In England - dem Pionierland der Industialisierung - gab es bis zur Jahrhundertwende keine unabhängige politische Partei der Arbeiterklasse. Dieser erstaunliche Befund hat in der englischen Sozialgeschichtsschreibung zu einer Kontroverse zwischen neomarxistischen Klassikern und kulturgeschichtlichen Revisionisten geführt. Diese Studie zeichnet die Positionen beider Seiten nach und versucht, ihre Stärken und Schwächen bei der Analyse der politischen Orientierung der Arbeiter im Viktorianischen Zeitalter aufzuzeigen.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Die viktorianische Gesellschaft als Klassengesellschaft
- III. Vom Klassenkonflikt zum "Klassenkonsens" 1850-1880
- a) Erklärungsansätze der Geschichtswissenschaft
- b) Proletarisches Klassenbewusstsein und bürgerlicher Radikalismus
- IV. Die englischen Arbeiter und die etablierten politischen Parteien
- a) Die englischen Arbeiter, der Liberalismus und "Respektabilität"
- b) Die englischen Arbeiter und der "populäre Konservatismus"
- V. Fazit: Alte und neue "Orthodixien" in der englischen Arbeitergeschichte
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die politische Orientierung und das "Klassenbewusstsein" der englischen Arbeiter in der Mitte der viktorianischen Ära (1850-1880). Sie analysiert die geschichtswissenschaftlichen Erklärungsansätze für den Reformismus der Arbeiterbewegung und deren Bindung an etablierte politische Parteien. Der Fokus liegt auf der Relativierung der Annahme eines homogenen Klassenbewusstseins und der Untersuchung der Faktoren, die zu einer eher reformistischen anstatt revolutionären Ausrichtung führten.
- Entwicklung des Klassenbewusstseins der englischen Arbeiterklasse
- Einfluss ökonomischer Faktoren auf die politische Orientierung der Arbeiter
- Rolle kultureller Werte und Normen im Kontext des "Klassenkonsenses"
- Beziehungen der Arbeiter zu den etablierten politischen Parteien (Liberale und Konservative)
- Bewertung unterschiedlicher historiografischer Ansätze zur englischen Arbeiterbewegung
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung: Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach der politischen Orientierung und dem Klassenbewusstsein der englischen Arbeiter im Zeitraum 1850-1880 in den Kontext der gegensätzlichen Einschätzungen Friedrich Engels'. Sie skizziert den Forschungsansatz, der sich mit historiografischen Erklärungsmodellen für den "Klassenkonsens" und die Bindung der Arbeiter an etablierte Parteien auseinandersetzt, und kündigt die Struktur der Arbeit an.
II. Die viktorianische Gesellschaft als Klassengesellschaft: Dieses Kapitel beleuchtet die unterschiedlichen geschichtswissenschaftlichen Perspektiven auf die Struktur der viktorianischen Gesellschaft als Klassengesellschaft. Es werden ökonomisch-marxistische Ansätze (Foster, Hobsbawm) gegenübergestellt, die eine homogene Arbeiterklasse postulieren, mit Ansätzen (Thompson, Perkin), die die Heterogenität der Arbeiterklasse durch kulturelle, religiöse und ökonomische Faktoren betonen. Die starke soziale Ungleichheit und der Arbeiterradikalismus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit Ereignissen wie den Ludditenaufständen und der Chartistenbewegung, werden als Ausgangspunkt der Diskussion über die Klassenbildung dargestellt.
III. Vom Klassenkonflikt zum "Klassenkonsens" 1850-1880: Dieses Kapitel analysiert die Erklärungen der Geschichtswissenschaft für den "Klassenkonsens", d.h. die relative Stabilität des politischen Systems und die reformistische Ausrichtung der Arbeiterbewegung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es werden zwei Hauptkonzepte gegenübergestellt: ein ökonomischer Ansatz, der die Privilegierung eines Teils der Arbeiterschaft (Arbeiteraristokratie) und deren Spaltung hervorhebt, und ein kultureller Ansatz, der geteilte Werte und die Assimilation von Werten der Mittelschichten durch die Arbeiter betont. Beide Konzepte relativieren die Bedeutung des Wahlrechts und organisatorischer Schwächen der Arbeiterbewegung für das Fehlen einer eigenständigen politischen Organisation.
IV. Die englischen Arbeiter und die etablierten politischen Parteien: Dieses Kapitel untersucht, ausgehend von den kulturgeschichtlichen Interpretationen von Patrick Joyce und Neville Kirk, die Gründe für die Nähe der Arbeiter zu den etablierten Parteien (Liberal Party, Conservative Party), insbesondere in Lancashire. Es wird eine tiefergehende Analyse der kulturellen und politischen Faktoren erwartet, die die Beziehungen zwischen den englischen Arbeitern und den etablierten politischen Parteien bestimmten, und die damit verbundenen Auswirkungen auf den "Klassenkonsens".
Schlüsselwörter
Viktorianisches Zeitalter, Englische Arbeiterklasse, Klassenbewusstsein, Klassenkonflikt, Klassenkonsens, Arbeiterbewegung, Reformismus, Liberalismus, Konservatismus, Historiographie, Arbeiteraristokratie, Kulturelle Werte, Ökonomische Faktoren, Patrick Joyce, Neville Kirk, Friedrich Engels.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Englische Arbeiter und der "Klassenkonsens" in der viktorianischen Ära (1850-1880)
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die politische Orientierung und das Klassenbewusstsein der englischen Arbeiterklasse in der Mitte des viktorianischen Zeitalters (1850-1880). Der Fokus liegt auf der Analyse der Gründe für den eher reformistischen anstatt revolutionären Kurs der Arbeiterbewegung und deren enge Bindung an etablierte politische Parteien.
Welche Forschungsfragen werden behandelt?
Die zentrale Forschungsfrage ist, warum die englische Arbeiterklasse in dieser Zeit primär einen reformistischen anstatt revolutionären Weg wählte und sich an etablierte Parteien wie Liberale und Konservative anlehnte. Die Arbeit hinterfragt die Annahme eines homogenen Klassenbewusstseins und untersucht die Bedeutung ökonomischer und kultureller Faktoren für die politische Orientierung der Arbeiter.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in diesen?
Die Arbeit besteht aus fünf Kapiteln: Kapitel I (Einleitung) stellt die Forschungsfrage vor und skizziert den Forschungsansatz. Kapitel II (Viktorianische Gesellschaft als Klassengesellschaft) beleuchtet unterschiedliche geschichtswissenschaftliche Perspektiven auf die Klassenstruktur. Kapitel III (Vom Klassenkonflikt zum "Klassenkonsens") analysiert Erklärungsansätze für den "Klassenkonsens" in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Kapitel IV (Englische Arbeiter und etablierte Parteien) untersucht die Beziehungen der Arbeiter zu Liberalen und Konservativen. Kapitel V (Fazit) fasst die Ergebnisse zusammen.
Welche Theorien und Ansätze werden verglichen?
Die Arbeit vergleicht verschiedene historiografische Ansätze, darunter ökonomisch-marxistische Perspektiven (z.B. Foster, Hobsbawm), die eine homogene Arbeiterklasse postulieren, mit Ansätzen (z.B. Thompson, Perkin), die die Heterogenität der Arbeiterklasse betonen. Im Bezug auf den "Klassenkonsens" werden ökonomische Ansätze (z.B. die Rolle der Arbeiteraristokratie) und kulturelle Ansätze (geteilte Werte, Assimilation von Werten der Mittelschichten) gegenübergestellt.
Welche Rolle spielen ökonomische und kulturelle Faktoren?
Die Arbeit untersucht sowohl ökonomische Faktoren (z.B. die ökonomische Situation einzelner Arbeitergruppen, die Spaltung der Arbeiterklasse) als auch kulturelle Faktoren (Werte, Normen, die Rolle von Religion) und deren Einfluss auf die politische Orientierung und das Klassenbewusstsein der englischen Arbeiter. Es wird der Frage nachgegangen, inwieweit diese Faktoren zur Entstehung des "Klassenkonsenses" beigetragen haben.
Welche Autoren und welche Literatur werden zitiert?
Die Arbeit bezieht sich auf verschiedene Autoren, darunter Patrick Joyce, Neville Kirk und Friedrich Engels. Es wird eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen historiografischen Ansätzen zur englischen Arbeiterbewegung geführt.
Was ist der "Klassenkonsens"?
Der "Klassenkonsens" bezeichnet in diesem Kontext die relative Stabilität des politischen Systems und die reformistische Ausrichtung der Arbeiterbewegung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Arbeit untersucht die Ursachen für diese Entwicklung und hinterfragt die Annahme eines umfassenden Konsenses.
Welche Schlüsselbegriffe sind zentral für die Arbeit?
Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Viktorianisches Zeitalter, Englische Arbeiterklasse, Klassenbewusstsein, Klassenkonflikt, Klassenkonsens, Arbeiterbewegung, Reformismus, Liberalismus, Konservatismus, Historiographie, Arbeiteraristokratie, Kulturelle Werte, Ökonomische Faktoren, Patrick Joyce, Neville Kirk, Friedrich Engels.
- Quote paper
- Thomas Gräfe (Author), 2000, Politische Orientierung und 'Klassenbewusstsein' der englischen Arbeiter in der Mitte der viktorianischen Ära 1850- 1880, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20139