Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Einführung der Personen
2.1 Stanislawski
2.2 Brecht
3. Stanislawski und Brecht
3.1 Gemeinsamkeiten und Unterschiede
3.2 Brecht und Stanislawski im Austausch
3.3 Einfluss auf heute
4. Fazit
Quellenangaben
1. Einleitung
Konstantin Stanislawski und Bertolt Brecht waren die führenden Theaterschaffenden zu ihrer Zeit. Beide wandten sich vom vorgegebenen Theaterverständnis ab und entwickelten ihre eigenen Ansätze und legten so den Grundstein für die Entwicklung zum modernen Theater. Heute werden beide Persönlichkeiten und ihr Verständnis vom Theater immer wieder aufgegriffen, sei es im Theater, oder auch in Film und Fernsehen. Die Relevanz beider Theorien ist heute aktuell wie zur Zeit ihrer Entstehung.
Trotz der genannten und einiger weiterer theoretischer Gemeinsamkeiten unterscheiden sich Brecht und Stanislawski vordergründig in ihrem Theaterverständnis. Während Brecht durch sein episches Theater jeglicher Illusion abschwört, setzt Stanislawski die perfekte Illusion als Maßgabe seiner Inszenierungen. Brecht steht für den Antinaturalismus und Stanislawski für den Naturalismus.
Ziel dieser Arbeit soll die Aufarbeitung des Missverständnisses zwischen Brecht und Stanislawski sein. Bis heute sehen viele Theaterwissenschaftler zwischen Brechts epischem Theater und Stanislawskis psychologischem Realismus einen großen Unterschied. Es besteht jedoch auch eine Theorie, dass die beiden Ansätze nicht grundverschieden sind und Parallelen aufweisen. Beide wollten sich beispielsweise bei der Ausbildung neuer Darsteller nicht auf alte Vorgaben stützen, sondern ihre eigenen Ausbildungsgrundsätze schaffen. Des weiteren lehnen beide die Kreierung von Publikumslieblingen ab, die Leistung soll dem gesamten Ensemble angerechnet werden.[1] Zur Klärung, wie groß die Unterschiede wirklich sind, ist der Leitsatz dieser Arbeit wie folgt formuliert:
Welche Parallelen gibt es zwischen Stanislawski und Brecht?
Zur Beantwortung dieser Fragestellung sollen folgende Hypothesen überprüft werden:
Hypothese 1: Brechts und Stanislawskis Systeme sind von verschiedenen systemischen, theaterwissenschaftlichen und politischen, Grundvoraussetzungen beeinflusst.
Hypothese 2: Die Kritik Brechts an Stanislawskis Theorien rührt nicht ausschließlich aus deren Inhalt.
Das Resultat dieser Arbeit ist, dass Brecht und Stanislawski von dem politischen System, in dem sie jeweils gelebt haben, beeinflusst worden sind und darauf ihre Arbeit aufgebaut haben. Auch wenn beide sich dem unpolitischen Spiel verschrieben haben, ist es nicht abzustreiten, dass beide auf politische Einflüsse reagiert haben.
Ein Teil von Brechts Kritik an Stanislawskis Theorien rührt aus einem Missverständnis aufgrund von mangelnder Übersetzung. Ein anderer Teil dieser Kritik beruht auf Stanislawskis Bezug zur russischen Geschichte und die Auseinandersetzung mit den Ereignissen während der Oktoberrevolution in der Gesellschaft und im Theater. Damit lässt sich auch sagen, dass Brecht und Stanislawskis, obwohl sie in etwa zur gleichen Zeit gelebt haben, Vertreter zweier Epochen waren. Somit lässt sich abschließend feststellen, dass beide Hypothesen belegt werden können.
Diese Arbeit ist folgendermaßen gegliedert: zuerst werden die beiden Personen – Konstantin Stanislawski und Bertolt Brecht – sowie deren Theorien zum Theater vorgestellt. Daran schließt sich ein Vergleich beider Theorien und eine Bewertung der Unterschiede an. Zum Abschluss folgt ein Fazit, dass Brecht und Stanislawskis Werke revolutionär für den jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Kontext waren, doch beide Vertreter verschiedener zeitlicher Epochen darstellen.
2. Einführung der Personen
Im folgenden Abschnitt werden die Personen Konstantin Stanislawski und Bertolt Brecht sowie ihre zentralen Theorien beschrieben.
2.1 Stanislawski
Konstantin Stanislawski (1863-1938) war russischer Schauspieler, Regisseur, Intendant, Theater-Direktor und Theaterreformer. Er gilt als einer der bedeutendsten Theaterschaffenden. Er revolutionierte mit seinen Theorien die Art des Schauspiels und die Ausbildung der Darsteller[2] und war Mitbegründer der naturalistischen Spieltheorie.[3]
Sein Leben am und für das Theater begann er im Hause seiner Eltern. Schon kurz nach seiner Geburt ließ sein Vater, oberster Vertreter der Händler in Moskau, in der Sommerresidenz der Familie einen Theaterraum einrichten. Im Alter von 20 Jahren spielte er dort seine erste Rolle vor öffentlichem Publikum. Kurze Zeit später besuchte er die „Moscow Theatre School“ und brach das Studium nach nur zwei Wochen wieder ab.[4] Bereits hier lassen sich erste Anzeichen seiner späteren Entwicklung zu einem Theaterreformer ausmachen: Ihm reicht es nicht die Tricks und Schauspielmuster seiner Lehrer nachzuahmen. Darsteller spielten zur damaligen Zeit Stereotypen. Jeder Schauspieler beherrschte eine Rolle, beispielsweise den alten Familienpatriarch. Somit waren sie nicht wandelbar und passten somit nur sehr widerwillig in die entsprechenden Stücke.
Stanislawski widerstrebte diese Art des Schauspiels und die damit verbundene fehlende Realität so sehr, dass er schon sehr früh eigene Konzepte vorstellte. Mit 24 Jahren nutzte er einen Teil seines privaten Vermögens um die Gesellschaft für Kunst und Literatur zu gründen. Hierbei handelt es sich um eine Gesellschaft zur Ausbildung junger Amateur Schauspieler.
Stanislawskis Theorie lässt sich in zwei primäre Strömungen gliedern: Die „emotionale Erinnerung“ und die „Methode der Handlung“. Beide sprechen direkt den Schauspieler und die Art seiner Darstellung an und sind damit die direkte Konsequenz der Erfahrung die Stanislawski bei der Suche nach einer geeigneten Ausbildung gemacht hat.
[...]
[1] Marchant, S. (2012), Theatre Studies – Stanislawski/Brecht.
[2] Vgl. Benedetti, J. (2008), Stanislawski Today, S.1-2.
[3] Vgl. Naughton, C. (2004), Weltenspringer, S.317.
[4] Vgl. Sawoski, P. (o.A.), The Stanislawki System – Growth and Methodology, S.1-2.