In ihrem kleinen, aber umso dichteren Buch gelingt es Zupancic ein Potenzial in Kants Moralphilosophie herauszuarbeiten, das für das heutige Denken und heutige Vorstellungen von Ethik große Sprengkraft besitzt. Denn, so die Autorin, Kants Ethik ist, im Gegensatz zu unserem überstrapazierten Begriff der Ethik, die eigentlich gar keine mehr ist, gerade in ihrer Nicht-Aktualität, die sie zu jeder Zeit aufwies, die modernste Ethik überhaupt (Zupancic 2011:17). Es ist erstaunlich, wie Kant ein ethisches Konzept entwirft, das jenseits von Utilitarismus und Empirismus und jenseits von Hedonismus, aber auch von christlicher Nächstenliebe seine Stärke und sein subversives Potential aus einer fragilen Konstruktion der Freiheit bezieht, die auf ein Jenseits verweist, und gerade aus einer Abwesenheit heraus große Impulse zu setzen vermag. Vielleicht lag diese Kraft der Kantischen Ethik deshalb nie offen, weil ihm zu seiner Zeit noch die Konzeption eines Unbewussten gefehlt hat, dessen Entdeckung er aber, so Zupancic, gewissermaßen vorbereitet hat. Aus diesem Grunde wohl lässt sich das ganze Potential seiner Ethik in der Verknüpfung mit der Lacanschen Psychoanalyse aktualisieren. Zupancic zeigt in ihrer Arbeit auf, dass das Zusammenlesen von Kant und Lacan, wobei sich letzterer an vielen Stellen seiner Arbeit auf ersteren bezieht, diese ganz besondere Konzeption vom Subjekt, seiner Freiheit und der Möglichkeit ethischen Handelns erlaubt. Kants Kategorischer Imperativ und seine Freiheitskonzeption, sowie seine Definition der sittlichen Handlung und des höchsten Gutes lassen sich, so zeigt Zupancic, beinahe nahtlos an Lacans Theorie des gespaltenen Subjekts, des Begehrens, des Genießens und des Realen anschließen. Das Ergebnis ist eine Ethik, die sämtliche heute gängigen Moralvorstellungen, die sich entweder am Gesetz, an der Sachlogik aber auch an der Fokussierung auf die Erhaltung des Lebens oder etwa am Wohlergehen anderer orientieren als pathologisch entlarvt und ihnen eine radikale Alternative entgegenstellt, deren Reales so viel wirk-licher ist alles in der empirischen Welt Auffindbare.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Kant: die ethische Handlung, das ethische Subjekt und die Freiheit. Lacan: das „Mehr-Genießen“, das psychoanalytische Subjekt und das Reale
- 2. Das Subjekt und das Gesetz: Handeln nach dem Buchstaben und dem Geist des Gesetzes
- 3. Die Ethik und die Lust: Kant und Lacan
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht das Potential der Kantischen Moralphilosophie im Kontext der Lacanschen Psychoanalyse. Ziel ist es, eine ethische Konzeption zu entwickeln, die über gängige Moralvorstellungen hinausgeht und eine radikale Alternative bietet. Die Autorin zeigt auf, wie sich Kants Ethik, in Verbindung mit Lacans Theorie, aktualisieren lässt.
- Die Kantische Freiheitskonzeption und der Kategorische Imperativ
- Das Lacansche Konzept des gespaltenen Subjekts, des Begehrens und des Realen
- Die Pathologisierung gängiger Moralvorstellungen
- Eine Ethik jenseits des Lustprinzips und des Realitätsprinzips
- Das Reale als alternative ethische Grundlage
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt Alenka Zupancics Buch vor und hebt deren modernes und subversives Potential hervor. Zupancic verbindet Kants Ethik mit der Lacanschen Psychoanalyse, um eine neue ethische Konzeption zu entwickeln, die jenseits von Utilitarismus, Empirismus und Hedonismus steht. Die Autorin argumentiert, dass Kants Ethik, durch die Verbindung mit dem Unbewussten (Lacan), ihre volle Kraft entfaltet und eine radikale Alternative zu gegenwärtigen Moralvorstellungen bietet, welche die Autorin als pathologisch entlarvt. Diese Alternative verweist auf ein "Reales", das jenseits der empirischen Welt liegt und das Potential besitzt, den Menschen aus einer selbstgemachten Depression zu befreien.
1. Kant: die ethische Handlung, das ethische Subjekt und die Freiheit. Lacan: das „Mehr-Genießen“, das psychoanalytische Subjekt und das Reale: Dieses Kapitel analysiert Kants Definition ethischer Handlungen. Für Kant ist eine ethische Handlung durch ihren Selbstzweck gekennzeichnet, im Gegensatz zu pathologischen Handlungen, die auf externe Motive zurückzuführen sind. Der Unterschied wird nicht zwischen niederen Trieben und höchsten Idealen gemacht, sondern zwischen Handlungen, deren Begründung im empirischen Bereich liegt, und solchen, die dies nicht tun. Ethisches Handeln resultiert nicht aus dem „Warum“ oder „Wozu“, sondern aus der Gesinnung des Subjekts. Diese Gesinnung konstituiert das ethische Subjekt neu und verweist auf eine schöpferische Kraft, die jenseits des empirischen Raums liegt. Das Kapitel vergleicht Kants Konzept mit Lacans Theorie des gespaltenen Subjekts, des Begehrens und des Realen.
Schlüsselwörter
Kantische Ethik, Lacansche Psychoanalyse, ethische Handlung, gespaltenes Subjekt, Realität, Reale, Lustprinzip, Realitätsprinzip, Freiheit, Gesinnung, Pathologie, Moral, Mehr-Genießen.
Häufig gestellte Fragen zu: Eine ethische Konzeption jenseits von Utilitarismus, Empirismus und Hedonismus (basierend auf Alenka Zupancic)
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht das Potential der Kantischen Moralphilosophie im Kontext der Lacanschen Psychoanalyse. Ziel ist die Entwicklung einer ethischen Konzeption, die über gängige Moralvorstellungen hinausgeht und eine radikale Alternative bietet, indem sie Kants Ethik mithilfe von Lacans Theorie aktualisiert.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Kantische Freiheitskonzeption und den Kategorischen Imperativ, das Lacansche Konzept des gespaltenen Subjekts, des Begehrens und des Realen, die Pathologisierung gängiger Moralvorstellungen, eine Ethik jenseits des Lustprinzips und des Realitätsprinzips sowie das Reale als alternative ethische Grundlage.
Welche Autoren stehen im Mittelpunkt?
Die Arbeit basiert auf den Theorien von Immanuel Kant und Jacques Lacan, wobei insbesondere Alenka Zupancics Werk als Ausgangspunkt dient und deren Verbindung von Kants Ethik mit der Lacanschen Psychoanalyse im Fokus steht.
Wie wird Kants Ethik interpretiert?
Kants ethische Handlung wird als selbstzweckbestimmt definiert, im Gegensatz zu pathologischen Handlungen, die auf externe Motive zurückzuführen sind. Der Fokus liegt nicht auf dem Unterschied zwischen Trieben und Idealen, sondern auf der Begründung der Handlung: ethisches Handeln resultiert aus der Gesinnung des Subjekts und verweist auf eine schöpferische Kraft jenseits des Empirischen.
Welche Rolle spielt Lacans Psychoanalyse?
Lacans Theorie des gespaltenen Subjekts, des Begehrens und des Realen wird verwendet, um Kants Ethik zu erweitern und zu aktualisieren. Das Konzept des „Mehr-Genießen“ wird in Bezug auf die Überschreitung gängiger Moralvorstellungen diskutiert.
Was ist die Kernaussage der Arbeit?
Die Arbeit argumentiert, dass Kants Ethik durch die Verbindung mit dem Unbewussten (Lacan) ihre volle Kraft entfaltet und eine radikale Alternative zu gegenwärtigen, als pathologisch entlarvten Moralvorstellungen bietet. Diese Alternative verweist auf ein „Reales“, das jenseits der empirischen Welt liegt und das Potential besitzt, den Menschen aus einer selbstgemachten Depression zu befreien.
Welche Schlüsselbegriffe sind relevant?
Kantische Ethik, Lacansche Psychoanalyse, ethische Handlung, gespaltenes Subjekt, Realität, Reale, Lustprinzip, Realitätsprinzip, Freiheit, Gesinnung, Pathologie, Moral, Mehr-Genießen.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit beinhaltet eine Einleitung, die Zupancics Buch vorstellt. Es folgen Kapitel, die Kants Ethik und Lacans Psychoanalyse analysieren und vergleichen, sowie ein abschließendes Kapitel. Die Kapitelzusammenfassungen bieten einen Überblick über die behandelten Inhalte.
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- Sandra Kerschbaumer (Author), 2011, Alenka Zupancic: Das Reale einer Illusion - Eine Ethik jenseits des Lustprinzips, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201283