiatoren – während der gewalttätigen Auseinandersetzungen in der späten römischen Republik.[19] Traugott Bollinger widmet sich in seiner Dissertation aus dem Jahr 1976 den Publikumsdemonstrationen bei öffentlichen Spielen vor allem im frühen Prinzipat, greift aber auch auf die Zeit der römischen Republik zurück und bietet dadurch eine weitere Grundlage für den hier zu untersuchenden Sachverhalt der Entpolitisierung durch Spiele.

Zu der Frage nach der Funktion von munera als „Bestechungsmittel im republikanischen Wahlkampf“ sowie zu Wahlen allgemein bieten ergänzend zu Flaig die beiden Aufsätze von Jehne, neben der ausführlichen Abhandlung des Phänomens ambitus durch Nadig, zahlreiche wichtige Informationen.

III. Literarische Zeugnisse zur römischen Gladiatur

Zu den wichtigsten Quellen für die Untersuchung der hier vorliegenden Fragestellung gehören vor allen Dingen Cicero, die Biographien Plutarchs und Suetons sowie die Geschichtswerke von Livius und Cassius Dio.

III. 1. Marcus und Quintus Tullius Cicero

Marcus Tullius Cicero wurde am 03. Januar 106 v. Chr. in Arpinum als Sohn einer zum Stand der equites gehörenden Familie geboren. Durch die guten Beziehungen seiner Familie zu zahlreichen Angehörigen der römischen Aristokratie, kam er schon früh in den Kontakt mit bedeutenden Rednern und Politikern seiner Zeit, wie L. Licinus Crassus oder Q. Mucius Scaevola. Bei letzterem studierte er gemeinsam mit seinem Freund Atticus römisches Recht und bekam Zugang zu der Welt der ehemaligen Senatoren. Seine ersten großen Auftritte als Redner hatte er in den Jahren 81 und 80 v. Chr. mit der Verteidigung des P. Quinctius und des Sex. Roscius. Nach einem zweijährigen Studienaufenthalt in Griechenland ging er nach Rom und nahm dort die Tätigkeit als Anwalt wieder auf, was ihm die nötigen Beziehungen verschaffte, um in den cursus honorum einzutreten. Er durchlief diesen schnellstmöglich trotzdem er ein homo novus war suo anno. Im Jahr 66 v. Chr. hielt Cicero im Rahmen der Übertragung des Kommandos im Mithridatischen Krieg auf Pompeius seine erste politische Rede. Den Höhepunkt seiner Karriere, der auch gleichzeitig der Beginn seines Niedergangs war, findet man in der Niederschlagung der catilinarischen Verschwörung während seines Konsulats im Jahr 63 v. Chr. Im Jahre 58 v. Chr. ging er zunächst aufgrund eines gegen ihn gerichteten Gesetzesantrages durch seinen großen Feind P. Clodius für fünfzehn Monate ins Exil nach Thessaloniki. Cicero wird dann von Pompeius als Unterstützer bei den von Clodius hervorgerufenen Unruhen zurückberufen. Im Bürgerkrieg schloss Cicero sich gezwungenermaßen Pompeius an, den er neben Caesar als das kleinere Übel betrachtete. Nach Pompeius Niederlage wurde er im Rahmen von Caesars Versöhnungspolitik begnadigt, musste aber bald seine Hoffnung auf die Wiederherstellung der alten res publica aufgeben. In die Verschwörungspläne vor Caesars Ermordung war er nicht eingeweiht, begrüßte sie aber im Nachhinein. Durch seine Vorbehalte Antonius gegenüber und einer Fehleinschätzung der eigenen politischen Stärke, ebnete er schlussendlich Octavian, trotz Kritik aus den eigenen Kreisen, den Weg zur Macht. Als dieser sich mit Antonius zusammenschloss, wurde Cicero als einer der ersten auf die Proscriptionslisten des zweiten Triumvirats gesetzt und am 07. Dezember 43 v. Chr. nahe Formidae ermordet. Als homo novus war er besonders auf Distanz zu den unteren Schichten bedacht, die er als misera, ieiuna, infima und perditissima abwertete. In seiner Sprache verwendet er vulgus und populus häufig synonym, was sich auch in der Überlegung wiederfindet, dass die beste Verfassung diejenige sei, in der dem Volk nur eingeschränkt Rechte zugestanden werden.

Sein fast vollständig erhaltenes Werk umfasst neben den politischen und den Prozessreden vor allem zahlreiche Briefe und theoretischen Abhandlungen. Für diese Arbeit sind in erster Linie die politischen und die Prozessreden interessant, da sich hier zahlreiche Hinweise zum einen in Bezug auf den Einsatz von Gladiatoren während der Machtkämpfen und zum anderen auf die Problematik des ambitus für den Zeitraum der späten Republik finden lassen. Die Rede für P. Sestius zeichnet dazu ein detailliertes Bild von Ciceros Einschätzung der politischen Bedeutung von Volksversammlungen und Spielen. Da Cicero lediglich in vier Prozessen als Ankläger auftrat, handelt es sich hier fast ausnahmslos um Reden der Verteidigung, wobei Cicero diese immer so aufbaute, dass er möglichst versuchte, seine Gegner nicht in ihrer Persönlichkeit zu verletzen. Abgesehen von Milo, der anschließend an den verlorenen Prozess im Jahr 52 v. Chr. in die Verbannung geschickt wurde, erwirkte Cicero immer einen Freispruch. Bei T. Annio Milo wurde er wohl durch das Geschrei der Anhänger des Clodius so aus der Fassung gebracht, dass er eine unsichere, zusammenhanglose Rede hielt, die uns aber in dieser Form nicht mehr überliefert ist. Uns liegt nur noch seine im Nachhinein ausformulierte Variante vor.

Dem Rechtfertigungsdruck nach der Bewältigung der Catilinarischen Verschwörung setzt Cicero ein Eigenlob entgegen, dass „durch seine pathologischen Dimensionen auch die Loyalität seiner politischen Freunde arg strapazierte“.[20] Neben dieser Selbstüberschätzung ist sein Werk stark geprägt von seiner selektiven Wahrnehmung und subjektiv gefärbten Sichtweise gesellschaftlicher und politischer Ereignisse.[21] Eine Tatsache, die für die Beurteilung der Reden Ciceros gerade unter dem Aspekt des jeweiligen Einsatzes von Gladiatoren bzw. munera gladiatorum während der späten Republik nicht vernachlässigt werden darf.

Für die Untersuchung der ausnahmslosen Anerkennung von Gladiatorenspielen, sind die philosophischen Schriften Ciceros Tusculanae disputationes und de officiis hilfreich. Bei der erstgenannten handelt es sich um eine an seinen Freund Brutus gerichtete Schrift. Im zweiten Teil steht hierbei der Umgang mit Schmerzen in Bezug auf die Stoa im Vordergrund. Bei der an seinen Sohn stellvertretend für die zur politischen Führung Roms bestimmte Jugend gerichteten Schrift de officiis handelt es sich um eine der letzten großen philosophischen Abhandlungen seines Werkes, in denen er Empfehlungen und Vorschriften für das Verhalten eines (zukünftigen) Staatsmannes gibt. Zu guter Letzt ermöglicht die umfangreiche Korrespondenz Ciceros Einblicke in alle Lebensbereiche der damaligen Zeit, sowohl politisch als auch privat.[22]

Für die Untersuchung von ambitus während der späten römischen Republik ist die vermutlich durch Quintus Tullius Cicero für seinen Bruder Marcus verfasste Schrift commentariolum petitionis von großem Wert.

Quintus wurde im Jahr 102 v. Chr. geboren. Er begleitete Pompeius 57 v. Chr. als Legat nach Sardinien und setzte sich bei diesem für die Rückberufung seines Bruders ein, wofür er auf den Konsulat verzichtete. Trotz seiner guten Beziehungen zu Caesar, mit dem er zunächst das Amt des curulischen Ädils innehatte, dann im Jahr 62 v. Chr. gemeinsam die Praetur ausübte und ihn später als Legat nach Gallien begleitete, schlug er sich im Bürgerkrieg auf die Seite des Pompeius, was er nach der Schlacht von Pharsalos bereute und wofür er später seinen Bruder Marcus verantwortlich machte. Wie dieser wurde aber auch Quintus von Caesar begnadigt. Im Jahr 43 v. Chr. wurden Quintus und sein Sohn ebenfalls im Rahmen der Proscription ermordet, nachdem sie von Sklaven verraten worden waren.

Die Urheberschaft des commentariolum petitionis ist weitestgehend ungeklärt. Von Quintus sind ansonsten lediglich einige Briefe überliefert, die einen stilistischen Rückschluss auf eine Urheberschaft nicht zulassen. Zudem lässt sich eine Ähnlichkeit zum Sprachstil seines älteren Bruders auch damit erklären, dass die beiden sowohl dieselbe Ausbildung genossen haben, als auch einen engen Kontakt zueinander pflegten. Dass es erstaunlich sei, dass der jüngere seinem erfahreneren Bruder Ratschläge für den Wahlkampf gegeben haben soll, wird hier nicht so gesehen. An dieser als Wahlkampfempfehlung konzipierten Schrift des commentariolum petitionis lässt sich viel über die Funktion und den Ablauf von Wahlkampf, Wahlorganen und Wahlen in der späten römischen Republik ablesen.[23]

III. 2. Plutarch

Plutarch wurde etwa 45 n. Chr. im boötischen Chaironeia geboren und verstarb vor dem Jahr 125 n. Chr. Seine wohlhabende Familie, zu der er einen sehr guten und engen Kontakt hatte, konnte ihm eine angemessene Ausbildung finanzieren. Er studierte in Athen unter dem Platoniker Ammonios Philosophie und hat sich dort vor allem, neben anderen philosophischen Schulen, mit der Stoa auseinandergesetzt. Plutarch unternahm mehrere Reisen, u. a. nach Rom und Alexandria. Er verbrachte einen großen Teil seines Lebens in seiner Heimatstadt und übernahm dort diverse politische Ämter. Das römische Bürgerrecht verdankte er vermutlich L. Mestrius Florus, Konsul unter Vespasian.[24]

Sein umfangreiches, aber nur unvollständig erhaltenes Werk kann in zwei große Gruppen unterteilt werden: die Biographien (hauptsächlich die Caesarenviten und Parallelbiographien) und seine zahlreichen philosophischen Abhandlungen. In dieser Arbeit finden die Bíoi parállēloi, die Plutarch vermutlich nach 96 n. Chr.[25] begonnen hat, Verwendung. Man findet in zahlreichen dieser Biographien Hinweise auf die Instrumentalisierung von munera und Gladiatoren in allen Bereichen durch die großen Männer der römischen Republik. Bei diesen Parallelbiographien handelt es sich um eine große Reihe von paarweise veröffentlichten Biographien, bei denen jeweils eine herausragende griechische, einer ebenso herausragenden römischen Persönlichkeit gegenüber gestellt wurde. Eine relative chronologische Abfolge der Parallelbiographien lässt sich nicht sicher feststellen. Es entsteht jedoch der Eindruck, dass in den frühen Paaren die Verbindung von Bildung und Politik (z.B. Cicero und Demosthenes als fünftes Paar) im Vordergrund steht. Die nächste Gruppe kann unter Personen zusammengefasst werden, die sich durch ihre Verdienste für die Entwicklung in der frühen Geschichte verdient gemacht hatten. Als drittes folgt eine Gruppe, in der die großen Männer der römischen Republik vornehmlich den Größen im Griechenland des 4. vorchristlichen Jahrhunderts gegenüber gestellt werden (z.B. Agesilaos und Pompeius oder Alexander und Caesar). Plutarch selber betrachtete die Biographie als Darstellungsform der historiographischen Darstellung gegenüber als untergeordnet. Späth hat jedoch in seiner Untersuchung dargelegt, dass bei Plutarch die eigentliche Unterscheidung zwischen Biographie und Historiographie darin liegt, dass in der historiographischen Erzählweise eher die metonymische Ausgestaltung des Charakters von Figuren zum tragen komme, während in der Biographie Plutarchs die metaphorische Bedeutung der einzelnen Charaktere im Vordergrund stehe, mit dem Ziel, auf allgemein-philosophische Überlegungen einzugehen.[26] Zudem sollten durch die Darstellung von geschlossenen Charakteren positive bzw. negative exempla geschaffen werden. Seine Hauptquellen sind die, zu dieser Zeit weit verbreiteten historiographischen Darstellungen wie die von Thukydides, Polybios und Dionysios von Halikarnassos, die jedoch für die hier untersuchten Biographien keine Relevanz haben. Für diese Biographien diente in erster Linie Asinius Pollio als Quelle. Die Forschung ist sich heute weitgehend einig, dass Plutarch zwar grundsätzlich einen sorgfältigen Umgang mit seinen Quellen hatte, dennoch zur freien Ausgestaltung von Einzelheiten nach seinem Gutdünken neigte.[27]

III. 3. Gaius Suetonius Tranquillus

Sueton wurde um 70 n. Chr. vermutlich in Hippo Regius als Sohn eines Ritters geboren. Er erhielt in Rom eine Ausbildung in den artes liberales und begann seine Karriere als Redner vor Gericht. Im Gegensatz zu Tacitus hat er nicht die senatorische Laufbahn eingeschlagen und kann von daher nach Sonnabend als unpolitischer Mensch bezeichnet werden.[28] Zur Regierungszeit Traians genoss er die Unterstützung Plinius d. Jüngeren. Unter Hadrian übernahm er, vielleicht auf Initiative des C. Septicius Clarus, das rechtspolitisch bedeutsame officium ab epistulis, welches der Redaktion der kaiserlichen Korrespondenz entsprach. Durch dieses Amt hatte Sueton Zugang zu den kaiserlichen Archiven, die er als Quelle für seine spätere Arbeit nutzen konnte. Allerdings fiel er nach einer Intrige 121 / 122 n. Chr. in Ungnade. Angeblich aufgrund einer Verletzung der Etikette gegenüber der Kaiserin Sabina, was seiner Beamtentätigkeit ein Ende setzte. Zu seinem Lebensende ist nichts überliefert. Vermutlich war er als Privatgelehrter tätig. Anhand seines umfangreichen Schaffens lässt sich jedoch erahnen, dass er das Ende seiner politischen Karriere noch recht lange überlebte. Zu Sueton als Person lässt sich nicht viel sagen. Wackernagel bemerkt, dass man an einem Briefwechsel zwischen Sueton und Plinius den Aberglauben Suetons ablesen könne, der sich auch in Form von Träumen, Vorzeichen und Wundern in seinen Caesarenviten widerspiegelt, was allerdings auch der Zeit entsprach und bei allen antiken Quellen mit bedacht werden muss.

Sein nur teilweise erhaltenes Werk umfasst neben biographischen auch philologische, antiquarische und naturhistorische Arbeiten. Eine chronologische Abfolge des Werkes ist jedoch nicht mehr rekonstruierbar. In dieser Untersuchung wird mit den Kaiserviten, insbesondere der des Iulius und des Augustus, gearbeitet. Man kann davon ausgehen, dass die zwölf Kaiserviten, die sich auf acht Bücher (sechs für die Iulisch-claudische Dynastie, jeweils eines für die drei Caesaren des Jahres 69 n. Chr. und eines für die drei folgenden Flavier) verteilen, aus einer späteren Schaffensperiode stammen. Das Sueton die Kaiserbiographien mit C. Iulius Caesar beginnt, liegt vermutlich daran, dass Caesar zum einen derjenige war, der mit seinen diktatorischen Vollmachten dem monarchischen Prinzip den Weg geebnet hat. Da die vorangestellte Widmung an C. Septicius Clarus, sowie der erste Teil der Caesarvita nicht erhalten sind, wird eine Beurteilung der Viten im Ganzen etwas erschwert. Eine gewisse Grundstruktur lässt sich jedoch in der chronologischen Abfolge (Herkunft, Kindheit, Ausbildung und am Ende die Todesumstände) und einer Beschreibung des Charakters, des Privatlebens und der Leistungen auf allen Gebieten im Hauptteil als gemeinsames Muster erkennen. Zu Suetons Quellen gehören u. a. Plinius d. Ältere, aber auch private Schriftstücke und Archivmaterialien der Kaiserfamilien, zu denen er im Rahmen seiner Tätigkeit am Hof Zugang hatte.[29]

III. 4. Titus Livius

Livius war ein Zeitgenosse Octavians. Er wurde 59 v. Chr. (es gibt auch Quellen, die 63 v. Chr. angeben) in Patavia geboren. Er starb 17 n. Chr., drei Jahre nach Octavian, in seiner Geburtstadt. Livius selber machte keine politische oder militärische Karriere.

Die ersten 120 Bücher des Werkes ab urbe condita libri wurden noch zu Lebzeiten Octavians veröffentlicht, das Buch 121 erst nach dessen Tod im Jahre 14 n. Chr. Ab Buch 116 wird Octavian eingeführt. Von diesem Moment an kann man bei dem Werk des Livius von „Zeitgeschichte“ sprechen. Von den insgesamt 142 Büchern ist allerdings nur ein kleiner Teil vollständig erhalten. Ein weiterer Teil wurde uns durch Auszüge und Inhaltsangaben überliefert. Unterteilt wird das Werk in drei Pentaden, wobei der Schwerpunkt der ersten auf der frühen römischen Geschichte liegt. Im Zentrum der zweiten Pentade stehen die ersten beiden Punischen Kriege. Die dritte widmet sich vornehmlich den Personen Pompeius, Caesar und Octavian. Livius Werk ist teilweise geprägt durch seinen Mangel an politischem und militärischem Sachverstand, durch technische Versehen wie Übersetzungsfehler (bei Benutzung von Polybios als Quelle) oder chronologische Unstimmigkeiten sowie seinem Mangel an kritischer Überprüfung des ihm vorliegenden Quellenmaterials. Trotzdem erhält man in diesem Werk zahlreiche Informationen zur Entwicklung der Gladiatur. Die politische Einordnung des Werkes ist nicht ganz einfach. Die klassische Philologie geht bisher meist von einer Anhängerschaft des Livius und dem Sinn des Werkes in der Überzeugungsarbeit von der historischen Notwendigkeit der Alleinherrschaft des Augustus aus. Eine weitere Auffassung in der Forschung verweist aber auf die eher pessimistische Stimmung in der ersten Pentade und deutet diese als ablehnende Haltung gegenüber Augustus. Zudem steht das Werk Pompeius positiv gegenüber. Eine dritte Auffassung sucht den Mittelweg: die geistige Gemeinschaft zu Augustus, aber trotzdem die Bewahrung einer unabhängigen Sicht der Dinge.[30]

III. 5. Cassius Dio

Näheres über die Lebensdaten des Cassius Dio erfahren wir von ihm selbst. Er wurde um das Jahr 164 n. Chr. in Nikaia, Bithynien geboren. Wie auch sein Vater Cassius Apronianus, u. a. Verwalter der Provinzen Kilikien und später Dalmatien, bekleidete er diverse hohe Staatsämter. Er trat unter Commodus in den Senat ein, hatte unter Pertinax die Praetur inne und war unter den Severern zweimal Konsul. Er verstarb vermutlich 235 n. Chr. in seiner Heimatstadt.

Sein nur teilweise erhaltenes Hauptwerk ist die ursprünglich achtzig Bände umfassende Römische Geschichte, die er vermutlich über einen Zeitraum von 22 Jahren verfasste, wobei er in den ersten zehn Jahren zunächst den Stoff für dieses Werk sammelte. Cassius Dio folgte mit seiner Römischen Geschichte im Wesentlichen, wie auch Livius, dem analistischen Prinzip. Allerdings fügt er neben der Angabe der amtierenden Konsuln zu Beginn eines jeden Jahres sachliche Ordnungsprinzipien ein, die an die griechische Historiographie erinnern.[31] Es umfasst den Zeitraum von der mythischen Frühzeit Roms bis zur Herrschaft der Severer, für die Cassius selber als Zeitzeuge schreibt. In das Werk wurden zwei frühere Schriften integriert. Die erste, über die Träume und Vorzeichen, die der Herrschaft von Septimius Severus vorausgingen, verfasste er zu Beginn dessen Herrschaft, um dieser eine göttliche Bestimmung zu geben und ergänzte sie wenig später durch eine zweite Schrift, die den Zeitraum vom Tode des Commodus zur Herrschaftsübernahme durch Septimius zum Inhalt hat. Erhalten sind vor allem die Bände 36 – 60, die den Zeitraum von 68 v. Chr. bis 47 n. Chr. umfassen, also einen für diese Arbeit relevanten Teil des Werkes. Zudem größere Reste der Bände 78 und 79 (216 bis 218 n. Chr.), die hier nicht von Interesse sind. Für den verlorenen Teil gibt es Auszüge bei Ioannes Xiphilinos und Zonaras, außerdem konstantinische Exzerpte. Seine Quellen für den ersten Teil sind nicht zu rekonstruieren, man kann jedoch zumindest auf eine Kenntnis des Polybios für das zweite vorchristliche Jahrhundert schließen. Inwieweit Livius als Quelle vor allem für das erste vorchristliche Jahrhundert herangezogen wurde, lässt sich nicht mehr sagen. Schwartz wirft Cassius Dio für den hier verwendeten Teil große Defizite in Bezug auf Genauigkeit vor, die jedoch meines Erachtens für alle Quellen gelten. Wie auch bei Livius finden sich bei Cassius Dio zahlreiche Hinweise auf die Entwicklung von munera und ebenso auf den Einsatz von Gladiatoren während der späten römischen Republik.[32]

IV. Ursprünge und Entwicklung der römischen Gladiatur

IV. 1. Die Ursprünge von munera

Der Ursprung der römischen Gladiatorenkämpfe findet sich nach Tertullian im Totenkult. Man veranstaltete in der Frühzeit Menschenopfer am Grab eines Angehörigen, in dem Glauben, die Seelen der Toten würden durch menschliches Blut versöhnt. Um diese Opfer aufzuwerten, sei man mit der Zeit dazu übergegangen, nicht mehr nur Kriegsgefangene oder schlecht gebaute Sklaven zu opfern, sondern gut ausgebildete und mit wertvollen Waffen ausgestattete Kämpfer an den Gräbern antreten zu lassen.[33] Diese Angaben sind trotz des christlichen Hintergrunds Tertullians, der eine ablehnende Haltung gegenüber den – nach christlichen Idealen menschenverachtenden – Gladiatorenspielen mit sich bringt,[34] nicht abwegig. (Menschen-)Opfer waren vermutlich in allen frühzeitlichen Kulturen des mediterranen Raumes bei Begräbnissen Brauch. Mouratidis bezeichnet munera in Bezug auf Menschenopfer sogar als fortschrittlich, da sie durch die Überlebenschance für die Opfer weniger grausam gewesen seien.[35]

Wo die geographischen Ursprünge des römischen Gladiatorenwesens liegen, ist weitestgehend ungeklärt. Es gibt im Großen und Ganzen drei Hauptthesen in der Forschung. Die erste führt den Ursprung der Gladiatur auf etruskische Einflüsse zurück. Eine weitere findet einen oskosamnitischen bzw. kampanischen Ursprung. Vor allem in der neueren Forschung setzt sich jedoch immer mehr die Meinung durch, dass sich keine These sicher belegen lässt, die einen einzigen Ursprung – sei es geographisch oder kulturell – vertritt. Hier wird zudem ein griechischer oder genuin römischer Ursprung diskutiert.

Die Ursprungsthese im etruskischen Raum beruft sich auf Nikolaos von Damaskus, der bei Athenaios damit zitiert wird, dass die Römer den Brauch der Gladiatorenspiele von den Etruskern übernommen hätten.[36] Als weiterer Beleg für diese These wird zudem häufig die etymologische Ableitung des Begriffs „lanista“ durch Isidor von Sevilla herangezogen.[37] Gegen diese These spricht jedoch, dass sich ein etruskischer Ursprung archäologisch nicht belegen lässt, da es trotz zahlreicher Funde keine mit der Darstellung von Zweikämpfen zu solch einem frühen Zeitpunkt in Etrurien gibt. Der einzige Fund, der von den Vertretern der etruskischen These als Argument herangezogen wird, zeigt eine aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert stammende Darstellung in drei tarquinischen Gräbern. In der dargestellten Szene ist ein mit der Maske des Dämons Phersu verkleideter Mann zu sehen, der einen Hund auf ein mit Kapuze bedecktes Opfer hetzt.[38] Eine Darstellung, die jedoch allenfalls auf einen Ursprung der venationes schließen lassen würde, da sie nichts mit einem Gladiatorenkampf gemein hat. Als ein weiteres Argument für einen etruskischen Ursprung dient die Figur des bei Tertullian beschriebenen Iovis frater, auch Ditis Pater. Er bringt mit einem Hammer bestückt die Leichen aus der Arena.[39] Ähnlich dem ebenfalls mit einem Hammer ausgestatteten Charun der etruskischen Mythologie. Dieser Charun befördert, wie der Unterweltsfährmann der griechischen Mythologie Charon, die Toten ins Jenseits, ist aber im Gegensatz zu diesem kein friedlicher Charakter. Trotzdem geht Mouratidis davon aus, dass der etruskische Charun auf den griechischen Charon zurückzuführen sei und sich über den Umweg durch die etruskische Mythologie in den römischen munera verankert habe.[40]

Plausibler als ein etruskischer erscheint jedoch ein oskosamnitischer Ursprung im 4./3. Jahrhundert – der Zeit der großen Samnitenkriege. Die kampanische These geht vor allem auf Ville zurück, der den Beginn von munera auf das frühe 4. Jahrhundert datiert.[41] Man hat in der Nähe von Paestum Grabmalereien mit Darstellungen von zwei mit Helm und Schild bewaffneten Kämpfern aus dem 4. Jahrhundert gefunden, die als frühe Darstellung eines Gladiatorenkampfes gewertet werden.[42] Backhaus sieht zudem einen Beleg für einen oskosamnitischen Ursprung darin, dass die samnites als älteste Waffengattung der Gladiatur gelten. Zudem finden sich in Capua die berühmtesten ludi („Gladiatorenschulen“) der römischen Republik, was es zum Zentrum des Gladiatorenbetriebs werden ließ und neben den zahlreichen kampanischen Amphitheatern einen Ursprung in dieser Region wahrscheinlich macht.[43]

In der jüngeren Forschung wird nun auch ein griechischer Ursprung in Betracht gezogen. So sei die „Ilias“ im südlichen Italien durchaus bekannt gewesen. Hier tötete Achill am Grab des Patroklos zwölf trojanische Kriegsgefangene – eine beliebte Darstellung der etruskischen Grabkunst.[44] Zudem sei der griechische Einfluss auf die Einwohner Kampaniens sehr groß gewesen, da sie im 7. Jahrhundert dort gemeinsam lebten. Somit folgert Mouratidis, dass sich weder ein oskosamnitischer noch ein etruskischer Ursprung der munera belegen lässt. Beide Volksgruppen seien erst in Kampanien in Kontakt zu Gladiatorenspielen gekommen, wobei er davon ausgeht, dass dort vor Ankunft der Griechen derlei Kämpfe unbekannt waren. Er kommt zu dem Schluss, dass es sich um einen griechischen Ursprung mit Übertragungsweg über die Etrusker, die – im Gegensatz zu den Samniten – einen großen Einfluss auf die römische Kultur gehabt hätten, handeln müsse.[45] Gegen Griechenland als Ursprung der römischen munera spricht allerdings, dass sie in dieser Form erst 174 v. Chr. durch Antiochos IV., nach seinem Aufenthalt als Geisel in Rom, in die griechische Welt gebracht wurden, wo sie nach Livius zunächst einmal abgelehnt worden seien.[46]

Futrell und Junkelmann stellen die These eines genuin römischen Ursprungs zur Diskussion, was angesichts der sonst recht diffusen Argumentationslinien plausibel klingt. Es erscheint durchaus möglich, dass sich die Gladiatorenspiele in ihrer römischen Ausprägung im Rahmen des, mit der Ausweitung des römischen Reiches einhergehenden, Integrationsprozesses weiterer Kulturgruppen herausbildeten.[47] Während Kyle, dieser Linie ähnlich, davon ausgeht, dass sich weder ein direkter geographisch-kultureller Ursprung (Etrurien oder Kampanien) noch ein einziger Kontext (Rache, Opfer, Wettkampf) noch ein geradliniger Übertragungsweg (z.B. von Etrurien nach Rom) festlegen lässt.[48] Dem entspricht, dass sich die römischen Gladiatorenspiele im Rahmen der ludi funebris schon in der frühen römischen Republik zu etwas eigenem entwickelten, was keinerlei Vorbilder hatte.

Vermutlich hat man deshalb so lange versucht, einen nicht-römischen Hintergrund zu konstruieren, da es unglaublich erschien, dass in der Wiege der abendländischen Kultur über solch einen langen Zeitraum ein, aus unserer neuzeitlichen Sicht, grausamer Brauch gepflegt wurde. So findet Wiedemann den Ursprung für die starke Verfechtung der etruskischen These in der Rassentheorie des 19. Jahrhunderts, da man mit dieser Argumentation unterstellen konnte, dass die moralisch überlegenen indoeuropäischen Römer durch die dekadenten, aus dem Orient stammende Etrusker verdorben wurden.[49]

IV. 2. Die Ausbildung des Gladiatorenwesens

Hinweise auf die Entwicklung des Gladiatorenwesens finden sich vor allem in den Annalen des Livius. Nach Livius lässt sich sicher sagen, dass die Römer spätestens im Jahre 310 v. Chr. in Kontakt mit Gladiatorenspielen gekommen sind. Livius beschreibt, wie die Kampaner nach der siegreichen Schlacht gegen die Samniten mit deren prächtigen Waffen und Ausrüstungen ihre Gladiatoren ausstaffierten, die sie üblicherweise bei ihren Gastmählern auftreten ließen, während die Römer diese Beute dazu verwendeten, um das Forum zu Ehren der Götter für den Triumphzug zu schmücken. In dieser Gegebenheit findet man vermutlich auch den Ursprung der ältesten Waffengattung von Gladiatoren, den samnites.[50]

[...]


[1] Iuv. Sat. 10,81: „Längst schon, seitdem wir unsere Stimmen niemandem mehr verkaufen, hat es (Anm.: das Volk) jedes Interesse von sich geworfen; denn einst verlieh es Befehlsgewalt, Rutenbündel, Legionen, alles sonst, jetzt hält es sich zurück und wünscht ängstlich nur zwei Dinge, Brot und Zirkusspiele.“

[2] In dem Zitat Juvenals werden exemplarisch Wagenrennen genannt. Im Allgemeinen wird „circenses“ in diesem Zusammenhang jedoch im übertragenen Sinn mit „Brot und Spiele“ übersetzt. Unter dieser Bedeutung wurde das Zitat zu einem, auch noch heute gängigen, Schlagwort.

[3] Die römische Bürgerschaft umfasst hier alle Bevölkerungsgruppen, die den römischen Rechtsstatus als Vollbürger besitzen, der nach den im ius civile die Pflichten zu Steuerzahlung und Wehrdienst umfasste, sowie das ius suffragii, das ius provocationis und das ius honorarium und Rechtsschutz beinhaltete. Definition nach: Mohnhaupt (1999).

[4] Bei den venationes traten keine Gladiatoren sondern bestiariis und venatores auf.

[5] Junkelmann (2002), S. 35.

[6] Corbier (2000), Sp. 483f.

[7] Hönle (2000), Sp. 486.

[8] André (2002), S. 144; Baltrusch (1988), S. 333.

[9] Z.B.: Front. princ. hist. 17 (II p. 216 Haines): „Ex summa civilis scientiae ratione sumpta videntur, ne histrionum quidem ceterorumque scenae aut circi aut harenae artificum indiligentem principem fuisse, ut qui sciret populum Romanum duabus praecipue rebus, annona et spectaculis, teneri; imperiums non minus ludicris quam seriis probari; maiore damno seria, graviore invidia ludicra neglegi; minus acribus stimulis congiaria quam spectacular expeti; congiariis frumentariam modo plebem singillatim placari ac nominatim, spectaculis universum populum conciliari.”; auch: Cass. Dio 54,17; Iuv. Sat. 10,81.

[10] Gilbert (1976), S. 5, S.17-24.

[11] Baltrusch (1988), S. 333; Veyne (1990), S. 102-107.

[12] Mehr zu diesem Aspekt: André (2002), S. 211-214; Hönle (1981), S. 37-39; Horsmann (2001); Schneider (1918), Sp. 773f; Wiedemann (2001), S. 75-102, S. 112f.

[13] Horsmann (2001), S. 226.

[14] Hönle (2000), Sp. 493; Horsmann (2001); Junkelmann (2000), S. 18; Müller (2006), S. 44; Ramba (1985).

[15] Vrgl. Junkelmann (2002).

[16] Wie das ebenfalls hier verwendete Werk „Den Kaiser herausfordern“ aus dem Jahr 1992 oder der Aufsatz „Entscheidung und Konsens“ aus dem Jahr 1995. Beide Werke finden in „Ritualisierte Politik“ ihren Niederschlag.

[17] Flaig (2003), S. 9.

[18] Flaig (2003), S. 232-260.

[19] Nowak wird u. a. von Nippel (1988) recht häufig zitiert.

[20] Nippel (1988), S. 106.

[21] Hölkeskamp (2004), S.263.

[22] Adamietz (1989); Gilbert (1976), S. 18-20; Bringmann (1997); Fuhrmann (1993/Bd.1+2); Gelzer (1983); Laser (2001), S. 42-50; Leonhardt (1997);

[23] Laser (2001), S. 5, S. 51.

[24] Sonnabend (2002), S. 146f.

[25] Heftner (1995, S. 3), findet in Anlehnung an Ziegler (RE XXI, Sp.696ff) einen Anhaltspunkt für die Datierung in der Angabe in der Biographie Sullas, dass seit der großen Schlacht von Chaironeia im Jahre 86 v. Chr. etwa 200 Jahre vergangen seien, was für diese Biographie ein Entstehungsdatum um 114 n. Chr. heißen würde. Unter Einbeziehung weiterer Ungenauigkeiten kommt man auf ein ungefähres Entstehungsdatum von 96 n. Chr. für die Lysandervita. Ähnlich: Sonnabend (2002), S. 146f.

[26] Späth (2002), S. 40f.

[27] Heftner (1995); Pelling (2000); Sonnabend (2002), S. 146-168; Späth (2002).

[28] Sonnabend (2002), S. 170.

[29] Fadinger (2000), S.85f; Salmann (2001); Sonnabend (2002), S. 168-182; Wackernagel (1931).

[30] Burck (1964); Fuhrmann / Schmidt (1999), Haehling (1989); Mette (1961).

[31] Fadinger (2000), S. 75.

[32] Birley (1997); Fadinger (2000), S. 74-78; Schwartz (1899).

[33] Tert.de spect.12, 2. Hönle (1981, S. 13) präzisiert: an den Gräbern Kampaniens.

[34] Baltrusch (1988), S. 326, Anm. 11.

[35] Mouratidis (1996), S. 131f; auch: Hönle (1981), S. 13. Nach Junkelmann (2000, S. 35) lassen sich Menschenopfer für die historische Zeit jedoch nicht mehr belegen. Auch Briquel (1998, S. 352) geht davon aus, dass Menschenopfer, abgesehen von einem Vorfall 358 v. Chr., als 307 römische Kriegsgefangene auf dem tarquinischen Forum geopfert wurden (Liv. 7,15,10), eigentlich nicht das Mittel der Wahl waren, um verstorbenen Etruskern eine selige Ewigkeit durch Verwandlung in dii animales zu gewährleisten. Livius selber betont, dass die Schande dieses Opfers schwerer wog, als die Niederlage, was darauf schließen lässt, dass es sich hier in erster Linie um ein Opfer mit dem Zweck der Demütigung des römischen Volkes handelte.

[36] Athen. 4, 153. Athenaeus schreibt jedoch auch, dass einige Kampaner während ihrer Symposien Kämpfe veranstalteten. Dass diese Kämpfe bei kampanischen Symposien nicht unüblich waren, spricht für das Argument von Backhaus, die Angabe von Nikolaos würde der samnitischen These nicht widersprechen (1978, S. 201).

[37] Isid.orig.10,159. Mouratidis (1996, S. 113) merkt ebenfalls an, dass neben Nikolaos auch Isidor von Sevilla nicht als Beleg für einen etruskischen Ursprung herangezogen werden könne, da Isidor nur den Begriff „lanista“ etymologisch herleiten und nicht den Ursprung von Gladiatorenspielen erklären würde.

[38] Futrell (1997), S. 15f, hier mit Abbildung; Junkelmann (2000), S. 33.

[39] Tert. Apol. 15, 5.

[40] Dräger (1999), Sp. 1107-1108; Junkelmann (2002, S. 41, Anm. 42) vermutet in der Darstellung des Dis Pater eher einen Zusammenhang zu den Hinrichtungen in der Mittagsvorstellung und nicht zu den Gladiatorenspielen; Krauskopf (1998), S. 360f; Mouratidis (1996), S. 130.

[41] Ville (1981), S. 1-56.

[42] André (2002), S, 149f; Hönle (2000), Sp. 487; Ewigleben (2000), S. 133; Köhne (200), S. 17 (grenzt den Zeitrahmen auf 370 – 340 v. Chr. ein); Schneider (1918), Sp. 761 (datiert Darstellungen von Gladiatoren, vermutlich bustuarii, auf etruskischen Urnen auf etwa 250 v. Chr.).

[43] Hönle (1981), S. 17; Köhne (2000). S. 18.

[44] Homer, Ilias, 23. Junkelmann (2000), S. 33f.

[45] Mouratidis (1996), S. 133.

[46] Liv. 41,20,10-13.

[47] Futrell (1997), S. 18f; Junkelmann (2000), S. 38.

[48] Kyle (1998), S. 43-46.

[49] Wiedemann (2001), S. 45f.

[50] Liv. 9, 40.

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Die Gladiatorenspiele in Rom
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
80
Katalognummer
V201192
ISBN (eBook)
9783656291466
ISBN (Buch)
9783656294504
Dateigröße
789 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Soziale und politische Funktion der Spiele in der späten Republik.
Schlagworte
gladiatorenspiele
Arbeit zitieren
Maia Krenkler (Autor:in), 2010, Die Gladiatorenspiele in Rom, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201192

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