Interpretation des Gedichts "Holy 21st Century" von Anne Waldman


Ausarbeitung, 2011

12 Seiten


Leseprobe

Anne Waldman: ,Holy 21st Century’

Anne Waldman wurde 1945 geboren und gehört damit zu den ‘Nachzüglern’ der Beat Szene. Dennoch ist in ihren Werken ein Bezug zur Beat Generation mehr als deutlich. Sie wuchs in Greenwich Village, dem Künstlerviertel New Yorks, auf und kam schon frühzeitig mit vielen Beatniks in Berührung. So bestand eine enge Verbundenheit mit den tragenden Figuren der Beat Generation, wie William Burroughs, Gary Snyder und Gregory Corso. Mit Allen Ginsberg verband sie eine besonders innige Freundschaft. Sie verbrachte mehrere Monate in den 1970em auf seiner Farm in Cherry Valley und gründete gemeinsam mit ihm die ,Jack Kerouac School ofDisembodied Poetics‘ in Boulder. Ginsberg selbst nannte sie seine spirituelle Frau‘. Schon während ihrer Jugend kam Waldman mit dem Buddhismus in Berührung. Durch Reisen nach Asien vertiefte sie in den 1960er Jahren ihr Wissen diesbezüglich und nahm ihn als ihren Glauben an. Waldman selbst sah sich als „key player/persona in a hypbrid outrider tradition influenced by the so-called New York School, the San Francisco Renaissance, Black Mountain, [...] that combined to foster a generation that would continue many of the experiments and thinking of its forebears... a continuation of those magnificent epiphanies“ (Knight 287f.).

Anne Waldman’s persönliche Erfahrungen und Bekanntschaften lassen sich deutlich aus ihrem Gedicht ,Holy 21st Century‘ herauslesen. Stark treten immer wieder Parallelen zu Ginsberg’s ,Howl‘ in den Vordergrund. Letzteres wurde 1955 verfasst und bezog sich somit auf die Zustände in der damaligen Zeit. Ginsberg beschrieb das Leben als Teil der Beat Generation, welche sich als Außenseiter und Unterdrückte der Gesellschaft empfanden.

Schuld an ihrem Leid war für ihn Moloch, welches stellvertretend für alles Schlechte der Gesellschaft und Großstadt steht. Dennoch wird in der Fußnote zu ,Howl‘ alles von ihm heilig gesprochen und eine Art Utopie einer ,heiligen‘ Welt erschaffen. Gerade darauf bezieht sich Waldman in ,Holy 21st Century‘. Sie stellt das (von Ginsberg in ,Howl‘ beschriebene) zwanzigste und einundzwanzigste Jahrhundert teilweise gegenüber und fragt, ob wirklich alles heilig ist. Während Ginsberg in ,Footnote to Howľ feststellt, dass die Welt heilig ist (Ginsberg Zeile 114), scheint Anne Waldman in Zeile 2 fast darauf einzugehen indem sie fragt: ,,Is the composite world holy?“. Diese erste grundlegende Frage im Gedicht wird nicht direkt, sondern durch eine Beschreibung von Geschehnissen in der Welt indirekt beantwortet. Die Form der beiden Gedichte ähnelt sich stark. Dies fängt bereits in der ersten Zeile an, welche in beiden Fällen eine lange Aneinanderreihung des Wortes „Holy!“ umfasst (Waldman Zeile 1).

Im weiteren Verlauf findet sich injeder Wortgruppe und injedem Satz das Wort ,holy‘ wieder. Ebenso übernimmt Waldman von Ginsberg, dass bestimmte Menschen, Orte und Musikrichtungen heilig gesprochen werden, wie ich im Verlauf noch genauer darlegen werde. Zudem gehen beide auf Moloch ein. Ein entscheidender Unterschied istjedoch, wie bereits angesprochen, die Tatsache, dass Anne Waldman im Gegensatz zu Ginsberg nicht alles heiligspricht. Sie stellt viele Dinge deutlich in Frage indem sie Interrogativsätze und Wortgruppen nutzt, bezeichnet andere Sachverhalte direkt als unheilig oder falsch und differenziert so viel stärker.

Auch in ,Howl‘ lassen sich einige spirituelle Anmerkungen herauslesen. In ,Holy 21st Century‘ ist doch durchgehend ein starker buddhistischer Zusammenhang erkennbar.

Um das Gedicht verstehen zu können ist es daher nötig, sich genauer mit dem Buddhismus auseinanderzusetzen. Bereits Waldman’s Zeile 3 zeigt, woraus der Mensch - laut buddhistischem Ansatz - besteht: „Holy the 5 senses! Holy the aggregates ofbeing!“. Zu letzterem gehören: Das Aggregat der ,Formen physischer Phänomene‘ schließt beispielsweise die Sinnesorgane und -objekte mit ein. Dann gibt es noch das Aggregat der ,Empfindungen eines Grades an Glücklichsein‘, ,des Unterschiedens‘, ,der anderen beeinflussenden Variabler (z.B. das Interesse, die Aufmerksamkeit...) sowie das Aggregat des ,Primärbewusstseins‘ (Berzin, Alexander).

Durch diese Aggregate ist es dem Menschen überhaupt erst möglich die Welt wahrzunehmen und Erfahrungen zu sammeln.

Grundlegend in dieser Religion ist die Ansicht, dassjede Handlung eine unweigerliche Folge hat: das Karma. „In Buddhism, actions matter. [...] It is as simple as this: What you do, what you say, and what you feel will have an effect. [...] You can taste the effects of some types of karma right away, but other karmic actions will bear fruit at some point in the future. Karma points to the realization that everything is interconnected in some way“ (Kozak 77f.).

Waldman selbst vertritt die Meinung zur Verbundenheit alles Seins, wie man an der Heiligsprechung der „interconnectedness of all beings“ erkennen kann (Waldman Zeile 4). Der Grundgedanke, dass alles - egal ob gut oder schlecht - Konsequenzen hat, durchläuft das gesamte Gedicht. In Zeile 5 schreibt Waldman: „Karma of atrocities holy and un-holy!“.

Zum einen ist es gut, dass Gräueltaten nicht unbestraft bleiben (holy), zum anderen sind diese Taten auch immer mit dem Leid der Betroffenen verbunden und rufen erneut Konsequenzen hervor (un-holy).

In diesem Zusammenhang stellt die Autorin die zweite grundlegende Frage des Gedichts, ob das 21. Jahrhundert eine endlose Fortsetzung des 20. Jahrhunderts ist, welches durch „war“ (Zeile 6) und „environmental degradation“ (Zeile 7) geprägt war. Bezogen auf das Karma der buddhistischen Lehre bedeutet dies, dass die Menschen des 21. Jahrhunderts die Konsequenzen für bestimmte Handlungen des 20. Jahrhunderts tragen müssen. Der Karma-Gedanke dient als Grundlage für das Gedicht, welches im Verlauf Beispiele für dessen Existenz aufzeigt.

In den Zeilen 17 bis 19 nennt Waldman verschiedene Gebiete, die im 20. Jahrhundert durch Gräueltaten publik wurden, wie Rwanda (1994: Völkermord), Bosnien (1995: NATO- Luftangriffe und Geiselnahmen) und East Timor (1975: Bürgerkrieg) sowie Orte, die bereits zu Beginn des 21. Jahrhunderts von Grauen und Leid bestimmt waren, wie zum Beispiel Bagdad (2003: Irakkrieg), Mannahatta Isle (2001: Anschlag auf das World Trade Center) und Kabul (2001: Taliban vs. Nordallianz) (wikipedia). Hier zeigt sich - laut der Karma-Theorie - dass es bereits einige Konsequenzen für das 21. Jahrhundert gab. In dem Zusammenhang fordert Waldman Gerechtigkeit, Vergebung, Wahrheit und die Übernahme von Verantwortung für diese Taten (Zeile 20).

Da für Gräueltaten als Bestrafung meist das Gefängnis steht, zählt die Autorin in Zeile 21 die Gefängnisse in Bagram, Guantánamo und Abu Ghraib auf. Während sie die Heiligkeit der ersten beiden in Frage stellt, erachtet sie das letztgenannte als unheilig. Dort wurde 2004, als das Gefängnis bereits von der US-amerikanischen Armee geführt wurde, ein Folterskandal publik (Vgl. Svensson, Birgit).

Daher schreibt Waldman weiter, dassjede Form der ,maskierten‘ Folter und der sadistischen, körperlichen Schädigungen, dass aller Hass, alle Lügen und alle Schändungen unheilig sind. Das Thema Krieg findet sich auch an weiteren Stellen im Gedicht wieder. So stellt die Autorin in den Zeilen 11 bis 14 viele Aspekte in Frage. Zu Beginn geht sie auf verschiedene Religionen ein. Sie fragt, ob die Bibel, der Koran oder gar anarchistische Gebiete heilig sind. Wie kann etwas heilig sein, das durch verschiedene Auslegemöglichkeiten die Menschen manipulieren kann beziehungsweise durch unzählige Religionskriege Leid hervorruft? Der Buddhismus dagegen hat keinen Gott und ist eher eine Erfahrungsreligion als eine Glaubensreligion.

[...]

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Details

Titel
Interpretation des Gedichts "Holy 21st Century" von Anne Waldman
Autor
Jahr
2011
Seiten
12
Katalognummer
V202166
ISBN (eBook)
9783656282617
ISBN (Buch)
9783656284048
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Beat Generation, Anne Waldman, Holy 21st Century, Howl, Ginsberg
Arbeit zitieren
B.Ed. Mandy Balzer (Autor:in), 2011, Interpretation des Gedichts "Holy 21st Century" von Anne Waldman, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202166

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