Die Juden als Pariavolk im Werk Max Webers


Hausarbeit, 2007

14 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Max Weber-Kurzbiographie

3. Das Pariavolk
3.1 Begriffserklärung
3.2 Die Entwicklung der Absonderung
3.2.1 Die rituelle Absonderung
3.2.2 Die „freiwillige Ghettoexistenz"
3.2.3 Die Verheißungen der Propheten
3.3 „Paria-Kapitalismus"

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Max Weber bezeichnet die Juden als ein „von der sozialen Umwelt geschiedenes Gastvolk“1. Hierin sieht er das spezifische Charakteristikum des sogenannten „Pariavolks“. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff? Wo liegt sein Ursprung und inwiefern ist er auf das jüdische Volk übertragbar? Diese Themen behandelt Weber in einigen seiner Schriften. In dieser Arbeit möchte ich eine knappe Zusammenfassung seiner Hauptthesen wiedergeben, um dann anschließend auch die Frage beantworten zu können, warum letztendlich das antike Judentum zu einem Pariastatus von höchst spezifischer Art gelangt ist.

In dieser Arbeit sollen zunächst einmal als Primärliteratur Max Webers religionssoziologische Skizzen über „Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ dienen, an denen er in den Jahren 1911 bis 1914 arbeitete.2 Genauer werde ich mich überwiegend mit den darin enthaltenen Studien zum „antiken Judentum“ befassen, welche er zusätzlich zu den übrigen „fünf Weltreligionen“ veröffentlichte, weil er darin einige entscheidende geschichtliche Voraussetzungen für das Christentum und den Islam sah und ferner das Judentum eine gewisse Eigenbedeutung für die Entfaltung der modernen europäischen Wirtschaftsethik habe.3 Zusätzlich möchte ich auch noch einige Sprünge in seine Schriften über den „Hinduismus und Buddhismus“ machen, da Weber bereits in diesen Aufsätzen den Begriff „Pariavolk“ verwendet und definiert, wenn er über das Kastenwesen im Hinduismus schreibt. Zudem werde ich auf einige Stellen in Max Webers „Wirtschaft und Gesellschaft“ verweisen, wo er ebenfalls viele Bezüge zu den Juden als Pariavolk herstellt. Im letzten Kapitel über die Wirtschaftsethik der Juden werde ich überwiegend Webers „Wirtschaftsgeschichte“, sowie die „Protestantische Ethik“ als Literatur verwenden, da hieraus am Deutlichsten die Strukturen der jüdischen Wirtschaftsethik zu erkennen sind, die sehr stark von der Pariavolkslage der Juden abhängen.

2. Max Weber - Kurzbiographie

Max Weber wurde am 21. April 1864 in Erfurt in das Umfeld eines liberalen Groß- und Bildungsbürgertums hineingeboren. Neben seinem Studium in den Fächern Philosophie, Geschichte und Nationalökonomie, studierte er außerdem noch Jura an den Universitäten Heidelberg und Berlin, wo er 1889 an der letzteren promovierte. Den einjährigen Militärdienst absolvierte Weber, dem preußischen Militarismus noch nicht abgeneigt, in Straßburg während seiner Studienzeit in den Jahren 1883/1884; auch nahm er an mehreren Übungen teil, doch wandelte sich seine Einstellung im Laufe der Jahre grundlegend.4

Weber wurde in zahlreichen politischen Assoziationen aktiv, vor allem in dem Verein für Sozialpolitik. Im Jahre 1893 heiratete er seine Cousine Marianne Schnitger, die später eine der Führerinnen der Deutschen Feministischen Bewegung wurde. Drei Jahre später wurde er Professor für Nationalökonomie an der Universität Heidelberg. Im darauffolgenden Jahr, 1897, starb sein Vater nach einem heftigen Streit mit seinem Sohn. Daraufhin erlitt Weber eine Nervenkrise, eine psychische und physische Erschöpfung, und musste sowohl seine Lehrtätigkeit, als auch seine politischen Aktivitäten einschränken.5 Er unternahm in dieser Zeit mehrere Reisen durch Europa und die USA.6 Im Jahre 1903, nach beinahe 6 Jahren schwerer Erkrankung, fing Weber wieder an publizistisch tätig zu werden. Zudem wurde er aktiv, indem er die Deutsche Gesellschaft für Soziologie mitbegründete; ab diesem Zeitpunkt verstand sich Weber selbst auch als Soziologe.7 1911 begann er dann auch speziell mit seinen religionssoziologischen Studien, in denen er vor allem den Zusammenhang von Wirtschaftsform und religiöser Gesinnung untersuchte.8 Schon immer politisch engagiert gewesen, gründete er schließlich im November 1918 die Deutsche Demokratische Partei. Seine Kandidatur auf der Liste des hessisch- nassauischen Wahlkreises scheiterte jedoch, der Parteiaustritt folgte schließlich 1920.9 Nachdem er1918 einen Lehrstuhl für Nationalökonomie in Wien übernommen hatte, wurde er ein Jahr später nach München berufen. Am 14. Juni 1920 starb Weber schließlich im Alter von 56 Jahren an einer plötzlichen Lungenentzündung.10

3. Das Pariavolk 3.1 Begriffserklärung

ln seiner Einleitung des Werkes „Das antike Judentum“ definiert Weber die Juden unter Berufung auf die indische Gesellschaft als Pariavolk, d.h. als „ein rituell, formell oder faktisch, von der sozialen Umwelt geschiedenes Gastvolk“11. Dabei unterscheidet er in „Buddhismus und Hinduismus“ zwischen einem Gastvolk und einem Pariavolk. Ein Gastvolk sei lediglich ein wanderndes Volk, das als „Gastarbeiter“ in einer fremden Umgebung dient, in der die ansässigen Bewohner sich weigern bestimmte Aufgaben bzw. Arbeiten zu übernehmen, welche dann deshalb von dem Gastvolk verrichtet werden. Speziell um ein Pariavolk handelt es sich erst dann, wenn „rituelle Schranken einem Gastvolk gegenüber existieren“12. Um welche Schranken es sich hierbei genau handelt, werde ich in Punkt 3.2.1 erläutern.

Laut Weber sind die Juden „das großartigste historische Beispiel“13 einer solchen Pariagemeinschaft. Er schreibt in „Wirtschaft und Gesellschaft“:

„Seit dem Exil tatsächlich und auch formell seit der Zerstörung des Tempels waren die Juden ein ,Pariavolk‘, (...) eine, durch (ursprünglich) magische, tabuistische und rituelle Schranken der Tisch- und Konnubialvergemeinschaftung nach außen einerseits, durch politische und sozial negativ Privilegierung andererseits, zu einer erblichen Sondergemeinschaft zusammengeschlossene Gruppe ohne autonomen politischen Verband.“14

ln seinem Vergleich mit dem indischen Pariavolk, das in der indischen Kastenordnung keiner Kaste angehört und somit außerhalb der Gesellschaft steht15, sieht Weber drei wesentliche Unterschiede.

Zunächst einmal handelt es sich beim Judentum um ein Pariavolk, das in einer kastenlosen Umwelt lebte. Ferner waren die Vorstellungen von der zukünftigen Weltordnung bzw. die Art der Erlösungshoffnung waren grundlegend unterschiedlich; während für die Inder die Erhaltung der Kastenordnung und der Verbleib in der zugehörenden Kaste, sowie die Einhaltung der Pflichten, die Vorbedingungen waren für ein zukünftiges Leben in einer höheren Kaste nach der Wiedergeburt, sahen sich die Juden in ihrer Zukunft vielmehr als Herrenvolk der Erde. Die Welt war, im Gegensatz zu bei den Indern, nicht unabänderlich, sondern ein Produkt des Zusammenspiels von jüdischer Handlung und Gottes Reaktion auf diese.16 Als dritten Unterschied sieht Weber die rationale Ethik innerweltlichen Handelns der Juden. Mit dieser gehe der Wegfall aller magischen Mittel und Rituale zur Heilssuche einher17, sodass man auch von einem Prozess der „Weltentzauberung“ sprechen kann18, was zugleich den Beginn des Okzidents darstellte.19

Im Anbetracht dieser Unterschiede kommt dem Begriff des „Pariavolks“ in seiner Anwendung auf das Judentum weniger die Funktion des Idealtypus zu; dieser Idealtypus der „Paria“ bezieht sich vielmehr auf das historisch einmalige Phänomen der Pariakasten Indiens. Die Anwendung des Pariabegriffs aufdie Juden ist nur dann möglich, wenn man bei dem Vergleich mit den Pariakasten Indiens formal verfährt und dabei bestimmte grundlegende Strukturelemente, die den jeweiligen Systemen eigen sind, vernachlässigt.

3.2 Die Entwicklung derAbsonderung

Aus der Sicht Webers gibt es zwei entscheidende Elemente in der Entwicklung des jüdischen Volkes zu einem Pariavolk: zum einen die zunehmende Bedeutung ritueller Verbote in der jüdischen Tradition, zum anderen die Heilsbotschaft, die die jüdische Exilgemeinschaft stets entscheidend beeinflusst hat, und dazu führte, dass sich die Juden freiwillig von ihrer Umwelt abgeschottet haben.

In diesem Kapitel möchte ich diese zwei Punkte näher erläutern.

[...]


1 Weber, 1971: S.3.

2 Vgl. Kaesler, 2003, S.124.

3 Vgl. Istas, 1986, S. 62.

4 Vgl. Baumgarten, E., 1964, S.686ff.

5 Vgl. Collins, R., 1986, S. 12f.

6 Vgl.Kaesler,2003, S.25ff.

7 Vgl. Collins, R., 1986, S. 13.

8 Vgl. Kaesler, 1972, S.357.

9 Vgl. Baumgarten, E., 1964, S.712f.

10 Vgl. ebd., S.360.

11 Weber, 1971: S.3.

12 Weber, 1972, S. 12.

13 Weber, 1980, S. 636.

14 Ebd., S.282.

15 Vgl. Tischner, 2007.

16 Vgl. Weber, 1971, S.5f.

17 Vgl. ebd.

18 Vgl. Cappai, 2000, S.39.

19 Vgl. Küenzlein, 2005.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Juden als Pariavolk im Werk Max Webers
Hochschule
Universität Bayreuth
Veranstaltung
Proseminar: Grundlagen kulturwissenschaftlicher Religionsforschung II
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
14
Katalognummer
V202457
ISBN (eBook)
9783656285786
ISBN (Buch)
9783656288060
Dateigröße
404 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
juden, pariavolk, werk, webers
Arbeit zitieren
Sarah Merrett (Autor:in), 2007, Die Juden als Pariavolk im Werk Max Webers, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202457

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