Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Sachanalyse
2. Didaktische Analyse
Literaturverzeichnis
1. Sachanalyse
Inhaltsangabe
Der Erzähler der Geschichte (sein Name wird dem Leser während der ganzen Erzählung unbekannt bleiben) begibt sich auf eine Schiffsreise und begegnet dort dem Schachweltmeister Mirko Czentovic und Dr. В. Während Ersterer sich durch seinen Mangel an Intelligenz auszeichnet ist der Andere kultiviert und äußerst gebildet. Jedoch wurde er jahrelang von den Nationalsozialisten in Isolationshaft gehalten, da er als Besitzer einer Anwaltskanzlei, versuchte Kircheneigentum vor ihnen zu verstecken. Nach einigen Monaten Gefangenschaft gelingt es ihm, einen Wärter ein Schachbuch zu klauen, dessen abgebildete Partien er von nun an in Gedanken nachspielt. Als er am Schluss schließlich das Paradox versucht, gegen sich selbst zu spielen, wird er wahnsinnig.
Die Schachpartie zwischen Mirko Czentovic und Dr. В. bilden schließlich das Finale der Novelle. Tatsächlich muss der Weltmeister nach der ersten Partie seine Niederlage gegen den Amateur Dr. В. eingestehen. Als sich sein Mitspieler schließlich jedoch wider besseren Wissens auf eine weitere Partie einlässt, bricht dessen „Schachfieber“ erneut aus. Er wird ungeduldig und aggressiv und verliert letztendlich durch seine Manie das Spiel.
Textaufbau/Struktur
Deutlich wird durch den Umfang der Novelle von etwa 50 Seiten, dass die Erzählzeit deutlich kürzer ist, als die erzählte Zeit, da Stefan Zweig das Geschehen stark gerafft hat. Außerdem ist sie durchgehend in der Vergangenheitsform geschrieben und behandelt einen Zeitraum von wenigen Tagen.
Viel entscheidender für die Novelle als die Zeit der Schiffsreise sind jedoch die zwei Rahmenhandlungen, die in Form von externen Analepsen in das Geschehen eingebettet sind. Die Erste behandelt den bisherigen Lebensweg von Mirko Czentovic und wird von dem Erzähler wiedergegeben. In der zweiten Binnenhandlung erläutert Dr. В. selbst seinen einschneidenden Lebensabschnitt in Isolationshaft. Die beiden Rückblenden bilden so die Grundlagen für das weitere Geschehen, da sie den Lesern näher in die Psyche der beiden Personen einführen und dadurch ihr weiters Verhalten an Board erklären.
Personen
Mirko Czentovic ist so zwar Meister in seinem Fach, allerdings ist „seine Unbildung [...] auf allen anderen Gebieten gleich universell,“1 wodurch sich nicht nur seine Intelligenz, sondern auch seine soziale Kompetenz auf einen äußerst niedrigen Niveau befinden.
Dr. В. hingegen wird als kultivierter, gebildeter Mann von 45 Jahren beschrieben, der als Gegner der Nationalsozialisten und unschuldig Inhaftierter schnell die Sympathie des Lesers erlangt. Seine intellektuellen Fähigkeiten kann er jedoch in Gefangenschaft kaum noch nutzen und so erkrankt er schließlich an einer „künstlichen Schizophrenie,“2 welche durch das Schach spielen gegen sich selbst hervorgerufen wurde. Und so ändert sich sein Wesen bei jedem erneuten Ausbruch seiner Krankheit. Er wird aggressiv, geistesabwesend und unhöflich.
Der Erzähler ist eher eine Randfigur in der Novelle und trotzdem ist er es, der die Handlung vorantreibt.3 Durch sein Interesse für abseitige Menschen, will er den Schachweltmeister Czentovic näher kommen und arrangiert so durch sein inszeniertes Schachspiel an Bord letztendlich die Begegnung zwischen den drei Hauptfiguren.
Eingliederung in die Gattung der Novelle
Die Schachnovelle weist nicht nur durch ihren Titel eindeutig auf die Gattung des Textes hin. Auch ihr Inhalt erfüllt die klassischen Merkmale einer Novelle, was hier nun im Einzelnen näher erläutert werden soll.
Eine Novelle fingiert als ein Bezug zur tatsächlichen Realität und auch die Erzählung lässt sich zweifelsfrei in den historischen Kontext des Nationalsozialismus einbetten.4 Natürlich sind die Umstände des Geschehens, wie die zufällige Begegnung eines Schachweltmeisters und einem „Schachkranken“ äußerst unwahrscheinlich. In der Gattung der Novelle ist die Behandlung des Nicht-Alltäglichem jedoch durchaus üblich, solange sich die Begebenheiten prinzipiell im Rahmen des Möglichen abspielen.5
Des Weiteren verdichtet sich die Silhouette einer Novelle um ein zentrales Grundthema oder Leitmotiv, was der Autor Paul Heyse als „den Falken“ der Erzählung bezeichnete.6 Bei dieser Novelle ist dieser das Dingsymbol des Schachspieles, welches die einzelnen
Charaktere der Erzählung miteinander verbindet. Das Schwarz und Weiß des Spielbrettes spiegelt auch noch einmal die klare Aufteilung der Hauptpersonen in „Gut“ und „Böse“ wider.
Sprache
Die Sprache der Novelle ist sehr abwechslungsreich und unterstreicht oftmals die momentane Situation, die beschreiben wird. Wird zum Beispiel das schwerfällige Denken und Handeln des Schachweltmeisters mit seinem gebildeten und kultivierten Antagonisten Dr. В. verglichen, so verdeutlicht auch der stark variierende Satzbau noch einmal diese Persönlichkeitsmerkmale :
„Czentovic, der Routinier, blieb während der ganzen Zeit unbeweglich wie ein Block, die Augen streng und starr auf das Schachbrett gesenkt; Nachdenken schien bei ihm geradezu eine physische Anspannung, die alle seine Organe zu äußerster Konzentration nötigte. Dr. В. dagegen bewegte sich vollkommen locker und unbefangen.“
Da der Erzähler und Dr. В. offensichtlich aus kultivierten Kreisen stammen, sind ihre Äußerungen oftmals von Fremdwörtern durchsetzt. Diese rhetorische Erhabenheit verlor Dr. В. jedoch damals in Isolationshaft aufgrund fehlender Kommunikations-möglichkeiten und so war er schon bald nicht mehr in der Lage sich zu konzentrieren und klar zu äußern. Während so also seine Gedanken rotieren, finden sich auch in seiner Erzählung zahlreiche Wiederholungen und Satzverschachtelungen: „Ich überlegte, ich durchdachte, ich durchforstete, ich überprüfte meine eigene Aussage auf jedes Wort.“7
Interpretationsansätze/Symbolik
Die Novelle endet damit, dass das „Böse“ gewinnt, da Dr. В. schließlich in der zweiten Partie seinem „Schachfieber“ erliegt und somit an dem „Schachautomaten“8 Czentovic zu Grunde geht. Wird diese Niederlage des kultivierten Geistes gegen das Inhumane im politischhistorischen Kontext betrachtet, kann sie als Aufforderung des Autors verstanden werden, sich selbst im Kampf gegen das Böse nicht unter sein eigenes Niveau zu begeben. So kann sich Dr. В. in der ersten Partie durchaus gegen Mirko Czentovic behaupten, indem er seine Fähigkeiten und kühne geistige Überlegenheit nutzt.
[...]
1 Ebd., S. 20.
2 Ebd., S. 82.
3 Vgl. Sahre, Stefan Zweig - Schachnovelle, S. 31.
4 Gelfert, Hans-Dieter: „ Wie interpretiert man eine Novelle und eine Kurzgeschichte? ". Stuttgart 2007. S. 32.
5 Vgl. Gelfert, Wie interpretiert man eine Novelle und eine Kurzgeschichte?, S. 35.
6 Zweig, Stefan: „Schachnovelle“. Frankfurt/M. 2002. S. 97.
7 Vgl. Zweig, Schachnovelle, S. 60.
8 Vgl. Zweig, Schachnovelle, S. 82.