Darstellung und Analyse von Agentur-Projekten vor dem Hintergrund der Principal-Agent-Theorie


Studienarbeit, 2007

99 Seiten, Note: 2,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

III Abkürzungen

1. Agentur-Projekte als Teil der Kunden-Agentur-Beziehung
1.1. Zielsetzung dieser Arbeit
1.2. Aufbau und Analyseschwerpunkte

2. Neue Institutionenökonomik im Kontext ökonomischer Betrachtungen
2.1. Analyse von Auftragsbeziehungen: Principal-Agent-Theorie
2.1.1. Entwicklung von Institutionen
2.1.2. Ungleichverteilung des Wissens
2.1.3. Erzielung und Verwendung von Einkommen
2.1.4. Unsicherheit der Verantwortlichen
2.1.5. Opportunitätsneigungen
2.1.5.1. Hidden action: Verborgene Handlungen bestimmen das Beziehungsgefüge
2.1.5.2. Hidden information: Chancen und Risiken werden subjektiv eingeordnet
2.1.5.3. Hidden characteristics: Vorabwissen erschwert die Zusammenarbeit
2.1.5.4. Hidden intention: Täuschung
2.2. Entstehung von Transaktionskosten
2.3. Theorie der Verfügungsrechte

3. Anwendung der Principal-Agent-Theorie auf Agentur-Projekte
3.1. Merkmale von Agentur-Projekten
3.1.1. Grundzüge eines Projektes
3.1.2. Abgrenzung zu anderen Auftragsleistungen
3.1.3. Auswirkungen verschiedener Agentur-Kunden- Konstellationen
3.2. Reduktion der Informationsasymmetrie
3.3. Bewältigung von Unsicherheiten
3.3.1. Komplexitätsreduktion
3.3.2. Anreizregulierung
3.3.3. Vernetzung und Koordination
3.3.4. Qualitätsmanagement
3.4. Akzeptanz für das Vorhandensein von Opportunität und deren Auswirkungen auf Agentur-Projekte

4. Anmerkungen zur Principal-Agent-Theorie
4.1. Defizite der Principal-Agent-Theorie
4.2. Erweiterungen des Ansatzes
4.2.1. Common Agency: Wenn Agenturen für mehrere Auftraggeber tätig sind
4.2.2. Nachverhandlung und Wiederholungsmodelle von Agentur-Projekten

5. Eigene Wertung und Ausblick
5.1. Kritische Würdigung des Principal-Agent-Ansatzes in der Anwendung eines Agentur-Projektes
5.2. Thematischer Ausblick auf die Thesis

IV. Anhang: Strukturierung von Agentur-Projekten

V Quellenverzeichnis
V.I. Literaturverzeichnis
V.II. Internetquellen (IQ)
V.III. CD-ROM mit Inhalten der Internetquellen und elektronische Fassung dieser Ausarbeitung

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Welche Personen hatten Einfluss auf die Auswahl einer Werbeagentur?

Abb. 2: Prinzipal vs. Agent bei symmetrischer Information

Abb. 3: Prinzipal vs. Agent bei bei exogenem Risiko (N) und ergebnisorientierter Entlohnung

Abb. 4: Zusammenfassung der Projektphasen

Abb. 5: Evolution des strategischen Erfolgsdreiecks

Abb. 6: Portal zum überregionalen Einholen von Dienstleistungspreisen

Abb. I.I: Projekt-Definitionsphase

Abb. I.II: Projekt-Angebotsphase

Abb. I.III: Projekt-Konzeptphase

Abb. I.IV: Projekt-Produktionsphase

Abb. I.V: Projekt-Testphase

Abb. I.VI: Projektabschluss

1. Agentur-Projekte als Teil der Kunden-Agentur-Beziehung

Wer auf Agentur- oder Kundenseite in Projekte involviert ist, kennt sicher die vielfältigen Anforderungen an Mensch und Material während der Abwicklung. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den ökonomischen Grundlagen einer Auftragsbeziehung zwischen zwei oder mehreren Geschäftspartnern zum Zweck der Durchführung einer Agenturleistung. Der Begriff „Agentur“ wird hier als im weiteren Sinne einer Werbeagentur der TIME-Branche verwendet, welche im Verständnis eines konvergierenden Agenturmarktes eine Print-, Online-, Event- oder Lead- Agentur sein kann – oder auch Teilmengen davon in beliebigen Organisationsformen.

Grundlage einer Auftragsvergabe ist eine Make-or-Buy-Entscheidung. Strategisch gliedert sich diese Frage in Markt und Hierarchie. Hierarchie bedeutet, dass die Kreativleistung in die Unternehmenshierarchie eingegliedert wird statt eine Agentur mit dem Projekt zu beauftragen. Eine unternehmenseigene Abteilung wird jedoch nur wirtschaftlich arbeiten, wenn sie kontinuierlich beschäftigt wird. Die Einführung eines neuen Produktes oder einer Dienstleistung fordert ohnehin schon Leistungsspitzen von allen Beteiligten, wobei externe Dienstleister eine kurzfristige Potenzialerweiterung bieten können. Eine unternehmensinterne Lösung wird daher nur von Unternehmen praktiziert, die einen gleichmässigen Bedarf an Kommunikation haben. Als Beispiele seien hier Discount-Märkte und Möbelhäuser genannt, welche mit wöchentlichen Prospekten über Angebote informieren.[1] Bei Eingliederung einer Leistung in die Unternehmenshierarchie ist ebenso zu klären, welchen Stellenwert die Leistung für das Unternehmen hat. Ist die strategische Kernaufgabe nicht die Kommunikation, handelt es sich um ein Gut mit geringer Spezifität und eignet sich daher für eine Beauftragung.[2] Die Entscheidung darüber wird als originäre Aufgabe des Top-Managements verstanden.[3]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Welche Personen hatten Einfluss auf die Auswahl einer Werbeagentur?[4]

Die Auswahl einer geeigneten Agentur hingegen wird hauptsächlich vom Marketing getroffen. Damit finden sich auf beiden Seiten der Beziehung vertriebsorientierte Partner und es wird eine hohe Deckung der Interessen erzeugt.

An Vertragsbeziehungen zwischen einem Kunden und einer Agentur werden hohe Erwartungen gesetzt. Die Erwartungshaltung eines Kunden gegenüber den Kompetenzen einer Agentur hat drei Dimensionen:[5]

- Die Sachebene, z. B. Kreation, Beratung, Vertragsgestaltung
- Die emotionale Ebene, z. B. Gefühle, Sympathien, Erfolg
- Die organisatorische Ebene, z. B. Personalressourcen, Rechte, Technik

Um diesem Umfang gerecht zu werden, bedienen sich Agenturkunden zwei unterschiedlicher Herangehensweisen: Agentur-Aufträge mit Projektbezug und Aufträge mit zeitlichem und monetären Bezug, sog. Etats, bei denen sich der Agenturkunde vertraglich an die Agentur bindet.

Etatvergaben nehmen 61%[6] des deutschen Agenturmarkt ein und geben vielen Agenturen Planungssicherheit. 2/3 dieser Etats sind Pauschalhonorare, der Rest sind Provisionen aus Media und Produktion. Aus Agentursicht ist es eine sicherlich erstrebenswerte Beziehungssituation, Etats zu halten und mehr noch, die Risiken auf mehrere Etats zu verteilen.

Für den Agenturkunden ist eine etatgebundene Beziehung optimal, wenn durch dauerhafte Agenturarbeit Kontinuität der betreuten Dienstleistung oder des betreuten Produktes wichtig ist. Die Kunden-Agentur-Beziehung erlebt in dieser langfristigen Vertragssituation unterschiedliche Lebensphasen, bei denen neben Euphorie auch Routine und Frust an der Kompetenz der Agentur in Frage gestellt werden.[7]

Bei der Darstellung der projektorientierten Beziehungen wird der Fokus vom Auftraggeber auf kurzfristige Engagements gelegt.[8] Aus Kundensicht ergibt sich dabei ein höherer Planungsbedarf, weil die zu beauftragende Agentur in der Regel ein vollständiges Briefing bekommen und mit den Eigenarten des Unternehmens wie auch der Unternehmensphilosophie und dem Corporate Design vertraut gemacht werden muss. Das bedeutet eine längere Durchlaufzeit des Projektes, eine evtl. längere Bearbeitungszeit und eine höhere Anzahl von Korrekturschleifen. Da die Agentur meist keine Hinweise auf eine weitere Zusammenarbeit hat, wird sie eine kurzfristige Gewinnmaximierung anstreben. Dies bedeutet für den Auftraggeber kurzfristig höhere Kosten.

Trotz dieser organisatorischen Nachteile bestehen die Vorteile dieser Beziehungsvariante darin, dass keine zeitlichen Agenturverträge, sondern auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtete Verträge geschlossen werden. Bei der stärker werdenden Differenzierung der medialen Vertriebswege scheint eine Spezialisierung der Agenturen ebenso wenig aufzuhalten zu sein. Somit ergibt sich für Agenturkunden eine Zunahme an neuen Agenturverträgen aufgrund der genannten Risiken, für jedes mediale Fachgebiet wird der dafür optimale Partner beauftragt. Dieser Trend wird von Agenturen bestätigt, denn 3/4 der vom GWA befragten Agenturen gaben an, dass sich der Trend zu spezialisierten Agenturen hin entwickelt.[9]

Für das Agentur-Projekt findet sich in der Literatur keine eindeutige Definition. Hier sei die Bedeutung, welche ein Projekt als eine Aufgabe im weitesten Sinne versteht, angenommen. Unter diesem Aspekt werden Projekte als Sonderaufgaben mit einem aussergewöhnlich breiten Kompetenzbedarf, d. h. als eine Besonderheit charakterisiert, die es erforderlich werden lässt, sie aus der Primärorganisation auszulagern. Dabei finden die Merkmale der zeitlichen Befristung, der Komplexität und der Neuartigkeit Beachtung.[10]

Diese Merkmale können ohne weiteres auf Agentur-Projekte angewendet werden, denn die Beauftragung einer Leistung impliziert bereits, dass eine „aussergewöhnliche“ Aufgabe zu erledigen ist, die nicht in der Linie erledigt werden kann, sei es aus fachlicher oder aus terminlicher Sicht.

Der Principal-Agent-Ansatz unternimmt im Rahmen der Neuen Institutionenökonomik den Versuch, ökonomische Zusammenhänge von Principal (Auftraggeber) und Agent (Auftragnehmer) abzubilden, die über die streng rationale Betrachtung der Neoklassik hinausgehen.[11] Die Kunden-Agentur-Beziehung und im Besonderen das Agentur-Projekt zeigt dazu markante Parallelen auf.

1.1. Zielsetzung dieser Arbeit

Im Rahmen der PSA „Analyse von Agenturprojekten unter besonderer Berücksichtigung der Akteure“ wurde bereits auf den Sinn der Beauftragung von Agenturen eingegangen. Das Agentur-Projekt wurde exemplarisch in Phasen aufgeteilt, die entsprechenden Akteure identifiziert und der gesamte Projektverlauf analysiert.[12]

Demzufolge bildet diese Arbeit ihren Schwerpunkt in der Definition und Analyse der Principal-Agent-Theorie im Rahmen der Neuen Institutionenökonomik und deren Ableitung auf Agentur-Projekte. In Kapitel 4 sind Argumente zu finden, die sich einerseits kritisch mit dem Thema auseinandersetzen und anderseits Wege über die normative Betrachtung hinaus zeigen, den Prinicipal-Agent-Ansatz praxisnäher zu sehen.

1.2. Aufbau und Analyseschwerpunkte

Zum Verständnis der Principal-Agent-Theorie wird zunächst grundlegend auf den Themenkomplex der Neuen Institutionenökonomik eingegangen, wobei die Themenbereiche Transaktionskosten und Theorie der Verfügungsrechte lediglich theoretisch betrachtet werden. Die Definition der Institution findet ein eigenes Kapitel.

Die Principal-Agent-Theorie dagegen wird bis in die Darstellung der Opportunität der Akteure dargestellt, mit Ausprägungen, die in der Neoklassik keine Entsprechung finden. Alle diese Merkmale finden im dritten Kapitel eine Anwendung auf Agentur-Projekte und es wird gezeigt, wie diese unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus der Principal-Agent-Theorie Einfluss auf diese Projekte haben. Im vierten Kapitel werden die Grenzen der thematisierten Theorie sowie die im Laufe der Zeit veröffentlichten Erweiterungen angesprochen.

2. Neue Institutionenökonomik im Kontext ökonomischer Betrachtungen

Oft wird Ökonomik mit der Definition der Wissenschaft vom wirtschaftlichen Handeln vor dem Hintergrund auftretender Knappheitsprobleme wiedergegeben.[13] Im Kontext weltweiter ökonomischer Ungleichverteilung und der kontinuierlichen Aufrechterhaltung dieses Zustandes muss der Begriff der Ökonomik auf die „Wissenschaft von den individuell rationalen Wahlhandlungen der Menschen in einer Welt unbegrenzter Bedürfnisse und knapper Ressourcen“ erweitert werden.[14]

Dies führt zu einer Betrachtung der Eigenschaften des wirtschaftlich handelnden Individuums, welches im Modell des Homo Oeconomicus definiert wird. Neben einigen tautologisch anmutenden Erklärungsversuchen steht die Annahme von Präferenzen innerhalb einer Knappheitssituation sowie das Vorhandensein eines rationalen Plans im Zentrum des Handelns des Homo Oeconomicus.[15] Das bedeutet eine Neigung zur Mehrung des Wohlstands bei Minimierung von Arbeit. Bemerkenswert für die Betrachtung in dieser Ausarbeitung ist ist die unbedingte Befriedigung des persönlichen Wohls selbst durch Lügen und Betrug zu erreichen.[16]

Diese Individualität ist allerdings durch das kollektive Auftreten von Individuen begrenzt, weil sich viele Menschen Raum und Zeit teilen müssen. Das erzeugt eine Form von Sozialisierung, welche teils bewusst, teils unbewusst geformt wird. Dieses körperlose Regelwerk ohne Selbstzweck wird ökonomisch als „Institution“ bezeichnet.[17]

Die hinlänglich bekannte neoklassische Ökonomik in der Definition eines perfekten Referenzmodells der Wirtschaftssubjekte vernachlässigt dagegen bedeutsame Effekte der Realität, die durch die Einbeziehung von Institutionen einfliessen. Räumlich seien hier hier kollektives Verhalten, Reibungsverluste bei steigender Entfernung und die Existenz von Kosten zur Überwindung dieser erwähnt.[18] Zeitliche Komponenten werden in der Neoklassik nicht abgebildet. Dies führt zu einer Vernachlässigung der Einbeziehung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten und der Nichtbeachtung der zeitlichen Begrenzung des Menschen durch seine Lebensdauer und die daraus resultierenden Gegenwerte von Geld und Zeit.[19]

Aus diesen Überlegungen haben sich drei Ansätze herausgebildet, welche die Facetten der Neuen Institutionenökonomik abbilden. Bei der realen wirtschaftlichen Interaktion treten selten einzelne die Teilansätze betreffende Probleme auf, vielmehr liegt je nach Problemstellung die Betonung auf einem Teilansatz unter Begleitung der anderen. Diese drei Fälle werden unterschieden in:

- Verhandlung von Verfügungsrechtspositionen
- Auftreten von Transaktionskosten
- Interessen von mindestens zwei Vertragspartnern[20]

Im Folgenden werden die drei Ansätze erklärt, wobei ein Schwerpunkt auf die Interessenkonflikte gelegt wird, die zwischen einem Auftraggeber, genannt Prinzipal und einem Auftragnehmer, dem Agenten, bestehen.

2.1. Analyse von Auftragsbeziehungen: Principal-Agent-Theorie

Die vertikale Arbeitsteilung bildet ein Grundprinzip der Ökonomie. Die dadurch erreichte Dezentralisierung von Spezialwissen kann dabei innerbetrieblich als auch unternehmensübergreifend verteilt sein. Die bilateralen Kooperationen zwischen Prinzipal und Agent basieren auf einem Vertrag, in dem beide Parteien die Rahmenbedingungen ihrer Zusammenarbeit regeln. Entscheidend für die Qualität eines solchen Vertrages ist, ob die Vertragselemente von dritten verifizierbar sind, um eine Erfüllung oder einen Bruch des Vertrages bindend festzustellen.[21]

Zwischen den Partnern besteht allerdings keine natürliche Markttransparenz. Durch das Vorhandensein von Spezialwissen und der Organisationsstrukturierung in separate Unternehmen kommt es zu einer Informationsasymmetrie und damit zu einem Messproblem. Die Aufgabe des Principal-Agent-Ansatzes besteht also darin, die Vertragsprobleme zwischen Principal und Agent zu bewältigen.[22]

2.1.1. Entwicklung von Institutionen

Ausgehend von der Modellwelt der Neoklassik, in der die effiziente Ressourcenallokation zu dem Ziel führen soll, die gegeben knappen Mittel ihrer jeweils besten Verwendung zuzuführen, bildet dort der Preis die Koordination zwischen den Parteien.[23] Dieses Modell bedingt allerdings einiger Faktoren, welche als implizit vorausgesetzt werden:[24]

- Es herrscht totales Konkurrenzgleichgewicht und vollständige Markttransparenz.
- Der Preis ist dabei eine Funktion aus homogenen Faktoren bzw. Leistungen.
- In einem iterativen Verfahren werden durch Recontracting vollständige Verträge geschlossen.
- Abschluss, Überwachung und Änderung dieser Verträge führt zu keinen Kosten.

Die Kritik an diesem Modell beinhaltet massgeblich die Vernachlässigung von Transaktionskosten, das implizite Vorhandensein eines Marktgleichgewichts in einer homogenen Umgebung und die Abwesenheit von Opportunismus in der Welt der absoluten Transparenz.[25] Wesentlich realitätsnaher ist die Annahme, dass der Gesamtmarkt aus vielen, nur bedingt abhängigen Ökosystemen besteht, zwischen denen der Preis nur eine von vielen Abhängigkeiten ist. Zudem können die politischen Rahmenbedingungen sowohl betriebs- als auch volkswirtschaftlich relevant sein.[26] Ebenso muss davon ausgegangen werden, dass der Versuch, die erwähnte Informationsasymmetrie zu reduzieren, Kosten erzeugt, welche beim Auftraggeber entstehen und daher nicht in den Preis des gelieferten Produkts eingehen.

Damit findet der Begriff der Institutionen ökonomische Beachtung.[27] Wenn für die Beziehung zwischen zwei Vertragspartnern Regeln bestimmt werden, führen diese allgemein zu einer Reduktion von Unsicherheit: „All human interaction requires a degree of predictability. Individual actions become more predictable when people are bound by rules (which we shall call institutions)“[28]

Damit wurde auch schon sehr früh erkannt, dass die Institution nicht von den Akteuren getrennt gesehen werden darf, vielmehr noch die Existenz von handelnden Personen entscheidenden Einfluss auf das Funktionieren von Institutionen haben: „Man kann keine absolut betriebssicheren Institutionen bauen, d. h. Institutionen, deren Funktionieren nicht im großen Maße von Personen abhängen würde: Institutionen können die Unsicherheiten des personalen Faktors bestenfalls herabsetzen, indem sie jenen Menschen helfen, die auf die Ziele der Institutionen hinarbeiten und von deren persönlicher Initiative und persönlichem Können der Erfolg in hohem Maße abhängt. (Institutionen sind wie Festungen. Sie müssen nach einem guten Plan entworfen und mit einer geeigneten Besatzung versehen sein.)“[29]

Eine Institution kann somit als Regel- und Handlungssystem bezeichnet werden, welche die Beziehungszusammenhänge durch einen Aktionsrahmen mit definierten Wirkungsmechanismen strukturiert. Für das Verhalten der Akteure innerhalb der Institution werden Annahmen getroffen, welche die Komplexität realer Sachverhalte auf Modellmaßstab reduziert.[30]

2.1.2. Ungleichverteilung des Wissens

Unter Annahme von symmetrischer Information lässt sich ein spieltheoretisches Referenzmodell entwerfen, bei dem es drei Entscheidungen unter Ausschluss von Risiko gibt. Der Prinzipal wählt, ob er einen Vertrag grundsätzlich anbieten würde, der Agent entscheidet über die Annahme und über sein Anstrengungsniveau.[31] Dies lässt sich in einem Spielbaum darstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Prinzipal vs. Agent bei symmetrischer Information[32]

Dieses Modell kann um zwei Komponenten erweitert werden, die das Modell der Realität näher bringt. Als erstes sei hier das exogene Risiko genannt, eine Zufallsvariable der Umwelt, die weder der Prinzipal noch der Agent bestimmen kann aber ebenfalls das Ergebnis beeinflusst. Die zweite Komponente betrifft das Verhalten der Akteure nach Vertragsabschluss und die Unvollständigkeit des Wissens über die Handlungen und Motivationen des Agenten. Der Prinzipal wird daher eine Risikoabschätzung vornehmen und entscheiden, in welchem Maße er die Entlohnung des Agenten an das Ergebnis bindet.[33] Der erweiterte Spielbaum lässt sich demnach wie folgt visualisieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Prinzipal vs. Agent bei bei exogenem Risiko (N) und ergebnisorientierter Entlohnung[34]

In diesem Modell kann der Prinzipal nicht erkennen, ob ein Ergebnis durch das Verhalten des Agenten oder durch Umwelteinflüsse zustande gekommen ist. Häufig hat der Agent ein besseres Umwelt-Informationsniveau und kann so die Wahrscheinlichkeit der zu erzielenden Ergebnisse besser einschätzen.[35]

2.1.3. Erzielung und Verwendung von Einkommen

Auf Basis einer Absicht von Einkommenserzielung[36] werden Principal-Agent-Verträge möglich. Der Prinzipal unterbreitet den Kooperationsvertrag unter dem ihm zur Verfügung stehenden Informationen und den zu erwarteten Problemen.[37] Angestrebt wird bei der Ausformulierung eine Pareto-Effizienz, bei der kein Akteur durch ein Abweichen seinen Nutzen erhöhen kann ohne den Nutzen der anderen Akteure zu verringern.[38] Als Bewertungsmaßstab gelten hier individuelle Präferenzen, bei denen zwischen zwei möglichen Allokationen ein eindeutiger Vorzug gegenüber einer Alternative gefunden werden kann.[39] Zur Bewertung von unübersichtlichen Informationsmengen und damit auch Entlohnungsstrukturen bietet sich eine ABC-Analyse an.[40]

Mit einer outputbasierten Entlohnung werden dem Agenten Anreize gesetzt, die übertragene Aufgabe für den Prinzipal nutzenmaximiert zu erledigen. Damit wird darüber hinaus eine Selektion der Agenten erwirkt, welche die Aufgabe produktiv lösen konnten.[41] Das Entspricht restriktiven Massnahmen bei unerwünschtem statt einer Belohnung für produktives Verhalten. Der Prinzipal erreicht damit eine höhere Loyalität des Agenten und reduziert Fehlverhalten.[42]

Die Gestaltung von Anreizverträgen liegt verschiedenen Prinzipien zugrunde, wozu die Gewichtung der Indikatoren, die Intensität des Anreizes, der Aufwand der Überwachung, die Einbeziehung von Kompensationshandlungen sowie die Bestimmung des Leistungsstandards gehören.[43]

2.1.4. Unsicherheit der Verantwortlichen

Entscheidungen in der Realität werden fast nie unter Sicherheit getroffen. Die Theorie der Entscheidung unter Unsicherheit (Risiko) findet damit Platz in der formalen Principal-Agent-Theorie. Es gibt aber in allen Fällen ein gewisses Wissen über die Folgen von Entscheidungen, welches durch den Erwartungsnutzen definiert wird. Die Stärke der unsicheren Auswirkungen der Entscheidung bestimmt, ob sich die Akteure risikoneutral bzw. risikofreudig und -aversiv verhalten.[44]

Neben dem Standard-Agency-Modell (SAM), welches sich aus der Bestimmung optimaler Risikoverteilungsverträge unter Einbeziehung der asymmetrischen Informationsverteilung entwickelt hat, besteht das LEN Modell. LEN setzt sich zusammen aus der Annahme linearer Technologie und Entlohnung (L), exponentieller Nutzenfunktion (E) und normalverteilten exogenen Risiken (N)[45] und findet in der Hidden-Action-Funktion Anwendung.

Unter Beachtung von Effizienzmaximierung werden Prinzipal und Agent versuchen, die Unsicherheiten zu minimieren. Abgesehen von den Opportunitätsneigungen, die im nächsten Kapitel beleuchtet werden, werden in Kapitel 3 organisatorische Methoden vorgestellt, die die Unsicherheit von Entscheidungen einschränken oder den Nutzen maximieren.

2.1.5. Opportunitätsneigungen

Ohne das Vorliegen opportunistischen Verhaltens reichen einfache Versprechen aus, den „Geist der Vereinbarung“ auszufüllen. Das bedeutet, dass der Agent ehrlich sein Anstrengungsniveau bekannt gibt so wie ein Gebrauchtwagenhändler offen über alle Schwächen eines von ihm angebotenen Automobils sprechen würde. Damit wird rationales Handeln zwischen Prinzipal und Agent vorausgesetzt. Begrenzt rationales Verhalten ist das Ergebnis des erfolglosen Versuchs, rational zu handeln. Das Verfolgen von eignen Interessen abseits rationaler Handlungen entsteht erst durch die Gleichzeitigkeit der Unvollständigkeit von Verträgen und opportunistischem Verhalten der Akteure.[46] Prinzipal und Agent haben unterschiedliche Möglichkeiten, mit opportunistischem Verhalten die Beziehung zu beeinflussen.

2.1.5.1. Hidden action: Verborgene Handlungen bestimmen das Beziehungsgefüge

Für den Prinzipal tritt ein Informationsdefizit ein, wenn das Verhalten des Agenten nicht unmittelbar beobachtbar ist oder ihm die Kosten für die Kontrolle dessen zu hoch erscheinen. Eine Konditionierung des Agenten auf den Arbeitseinsatz ist damit nur noch bedingt möglich. Da ein Arbeitsergebnis auch von externen Faktoren abhängig ist, lassen sich die Gründe für ein schlechtes Ergebnis nicht mehr exakt zuweisen. Der Agent kann sich daher entscheiden, nicht im Sinne des Prinzipals zu arbeiten ohne Einbußen in Kauf zu nehmen, wenn er das Informationsdefizit des Prinzipals zu opportunistischen Zwecken gebraucht. Tut er dies, spricht man von „moral hazard“, einem moralischen Risiko.[47]

Das in der Agencytheorie als „shirking“[48] bezeichnete Verhalten drückt aus, dass durch bewusstes langsameres Arbeiten die wahren Leistungsmöglichkeiten des Agenten verschleiert werden und gehören somit genau wie „consumption on the job“, die private Nutzung betrieblicher Güter, zu den hidden actions.[49]

2.1.5.2. Hidden information: Chancen und Risiken werden subjektiv eingeordnet

Selbst wenn der Prinzipal das Verhalten des Agenten beobachten kann, sind Informationsasymmetrien nicht ausgeschlossen. Dazu gehören in erster Linie Informationen, die der Agent besitzt, der Prinzipal aber nicht beurteilen kann. Bei der Ausnutzung dieser Möglichkeit wird ebenso von moral hazard gesprochen.[50] Der Informationsvorsprung auf seiten des Prinzipals kann ausgeschlossen werden, da es für den Prinzipal vorteilhaft ist, den Agenten vor Vertragsabschluss über sein Wissen zu informieren.[51] Es handelt sich also dabei um vom Agent bewusst vernachlässigten Chancen und Risiken zum Nachteil des Prinzipals.

[...]


[1] Vgl. HORIZONT (2007) S. 10.

[2] Vgl. HESS (2002), S. 34f.

[3] Vgl. FISCHER (1993), S. 3.

[4] Online-Befragung zum Thema: „Wie werden Werbeagenturen ausgewählt?“, siehe dazu auch IQ1.

[5] Vgl. TILLMANNS (2000), S. 34, in Anlehnung an DILLER (1996).

[6] GWA-Herbstmonitor 2005: Rendite, Agentur-Income, siehe dazu auch IQ 2.

[7] Vgl. TILLMANNS (2000), S. 60.

[8] Auch, wenn ein Projekt innerhalb eines Rahmenvertrags abgewickelt wird.

[9] GWA-Herbstmonitor 2006: Kunden-Agentur-Beziehung, siehe dazu auch IQ 3.

[10] Vgl. CORSTEN (2000), Seite 1ff.

[11] Vgl. RICHTER / FURUBOTN (1998), ERLEI / LESCHKE / SAUERLAND (1999) und GÖBEL (2002).

[12] Siehe dazu auch Anhang.

[13] Vgl. ERLEI / LESCHKE / SAUERLAND (1999), S. 2.

[14] Vgl. GÖBEL (2002), S. 22.

[15] Vgl. ERLEI / LESCHKE / SAUERLAND (1999), S. 3 ff.

[16] Vgl. GÖBEL (2002), S. 27.

[17] FURUBOTN / RICHTER (1998), S. 7 bezeichnet die Institution als „the grin of the cat, the rules of the game without the players. The functioning of an institution, though, depends in a part of the individuals who use it.“.

[18] Vgl. BLUM / DUDLEY / LEIBBRAND / WEISKE (2005), S. 59 f.

[19] Vgl. DIETL (1991).

[20] Vgl. GÖBEL (2002), S. 60.

[21] Vgl. JOST (2001), S.11 ff.

[22] Vgl. GÖBEL (2002), S. 62.

[23] Vgl. ERLEI / LESCHKE / SAUERLAND (1999), S. 44 ff.

[24] Vgl. GÖBEL (2002), S. 28 f.

[25] Vgl. FURUBOTN / RICHTER (1998), S. 8 ff.

[26] Vgl. KASPER / STREIT (1998), S. 1.

[27] GÖBEL (2002), S. 41 bemerkt, dass der Kaufvertrag als Institution allerdings schon wesentlich länger existiert, aber nicht unter diesem Gesichtspunkt betrachtet worden ist.

[28] Vgl. KASPER / STREIT (1998), S. 1.

[29] Vgl. POPPER (1965), S. 53.

[30] Vgl. FÜLBIER (2005), S. 26 f.

[31] Vgl. MEYER (2002), S. 63.

[32] In Anlehnung an MEYER (2002), S. 66.

[33] Vgl. MEYER (2002), S. 68 ff.

[34] In Anlehnung an MEYER (2002), S. 72.

[35] Vgl. BLICKLE-LIEBERSBACH (1990), S. 23.

[36] Genauer: Gewinn.

[37] Vgl. BLICKLE-LIEBERSBACH (1990), S. 21.

[38] Vgl. KRÄKEL (2004), S. 17.

[39] Vgl. DUDA (1987), S. 49.

[40] Vgl. SCHULTE-ZURHAUSEN (2005), S. 554.

[41] Vgl. BACKES-GELLNER / WOLFF (2001), S. 413.

[42] Vgl. GÖBEL (2002), S. 113 f.

[43] Vgl. MEYER (2002), S. 78 ff.

[44] Vgl. ERLEI / LESCHKE / SAUERLAND (1999), S. 106 ff.

[45] Vgl. BLICKLE-LIEBERSBACH (1990), S. 26.

[46] Vgl. ERLEI / LESCHKE / SAUERLAND (1999), S. 178 f.

[47] Vgl. JOST (2001), S. 25 f.

[48] Oder „Drückebergerei“.

[49] Vgl. GÖBEL (2002), S. 102 und KRÄKEL (2004), S. 20 ff.

[50] Vgl. JOST (2001), S. 30 f.

[51] Vgl. KIENER (1990), S. 90 ff.

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
Darstellung und Analyse von Agentur-Projekten vor dem Hintergrund der Principal-Agent-Theorie
Hochschule
Steinbeis-Hochschule Berlin  (School of Management and Innovation)
Veranstaltung
Bachelor in Medien und Marketing
Note
2,4
Autor
Jahr
2007
Seiten
99
Katalognummer
V202481
ISBN (eBook)
9783656285755
ISBN (Buch)
9783656286608
Dateigröße
2089 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
neue institutionenökonomik, institutionenökonomie, opportunität, hidden action, hidden information, hidden characteristics, hidden intention
Arbeit zitieren
Henry Voßiek (Autor:in), 2007, Darstellung und Analyse von Agentur-Projekten vor dem Hintergrund der Principal-Agent-Theorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202481

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