Fasst man Geschlecht, wie es in der Konzeption von gender in den Sozialwissenschaften mittlerweile der Brauch ist, als soziale Kategorie, so stellt sich unweigerlich die Frage, wie denn Subjekte dazu gebracht werden, Geschlechterrollen so sehr zu verinnerlichen, dass sie als quasi-natürliche Eigenschaft erscheinen, als Teil der persönlichen Identität, als welche sie auch lange Zeit angesehen wurde. Nicht selten verweist diese Frage auf einen natürlichen, materiellen Rest, der sich der Dekonstruktion von gesellschaftlichen Normen widersetzt, und der in der Dichotomie von gender und sex persistiert. Sex stünde in dieser Konzeption als das biologische Geschlecht, während gender die den beiden existenten Geschlechtern zugeschriebenen Rollenerwartungen und kulturell vorgeschriebenen Über- und Ausformungen der biologischen Körper bezeichnet. Diese werden als historisch, als kontingent und somit veränderbar angesehen, und auf dieser Ebene tut sich ein breites Feld von Dekonstruktion, Subversion Neuaushandlung auf. Die engen Grenzen der tradierten Rollenbilder wurden längst gesprengt, und sind zwar immer noch reaktionäre Kräfte am Werk, die sich ihrer Rekonstruktion widmen, so gibt es wohl genauso viele, die sich in ihrer Überschreitung üben.
Das Spiel mit den Geschlechterrollen ist durchaus gesellschaftsfähig, nicht nur deren Austauschbarkeit, sondern auch ihre Pluralisierung hat in die Praxis der alltäglichen Selbstdarstellung Einzug gehalten und damit auch in jenen Gesellschaftsbereichen, die das Repertoire und die Requisiten dieser Inszenierungen der Geschlechterpluralität bereitstellen: die Mode, Literatur, Film und Lifestyle-Welten. Immer mehr wird auch der Körper selbst zum Ziel dieser Stilisierung, wird verändert und geformt, und auch das biologische Geschlecht, sex, bildet hier keine Grenze mehr. Die körperliche Basis ist keine feste, auch sie ist dekonstruierbar. Doch bleibt die Frage: Wie stehen diese Rollen, diese mannigfaltigen, kulturellen, historisch veränderbaren Verhaltensweisen, Körperlichkeiten und Accessoires der Geschlechtsrepräsentationen denn überhaupt in Beziehung zu dem, was wir als Subjekt bezeichnen? Gibt es einen unveränderbaren Kern des Ich, die Identität, oder gehen wir vollkommen in diesem Set aus Stilisierungen auf? Gibt es dieses Subjekt als solches überhaupt, und wenn ja, ist es überhaupt als solches fassbar?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Judith Butler: Gender: Performativität und die Heteronormativität der Psychoanalyse
- Butler liest Lacan: der Vorwurf des Androzentrismus und Phallozentrismus
- Tove Soiland liest Butler: Die Unvereinbarkeit von gender und Psychoanalyse
- Tove Soiland liest Luce Irigaray liest Lacan: Frauenmarkt, Hom(m)osexualität und die Frage nach dem weiblichen Subjekt
- Tove Soiland: Zentrale Gemeinsamkeiten und Divergenzen bei Butler und Irigaray
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Konzepte von Judith Butler und Luce Irigaray zum Verhältnis von Geschlecht, Subjekt und Macht im Kontext der Lacanschen Psychoanalyse. Sie untersucht, wie beide Autorinnen Lacans Theorie deuten und wie ihre unterschiedlichen Interpretationen zu unterschiedlichen feministischen Positionen führen.
- Die Performativität von Gender und die Kritik an der Heteronormativität der Psychoanalyse
- Die Rolle des Phallus in der Lacanschen Theorie und die Kritik an seiner phallozentrischen Struktur
- Die Frage nach dem weiblichen Subjekt und die Kritik an der männlichen Dominanz im symbolischen Ordnungssystem
- Die Bedeutung der sexuellen Differenz und ihre Rolle in der Konstitution des Subjekts
- Die unterschiedlichen Machtkonzeptionen von Butler und Irigaray und ihre Auswirkungen auf die feministische Theorie
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich Butlers Theorie der Performativität und ihrer Kritik an der heteronormativen Struktur der Psychoanalyse. Es analysiert Butlers Argumentation, dass Geschlecht nicht ein vorsprachlicher biologischer Faktor ist, sondern durch eine ständige Wiederholung von Normen und Diskursen konstituiert wird.
Das zweite Kapitel untersucht Butlers Lektüre von Lacans Texten zum Spiegelstadium und zur Bedeutung des Phallus. Es beleuchtet Butlers Kritik an Lacans phallozentrischer Theorie und argumentiert, dass die Einsetzung des Phallus als privilegierter Signifikant eine willkürliche und androzentrische Entscheidung ist.
Das dritte Kapitel analysiert Soilands Kritik an Butlers Interpretation von Lacan und stellt Irigarays Konzept der sexuellen Differenz gegenüber. Es zeigt, dass Soilands Kritik an Butler darin liegt, dass sie Lacans Theorie zu stark auf die imaginäre Ebene reduziert und die Bedeutung des Symbolischen für die Konstitution des Subjekts vernachlässigt.
Das vierte Kapitel diskutiert Irigarays Lektüre von Lacans Theorie und ihre Kritik am Frauentausch als Grundlage des symbolischen Systems. Es beleuchtet Irigarays Argumentation, dass die symbolische Ordnung eine männliche Struktur aufweist und Frauen in einer untergeordneten Position hält.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Judith Butler, Luce Irigaray, Jacques Lacan, Gender, Performativität, Heteronormativität, Phallozentrismus, Symbolisches, Sexuelle Differenz, Weibliches Subjekt, Macht, Feministische Theorie.
- Quote paper
- BA MA Sandra Kerschbaumer (Author), 2011, Macht, Subjekt und Geschlecht zwischen Butler, Lacan und Irigaray, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201280
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